L 4 AS 393/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 21 AS 1245/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 393/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2007.

Mit Bescheid vom 9. August 2005 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 21. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2005 i.H.v. 222,82 Euro und für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 i.H.v. monatlich 668,45 Euro bewilligt. Weitere Bewilligungen im selben Umfang erfolgten mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006, mit Bescheid vom 30. Juni 2006 für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 sowie mit Bescheid vom 3. Januar 2007 für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007. Mit Bescheid vom 12. Juli 2007 wurden dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007 Leistungen i.H.v. monatlich 670,45 Euro bewilligt.

Am 26. Juli 2007 erstattete die H. beim Landeskriminalamt eine Verdachtsanzeige nach dem Geldwäschegesetz. Der Kläger habe am 24. Juli 2007 für 2.500,- Euro kleine Scheine (75 x 10,- / 50 x 20,- / 15 x 50,- Euro) in große umgetauscht. Bereits einige Wochen zuvor habe der Kläger einen nicht mehr zu ermittelnden Betrag ebenfalls von kleinen in große Scheine umgetauscht. Auffällig sei gewesen, dass bei beiden Tauschaktionen die Scheine stark verschmutzt und durchfeuchtet gewesen seien.

Am 8. Januar 2008 teilte die Polizei H1 dem Beklagten mit, dass aus unbestimmter Quelle erhebliche Barbeträge auf das Konto des Klägers eingezahlt worden seien. Die Kontoauszüge des Klägers bei der H., enthalten in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte) weisen folgende größere Ein- und Auszahlungen im streitgegenständlichen Zeitraum auf:

Datum Einzahlung Auszahlung / Überweisung 4.8.2005 1.000,- 5.8.2005 1.000,- 16.8.2005 1.000,-

2.9.2005 500,- + 2.800,- 5.9.2005 400,- 6.9.2005 700,- 8.9.2005 400,- 19.9.2005 500,- 28.9.2005 450,- 29.9.2005 1.000,-

21.10.2005 240,-

1.12.2005 500,- 5.12.2005 500,- 6.12.2005 500,- 14.12.2005 300,-

9.1.2006 400,- 300,-

14.2.2006 300,-

6.3.2006 340,- 9.3.2006 1.000,- 13.3.2006 400,- 28.3.2006 200,-

3.4.2006 1.200,- 11.4.2006 1.000,- 18.4.2006 1.000,- 27.4.2006 4.300,- 28.4.2006 1.000,-

3.5.2006 600,- 4.5.2006 250,- 5.5.2006 400,- 9.5.2006 300,- 12.5.2006 250,- 16.5.2006 400,- 18.5.2006 700,- 19.5.2006 300,- 200,- 29.5.2006 2.000,- (Überweisung an Zeki Bataray) 31.5.2006 500,-

1.6.2006 400,- 2.6.2006 1.200,- 12.6.2006 2.000,- 13.6.2006 900,- 16.6.2006 750,- 19.6.2006 800,- 21.6.2006 800,- 23.6.2006 200,- 28.6.2006 300,- 30.6.2006 1.000,-

6.7.2006 2.400,- 11.7.2006 1.000,- 19.7.2006 1.000,- 21.7.2006 1.000,-

11.8.2006 4.500,- 24.8.2006 500,-

1.9.2006 400,- 7.9.2006 700,- 12.9.2006 450,- 28.9.2006 600,-

10.10.2006 1.000,- 11.10.2006 400,- 16.10.2006 800,- 23.10.2006 800,- 31.10.2006 500,-

2.11.2006 500,- 9.11.2006 4.500,- 13.11.2006 400,- 14.11.2006 1.000,- 15.11.2006 400,- 22.11.2006 600,- 27.11.2006 1.200,-

5.12.2006 900,- 29.12.2006 4.500,-

4.1.2007 700,- 17.1.2007 900,- 25.1.2007 500,-

6.2.2007 1.000,- 16.2.2007 500,-

1.3.2007 4.000,-

3.4.2007 500,- 5.4.2007 1.000,- 10.4.2007 300,- 12.4.2007 1.300,- 19.4.2007 400,- 23.4.2007 400,- 24.4.2007 500,- 30.4.2007 350,-

3.5.2007 300,- 21.5.2007 3.000,- 24.5.2007 800,- 29.5.2007 800,- 31.5.2007 300,-

1.6.2007 400,- 4.6.2007 550,- 12.6.2007 450,- 22.6.2007 700,- 27.6.2007 500,- 28.6.2007 500,-

