S 10 SF 53/17 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 10 SF 53/17 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf eine Verfahrensgebühr tritt bereits mit der Entstehung der betroffenen Gebühren ein; auf die Erfüllung der anwaltlichen Vergütungsforderung kommt es hierfür nicht an.

2. Gleichwohl können beide Gebühren in voller Höhe geltend gemacht werden, solange insgesamt nicht mehr als die um den Anrechnungsbetrag verringerte Summe verlangt wird.

3. Ein Dritter kann sich als Kostenschuldner auf die Anrechnung nur in der Höhe berufen, in der er den Anspruch auf die Geschäftsgebühr erfüllt hat, in der diese gegen ihn tituliert ist oder in der diese in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht wird.
Auf die Erinnerung der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 13. Juni 2017 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte den Klägern als außergerichtliche Kosten für das Klageverfahren S 13 AS 15/15 vor dem Sozialgericht Marburg insgesamt 1.204,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2017 zu erstatten hat.

Der Erinnerungsgegner hat den Erinnerungsführern die Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren S 13 AS 15/15 vor dem Sozialgericht Marburg. Im Streit steht die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung, konkret die Frage, inwieweit die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren auf die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren anzurechnen ist.

In dem genannten Ausgangsverfahren erhoben die Erinnerungsführer im Januar 2015 Klage gegen einen Bescheid des Erinnerungsgegners vom 25. August 2014 "und den Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2014". In der Sache begehrten die Kläger die vollständige Übernahme ihrer Kosten der Unterkunft im Rahmen der von ihnen bezogenen laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Am 5. Mai 2017 schlossen die Beteiligten während eines Erörterungstermins einen gerichtlichen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Beklagte u.a., den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Vorverfahren zu 87 % und für das Klageverfahren zu 75 % zu erstatten.

Am 15. Mai 2017 (Eingangsdatum) beantragten die Erinnerungsführer, die Höhe der ihnen zu erstattenden Kosten durch gerichtlichen Beschluss festzusetzen. Dabei machten sie folgende Positionen (nebst Zinsen) geltend:
- Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG = 300,00 EUR,
- Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG = 180,00 EUR,
- Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 EUR,
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG = 95,00 EUR,
Zwischensumme: 595,00 EUR, davon 87 % = 517,65 EUR.

- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG = 300,00 EUR, abzüglich Anrechnung der von dem Beklagten geforderten Geschäftsgebühr (87 % von 300,00 EUR = 261,00 EUR) zu 50 % = - 130,50 EUR
- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG = 280,00 EUR,
- Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005 VV RVG = 300,00 EUR,
- Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 EUR,
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG = 146,21 EUR,
Zwischensumme: 915,71 EUR, davon 75 % = 686,79 EUR.

Endsumme: 1.204,44 EUR.

Der hierzu angehörte Erinnerungsgegner akzeptierte die geforderten Gebühren und ihre anwaltlich bestimmte Höhe. Er vertrat indes die Ansicht, die entstandene Geschäftsgebühr von 300,00 EUR sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, so das von dieser nicht nur 130,50 EUR, sondern 150,00 EUR abzuziehen seien. Daraufhin erließ die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Kostenfestsetzungsbeschluss für das Ausgangsverfahren vom 13. Juni 2017. Dabei wich sie von der Kostenforderung der Erinnerungsführer nur hinsichtlich dieser Anrechnung ab und setzte insgesamt einen von dem damaligen Beklagten an die damaligen Kläger zu erstattenden Betrag in Höhe von 1.187,02 EUR nebst Zinsen fest. Dabei folgte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Rechtsansicht des damaligen Beklagten. Für die Anrechnung sei die volle Geschäftsgebühr von 300,00 EUR zu berücksichtigen – auch wenn der Beklagte nur einen Bruchteil dieses Betrags zu erstatten habe. Denn der Rechtsanwalt könne die entstandene Geschäftsgebühr im Übrigen von seiner Mandantschaft einfordern.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss für das Ausgangsverfahren vom 13. Juni 2017 haben die Kläger am 27. Juni 2017 Erinnerung eingelegt. Die Geschäftsgebühr sei nur insoweit (zur Hälfte) anzurechnen, als sie auch tatsächlich gezahlt worden sei. Der Rechtsanwalt habe ein Wahlrecht, welche Gebühr er in ungekürzter Höhe von welchem Schuldner einfordere.

