S 13 AS 1498/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 1498/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 736/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 13.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 verurteilt, dem Kläger für den Monat Februar 2014 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 309,28 EUR zu gewähren.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten höheres Arbeitslosengeld II für den Monat Februar 2014. Dabei wendet er sich insbesondere gegen die Anrechnung einer im Februar 2014 zugeflossenen Nachzahlung von Wohngeld für den Zeitraum November 2013 bis Januar 2014.

Der am ... 1986 geborene Kläger wohnt in einer Mietwohnung in D.-R., für die im streitigen Monat eine Gesamtmiete von 376,00 EUR (Grundmiete 261,00 EUR, Heizkosten 55,00 EUR, kalte Betriebskosten 60,00 EUR) zu entrichten war. Für seine Kfz- Haftpflichtversicherung hatte der Kläger einen monatlichen Beitrag von 30,24 EUR zu zahlen. Der Kläger war bis zum 30.04.2013 bei einem Autohaus als Fahrzeugaufbereiter angestellt. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 03.08.2013 Arbeitslosengeld I für die Zeit vom 01.05.2013 bis zum 30.04.2014 in Höhe von kalendertäglich 21,26 EUR. Am 03.02.2014 nahm der Kläger eine Beschäftigung bei der R. auf; die erste Lohnzahlung erfolgte im März 2014. Die Bundesagentur für Arbeit hob darauf hin mit Bescheid vom 03.02.2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld I ab dem 03.02.2014 wegen der Aufnahme einer Beschäftigung auf; das Arbeitslosengeld I für den Zeitraum 01.02. bis 02.02.2014 in Höhe von 42,52 EUR wurde am 06.02.2014 auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben. Die Stadt D.-R. (Wohngeldstelle) bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag vom 18.11.2013 mit Bescheid vom 03.02.2014 Wohngeld für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 31.01.2014 in Höhe von monatlich 109,00 EUR; der Betrag in Höhe von insgesamt 327,00 EUR wurde am 26.02.2014 auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben.

Der Kläger stellte am 03.02.2014 beim Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Der Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 13.03.2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Februar 2014 in Höhe von 457,72 EUR und für März bis Juli 2014 in Höhe von monatlich 12,88 EUR. Dabei berücksichtigte er im Februar 2014 das Wohngeld in Höhe von 327,00 EUR sowie das Arbeitslosengeld I in Höhe von 42,52 EUR als Einkommen.

Der Kläger legte am 27.03.2014 Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.03.2014 ein. Zur Begründung führte er an, das ihm im Februar zugeflossene Wohngeld dürfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Die Bewilligung des Wohngeldes beziehe sich ausweislich des Wohngeldbescheides auf die Monate November 2013, Dezember 2013 und Januar 2014. Der Zufluss hätte regulär in diesen Monaten erfolgen müssen. Aufgrund der langen Bearbeitungszeiten der Stadt D.-R. habe er den Bescheid und das Geld für diese Monate erst im Februar 2014 behalten. Bei dem Wohngeld handle es sich um eine nicht als Einkommen zu berücksichtigende zweckbestimmte Leistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, da es ausdrücklich als Mietzuschuss für die Monate November 2013, Dezember 2013 und Januar 2014 erbracht worden sei. Ihm sei durch Mitarbeiter des Beklagten die telefonische Auskunft erteilt worden, dass eine gleichzeitige Beantragung von Arbeitslosengeld II und Wohngeld nicht möglich sei. Darauf hin habe er nur Wohngeld beantragt. Aufgrund der langen Bearbeitungszeiten der Stadt D.-R. habe er das Geld von seiner Familie vorfinanziert bekommen und es nach Zahlung des Wohngeldes zurückgezahlt.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2014 als unbegründet zurück. Das Wohngeld sei als Einkommen zu berücksichtigen. Einnahmen seien stets in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch für Nachzahlungen von Sozialleistungen oder Lohn oder für Steuererstattungen.

Der Kläger hat dagegen die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

Der Beklagte hat mit Änderungsbescheiden vom 03.04.2014, vom 05.06.2014 und vom 01.09.2014 die Leistungsbewilligung für die Monate März bis Juli 2014 mehrfach abgeändert.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 zu verurteilen, ihm für den Monat Februar 2014 höheres Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung des für die Monate November 2013, Dezember 2013 und Januar 2014 nachgezahlten Wohngeldes zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 13.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014. Die Klage wurde im Klageantrag zulässig auf den Monat Februar 2014 beschränkt. Die für den gleichen Bewilligungsabschnitt ergangenen Änderungsbescheide vom 03.04.2014, vom 05.06.2014 und vom 01.09.2014 sind demnach nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da sie nicht den Monat Februar 2014 betreffen.

II.

Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat für den Monat Februar 2014 einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als vom Beklagten bewilligt.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Der Kläger gehörte im streitigen Zeitraum nach seinem Alter grundsätzlich zum Kreis der Leistungsberechtigten, war erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Er war auch hilfebedürftig, denn er konnte im streitgegenständlichen Zeitraum seinen Lebensunterhalt nicht mit eigenem Einkommen und Vermögen sichern.

Der maßgebliche Bedarf ist anhand der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II) zu bestimmen. Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 3 SGB II).

Der Regelbedarf für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind, beträgt im Jahr 2014 monatlich 391,00 EUR. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für seine Wohnung beliefen sich im Februar 2014 auf 376,00 EUR; hinsichtlich der Angemessenheit dieser Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Damit ergibt sich ein Gesamtbedarf des Klägers in Höhe von 767,00 EUR im Februar 2014.

Von diesem Bedarf ist das zu berücksichtigende Einkommen in Abzug zu bringen. Als Einkommen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

Unstreitig ist demnach zunächst das für den 01.02. und 02.02.2014 gezahlte Arbeitslosengeld I als Einkommen zu berücksichtigen.

Das im Februar 2014 für die Monate November 2013, Dezember 2013 und Januar 2014 nachgezahlte Wohngeld ist hingegen nach Ansicht der Kammer nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Das folgt allerdings weder aus § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II (siehe dazu unter 1.) noch aus der Tatsache, dass es sich um eine Nachzahlung für vergangene Zeiträume gehandelt hat (siehe dazu unter 2.). Eine Anrechnung ist vielmehr in Anwendung der vom BSG in seinem Urteil vom 15.06.2015 (Az. B 14 AS 17/14) entwickelten Grundsätze ausgeschlossen, da das Wohngeld aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund stammt (siehe dazu unter 3.).

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11 b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a SGB II genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen.

1. Das Wohngeld ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II als zweckbestimmte Einnahme von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen. Danach sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Das Wohngeld wird nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und damit aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften geleistet. Wohngeld wird auch zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt, denn nach § 1 Abs. 1 WoGG dient das Wohngeld der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. Eine Berücksichtigung zweckbestimmter Einnahmen ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II aber nicht ausgeschlossen, wenn sie im Einzelfall demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II dienen. Dabei ist unbeachtlich, ob diese Zweckbestimmung auch für einen mit dem Bedarfszeitraum identischen Zeitraum bestand, denn § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II stellt lediglich auf die Identität der Zweckbestimmung, nicht aber auch auf die Zeitraumidentität ab (zu dieser Unterscheidung vgl. BSG, Urteil vom 30.07.2008, Az. B 14 AS 26/07 R). Für letztere ist das sog. Zuflussprinzip maßgeblich (siehe dazu sogleich). Das Wohngeld ist ebenso wie das Arbeitslosengeld II zur Deckung des Lebensunterhaltes bestimmt. Die nach dem SGB II gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfassen nach den obigen Ausführungen auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Das Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz und das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II dienen demnach im Einzelfall, nämlich soweit es um die Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens geht, demselben Zweck. Das Wohngeld gehört demnach nicht zu den nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II von der Einkommensberücksichtigung ausgenommenen Einnahmen.

2. Eine Berücksichtigung des im Februar 2014 zugeflossenen Wohngeldes als Einkommen ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um eine Nachzahlung für die Monate November und Dezember 2013 und Januar 2014 handelte. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Dabei ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-) Forderung grundsätzlich nicht ihr Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 132/11 R; Urteil vom 22.03.2012, Az. B 4 AS 139/11 R; Urteil vom 14.03.2012, Az. B 14 AS 98/11 R; Urteil vom 25.01.2012, Az. B 14 AS 101/11 R, – jeweils m.w.N.; siehe auch schon BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az. B 4 AS 29/07 R; Urteil vom 30.07.2008, Az. B 14 AS 26/07 R). Entscheidend ist nach der gesetzlichen Wertung des SGB II der tatsächliche Zufluss "bereiter Mittel" (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2012, a. a. O., m. w. N.). So hat das BSG beispielsweise für eine Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe (Urteil vom 21.12.2009, Az. B 14 AS 46/08 R), für eine Nachzahlung von Krankengeld (Urteil vom 16.12.2008, Az. B 4 AS 70/07 R), für eine Abfindung aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich (Urteil vom 03.03.2009, Az. B 4 AS 47/08 R) sowie für eine Einkommenssteuererstattung (Urteil vom 30.09.2008, Az. B 4 AS 29/07 R) entschieden, dass es bei der Einkommensanrechnung auch dann nur auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses der Einnahmen ankommt, wenn es sich um Nachzahlungen von Leistungen handelt, die für einen vor dem Bedarfszeitraum liegenden Zeitraum bestimmt waren oder die zu einem früheren Zeitpunkt erarbeitet wurden (so zuletzt für eine Lohnnachzahlung BSG, Urteil vom 24.04.2015, Az. B 4 AS 32/14 R).