5.7.2007 500,- 25.7.2007 2.500,- 31.7.2007 500,-

Im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren erklärte der Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 2008, dass es sich bei den Bareinzahlungen nicht um sein eigenes Geld gehandelt habe, sondern um das Geld zweier weitläufiger Verwandter. "H2 und M." seien "begnadete Spieler", die an Geldautomaten in einem t. Café in B. spielten. Die Gewinne seien ihnen – sehr oft in kleinen Scheinen – in bar vom Besitzer des Cafés ausgezahlt worden. Die beiden hätten kein eigenes Konto und ihn, den Kläger, daher gebeten, das Geld für sie aufzubewahren. Das Geld sei mittlerweile wieder an seine Verwandten zurückgezahlt worden.

Der Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 12. Februar 2008 zu einer Überzahlung von Leistungen an. Der Kläger habe in der Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2007 Arbeitslosengeld II i.H.v. 13.235,20 Euro zu Unrecht bezogen. Der Kläger habe die Überzahlung verursacht, weil er erhebliche Änderungen in seinen Verhältnissen nicht angezeigt habe. Auf die Anhörung bat der Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2008, das Verwaltungsverfahren bis zum Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens auszusetzen.

Mit Schreiben vom 19. März 2008 legte der Kläger im Ermittlungsverfahren eine aus dem t. ins Deutsche übersetzte Erklärung des M. S. vom 7. März 2008 vor, die dieser vor einem Notar in der T. abgegeben hatte. Herr S. gibt in seiner Erklärung an, in der Zeit von 2004 bis Dezember 2007 illegal im A. gelebt und auf Bauernhöfen illegal als Apfel- und Kirschenpflücker gearbeitet zu haben. Er habe sein Geld dem Kläger gegeben, damit dieser es auf seinem Konto für ihn aufbewahre. Immer wenn Bekannte in die T. gegangen seien, habe er sein Geld vom Kläger abgeholt und in die Heimat zu seinen Verwandten geschickt. In der Zeit von August 2005 bis zum Herbst 2007 habe er sein so verdientes Geld i.H.v. insgesamt 19.000,- Euro zum Kläger gebracht. Zudem habe er dem Kläger Geld gebracht, das er beim Glücksspiel gewonnen habe. Während dieser Zeit sei er am 1. Juni 2006 in die T. gereist und am 1. Juli 2007 nach Deutschland zurückgekehrt.

In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg am 20. Juni 2008 (Az. 940 Ds 91/08) gab der Kläger an, das Geld nicht nur von M. S. und H.Ö., sondern darüber hinaus von seinem Bruder, B., erhalten zu haben. Sein Bruder habe ihm drei- oder viermal Geld gegeben. "Gegenüber" hätten sie an Automaten gespielt. Der Kläger legte eine handschriftliche Aufstellung über im Jahr 2007 entgegengenommenen Geldbeträge vor, die als laufende Liste geführt worden sein soll und aus der sich ergibt, dass der Bruder des Klägers weitaus häufiger Geld an den Kläger übergeben hat. Die Listen für 2005 und 2006 hatte der Kläger nach eigenen Angaben verloren.

Das Amtsgericht verurteilte den Kläger am 20. Juni 2008 wegen Betruges zu Lasten des Beklagten zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen à 30,- Euro. Das Gericht wertete die Aussagen des Klägers als Schutzbehauptungen, da hohe Bargeldeinzahlungen über das ganze Jahr und nicht nur zu den Erntezeiten im A. erfolgt seien. Die monatlichen Zahlungen seien weder mit dem Einkommen eines Erntehelfers noch mit erspieltem Geld zu erklären.

Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg (Az. 702 Ns 85/08) legte der Kläger eine auf den 5. September 2008 datierte Übersetzung einer undatierten, handschriftlich auf Türkisch verfassten Erklärung von B. vor, in der dieser behauptet, von 2004 bis zum Herbst 2007 illegal im A. auf Bauernhöfen gelebt und ebenso illegal als Apfel- und Kirschpflücker gearbeitet zu haben. Da er kein eigenes Konto habe eröffnen können, habe er das verdiente Geld seinem Bruder – dem Kläger – gegeben, damit dieser das Geld auf seinem Konto für ihn aufbewahren könne. Der Kläger habe für ihn in der Zeit von 2004 bis 2007 insgesamt 5.000,- Euro auf sein Verlangen hin an seine Familie in die T. geschickt. Nachfolgend legte der Kläger noch die Übersetzung einer notariell beurkundeten Erklärung seines Bruders vom 2. Juni 2008 vor. Darin erklärt dieser ergänzend, in der Zeit vom 2. Februar 2006 bis 12. Mai 2006 in die T. zurückgekehrt zu sein. Immer wenn Bekannte in die T. gegangen seien oder er selber Geld benötigt habe, habe er sein Geld vom Kläger abgeholt und in die Heimat zu seinen Verwandten geschickt. In der Zeit von August 2005 bis zum Herbst 2007 habe er sein so verdientes Geld i.H.v. insgesamt 20.000,- Euro zum Kläger gebracht.