Die Erinnerungsführer beantragen sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 13. Juni 2017 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte den Klägern als außergerichtliche Kosten für das Klageverfahren S 13 AS 15/15 vor dem Sozialgericht Marburg insgesamt 1.204,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2017 zu erstatten hat.

Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß,
die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 13. Juni 2017 zurückzuweisen.

Die Erinnerungsführer haben auf Anfrage der Kammer mitgeteilt, dass sie selbst an ihren Rechtsanwalt keine Zahlungen auf die streitgegenständliche Vergütungsforderung geleistet haben.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands und insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten zur Begründung ihrer Anträge wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Darüber hinaus wird die beigezogene Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (Aktenzeichen: S 13 AS 15/15) in Bezug genommen. Beide Akten lagen der Entscheidungsfindung zugrunde.

II.

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 13. Juni 2017 ist gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingegangen.

Die Erinnerung ist auch begründet. Zu Unrecht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei ihrer Entscheidung die von den Erinnerungsführern begehrte Rechtsanwaltsvergütung nicht in voller Höhe festgesetzt.

Erstattungsfähig sind gemäß § 193 Abs. 2 SGG die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Zu den letztgenannten zählt die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts (§ 193 Abs. 3 SGG). Diese bemisst sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei dem Ausgangsverfahren handelte es sich um ein Klageverfahren mit kostenprivilegierten Beteiligten im Sinne von § 183 S. 1 SGG, so dass die Anwendung des GKG gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 SGG ausscheidet. Obgleich dies in § 193 SGG nicht ausdrücklich geregelt ist, zählen zu den notwendigen Aufwendungen auch die Kosten des dem Klageverfahren vorangegangenen Widerspruchsverfahrens (allg. Ansicht, siehe nur B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rn. 5a m.w.N.), weil dessen Durchführung eine Prozessvoraussetzung darstellt.

Welche Arten von Gebühren anfallen, bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 S. 1 RVG). Für die Verfahren der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten gilt deren Teil 3. Daneben kommen noch die Allgemeinen Gebühren des Teils 1 zum Ansatz (vgl. Vorbemerkung 1). Die Maßstäbe zur Bestimmung der angemessenen Höhe einer einzelnen Gebühr lassen sich der Regelung des § 14 RVG entnehmen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr sind nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG alle Umstände des Einzelfalls, vor allem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Bei den hier einschlägigen Betragsrahmengebühren ist außerdem das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG).

Die anwaltliche Bestimmung der Höhe einer angefallenen Gebühr ist für den Erinnerungsgegner grundsätzlich verbindlich, wenn sie nicht unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Dies hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle indes nicht von Amts wegen zu prüfen. Tritt der Kostenschuldner der Gebührenhöhe nicht entgegen, ist vielmehr von einer der Billigkeit entsprechenden Festsetzung auszugehen (siehe nur B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 197 Rn. 7 m.w.N.). So liegt der Fall auch hier. Denn der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat nur den nach seiner Ansicht zu geringen Umfang der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr bemängelt.

Die danach im vorliegenden Verfahren allein streitige Anrechnung ist von den Erinnerungsführern korrekt berücksichtigt worden. Entgegen der Ansicht des Erinnerungsgegners, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gefolgt ist, ist die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht um 150,00 EUR, sondern nur um 130,50 EUR zu kürzen.

Ausgangspunkt der Problematik ist die einschlägige Bestimmung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Danach wird eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV RVG zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, soweit sie wegen desselben Gegenstands entsteht. Dies ist hier der Fall. Die Erinnerungsführer sind bereits in dem dem Klageverfahren vorangegangenen Widerspruchsverfahren von demselben Rechtsanwalt vertreten worden. Für diese Tätigkeit ist eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG in Höhe von 300,00 EUR entstanden. Wie etwa das SG Gießen mit Beschluss vom 15. März 2018 (S 23 SF 13/17 E) unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 1. Februar 2017 – L 19 AS 1408/16 B – Rn. 38 in juris) im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt hat, kennt die Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG keine weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen. Die Anrechnung tritt bereits mit der Entstehung der betroffenen Gebühren ein; auf die Erfüllung der anwaltlichen Vergütungsforderung kommt es hierfür nicht an. Auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens ist demnach grundsätzlich ein Betrag von 150,00 EUR anzurechnen.

