Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 588/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 66/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Juni 2018 wird aufgehoben. Der Antrag wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Zusage einer Kostenübernahme für eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme nach seiner Haftentlassung.
Der Antragsteller ist am ... 1988 geboren. Mit einem am 4. Juli 2017 eingegangenen Schreiben beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Leistungen der medizinischen Rehabilitation und wies zur Begründung auf psychische Probleme durch Suchtmittelabhängigkeit hin. Beigefügt war unter anderem eine Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt B., wonach der Antragsteller zurzeit eine Freiheitsstrafe verbüße. Es bestehe die Möglichkeit, gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) die Vollstreckung der Strafe zurückzustellen, wenn der Antragsteller sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befinde oder zusage, sich einer solchen zu unterziehen und deren Beginn gewährleistet sei. Weiterhin heißt es, der Antragsteller habe langjährige Drogenerfahrung; zwei Therapieversuche seien misslungen. Zurzeit verbüße er die zweite Freiheitsstrafe, die jeweils mit Straftaten unter Drogeneinwirkung im Zusammenhang stehe. Er habe sich in einer Rehabilitationsklinik beworben und könne dort mit einer gültigen Kostenzusage eine stationäre Therapie durchführen. Beigefügt war weiter ein psychosozialer Bericht des Suchtberaters der JVA B ... Die angegangene Rentenversicherung leitete den Antrag an die Antragsgegnerin weiter (Eingang dort 18. Juli 2017).
Mit Bescheid vom 26. Juli 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab und führte aus, angesichts der Inhaftierung bestehe keine Krankenversicherung. Hiergegen legte der Antragsteller am 21. August 2017 Widerspruch ein und führte aus, er werde sich nach Haftentlassung erneut beim Jobcenter anmelden, um Leistungen zu erhalten. Dabei strebe er auch eine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin an. Er bat um einen Vorabbescheid, dass eine Kostenübernahme möglich sei, wenn er wieder Leistungen erhalte und krankenversichert sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und vertiefte ihre bisherige Argumentation.
Hiergegen hat der Antragsteller am 9. Oktober 2017 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass nach einstweiliger Anordnung gestellt. Zur Begründung hat er unter anderem ein Gutachten von Dr. Dipl.-Psych. G. aus dem Strafverfahren vorgelegt.
Mit Schreiben vom 14. November 2017 hat die Staatsanwaltschaft D.-Roßlau mitgeteilt, dass das Landgericht Dessau-Roßlau den Antragsteller zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten verurteilt habe. Dabei habe das Schwergewicht der Verurteilung auf einer Tat gelegen, welche nicht zurückstellungsfähig sei. Über eine eventuelle Zurückstellung einer Teilstrafe könne nicht abschließend entschieden werden, da es weiterer Voraussetzungen bedürfe, welche erst nach Vorliegen eines Antrages geprüft werden könnten. Eine verbindliche Auskunft über die Zurückstellungsfähigkeit könne nicht erteilt werden.
In einem Gutachten nach Aktenlage vom 22. März 2018 hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass derzeit keine Indikation für eine stationäre medizinische Rehabilitation vorliege. Das Rehabilitationspotential werde bei mehrfach abgebrochenen Entwöhnungsbehandlungen und auch bereits einer mehrjährigen Entwöhnungsbehandlung im Maßregelvollzug und nicht einzuhaltender Abstinenz als gering betrachtet. Die Rehabilitationsprognose sei daher ungünstig. Bei entsprechender Motivation könne der Antragsteller bei regulärem Haftende nochmals einen Antrag auf Rehabilitation stellen.
Darauf hat der Antragsteller ein Gutachten des Dipl.-Psych. M. (Suchtberater in der JVA B.) vom 13. Mai 2018 vorgelegt. In einem weiteren sozialmedizinischen Gutachten vom 28. Mai 2018 hat der MDK seine bisherige Einschätzung bekräftigt.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2018 hat das Sozialgericht Magdeburg die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet, dem Antragsteller eine aufschiebend bedingte Zusage auf Übernahme einer konkret zu benennenden stationären Rehabilitationsmaßnahme zur Drogenentwöhnung zu erteilen, die für den Fall der Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe bzw. Maßregel aus dem Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. September 2016 durchgeführt werde. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Antragsteller sei bereits vor Haftantritt pflichtversichert bei der Antragsgegnerin gewesen. Ein anderer Versicherungstatbestand werde durch die Haftunterbrechung nicht ausgelöst. In der Sache hat es sich im Übrigen auf die Stellungnahmen von Dr. Dipl.-Psych. G. und Dipl.-Psych. M. gestützt. Diese seien aussagekräftiger als die Stellungnahmen des MDK nach Aktenlage.
