Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 3606/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3611/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit nach seiner Haftentlassung am 07.11.2018 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Für den 1975 geborenen Kläger, der sich seit 13.09.2011 in Haft befindet und derzeit eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) O. verbüßt, ist eine Entlassung aus der Strafhaft zum Strafende am 07.11.2018 vorgesehen.
Am 30.07.2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben (Az. S 15 AS 3972/18) und die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II geltend gemacht. Er hat vorgetragen, nach seiner Haftentlassung werde er voraussichtlich obdachlos und arbeitslos sein. Mit Beschluss vom 09.08.2018 hat das Sozialgericht Stuttgart den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat zunächst vorgetragen, der Kläger stehe aktuell nicht im Leistungsbezug und habe auch in der Vergangenheit nicht im Leistungsbezug gestanden. Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Beklagte dann ein an den Kläger gerichtetes Schreiben vom 20.09.2018 vorgelegt, ich dem der Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bestätigt wird. In diesem Schreiben hat der Beklagte ferner mitgeteilt, der Antrag könne noch nicht bearbeitet werden, da der Tag der Entlassung zu weit in der Zukunft liege. Der Kläger solle Mitte/Ende Oktober 2018 einen Neuantrag stellen. Dieser könne allerdings erst bearbeitet werden, wenn die förmlichen Antragsformulare vollständig ausgefüllt vorliegen würden. Am 01.10.2018 hat der Kläger in einem Parallelverfahren (Az. S 18 AS 4174/18) das Original eines Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorgelegt. Diesen Antrag hat das SG an den Beklagten weitergeleitet.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da es an einem Rechtsschutzinteresse fehle. Ein solches sei insbesondere dann zu verneinen, wenn das Rechtschutzziel – wie hier – auf einfachere Weise als durch ein gerichtliches Verfahren erreicht werden könne, z. B. durch Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs direkt gegenüber dem Beklagten. Im Fall des Klägers habe der Beklagte die Gewährung der begehrten Leistungen nicht abgelehnt, sondern lediglich mitgeteilt, dass eine Bearbeitung erst später erfolgen könne und hierfür die Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen erforderlich sei. Der Beklagte biete durch sein bisheriges Verhalten keinen Anlass für die Vermutung, er werde über den Antrag des Klägers nicht rechtzeitig vor der Haftentlassung entscheiden. Die hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage sei ebenfalls unzulässig, da die Frist von sechs Monaten nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch nicht abgelaufen sei.
Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die am 10.10.2018 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung des Klägers. Er trägt vor, das Schreiben des Beklagten vom 20.09.2018 stelle eine anfechtbare Leistungsablehnung dar. Zudem gebe es keinen Zwang zur Verwendung bestimmter Formulare. SG und LSG schuldeten eine umfassende Prüfung. Er habe seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Fälligkeit in O. und halte sich dort auch tatsächlich auf. Damit liege ein Leistungsfall offensichtlich auf der Hand. Er habe vor der Haft Grundsicherung nach dem SGB II erhalten und während der Haft Taschengeld. Der Beklagte hafte für die geltend gemachten Ansprüche auch nach §§ 67f. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2018 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen,
hilfsweise,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 07.11.2018 zu bewilligen,
höchst hilfsweise,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Er hält den Gerichtsbescheid des SG vom 02.10.2018 für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache in der Besetzung, wie sie der Geschäftsverteilungsplan des Landessozialgerichts vorsieht, entscheiden, obwohl der Kläger die Berufsrichter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Es bedurfte vor der Entscheidung über die Berufung keiner förmlichen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch; vielmehr konnte der Senat hierüber zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache befinden (vgl. dazu Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 16.02.2001 – B 11 AL 19/01 B – SozSich 2003, 397; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 14.06.2005 – 6 C 11/05 – juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.01.2009 – L 13 AS 5628/08 – nicht veröffentlicht), weil der Kläger sein Ablehnungsrecht missbraucht hat und sein Antrag damit unzulässig war.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht vorliegen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden ist. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der mit der Berufung angegriffene Gerichtsbescheid des SG ist zunächst nicht nach § 159 Abs. 1 SGG aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das Gericht zurückverweisen, wenn (1.) das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, oder (2.) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts auf ihm beruhen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn. 3a). Dabei ist (nur) auf die Rechtsauffassung des SG abzustellen.