Das Landgericht änderte mit Urteil vom 28. November 2008 das Urteil des Amtsgerichtes im Rechtsfolgenausspruch, im Übrigen wies es die Berufung zurück. Im Urteil wurde ausgeführt, dass der Kläger eingeräumt habe, auf sein Konto bei der H. im Zeitraum vom 4. August 2005 bis zum 29. Oktober 2007 gut 49.000,- Euro eingezahlt und insgesamt 41.400,- Euro von seinem Girokonto abgehoben zu haben. Dem Kläger sei damit immerhin ein nennenswerter Anteil von ca. 1/7 der eingezahlten Beträge verblieben. Zudem habe der Kläger eingeräumt, mehrfach auch Geldbeträge in der Größenordnung von etwa 1.000,- Euro sowie am 25. Juli 2007 einen Geldbetrag von 2.500,- Euro in feuchten und schmutzigen Scheinen in o.g. Stückelung zum Wechseln in große Scheine bei der H. vorgelegt zu haben.

Mit Beschluss vom 8. September 2009 verwarf das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Az. 2 - 18/09 REV) die Revision des Klägers, wobei der Rechtsfolgenausspruch abgeändert wurde.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. September 2009 hob der Beklagte die Bescheide vom 9. August 2005, 21. Dezember 2005, 30. Juni 2006, 3. Januar 2007 und 12. Juli 2007 für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2007 "ganz" auf. Der Kläger habe insgesamt Leistungen i.H.v. 13.235,20 Euro zu erstatten. Er sei seiner Verpflichtung, alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, grob fahrlässig nicht nachgekommen.

Der Kläger legte am 6. Oktober 2009 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass es sich bei den auf sein Konto eingezahlten Beträgen im Wesentlichen um Geld gehandelt habe, welches ihm sein Bruder, B., und seine Verwandten, M. S. und H2 Ö., zur Verwahrung gegeben hätten. Alle drei hätten damals illegal in Deutschland gelebt und zwar meistens im A ... Sie hätten kein eigenes Konto einrichten können, aber auch nicht so viel Bargeld bei sich haben oder in den Gemeinschaftsunterkünften aufbewahren wollen. Die Einzahlungen seien nur treuhänderisch für die drei genannten Personen erfolgt und auch an diese zurückgeflossen. Jedenfalls habe sich der Schaden des Beklagten, wie im Beschluss des Oberlandesgerichts festgestellt, lediglich auf 3.090,- Euro belaufen.

Auf den Widerspruch des Klägers setzte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2010 die Erstattungssumme abweichend auf 13.055,20 Euro fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Die eingezahlten Barbeträge seien als Einkommen zu werten. Die gegenteiligen Äußerungen des Klägers seien Schutzbehauptungen. Die Einkünfte seien im Zuflussmonat anzurechnen, wobei ein Pauschbetrag i.H.v. 30,- Euro in Abzug zu bringen sei. Hiernach ergebe sich ein Wegfall des Anspruchs für die Monate August, September und Dezember 2005, für die Monate April bis Juli 2006 sowie für September bis Dezember 2006 und für April 2007 bis Juni 2007. Für die weiteren Monate mindere sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld II, und zwar für Oktober 2005 um 210,- Euro, für Januar 2006 um 370,- Euro, für Februar 2006 um 270,- Euro, für August 2006 um 470,- Euro und für Juli 2007 um 470,- Euro. Der Kläger könne sich auf keinen Vertrauenstatbestand berufen. Das Oberlandesgericht habe die Schadenshöhe lediglich im Rahmen einer Wahlfeststellung getroffen und diese zudem fehlerhaft berechnet, da es sich nicht um Vermögen, sondern um Einkommen gehandelt habe.