Gegen die ihr am 28. Juni 2018 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin am 10. Juli 2018 Beschwerde erhoben. Sie trägt vor, der Antragsteller sei bei ihr nicht versichert. Die Verurteilung unter einer Rechtsbedingung (Erfüllung eines Versicherungstatbestandes) käme grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem seien die medizinischen Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme fraglich.
Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Juni 2018 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Dem Gericht haben bei der Entscheidung neben der Gerichtsakte die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind gem. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
Die Glaubhaftmachung begnügt sich bei der Ermittlung des Sachverhaltes als Gegensatz zum Vollbeweis mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (LSG Bayern,
25.6.2018, L 4 KR 119/18 B ER, Rn. 45, juris). Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, d.h. die Intensität der rechtlichen Prüfung, grundsätzlich nicht herabgestuft werden. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist grundsätzlich das materielle Recht, das vollumfänglich zu prüfen ist. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so verlangt der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz eine Eilentscheidung anhand einer umfassenden Güter- und Folgenabwägung (BVerfG, 12.5.2005, 1 BvR 569/05, juris).
Die Voraussetzungen einer solchen Regelungsanordnung liegen hier nicht vor. Gegen den Erlass der einstweiligen Anordnung spricht maßgeblich, dass Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht erkennbar sind.
Der Antragsteller hat nach § 32 Abs. 1, 2 Nr. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) nur bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen Anspruch auf die Zusage der begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme als einer aufschiebend bedingten Leistung. Die Antragsgegnerin ist grundsätzlich zuständig (dazu bei 1.). Bedingung ist hier nur eine Haftentlassung und nicht der Eintritt einer Versicherung bei der Antragsgegnerin (dazu bei 2.). Allerdings kann der Senat nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme feststellen (dazu bei 3.).
1. Nach § 40 Abs. 4 SGB V werden Leistungen der ambulanten und stationären Rehabilitation von den Krankenkassen nur erbracht, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können. Eine hier allein in Betracht kommende Leistung des Rentenversicherungsträgers scheidet aus, weil der Antragsteller die für eine solche Leistung notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch) nicht erfüllt.
2. Tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme durch die Antragsgegnerin ist zwar unter anderem, dass der Antragsteller zu Beginn dieser Maßnahme bei ihr krankenversichert ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird dann aber zumindest eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehen. Dafür ist lediglich Voraussetzung, dass er zuletzt gesetzlich versichert war und kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht. Die erstgenannte Bedingung lässt sich ohne weiteres bejahen. Ein anderweitiger Krankenversicherungsschutz (außerhalb des SGB V) nach Haftentlassung ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Durchführung der stationären Rehabilitation ist nicht ernsthaft denkbar, ohne dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits pflichtversichert ist. Fernliegende theoretische Probleme des Versicherungsschutzes können daher - wie in allen Verfahren nach dem SGB V auf eine zukünftige Leistung - vernachlässigt werden. Ob der Antragsteller nach Haftentlassung als Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gemäß § 5 Abs. 2 SGB V oder einer anderen Vorschrift gesetzlich krankenversichert sein wird, kann offen bleiben.
3. Es ist zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht festzustellen, dass der Antragsteller medizinisch einer stationären Rehabilitationsmaßnahme bedarf.
Der Anspruch auf stationäre Rehabilitation nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V umfasst grundsätzlich zwar auch eine Adaptionsbehandlung als eine Form der medizinischen Rehabilitation zur Drogenentwöhnung. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dieser Anspruch wird in § 40 SGB V konkretisiert. Danach erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation setzt nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V voraus, dass eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht ausreicht. Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis: Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung i.S.d. § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, oder mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V, dritte Stufe; vgl. LSG Baden-Württemberg, 10.10.2017, L 11 KR 131/16, juris; LSG Hessen, 14.12.2017, L 8 KR 171/17, Rn. 29, juris; Waßer, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 40 Rn. 31). Die Feststellung der Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer beantragten Reha-Maßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (BSG, 25.3.2003, B 1 KR 33/01 R, SozR 4-1500 § 54 Nr. 1).