3. Die Kammer ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass die Wohngeldnachzahlung in entsprechender Anwendung von § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind "Leistungen nach diesem Buch" nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dem Wortlaut nach sind demnach zunächst nur Leistungen nach dem SGB II von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen. Das BSG hat jedoch in seiner neuesten Rechtsprechung (Urteil vom 25.06.2015, Az. B 14 AS 17/14 R) zu der Wort- und inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 gültigen Fassung entschieden, dass in entsprechender Anwendung der Vorschrift auch Nachzahlungen von Leistungen nach dem AsylbLG nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Dies folge zum einen aus dem Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. F., existenzsichernde Leistungen nicht als Einkommen einsetzen zu müssen, und zum anderen aus den systematischen Zusammenhängen zwischen den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG. Denn diese hätten sich historisch vor allem aus der umfassenden Regelung des Fürsorgerechts im früheren BSHG entwickelt und hätten einen gemeinsamen verfassungsrechtlichen Kern im Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Einnahmen, die nach der Rechtsprechung des BSG als Einkommen im Zuflussmonat zu berücksichtigen seien (dazu siehe oben unter 2.), stammten nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund. Das gelte insbesondere auch für die Arbeitslosenhilfe, denn diese sei im Vergleich zu den Leistungen zur Existenzsicherung ein Sondersystem mit strukturell höheren Ansprüchen gewesen, da sie als Entgeltersatzleistung nach einem bestimmten Arbeitseinkommen bemessen wurde, an die Zurücklegung bestimmter Versicherungszeiten oder ihnen gleichgestellter Zeiten anknüpfte und auf eine Lebensstandardsicherung abzielte.

Diese vom BSG in seinem Urteil vom 15.06.2015 aufgestellten Grundsätze lassen sich nach Ansicht der Kammer auf die Nachzahlung von Wohngeld nach dem WoGG übertragen. Denn das Wohngeld stammt aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund. Beim Wohngeld handelt sich ebenso wie bei den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG nicht um eine Versicherungs- oder Entgeltersatzleistung, sondern um eine steuerfinanzierte, beitragsunabhängige Sozialleistung, deren Höhe sich allein nach dem konkreten ungedeckten Bedarf bemisst. Das Wohngeld dient nach dem ausdrücklich formulierten Gesetzeszweck der Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens und ist damit ebenso wie die ebenfalls die Bedarfe für Unterkunft und Heizung umfassenden Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG dem Bereich der Existenzsicherung zuzuordnen. Das wird insbesondere daran deutlich, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II, bei deren Berechnung der Leistungen Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind, nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 WoGG vom Bezug von Wohngeld ausgeschlossen sind. Da umgekehrt kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII besteht, wenn der Wohngeldberechtigte in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt mit eigenem Einkommen und zusätzlichem Wohngeld zu bestreiten, kommt auch ein gleichzeitiger Bezug von Wohngeld und Arbeitslosengeld II / Sozialhilfe grundsätzlich nicht in Betracht nicht in Betracht (zu Ausnahmen vgl. z. B. § 8 Abs. 2 WoGG, § 12a S. 2 Nr. 2 SGB II). Das Wohngeld lässt sich also in ein System von sich grundsätzlich gegenseitig ausschließenden Leistungen einordnen, deren gemeinsames Ziel die Erfüllung der auf Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 GG beruhenden staatlichen Pflicht zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (dazu vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 18.07.2012, Az. 1 BvL 10/10) ist. Eine Wohngeldnachzahlung ist daher aus Sicht der Kammer in erweiternder Auslegung von § 11 a Abs. 1 Nr. 1 SGB II jedenfalls dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der Leistungsempfänger – wie hier – in dem Zeitraum, für den das Wohngeld nachgezahlt wird, keine anderen existenzsichernden Leistungen (also Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG) bezogen hat.

Nach alledem ist im Februar 2014 lediglich das Arbeitslosengeld I in Höhe von 42,52 EUR als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. Hiervon sind gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II / Sozialgeld (ALG II- VO) in der Fassung vom 17.12.2007 der Beitrag zur Kfz- Haftpflichtversicherung in Höhe von 30,24 EUR und die Versicherungspauschale von 30,00 EUR in Abzug zu bringen. Demnach errechnet sich im Ergebnis kein anrechenbares Einkommen mehr.

Der Kläger hat demnach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Höhe seines Bedarfs von 767,00 EUR. Bringt man hiervon die bereits bewilligten 457,72 EUR in Abzug, so errechnet sich ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von 309,28 EUR.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

IV.

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Berufung war jedoch gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Nach Kenntnis der Kammer existiert bislang noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Nachzahlung von Wohngeld im Zuflussmonat als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen ist.
Rechtskraft
Aus
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