Am 7. April 2010 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid vom 21. September 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 aufzuheben. Er hat im Klageverfahren ergänzend vorgetragen, sowohl sein Bruder als auch die beiden weiteren Verwandten hätten das ganze Jahr über und nicht nur zu den eigentlichen Erntezeiten im A. gearbeitet. Auch außerhalb der Erntezeiten würden wichtige Arbeiten in der Obstbauwirtschaft anfallen, für die deutsche Arbeitnehmer nur schwer zu finden seien. Die Geldbeträge seien dem Kläger jeweils gebracht worden. Er habe sie dann möglichst zeitnah bei der H. eingezahlt. Das Strafgericht habe eine Verurteilung des Klägers wegen Betruges zulasten des Beklagten zu Unrecht ohne Vernehmung dieser Zeugen gefällt. Mit Rückkehr dieser Zeugen in die T. und Auszahlung der ihnen zustehenden Beträge sei die Angelegenheit für alle beteiligten Personen erledigt gewesen. Die eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen dürften nicht überkritisch betrachtet werden, da der Notar die Aussagen zusammengefasst habe.

Das Sozialgericht hat mit aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenem Urteil vom 2. September 2014 den Bescheid vom 21. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 insoweit aufgehoben, als der Beklagte eine höhere Erstattungssumme als 11.148,30 Euro geltend gemacht hatte. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei hinreichend bestimmt. In materieller Hinsicht stütze sich die Aufhebungsentscheidung auf § 45 Absatz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 40 Absatz 2 Nummer 3 SGB II und § 330 Absatz 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Die aufgehobenen Bewilligungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, da der Kläger bereits vor Erlass des ersten Bewilligungsbescheides am 9. August 2005 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehabt habe. Denn der Kläger sei nicht hilfebedürftig gewesen, weil er über ausreichendes Einkommen verfügt habe, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Der Kläger habe im Zeitraum von August 2005 bis Juli 2007 wiederholt Bareinzahlungen auf sein Konto vorgenommen. Diese hätten sich auf insgesamt 45.440,- Euro belaufen. Er müsse demnach in diesem Zeitraum über Einnahmen verfügt haben. Woher diese Einnahmen stammten, habe sich im Klageverfahren nicht aufklären lassen. Der Vortrag des Klägers zu den Bareinzahlungen sei nicht schlüssig. Der Kläger habe sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens mehrfach geändert und auf Vorhalt abgewandelt. Er habe zunächst nur angegeben, dass ihm zwei weitläufige Verwandte Geld zur Aufbewahrung gegeben hätten, das sie beim Glücksspiel gewonnen hätten. Im Folgenden habe der Kläger dann erklärt, dass es sich doch nur zum Teil um Gelder aus Glücksspiel gehandelt habe und die beiden Verwandten illegal als Apfel- und Kirschpflücker im A. tätig gewesen seien. Er habe dann seinen Vortrag dahingehend ausgeweitet, dass auch sein Bruder ihm 20.000,- Euro – also fast die Hälfte des Betrages der Bareinzahlungen – zur Aufbewahrung gegeben habe. Auch dieser sei als Apfel- und Kirschpflücker illegal tätig gewesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe der Kläger wiederum angegeben, dass sein Bruder ihm ungefähr viermal Geld zur Aufbewahrung gegeben habe. In der handschriftlichen Aufstellung des Klägers seien jedoch wesentlich häufigere Bareinzahlungen des Bruders verzeichnet. Auf Vorhalt, dass auch außerhalb der Erntezeiten hohe Bareinzahlungen zu verzeichnen seien, habe der Kläger seinen Vortrag dahingehend abgeändert, dass sein Bruder und die beiden weitläufigen Verwandten doch nicht nur als Apfel- und Kirschpflücker, sondern das ganze Jahr über auf den Bauernhöfen im A. tätig gewesen seien. Dies stehe jedoch im Widerspruch zu den Erklärungen des Bruders des Klägers und des M. S ... Beide hätten ausdrücklich erklärt, als Apfel- und Kirschpflücker tätig gewesen zu sein. Eine Tätigkeit als Apfel- und Kirschpflücker erkläre jedoch nicht die Einzahlungen auf das Konto des Klägers über das ganze Jahr und zwar auch in den Wintermonaten. Beispielsweise seien im November 2006 3.700,- Euro und im Januar 2007 2.100,- Euro eingezahlt worden. Die eingezahlten Beträge seien nicht mit dem Lohn von Erntehelfern zu erklären, die hiervon auch noch ihren Lebensunterhalt bestreiten müssten. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, warum dem Kläger 1/7 der Beträge verblieben sei. Bei einer bloßen Aufbewahrung der Gelder unter Verwandten sei dies nicht überzeugend. Auch sei nicht ersichtlich, dass Lohnzahlungen in kleinen, schmutzigen Scheinen erfolgt seien, die der Kläger in einer Filiale der H. eingetauscht habe. Die Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen sei nicht erforderlich, da der Vortrag des Klägers schon nicht schlüssig sei. Selbst wenn die Zeugen ihre bisherigen Aussagen, dass sie als Apfel- und Kirschpflücker tätig gewesen seien, bestätigten, würde dies nicht die hohen ganzjährigen Bareinzahlungen erklären. Weitere Ermittlungen von Amts wegen ins Blaue hinein seien ebenfalls nicht angezeigt. Die Beweislast trage der Kläger. Grundsätzlich sei zwar der Beklagte beweispflichtig für das Vorliegen von Umständen, die eine Aufhebung nach § 45 SGB X begründeten. Eine Beweislastumkehr komme jedoch dann in Betracht, wenn in der Sphäre des Betroffenen wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar seien. Dies sei vorliegend der Fall. Es liege eine besondere Beweisnähe des Klägers vor, da nur er erklären könne, woher die Bareinzahlungen auf seinem Konto wirklich stammten. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 Absatz 2 Satz 1 SGB X lägen vor. Der Kläger habe seine Einnahmen gegenüber dem Beklagten vorsätzlich verschwiegen. Zudem habe er aber auch die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide erkennen müssen. Die Bewilligungsbescheide hätten auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden können, da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X vorlägen. Auch die Frist des § 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt, da die Anhörung erst im Sommer 2009 abgeschlossen gewesen sei. Der Beklagte könne jedoch nur Erstattung i.H.v. 11.148,30 Euro verlangen. Zwar hätte der Beklagte für den gesamten Zeitraum die Bewilligungsbescheide ganz aufgeheben können, er habe jedoch im Widerspruchsbescheid ausgeführt, für welchen Monat die Leistungen in welcher Höhe aufgehoben würden und sich damit gebunden. Es errechne sich damit lediglich eine Erstattungssumme i.H.v. 11.148,30 Euro. Für Januar und Februar 2007 sowie für März 2006 sei trotz Bareinzahlungen keine Erstattungssumme geltend gemacht worden. Eine Reduzierung der Erstattungssumme nach § 40 Absatz 4 SGB II komme nicht in Betracht, da ein Fall des § 45 Absatz 2 Satz 3 SGB X vorliege.