Hier ist das Rehabilitationspotential des Antragstellers zweifelhaft (dazu bei a). Zumindest ist nicht mit überwiegenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass nach Haftentlassung eine ambulante Rehabilitation nicht genügen würde (dazu bei b).
a) Der Antragsteller konsumiert mittlerweile bereits seit 18 Jahren Drogen. Zeiten der Drogenabstinenz wechseln sich mit Drogenmissbrauch ab.
Der Antragsteller ist bereits am 28. September 2007 - soweit erkennbar - vorzeitig aus der Strafhaft zu einer Entwöhnungsbehandlung entlassen worden. Diese brach der Antragsteller nach drei Monaten ab und wurde erneut rückfällig. Ein Bewährungswiderruf erfolgte und er wurde erneut inhaftiert. Dies hat den Antragsteller offenbar nicht nachhaltig beeindruckt. Im Gegenteil hat er sich bei der Begutachtung durch Dr. Dipl.-Psych. G. darüber beschwert, dass seine Haftzeit nicht reduziert worden sei. Entscheidend ist aber nicht seine verbale Bereitschaft zu einer Therapie, sondern die Durchführung derselben.
Nach einer Unterbringung im Landeskrankenhaus B. vom 1. Oktober 2009 bis 24. Juli 2012 ist es ihm nur vorübergehend gelungen, drogenfrei - auch ohne Substitution - zu leben. Bereits im Juli 2013 wurde er erneut rückfällig, so dass ab August 2013 erneut eine Behandlung im Fachkrankenhaus B. notwendig war. Nach einer Untersuchungshaft im Februar 2014 wurde er wieder rückfällig. Eine anschließende Entwöhnungsbehandlung brach der Antragsteller nach drei Tagen im April 2014 ab und wurde anschließend wieder substituiert. Im Januar 2015 wurde er erneut im Landeskrankenhaus B. entgiftet und im April / Mai 2015 in den Neinstedter Anstalten behandelt und substituiert.
Aus dem Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. September 2016 geht eine Vielzahl von Straftaten für diesen Zeitraum hervor, soweit der Antragsteller nicht stationär behandelt wurde. Insgesamt ist durchaus nachvollziehbar, dass der Antragsteller in dieser Entscheidung als "Bewährungsversager mit mehrjähriger Hafterfahrung" bezeichnet wurde.
Es muss im Verfahren um einstweiligen Rechtschutz offen bleiben, ob seine - zumindest früher - drogenabhängige Partnerin, die eventuell ebenfalls bis heute substituiert wird, zur Stabilität des Antragstellers beiträgt. Gleiches kann für das am ... 2016 geborene Kind aus dieser Beziehung gelten. In dem Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau ist hierzu ausgeführt, das Bestehen sozialer Bindungen sei nicht in dem erforderlichen Maße ausgeprägt, dass es Halt geben könnte. Nachvollziehbar wird insoweit auf die Drogenproblematik der Partnerin des Antragstellers hingewiesen. Ebenso nachvollziehbar wird ein Rückfall in alte Konsumgewohnheiten als nicht fernliegend bezeichnet. Dies blendet der Antragsteller bzw. Dipl.-Psych. M. aus.
Der Senat verkennt nicht, dass Dr. Dipl.-Psych. G. zum Teil eine positive Behandlungsprognose abgegeben hat. Allerdings hat der Antragsteller zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Dipl.-Psych. G. eine Unterbringung mit Behandlung gem. § 64 Strafgesetzbuch kategorisch abgelehnt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich diese Einstellung zur Rehabilitation nunmehr grundlegend geändert haben könnte.
Die Glaubwürdigkeit des Antragstellers leidet zumindest darunter, dass er gegenüber Dr. Dipl.-Psych. G. nach dessen Gutachten vom 1. Juni 2016 die Gewalttat gegenüber der Verkäuferin Melanie Richter sehr vehement abstritt. Angesichts der im Weiteren erfolgten strafrechtlichen Verurteilung geht der Senat zumindest im Eilverfahren davon aus, dass der Antragsteller hier nicht die Wahrheit gesagt hat. Zwar ist es das Recht eines Angeklagten, die Tatausführung zu bestreiten. Gleichwohl lässt dies Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit des Antragstellers zu.