Die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Regelung des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG greift nur ein, wenn das Sozialgericht die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen hat (Keller a.a.O. Rn. 2a). Dies ist hier nicht der Fall, denn das SG hat die Klage zu Recht wegen Fehlens eines (allgemeinen) Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen (dazu unten unter 2.). Einen Verfahrensfehler im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Kläger nicht geltend gemacht; ein solcher ist auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen wäre auch nicht erkennbar, inwieweit im vorliegenden Verfahren eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig sein soll.
2. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit nach seiner Haftentlassung am 07.11.2018 begehrt, fehlt ein allgemeines Rechtsschutzinteresse als Sachentscheidungsvoraussetzung der Klage. Eine Entscheidung des Beklagten über den gestellten Antrag auf Grundsicherung liegt (noch) nicht vor; dementsprechend ist auch kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Auch das Schreiben des Beklagten vom 20.09.2018 kann nicht als Leistungsablehnung gewertet werden. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, dem Kläger für die Zeit nach seiner Haftentlassung keine Leistungen bewilligen zu wollen. Das SG hat daher zutreffend entschieden, dass der Kläger sein Rechtsschutzziel auf einfachere Weise erreichen kann, indem er das normale Antragsverfahren beim Beklagten betreibt. Nachdem der Hauptantrag vom Kläger erst am 01.10.2018 im Rahmen eines Parallelverfahrens beim SG vorgelegt worden ist, besteht für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens erkennbar kein Bedarf.
3. Letztlich ist auch die höchsthilfsweise erhobene Untätigkeitsklage, wie das SG zutreffend entscheiden hat, nicht zulässig. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die (Untätigkeits-) Klage gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGG)
Vorliegend ist die Untätigkeitsklage schon deshalb nicht zulässig, weil die Sperrfrist von sechs Monaten nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG noch nicht abgelaufen ist. Der Beklagte hat erst mit Schreiben vom 20.09.2018 bestätigt, dass ein Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei ihm eingegangen ist. Aufgrund des Vorbringens der Beteiligten im Verfahren steht für den Senat fest, dass eine Antragstellung beim Beklagten jedenfalls vor der Klageerhebung am 30.07.2018 nicht erfolgt ist.
Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids des SG vom 02.10.2018 Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung (weiterer) eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit nach seiner Haftentlassung am 07.11.2018 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Für den 1975 geborenen Kläger, der sich seit 13.09.2011 in Haft befindet und derzeit eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) O. verbüßt, ist eine Entlassung aus der Strafhaft zum Strafende am 07.11.2018 vorgesehen.
Am 30.07.2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben (Az. S 15 AS 3972/18) und die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II geltend gemacht. Er hat vorgetragen, nach seiner Haftentlassung werde er voraussichtlich obdachlos und arbeitslos sein. Mit Beschluss vom 09.08.2018 hat das Sozialgericht Stuttgart den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat zunächst vorgetragen, der Kläger stehe aktuell nicht im Leistungsbezug und habe auch in der Vergangenheit nicht im Leistungsbezug gestanden. Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Beklagte dann ein an den Kläger gerichtetes Schreiben vom 20.09.2018 vorgelegt, ich dem der Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bestätigt wird. In diesem Schreiben hat der Beklagte ferner mitgeteilt, der Antrag könne noch nicht bearbeitet werden, da der Tag der Entlassung zu weit in der Zukunft liege. Der Kläger solle Mitte/Ende Oktober 2018 einen Neuantrag stellen. Dieser könne allerdings erst bearbeitet werden, wenn die förmlichen Antragsformulare vollständig ausgefüllt vorliegen würden. Am 01.10.2018 hat der Kläger in einem Parallelverfahren (Az. S 18 AS 4174/18) das Original eines Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorgelegt. Diesen Antrag hat das SG an den Beklagten weitergeleitet.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da es an einem Rechtsschutzinteresse fehle. Ein solches sei insbesondere dann zu verneinen, wenn das Rechtschutzziel – wie hier – auf einfachere Weise als durch ein gerichtliches Verfahren erreicht werden könne, z. B. durch Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs direkt gegenüber dem Beklagten. Im Fall des Klägers habe der Beklagte die Gewährung der begehrten Leistungen nicht abgelehnt, sondern lediglich mitgeteilt, dass eine Bearbeitung erst später erfolgen könne und hierfür die Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen erforderlich sei. Der Beklagte biete durch sein bisheriges Verhalten keinen Anlass für die Vermutung, er werde über den Antrag des Klägers nicht rechtzeitig vor der Haftentlassung entscheiden. Die hilfsweise erhobene Untätigkeitsklage sei ebenfalls unzulässig, da die Frist von sechs Monaten nach § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch nicht abgelaufen sei.
Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die am 10.10.2018 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung des Klägers. Er trägt vor, das Schreiben des Beklagten vom 20.09.2018 stelle eine anfechtbare Leistungsablehnung dar. Zudem gebe es keinen Zwang zur Verwendung bestimmter Formulare. SG und LSG schuldeten eine umfassende Prüfung. Er habe seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Fälligkeit in O. und halte sich dort auch tatsächlich auf. Damit liege ein Leistungsfall offensichtlich auf der Hand. Er habe vor der Haft Grundsicherung nach dem SGB II erhalten und während der Haft Taschengeld. Der Beklagte hafte für die geltend gemachten Ansprüche auch nach §§ 67f. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2018 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen,
hilfsweise,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 07.11.2018 zu bewilligen,
höchst hilfsweise,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Er hält den Gerichtsbescheid des SG vom 02.10.2018 für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache in der Besetzung, wie sie der Geschäftsverteilungsplan des Landessozialgerichts vorsieht, entscheiden, obwohl der Kläger die Berufsrichter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Es bedurfte vor der Entscheidung über die Berufung keiner förmlichen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch; vielmehr konnte der Senat hierüber zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache befinden (vgl. dazu Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 16.02.2001 – B 11 AL 19/01 B – SozSich 2003, 397; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 14.06.2005 – 6 C 11/05 – juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.01.2009 – L 13 AS 5628/08 – nicht veröffentlicht), weil der Kläger sein Ablehnungsrecht missbraucht hat und sein Antrag damit unzulässig war.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht vorliegen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden ist. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der mit der Berufung angegriffene Gerichtsbescheid des SG ist zunächst nicht nach § 159 Abs. 1 SGG aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das Gericht zurückverweisen, wenn (1.) das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, oder (2.) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts auf ihm beruhen kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn. 3a). Dabei ist (nur) auf die Rechtsauffassung des SG abzustellen.
Die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Regelung des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG greift nur ein, wenn das Sozialgericht die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen hat (Keller a.a.O. Rn. 2a). Dies ist hier nicht der Fall, denn das SG hat die Klage zu Recht wegen Fehlens eines (allgemeinen) Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen (dazu unten unter 2.). Einen Verfahrensfehler im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Kläger nicht geltend gemacht; ein solcher ist auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen wäre auch nicht erkennbar, inwieweit im vorliegenden Verfahren eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig sein soll.
2. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit nach seiner Haftentlassung am 07.11.2018 begehrt, fehlt ein allgemeines Rechtsschutzinteresse als Sachentscheidungsvoraussetzung der Klage. Eine Entscheidung des Beklagten über den gestellten Antrag auf Grundsicherung liegt (noch) nicht vor; dementsprechend ist auch kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Auch das Schreiben des Beklagten vom 20.09.2018 kann nicht als Leistungsablehnung gewertet werden. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht, dem Kläger für die Zeit nach seiner Haftentlassung keine Leistungen bewilligen zu wollen. Das SG hat daher zutreffend entschieden, dass der Kläger sein Rechtsschutzziel auf einfachere Weise erreichen kann, indem er das normale Antragsverfahren beim Beklagten betreibt. Nachdem der Hauptantrag vom Kläger erst am 01.10.2018 im Rahmen eines Parallelverfahrens beim SG vorgelegt worden ist, besteht für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens erkennbar kein Bedarf.
3. Letztlich ist auch die höchsthilfsweise erhobene Untätigkeitsklage, wie das SG zutreffend entscheiden hat, nicht zulässig. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die (Untätigkeits-) Klage gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (§ 88 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGG)
Vorliegend ist die Untätigkeitsklage schon deshalb nicht zulässig, weil die Sperrfrist von sechs Monaten nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG noch nicht abgelaufen ist. Der Beklagte hat erst mit Schreiben vom 20.09.2018 bestätigt, dass ein Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei ihm eingegangen ist. Aufgrund des Vorbringens der Beteiligten im Verfahren steht für den Senat fest, dass eine Antragstellung beim Beklagten jedenfalls vor der Klageerhebung am 30.07.2018 nicht erfolgt ist.
Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids des SG vom 02.10.2018 Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung (weiterer) eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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