Der Kläger hat gegen das ihm am 11. September 2014 zugestellte Urteil am 7. Oktober 2014 Berufung eingelegt.

Er bezieht sich auf sein Vorbringen im Widerspruchs- und erstinstanzlichen Klageverfahren sowie auf seine Einlassungen im Strafverfahren und lässt ergänzend ausführen, das Sozialgericht habe sich erkennbar von den strafrechtlichen Verurteilungen beeindrucken lassen, ohne selbst Beweis darüber zu erheben, woher die Bareinzahlungen auf dem Konto stammten. Dabei hätten der Kläger und die drei angebotenen Zeugen aus Ostanatolien glaubhaft bekundet, dass die dem Kläger übergebenen Barbeträge von ihm verwaltet worden seien. Es werde deshalb erneut ausdrücklich beantragt, die Zeugen zu laden. Eine Beweislastumkehr komme nicht in Betracht. Zudem habe die im Strafverfahren vernommene Bankangestellte selbst gesehen, dass der Kläger das auf sein Konto eingezahlte Geld zuvor von seinem Bruder erhalten habe. Überdies zeige bereits die Höhe der monatlichen Gutschriften auf dem Konto des Klägers, dass die These, der Kläger, bei dem es sich nicht gerade um eine hochqualifizierte Person handele, habe dieses Geld alleine erwirtschaftet, "schlicht utopisch" sei. Sollten das Sozialgericht und der Beklagte hingegen – ohne dies auszusprechen – gemeint haben, dass die Gelder ggf. aus illegalen Geschäften, z.B. Drogenverkäufen, stammten, stelle sich doch die Frage, ob man wirklich annehmen könne, dass der Kläger "so blöd" gewesen wäre, Barbeträge aus derartigen Geschäften auf sein Konto einzuzahlen, "wo man sich an fünf Fingern abzählen" könne, dass dies in kürzester Zeit nicht nur dem Beklagten auffallen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Auch spreche der Umstand, dass regelmäßig Beträge im hohen Umfang vom Kläger abgehoben oder sogar an die vom Kläger angegebenen Personen überwiesen worden seien, dafür, dass diese Gelder ihm nicht leistungskürzend entgegengehalten werden könnten. Soweit das Sozialgericht dem Kläger wechselnden Vortrag vorwerfe, sei dies angesichts des illegalen Aufenthaltes der Verwandten doch nur allzu verständlich. Letztlich verfange auch der Einwand des Sozialgerichts zur angeblichen Diskrepanz zwischen den hohen Beträgen und der Tätigkeit als Obstpflücker nicht. Es sei eben nicht so, dass in den Monaten außerhalb der Obsternte keinerlei Arbeiten auf den Obsthöfen anfielen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. September 2014 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 21. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2010 vollständig aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte, die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat gem. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug nimmt, abgewiesen.