Die weiteren von Dr. Dipl.-Psych. G. für das Rehabilitationspotential hervorgehobenen Punkte (keine Intelligenzminderung, kein chronisches hirnorganisches Psychosyndrom, keine krankhaft erhöhte Impulsivität und Aggressivität und eine gewisse Bindungsfähigkeit) erscheinen dem Senat nicht so gravierend zu sein, dass allein auf sie eine positive Prognose gestützt werden könnte. Den Umstand, dass Therapien in der Vergangenheit stets fehlgeschlagen sind, bewertet der Senat entgegen Dr. Dipl.-Psych. G. und Dipl.-Psych. M. als Indiz für eine negative Prognose. Insoweit besteht Übereinstimmung mit dem MDK (Dr. K ...
b) Es ist bei unterstellter Rehabilitationsfähigkeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass ambulante Leistungen nicht genügen würden.
Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wird in der §§ 40 ff, § 11 Abs. 2 SGB V ergänzenden Legaldefinition der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen in § 107 Abs. 2 SGB V konkretisiert. Sie findet danach in einer Einrichtung statt, die in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal" darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V). Diese Anforderungen an die Einrichtung, die die Rehabilitationsmaßnahme tatsächlich zu erbringen hat, bestimmen zugleich die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine stationäre Maßnahme nach § 40 Abs. 2 SGB V beanspruchen zu können. Das bedeutet, dass es bei einer Maßnahme nach § 40 Abs. 2 SGB V um mehr gehen muss als lediglich im Wesentlichen um die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen, mag sie auch gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt werden. Insbesondere muss für die Rehabilitation erforderlich sein, dass sie unter ständiger ärztlicher Verantwortung abläuft (BSG 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R, BSGE 98, 277).
Für die Notwendigkeit einer solchen stationären Maßnahme gibt es keine einzige befürwortende medizinische Stellungnahme. Die Stellungnahme des Dipl.-Psych. M. vom 13. Mai 2018 äußert sich nur allgemein zur Rehabilitationsfähigkeit des Antragstellers. Weitgehend wird nur die Selbsteinschätzung des Antragstellers wiedergegeben. Zu der angestrebten Therapie heißt es, die Diskussionsbeiträge des Antragstellers zeugten von seinem gefassten Entschluss, sich nach Haftentlassung in unmittelbarem Anschluss in eine stationäre Langzeitbehandlung zu begeben. Dies mag zutreffend sein, lässt aber noch nicht einmal den Schluss zu, dass nach Ansicht von Dipl.-Psych. M. medizinisch nur eine stationäre Behandlung in Betracht kommt.
Es gibt eine Vielzahl von ambulanten Betreuungsmöglichkeiten. Solche werden von der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 10. Juli 2018 dargelegt (z. B. Selbsthilfegruppen, Suchtberatungsstellen, ambulant tätige Ärzte mit dem Schwerpunkt Suchtbehandlung und Substitution; ambulante Rehabilitation bei Suchtmittelabhängigkeit z.B. in der Fachklinik "Alte Ölmühle" M.). Auch die vom Antragsteller genannte S. Klinik L. GmbH bietet nach ihrem Internetauftritt durch ihre Institutsambulanz ein multimodales Behandlungsangebot an. Die Notwendigkeit der ambulanten Betreuung wird auch - im Gegensatz zu der stationären Rehabilitationsmaßnahme - in der Stellungnahme von Dipl. Psych. Müller sehr deutlich.
Der Umstand, dass eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht den Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG entspricht, ist für den Senat unerheblich (vgl. jeweils in einem anderen Kontext BSG, 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 19; BSG, 28.2.2007, B 3 KR 15/06 R, juris). Deren Voraussetzungen hat der Senat nicht zu prüfen; dies ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft bzw. Strafgerichten. Der Senat hat lediglich die Voraussetzungen für die (vorläufige) Verpflichtung der Antragsgegnerin zu prüfen, dem Antragsteller eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme entsprechend den Grundsätzen des SGB V nach Haftentlassung zu gewähren.
Ohne gesetzlichen Anhaltspunkt sind die Leistungen der Krankenkassen auch nicht entsprechend dem BtMG auszuweiten. Dies wäre eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Versicherten, für die sich ein Anhalt im Gesetz finden müsste. Einen solchen vermag der Senat nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt entsprechend § 193 SGG hier aus dem Unterliegen des Antragstellers.
Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
Eyrich Dr. Ulrich Prof. Dr. Ulmer
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Zusage einer Kostenübernahme für eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme nach seiner Haftentlassung.