Entscheidend für das Ergebnis des vorliegenden Erinnerungsverfahrens ist aber, welche Auswirkungen dieser Anrechnungstatbestand nach sich zieht. Diese Frage war bei Inkrafttreten des RVG nicht ausdrücklich geregelt. Daraufhin ist die Rechtsprechung überwiegend davon ausgegangen, eine Verfahrensgebühr, auf die eine andere Gebühr teilweise anzurechnen sei, könne nur in der verringerten Höhe (also der Differenz) geltend gemacht werden. Diese Rechtsprechung, die sich in Kostenfestsetzungsverfahren zugunsten des Kostenschuldners und damit im Ergebnis zu Lasten des im Übrigen zahlungspflichtigen Mandanten des Rechtsanwalts ausgewirkt hat, ist durch den Gesetzgeber sodann bewusst korrigiert worden. Durch die nachträgliche Einfügung des § 15a RVG sollten "unerwünschte Auswirkungen der Anrechnung zum Nachteil des Auftraggebers" vermieden werden. Dabei ging der Gesetzgeber ausweislich der Materialien (BT-Drucks. 16/12717 S. 58) von folgender Zielsetzung aus: "Die Vorschrift beschränkt die Wirkung der Anrechnung auf den geringst möglichen Eingriff in den Bestand der betroffenen Gebühren. Beide Gebührenansprüche bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Er hat insbesondere die Wahl, welche Gebühr er fordert und – falls die Gebühren von verschiedenen Personen geschuldet werden – welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren nach Abzug des anzurechnenden Betrags ergibt. Soweit seine Forderung jenen Betrag überschreitet, kann ihm der Auftraggeber die Anrechnung entgegenhalten. Mehr ist nicht erforderlich, um die Begrenzung des Vergütungsanspruchs zu erreichen, die mit der Anrechnung bezweckt wird."

Dementsprechend ergibt sich aus § 15a Abs. 1 RVG, dass der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführer von diesen als seinen Auftraggebern sowohl eine Geschäftsgebühr in Höhe von 300,00 EUR als auch eine Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 EUR fordern darf. Er könnte auch beide Gebühren anteilig geltend machen. Ihm ist es lediglich verwehrt, in dem Ausgangsverfahren für die beiden vorgenannten Gebühren zusammen einen höheren Betrag als 450,00 EUR zu verlangen.

Diese rechtliche Situation hat der Gesetzgeber in § 15a Abs. 2 RVG auf den für das vorliegende Erinnerungsverfahren maßgebenden Fall übertragen, dass nicht der Mandat des Rechtsanwalts, sondern ein Dritter als Kostenschuldner in Anspruch genommen wird. Dazu enthält die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12717 S. 58 f.) folgende Ausführungen: "Da die Anrechnung den Bestand der einzelnen Gebührenansprüche bereits im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber unberührt lässt, wirkt sie sich insoweit auch im Verhältnis zu Dritten nicht aus. In der Kostenfestsetzung muss also etwa eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden ist, die auf sie angerechnet wird. Sichergestellt werden soll jedoch, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz oder Erstattung in Anspruch genommen wird, den der Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber verlangen kann. Insbesondere ist zu verhindern, dass insgesamt mehr als dieser Betrag gegen den Dritten tituliert wird. Das leistet die hier vorgeschlagene Vorschrift: Danach kann sich auch ein Dritter auf die Anrechnung berufen, wenn beide Gebühren im gleichen Verfahren – etwa in der Kostenfestsetzung – gegen ihn geltend gemacht werden. In gleicher Weise ist die Anrechnung zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anspruch auf eine der Gebühren bereits gegen den Dritten tituliert oder von ihm selbst bereits beglichen worden ist."