Die vom Beklagten verfügte Aufhebung seiner Bewilligungsentscheidungen beruht auf § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II (i.d.F. des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl. I 2917 – a.F.) i.V.m. § 45 SGB X und § 330 Abs. 2 SGB III, da die Bewilligungsbescheide vom 9. August 2005, 21. Dezember 2005, 30. Juni 2006, 3. Januar 2007 und 12. Juli 2007 anfänglich rechtswidrig waren. Nur ergänzend sei angemerkt, dass sich kein anderes Ergebnis ergäbe, wollte man von einer nachträglichen Rechtswidrigkeit wegen Einkommenszuflusses nach Erlass des jeweiligen Bewilligungsbescheides ausgehen und damit die Rechtsgrundlage für die Aufhebung in § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II a.F. i.V.m. § 48 SGB X und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III erblicken. Da nämlich auch die subjektiven Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III erfüllt sind, ist der Austausch der Rechtsgrundlage unschädlich. Denn § 48 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) verlangt nur den Einkommenszufluss und den dadurch bedingten Wegfall des Anspruchs. Insoweit wäre der Verfügungssatz nicht zu ändern, sondern die Aufhebung nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet, was hier zulässig wäre (zu allem BSG, Urteil vom 15.6.2016 – B 4 AS 41/15 R; KassKomm-Steinwedel, SGB X, Stand: 09/2016, § 48 Rn. 8). Aus beiden Rechtsgrundlagen – § 45 wie auch § 48 SGB X – folgen zudem wegen § 330 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 SGB III gebundene Entscheidungen; die rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakte wären also in beiden Fällen ohne Ermessensausübung zurückzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 10.9.2013 – B 4 AS 89/12).

Der Senat teilt die Ansicht des Sozialgerichts, dass der Kläger im Umfang der vom Beklagten verfügten Aufhebungen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hatte. Dieser Anspruch richtet sich nach §§ 7, 9 und 11 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die hilfebedürftig sind. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in den hier maßgeblichen Fassungen d. G. v. 24.12.2003, BGBl. I 2954, v. 24.3.2006, BGBl. I 558, sowie v. 20.7.2006, BGBl. I 1706) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1) oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (i.d.F. d. G. v. 30.7.2004, BGBl. I 2014, v. 14.8.2005, BGBl. I 2407, v. 24.3.2006, a.a.O., v. 31.12.2006, a.a.O., sowie v. 5.12.2006, BGBl. I 2748) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mit dort genannten, im vorliegenden Fall nicht relevanten Ausnahmen. Dabei ist das erzielte Einkommen nach § 11 Abs. 2 SGB II um die dort genannten Absetzbeträge zu bereinigen. Vorliegend kam allein die Absetzung des Pauschbetrages i.H.v. 30,- Euro monatlich für nach Grund und Höhe angemessene private Versicherungen in Betracht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V, sowohl i.d.F. v. 20.10.2004, als auch i.d.F. v. 22.8.2005), wie auch vom Beklagten berücksichtigt.

Der grundsicherungsrechtliche Bedarf des Klägers, der im streitgegenständlichen Zeitraum die weiteren Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II erfüllte und bei dem auch kein Leistungsausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorlag, ist unstreitig. Er bestand vom 1. August 2005 bis 30. Juni 2007 i.H.v. 668,45 Euro und im Juli 2007 i.H.v. 670,45 Euro.