Der Antragsteller ist am ... 1988 geboren. Mit einem am 4. Juli 2017 eingegangenen Schreiben beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Leistungen der medizinischen Rehabilitation und wies zur Begründung auf psychische Probleme durch Suchtmittelabhängigkeit hin. Beigefügt war unter anderem eine Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt B., wonach der Antragsteller zurzeit eine Freiheitsstrafe verbüße. Es bestehe die Möglichkeit, gemäß § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) die Vollstreckung der Strafe zurückzustellen, wenn der Antragsteller sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befinde oder zusage, sich einer solchen zu unterziehen und deren Beginn gewährleistet sei. Weiterhin heißt es, der Antragsteller habe langjährige Drogenerfahrung; zwei Therapieversuche seien misslungen. Zurzeit verbüße er die zweite Freiheitsstrafe, die jeweils mit Straftaten unter Drogeneinwirkung im Zusammenhang stehe. Er habe sich in einer Rehabilitationsklinik beworben und könne dort mit einer gültigen Kostenzusage eine stationäre Therapie durchführen. Beigefügt war weiter ein psychosozialer Bericht des Suchtberaters der JVA B ... Die angegangene Rentenversicherung leitete den Antrag an die Antragsgegnerin weiter (Eingang dort 18. Juli 2017).
Mit Bescheid vom 26. Juli 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab und führte aus, angesichts der Inhaftierung bestehe keine Krankenversicherung. Hiergegen legte der Antragsteller am 21. August 2017 Widerspruch ein und führte aus, er werde sich nach Haftentlassung erneut beim Jobcenter anmelden, um Leistungen zu erhalten. Dabei strebe er auch eine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin an. Er bat um einen Vorabbescheid, dass eine Kostenübernahme möglich sei, wenn er wieder Leistungen erhalte und krankenversichert sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und vertiefte ihre bisherige Argumentation.
Hiergegen hat der Antragsteller am 9. Oktober 2017 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass nach einstweiliger Anordnung gestellt. Zur Begründung hat er unter anderem ein Gutachten von Dr. Dipl.-Psych. G. aus dem Strafverfahren vorgelegt.
Mit Schreiben vom 14. November 2017 hat die Staatsanwaltschaft D.-Roßlau mitgeteilt, dass das Landgericht Dessau-Roßlau den Antragsteller zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten verurteilt habe. Dabei habe das Schwergewicht der Verurteilung auf einer Tat gelegen, welche nicht zurückstellungsfähig sei. Über eine eventuelle Zurückstellung einer Teilstrafe könne nicht abschließend entschieden werden, da es weiterer Voraussetzungen bedürfe, welche erst nach Vorliegen eines Antrages geprüft werden könnten. Eine verbindliche Auskunft über die Zurückstellungsfähigkeit könne nicht erteilt werden.
In einem Gutachten nach Aktenlage vom 22. März 2018 hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass derzeit keine Indikation für eine stationäre medizinische Rehabilitation vorliege. Das Rehabilitationspotential werde bei mehrfach abgebrochenen Entwöhnungsbehandlungen und auch bereits einer mehrjährigen Entwöhnungsbehandlung im Maßregelvollzug und nicht einzuhaltender Abstinenz als gering betrachtet. Die Rehabilitationsprognose sei daher ungünstig. Bei entsprechender Motivation könne der Antragsteller bei regulärem Haftende nochmals einen Antrag auf Rehabilitation stellen.
Darauf hat der Antragsteller ein Gutachten des Dipl.-Psych. M. (Suchtberater in der JVA B.) vom 13. Mai 2018 vorgelegt. In einem weiteren sozialmedizinischen Gutachten vom 28. Mai 2018 hat der MDK seine bisherige Einschätzung bekräftigt.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2018 hat das Sozialgericht Magdeburg die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet, dem Antragsteller eine aufschiebend bedingte Zusage auf Übernahme einer konkret zu benennenden stationären Rehabilitationsmaßnahme zur Drogenentwöhnung zu erteilen, die für den Fall der Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe bzw. Maßregel aus dem Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. September 2016 durchgeführt werde. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Antragsteller sei bereits vor Haftantritt pflichtversichert bei der Antragsgegnerin gewesen. Ein anderer Versicherungstatbestand werde durch die Haftunterbrechung nicht ausgelöst. In der Sache hat es sich im Übrigen auf die Stellungnahmen von Dr. Dipl.-Psych. G. und Dipl.-Psych. M. gestützt. Diese seien aussagekräftiger als die Stellungnahmen des MDK nach Aktenlage.