Diesem Gesetzeszweck entspricht die Vergütungsforderung der Erinnerungsführer. Denn sie verlangen von dem Erinnerungsgegner nicht mehr als sie selbst ihrem Anwalt schulden würden. Von den 450,00 EUR, die nach dem oben Gesagten für Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr insgesamt verlangt werden dürfen, machen sie lediglich 388,13 EUR geltend (87 % von 300,00 EUR Geschäftsgebühr = 261,00 EUR zuzüglich 75 % von 300,00 EUR Verfahrensgebühr abzüglich 130,50 EUR, also von 169,50 EUR = 127,13 EUR).

Einen höheren Betrag als die gegenüber dem Beklagten des Ausgangsverfahrens konkret geltend gemachte Geschäftsgebühr von 261,00 EUR müssen sich die Erinnerungsführer bei der Berechnung des Anrechnungsbetrags nicht in Ansatz bringen lassen. Denn insoweit ist die anwaltliche Vergütungsforderung bislang nicht erfüllt worden. Stattdessen kann dann nach dem oben Gesagten eine höhere Verfahrensgebühr gefordert werden, solange der Gesamtbetrag von 450,00 EUR nicht erreicht wird. Andernfalls würde sich die Anrechnung wiederum zu Lasten der Erinnerungsführer auswirken, die dann als Auftraggeber des Rechtsanwalts auf einem größeren Teil der Kosten "sitzen bleiben würden" – wie der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss plastisch zeigt. Genau dieses Ergebnis wollte der Gesetzgeber indes mit der Einfügung des § 15a RVG vermeiden.

Ergänzend ist zur rechtsdogmatischen Begründung darauf hinzuweisen, dass § 15a Abs. 2 RVG als Ausnahmevorschrift konzipiert ist. Danach kann sich ein Dritter – wie der Erinnerungsgegner im vorliegenden Fall – auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Einschlägig ist hier die letztgenannte Alternative. Auch für diesen Fall gilt indes – wie für die übrigen Gesetzesvarianten – das einleitende Wort "soweit". Dies erscheint schon sprachlich zwingend, weil sonst keine korrekte Verknüpfung der beiden Satzteile besteht. Aber auch inhaltlich besteht kein sachlicher Grund, zwischen den Fällen zu differenzieren, in denen der Dritte die Vorverfahrenskosten aufgrund einer separaten Abrechnung bereits vorab erstattet hat und in denen beide Verfahrensabschnitte – wie hier – in ein und demselben Kostenfestsetzungsverfahren bearbeitet werden. In beiden Fällen gilt die Einschränkung, dass dem Dritten die Anrechnung nur insoweit zugutekommen soll, als seine eigene Zahlungspflicht reicht. Er soll eben – nach der oben zitierten Gesetzesbegründung – (nur) nicht schlechter stehen als der Auftraggeber des Rechtsanwalts.

Folglich kann sich der Erinnerungsgegner im vorliegenden Fall nur insoweit auf die Anrechnung der Geschäftsgebühr berufen, als sie in demselben Verfahren von ihm verlangt wird. Dabei handelt es sich um eine Erstattungsforderung in Höhe von 261,00 EUR. Diese Zahlungspflicht des Erinnerungsgegners kann die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren nur um 130,50 EUR mindern, weil das RVG maximal eine hälftige Anrechnung vorsieht. Mit diesem Ergebnis sieht sich die Kammer im Einklang mit der in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Ansicht (vgl. insbesondere Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juli 2017 – L 8 AS 640/15 B KO; SG Aachen, Beschluss vom 21. Februar 2017 – S 14 SF 80/15 E; Schütz, jurisPR-SozR 16/2018 Anm. 5 m.w.N.; a.A. allerdings im Ergebnis SG Gießen, Beschluss vom 15. März 2018 – S 23 SF 13/17 E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2017 – L 19 AS 1408/16 B, ohne dass diesen Entscheidungen eine tragfähige Begründung zu entnehmen wäre).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Bei dem Erinnerungsverfahren handelt es sich nicht um einen Annex zu dem abgeschlossenen Verfahren der ersten Instanz, sondern gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 5 RVG um eine besondere Angelegenheit i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG. Für die Erinnerung fällt im vorliegenden Fall eine Gebühr nach Nr. 3501 VV RVG an (B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 197 Rn. 10). Das bedeutet, dass analog § 193 SGG eine eigenständige Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren zu treffen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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