Die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob Einkommen anzurechnen war, ist indessen im Sinne des erstinstanzlichen Urteils zu beantworten. Bei den auf dem Girokonto des Klägers erfolgten Gutschriften handelt es sich um Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht lediglich um treuhänderisch verwahrtes Fremdgeld. Dazu hat das Sozialgericht alles Wesentliche gesagt.

Nur ergänzend und unter Berücksichtigung des Berufungsvortrags des Klägers weist der Senat auf Folgendes hin: Zunächst sind in der Tat die Beträge, die auf das Girokonto des Klägers eingezahlt wurden, mit dem Lohn von Erntehelfern nicht in Einklang zu bringen. Was die Lohnhöhe betrifft, musste beispielsweise nach dem Tarifvertrag für den Bereich der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ab Oktober 2005 ein Stundenlohn von 5,92 Euro und ab Oktober 2006 ein solcher von 6,- Euro gezahlt werden. Bei illegaler Beschäftigung liegt die Entlohnung naturgemäß niedriger. Derart hohe Ansparbeträge, wie hier behauptet, sind deshalb unrealistisch, zumal die drei Verwandten schließlich noch ihren eigenen Lebensunterhalt aus dem Verdienst hätten bestreiten müssen. Auch erklärt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht der Umstand der durchgehend über das Jahr und nicht nur während der Erntezeit erfolgten hohen Bareinzahlungen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es auf den Höfen von Obstbauern im A. ganzjährig für (unqualifizierte) Erntehelfer zu tun gäbe – was zweifelhaft ist, da es sich bei der Tätigkeit als Erntehelfer um typische Saisonarbeit handelt und in der Regel Anstellungen befristet für drei bis vier Monate erfolgen –, ist davon auszugehen, dass der Arbeitsumfang von Hilfskräften und damit auch ihr Lohn außerhalb der Erntezeit deutlich geringer ausfällt. Hinzu treten ungewöhnlich hohe Einzahlungen in einzelnen Monaten. So sind z.B. im April 2006 4.200,- Euro, im Mai 2006 3.700,- Euro, im Juni 2006 5.150,- Euro und im Juli 2006 3.000,- Euro eingezahlt worden, also 16.050,- Euro in nur vier Monaten (= 4012,50 Euro/Monat), wobei die Kirschernte erst im Juni und die Apfelernte im Herbst beginnt. Jede der drei Personen müsste also im Zeitraum von April bis Juli 2006 im Schnitt 5.350,- Euro an den Kläger gezahlt haben. Dabei wäre außerdem zu berücksichtigen, dass der M. S. angegeben hat, im Juni 2006, also ausgerechnet in dem Monat, in dem die höchsten Einzahlungen auf das Konto des Klägers erfolgten und in dem die Kirschernte beginnt, gar nicht in Deutschland gewesen zu sein. Außerdem hat Herr B. in seiner Erklärung vom 2. Juni 2008 dargelegt, sich vom 2. Februar 2006 bis 12. Mai 2006 nicht in Deutschland, sondern in der T. aufgehalten zu haben. Legt man außerdem noch den Vortrag des Klägers zugrunde, wonach der M. S. und der H2 Ö. regelmäßig an Automaten gespielt haben sollen, erklärt sich noch weniger, wie sie derartig hohe Beträge hätten ansparen können. Völlig zu Recht hat das Amtsgericht im Strafverfahren darauf hingewiesen, dass eine derartige Glückssträhne, die beide besessen haben müssten, um ihre Einsätze nicht zu verspielen, sondern sogar durchgehend Gewinne einzustreichen, völlig lebensfremd ist. Schlussendlich erklärt sich aus dem Vortrag des Klägers auch nicht die Vielzahl der Bareinzahlungsvorgänge. Die drei Personen sollen im A. gelebt und dem Kläger das Geld bei diversen Treffen gegeben haben. Betrachtet man z.B. den Juni 2006, dann sind aber sieben Einzahlungen von Summen zwischen 200,- bis 1.200,- Euro bei vier verschiedenen H.-Filialen erfolgt. Eine Erklärung dafür, weshalb sich der Kläger derart oft mit den drei Personen zur Geldübergabe getroffen haben sollte – zumal während der Erntezeit, in der besonders viel Arbeit anfällt –, ist er aber schuldig geblieben. Entsprechendes gilt für den Mai 2006: Hier erfolgten sogar zehn verschiedene Bareinzahlungen zwischen 250,- und 700,- Euro, u.a. an drei aufeinander folgenden Tagen.

Vor dem Hintergrund dieses nicht plausiblen und widersprüchlichen Vortrags des Klägers mussten sich weder das Sozialgericht noch der erkennende Senat zu weiteren Ermittlungen, insbesondere zur Vernehmung der Personen S., Ö. und B., veranlasst sehen. Zwar lässt sich vorliegend nicht feststellen, woher das Geld für die Bareinzahlungen des Klägers stammt und damit auch letztlich nicht, ob es ihn endgültig bereichern sollte. Insofern trägt grundsätzlich die Behörde bei der Leistungsaufhebung die materielle Beweislast für die Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bewilligungsbescheides. Das Sozialgericht hat aber richtigerweise im vorliegenden Fall eine Umkehr der Beweislast angenommen. Eine solche ist gerechtfertigt, wenn eine besondere Beweisnähe zu einem Beteiligten besteht (BSG, Urteil vom 24.5.2006 – B 11a AL 7/05 R). Dies trifft auf den Kläger zu. Denn er verfügte im Aufhebungszeitraum über erhebliche finanzielle Mittel, die seinen grundsicherungsrechtlichen Bedarf zeitweise deutlich überstiegen. Die näheren Umstände des Zuflusses der Gelder liegen in der Sphäre des Klägers und wären von diesem schlüssig zu erklären (vgl. dazu zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2017 – L 4 AS 379/14). Daran fehlt es aber. Insbesondere ist der Darlegungslast nicht damit Genüge getan, lediglich bestimmte Erklärungen für die Bareinzahlungen auszuschließen, weshalb der zuletzt erhobene Einwand des Klägers, wegen naheliegender strafrechtlicher Ermittlungen und leistungsrechtlicher Konsequenzen würde niemand vernünftigerweise Geld aus Drogengeschäften auf sein Konto einzahlen, und für ein legales Einkommen in diesem Umfang reiche seine berufliche Qualifikation nicht aus, nicht verfängt.

Das Sozialgericht hat auch zutreffend hier sowohl einen Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 als auch der Nr. 3 SGB X bejaht. Die Bewilligungsbescheide beruhten auf Angaben, die der Kläger (in den jeweiligen Weiterbewilligungsanträgen) vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2). Er kannte angesichts des ihm zugeflossenen Einkommens auch die Rechtswidrigkeit der Bescheide bzw. kannte sie infolge grober Fahrlässigkeit nicht (Nr. 3).

Die 10-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X ist eingehalten. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit war wegen § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III zwingend; Ermessen war nicht auszuüben.

Die Rücknahme erfolgte auch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Die Jahresfrist beginnt in aller Regel frühestens mit der Anhörung des Begünstigten (BSG, Urteil vom 27.7.2000 – B 7 AL 88/99). Das Sozialgericht hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass das mit Schreiben des Beklagten vom 12. Februar 2008 begonnene Anhörungsverfahren erst im Sommer 2009 abgeschlossen war, da der Kläger (mit Schreiben vom 19.2.2008) um Fristverlängerung bis zum Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens gebeten hatte. Die Rücknahme erfolgte mit Bescheid vom 21. September 2009.

Auch der Umfang der verfügten Aufhebung ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte ist von laufenden Einnahmen des Klägers ausgegangen und hat, ausgehend vom Zuflussprinzip und von § 2 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V, die Einnahmen in dem Monat angerechnet, in dem die Gutschriften auf dem Girokonto des Klägers erfolgten. Unter Zugrundelegung der o.g. Einzahlungen auf das Konto waren die Bewilligungsentscheidungen in folgendem Umfang aufzuheben: Für Mai, September und Dezember 2005 i.H.v. 668,45 Euro, für Oktober 2005 i.H.v. 210,- Euro, für Januar 2006 i.H.v. 370,- Euro, für Februar 2006 i.H.v. 270,- Euro, für April bis Juli und September bis Dezember 2006 i.H.v. jeweils 668,45 Euro, für August 2006 i.H.v. 470,- Euro und für April bis Juni 2007 i.H.v. jeweils 668,45 Euro. Für Juli 2007 hat der Beklagte lediglich i.H.v. 470,- Euro aufgehoben, obwohl die Voraussetzungen einer vollständigen Aufhebung (670,45 Euro) vorgelegen haben. Ebenso hat der Beklagte von Aufhebungen für März 2006 sowie Januar und Februar 2007 abgesehen. Leistungen sind damit in einem Gesamtumfang von 11.148,30 Euro aufgehoben worden.

Die Erstattungspflicht in eben diesem Umfang folgt aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 50 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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