Gegen die ihr am 28. Juni 2018 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin am 10. Juli 2018 Beschwerde erhoben. Sie trägt vor, der Antragsteller sei bei ihr nicht versichert. Die Verurteilung unter einer Rechtsbedingung (Erfüllung eines Versicherungstatbestandes) käme grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem seien die medizinischen Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme fraglich.
Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Juni 2018 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Dem Gericht haben bei der Entscheidung neben der Gerichtsakte die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind gem. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
Die Glaubhaftmachung begnügt sich bei der Ermittlung des Sachverhaltes als Gegensatz zum Vollbeweis mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (LSG Bayern,
25.6.2018, L 4 KR 119/18 B ER, Rn. 45, juris). Dagegen dürfen die Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage, d.h. die Intensität der rechtlichen Prüfung, grundsätzlich nicht herabgestuft werden. Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist grundsätzlich das materielle Recht, das vollumfänglich zu prüfen ist. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, und ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so verlangt der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz eine Eilentscheidung anhand einer umfassenden Güter- und Folgenabwägung (BVerfG, 12.5.2005, 1 BvR 569/05, juris).
Die Voraussetzungen einer solchen Regelungsanordnung liegen hier nicht vor. Gegen den Erlass der einstweiligen Anordnung spricht maßgeblich, dass Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht erkennbar sind.
Der Antragsteller hat nach § 32 Abs. 1, 2 Nr. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) nur bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen Anspruch auf die Zusage der begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme als einer aufschiebend bedingten Leistung. Die Antragsgegnerin ist grundsätzlich zuständig (dazu bei 1.). Bedingung ist hier nur eine Haftentlassung und nicht der Eintritt einer Versicherung bei der Antragsgegnerin (dazu bei 2.). Allerdings kann der Senat nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme feststellen (dazu bei 3.).
1. Nach § 40 Abs. 4 SGB V werden Leistungen der ambulanten und stationären Rehabilitation von den Krankenkassen nur erbracht, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können. Eine hier allein in Betracht kommende Leistung des Rentenversicherungsträgers scheidet aus, weil der Antragsteller die für eine solche Leistung notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch) nicht erfüllt.
2. Tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme durch die Antragsgegnerin ist zwar unter anderem, dass der Antragsteller zu Beginn dieser Maßnahme bei ihr krankenversichert ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird dann aber zumindest eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehen. Dafür ist lediglich Voraussetzung, dass er zuletzt gesetzlich versichert war und kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht. Die erstgenannte Bedingung lässt sich ohne weiteres bejahen. Ein anderweitiger Krankenversicherungsschutz (außerhalb des SGB V) nach Haftentlassung ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Durchführung der stationären Rehabilitation ist nicht ernsthaft denkbar, ohne dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits pflichtversichert ist. Fernliegende theoretische Probleme des Versicherungsschutzes können daher - wie in allen Verfahren nach dem SGB V auf eine zukünftige Leistung - vernachlässigt werden. Ob der Antragsteller nach Haftentlassung als Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gemäß § 5 Abs. 2 SGB V oder einer anderen Vorschrift gesetzlich krankenversichert sein wird, kann offen bleiben.
3. Es ist zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht festzustellen, dass der Antragsteller medizinisch einer stationären Rehabilitationsmaßnahme bedarf.
Der Anspruch auf stationäre Rehabilitation nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V umfasst grundsätzlich zwar auch eine Adaptionsbehandlung als eine Form der medizinischen Rehabilitation zur Drogenentwöhnung. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dieser Anspruch wird in § 40 SGB V konkretisiert. Danach erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation setzt nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V voraus, dass eine ambulante Rehabilitation nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht ausreicht. Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis: Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung i.S.d. § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, oder mobile Rehabilitationsleistungen durch wohnortnahe Einrichtungen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V, dritte Stufe; vgl. LSG Baden-Württemberg, 10.10.2017, L 11 KR 131/16, juris; LSG Hessen, 14.12.2017, L 8 KR 171/17, Rn. 29, juris; Waßer, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 40 Rn. 31). Die Feststellung der Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer beantragten Reha-Maßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (BSG, 25.3.2003, B 1 KR 33/01 R, SozR 4-1500 § 54 Nr. 1).
Hier ist das Rehabilitationspotential des Antragstellers zweifelhaft (dazu bei a). Zumindest ist nicht mit überwiegenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass nach Haftentlassung eine ambulante Rehabilitation nicht genügen würde (dazu bei b).
a) Der Antragsteller konsumiert mittlerweile bereits seit 18 Jahren Drogen. Zeiten der Drogenabstinenz wechseln sich mit Drogenmissbrauch ab.
Der Antragsteller ist bereits am 28. September 2007 - soweit erkennbar - vorzeitig aus der Strafhaft zu einer Entwöhnungsbehandlung entlassen worden. Diese brach der Antragsteller nach drei Monaten ab und wurde erneut rückfällig. Ein Bewährungswiderruf erfolgte und er wurde erneut inhaftiert. Dies hat den Antragsteller offenbar nicht nachhaltig beeindruckt. Im Gegenteil hat er sich bei der Begutachtung durch Dr. Dipl.-Psych. G. darüber beschwert, dass seine Haftzeit nicht reduziert worden sei. Entscheidend ist aber nicht seine verbale Bereitschaft zu einer Therapie, sondern die Durchführung derselben.
Nach einer Unterbringung im Landeskrankenhaus B. vom 1. Oktober 2009 bis 24. Juli 2012 ist es ihm nur vorübergehend gelungen, drogenfrei - auch ohne Substitution - zu leben. Bereits im Juli 2013 wurde er erneut rückfällig, so dass ab August 2013 erneut eine Behandlung im Fachkrankenhaus B. notwendig war. Nach einer Untersuchungshaft im Februar 2014 wurde er wieder rückfällig. Eine anschließende Entwöhnungsbehandlung brach der Antragsteller nach drei Tagen im April 2014 ab und wurde anschließend wieder substituiert. Im Januar 2015 wurde er erneut im Landeskrankenhaus B. entgiftet und im April / Mai 2015 in den Neinstedter Anstalten behandelt und substituiert.
Aus dem Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. September 2016 geht eine Vielzahl von Straftaten für diesen Zeitraum hervor, soweit der Antragsteller nicht stationär behandelt wurde. Insgesamt ist durchaus nachvollziehbar, dass der Antragsteller in dieser Entscheidung als "Bewährungsversager mit mehrjähriger Hafterfahrung" bezeichnet wurde.
Es muss im Verfahren um einstweiligen Rechtschutz offen bleiben, ob seine - zumindest früher - drogenabhängige Partnerin, die eventuell ebenfalls bis heute substituiert wird, zur Stabilität des Antragstellers beiträgt. Gleiches kann für das am ... 2016 geborene Kind aus dieser Beziehung gelten. In dem Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau ist hierzu ausgeführt, das Bestehen sozialer Bindungen sei nicht in dem erforderlichen Maße ausgeprägt, dass es Halt geben könnte. Nachvollziehbar wird insoweit auf die Drogenproblematik der Partnerin des Antragstellers hingewiesen. Ebenso nachvollziehbar wird ein Rückfall in alte Konsumgewohnheiten als nicht fernliegend bezeichnet. Dies blendet der Antragsteller bzw. Dipl.-Psych. M. aus.
Der Senat verkennt nicht, dass Dr. Dipl.-Psych. G. zum Teil eine positive Behandlungsprognose abgegeben hat. Allerdings hat der Antragsteller zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Dipl.-Psych. G. eine Unterbringung mit Behandlung gem. § 64 Strafgesetzbuch kategorisch abgelehnt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich diese Einstellung zur Rehabilitation nunmehr grundlegend geändert haben könnte.
Die Glaubwürdigkeit des Antragstellers leidet zumindest darunter, dass er gegenüber Dr. Dipl.-Psych. G. nach dessen Gutachten vom 1. Juni 2016 die Gewalttat gegenüber der Verkäuferin Melanie Richter sehr vehement abstritt. Angesichts der im Weiteren erfolgten strafrechtlichen Verurteilung geht der Senat zumindest im Eilverfahren davon aus, dass der Antragsteller hier nicht die Wahrheit gesagt hat. Zwar ist es das Recht eines Angeklagten, die Tatausführung zu bestreiten. Gleichwohl lässt dies Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit des Antragstellers zu.
Die weiteren von Dr. Dipl.-Psych. G. für das Rehabilitationspotential hervorgehobenen Punkte (keine Intelligenzminderung, kein chronisches hirnorganisches Psychosyndrom, keine krankhaft erhöhte Impulsivität und Aggressivität und eine gewisse Bindungsfähigkeit) erscheinen dem Senat nicht so gravierend zu sein, dass allein auf sie eine positive Prognose gestützt werden könnte. Den Umstand, dass Therapien in der Vergangenheit stets fehlgeschlagen sind, bewertet der Senat entgegen Dr. Dipl.-Psych. G. und Dipl.-Psych. M. als Indiz für eine negative Prognose. Insoweit besteht Übereinstimmung mit dem MDK (Dr. K ...
b) Es ist bei unterstellter Rehabilitationsfähigkeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass ambulante Leistungen nicht genügen würden.
Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wird in der §§ 40 ff, § 11 Abs. 2 SGB V ergänzenden Legaldefinition der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen in § 107 Abs. 2 SGB V konkretisiert. Sie findet danach in einer Einrichtung statt, die in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal" darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V). Diese Anforderungen an die Einrichtung, die die Rehabilitationsmaßnahme tatsächlich zu erbringen hat, bestimmen zugleich die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um eine stationäre Maßnahme nach § 40 Abs. 2 SGB V beanspruchen zu können. Das bedeutet, dass es bei einer Maßnahme nach § 40 Abs. 2 SGB V um mehr gehen muss als lediglich im Wesentlichen um die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderungen, mag sie auch gelegentlich durch verhaltenstherapeutische Leistungen ergänzt werden. Insbesondere muss für die Rehabilitation erforderlich sein, dass sie unter ständiger ärztlicher Verantwortung abläuft (BSG 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R, BSGE 98, 277).
Für die Notwendigkeit einer solchen stationären Maßnahme gibt es keine einzige befürwortende medizinische Stellungnahme. Die Stellungnahme des Dipl.-Psych. M. vom 13. Mai 2018 äußert sich nur allgemein zur Rehabilitationsfähigkeit des Antragstellers. Weitgehend wird nur die Selbsteinschätzung des Antragstellers wiedergegeben. Zu der angestrebten Therapie heißt es, die Diskussionsbeiträge des Antragstellers zeugten von seinem gefassten Entschluss, sich nach Haftentlassung in unmittelbarem Anschluss in eine stationäre Langzeitbehandlung zu begeben. Dies mag zutreffend sein, lässt aber noch nicht einmal den Schluss zu, dass nach Ansicht von Dipl.-Psych. M. medizinisch nur eine stationäre Behandlung in Betracht kommt.
Es gibt eine Vielzahl von ambulanten Betreuungsmöglichkeiten. Solche werden von der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 10. Juli 2018 dargelegt (z. B. Selbsthilfegruppen, Suchtberatungsstellen, ambulant tätige Ärzte mit dem Schwerpunkt Suchtbehandlung und Substitution; ambulante Rehabilitation bei Suchtmittelabhängigkeit z.B. in der Fachklinik "Alte Ölmühle" M.). Auch die vom Antragsteller genannte S. Klinik L. GmbH bietet nach ihrem Internetauftritt durch ihre Institutsambulanz ein multimodales Behandlungsangebot an. Die Notwendigkeit der ambulanten Betreuung wird auch - im Gegensatz zu der stationären Rehabilitationsmaßnahme - in der Stellungnahme von Dipl. Psych. Müller sehr deutlich.
Der Umstand, dass eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht den Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG entspricht, ist für den Senat unerheblich (vgl. jeweils in einem anderen Kontext BSG, 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 19; BSG, 28.2.2007, B 3 KR 15/06 R, juris). Deren Voraussetzungen hat der Senat nicht zu prüfen; dies ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft bzw. Strafgerichten. Der Senat hat lediglich die Voraussetzungen für die (vorläufige) Verpflichtung der Antragsgegnerin zu prüfen, dem Antragsteller eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme entsprechend den Grundsätzen des SGB V nach Haftentlassung zu gewähren.
Ohne gesetzlichen Anhaltspunkt sind die Leistungen der Krankenkassen auch nicht entsprechend dem BtMG auszuweiten. Dies wäre eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Versicherten, für die sich ein Anhalt im Gesetz finden müsste. Einen solchen vermag der Senat nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt entsprechend § 193 SGG hier aus dem Unterliegen des Antragstellers.
Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
Eyrich Dr. Ulrich Prof. Dr. Ulmer
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved