Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 10688/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1869/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2018 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Regelleistung sowie Kosten der Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum ab Beschlussfassung durch den Senat bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 03.09.2018, längstens jedoch bis zum 31. 03. 2019 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner erstattet den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten des erst- und zweitinstanzlichen einstweiligen Rechtschutzverfahrens zu drei Vierteln.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller (Ast) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 11. Oktober 2018 ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnisses treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung), wenn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO)). Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache gestützt werden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12). Soweit - wie hier - existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch hierbei weniger streng zu beurteilen und die Folgenabwägung hat unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. 05.2005,1 BvR 569/05). Hierbei kann sich die summarische Prüfung auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 16c), vor allem, wenn diese erst bei umfassender Klärung der tatsächlichen Umstände zu beantworten sind, wobei die Interessen- und Folgenabwägung mit dem Ziel, eine etwaige Verletzung von Grundrechten zu verhindern, stärkeres Gewicht gewinnt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010, 1 BvR 216/07).
Nach Abwägung der Interessen der Ast an einer Gewährung existenzsichernder Leistungen mit dem vom Ag vertretenen öffentlichen Interesse kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Ag im Wege der Regelungsanordnung zur vorläufigen Leistungsgewährung im tenorierten Umfang zu verpflichten ist.
Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 4 Zweites Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) ist glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO). Die Astin zu 1. als gesetzliche Vertreterin der Ast zu 2. – 4., hat das 15. Lebensjahr vollendet, nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht, ist erwerbsfähig (§ 8 SGB II), hilfebedürftig (§ 9 SGB II) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
Der Senat teilt bei summarischer Prüfung nicht die vom SG vertretene Auffassung, dass die Ast als spanische Staatsbürger gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Vielmehr ist der Ag im Rahmen einer Folgenabwägung für einen ab Beschlussfassung des Senats und antragsgemäß bis zum 31.03.2019 beschränkten Zeitraum zur vorläufigen Leistungserbringung zu verpflichten. Dies erfordert die besondere Situation der allein erziehenden Ast zu 1. als Mutter zweier Kleinkinder und eines Säuglings in Anbetracht der noch bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Unklarheiten.
Derzeit lässt sich nicht abschließend feststellen, ob die Ast zu 1., die ursprünglich zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, auch nach Aufgabe ihrer letzten Beschäftigung zum 31.03.2018 weiterhin ein materielles Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a, Abs. 3 S. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU zusteht, nachdem der Ag ihr und ihren Kindern bis zum 30.09.2018 (Ablauf von sechs Monaten nach Aufgabe der letzten Arbeitsstelle) Leistungen gewährt hat. Ob ein derartiges Aufenthaltsrecht weiterhin besteht, hängt zum einen davon ab, ob die von der Ast zu 1. ausgeübten Tätigkeiten einen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU zu begründen vermögen, zum anderen davon, ob sich die "Hoffnung" der Ast zu 1. nach erfolgreichem Abschluss des derzeit anzutretenden dreitägigen Praktikums auf ein Arbeitsverhältnis erfüllt (vgl. Schriftsatz vom 09.11.2018).
Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, kommt die Ast zu 1. nur dann auf eine Erwerbstätigkeit von über einem Jahr, wenn man ihre sämtlichen (kurzen und überwiegend befristeten) Tätigkeiten zusammenrechnet. Eine derartige Zusammenrechnung kommt grundsätzlich in Betracht, denn der mit § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU verfolgte Zweck erfordert keine ununterbrochene Beschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr. Allerdings muss es sich um kurzzeitige Unterbrechungen handeln. Wenn es in Addition zahlreicher kurzfristiger oder durch längere Zeiten unterbrochener Beschäftigungsverhältnisse nur auf längere Sicht und eher zufällig zu einer Tätigkeit von mehr als einem Jahr kommt, so ist dies nicht ausreichend (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2017, B 4 AS 17/16 R, juris).
Zu berücksichtigen sind hier die folgenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen der Ast zu 1., die nach Ergehen des angefochtenen Beschlusses die erforderlichen Bescheinigungen der Bundesagentur für Arbeit vom 09.10.2018 betreffend die unfreiwillige Arbeitslosigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU vorgelegt hat: 01.04.2016 - 09.11.2016 Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft (aufgrund Schwangerschaft ärztliches Beschäftigungsverbot, nach Kündigung durch den Arbeitgeber zum 03.06.2016 fortbestehend bis zum 09.11.2016 nach Vergleich vom 08.09.2016 vor dem Arbeitsgericht Berlin), 01. 08. - 31.08.2017 Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft bei der Firma A, 01.09. - 31.12.2017 Arbeitsverhältnis als Raumpflegerin vom im Tierparkhotel, Zurücknahme der zwischenzeitlich erfolgten Kündigung zum 02.11.2017 wegen Unkenntnis der eingetretenen Schwangerschaft, 01.02. - 31.03.2018 Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft bei der Firma N-G (Eigenkündigung wegen Beginn des Mutterschutzes zum 31.03.2018).
In Addition sämtlicher Beschäftigungsverhältnisse kommt man auf eine Gesamtbeschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr. Zwar besteht zwischen der Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses am 09.11.2016 und der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses zum 01.08.2017 eine längere Pause. In dieser Zeit wurde der Ast zu 3. geboren (am 04.01.2017), so dass hier zunächst der Zeitraum des Mutterschutzes von zwei Monaten zu berücksichtigen ist, aber auch weitere tatsächliche Umstände, die einer unmittelbaren Aufnahme einer Beschäftigung entgegen stehen könnten (vgl. hierzu Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 19.06.2014, C-507/12, Saint Prix). So kommt es u.a. darauf an, ob an die Zeit des Mutterschutzes in Fällen, in denen keine Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz möglich ist, noch eine gewisse angemessene Zeitspanne zur Suche und zum Eingehen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses und zur Sicherstellung einer Betreuung des Kindes zu geben ist. Hier wird die Ast zu 1. weiter zu ihren diesbezüglichen Bemühungen um möglichst unmittelbare Aufnahme einer Arbeit und Sicherstellung der Betreuung ihrer beiden, hier geborenen Kinder vortragen müssen. In diesem Zusammenhang ist auch der Frage nachzugehen, ob das von der Ast vom 24.05.2017 - 30.06.2017 abgeleistete betriebliche Praktikums unter "arbeitsähnlichen Bedingungen" bei der Firma A geeignet sein könnte, die Pause zwischen den Beschäftigungsverhältnissen zu unterbrechen, da sich im Anschluss bei derselben Firma ein - wenn auch kurzfristiges - Arbeitsverhältnis ergeben hat. Bisher nicht geklärt werden konnte auch, ob die Ast zu 1. aufgrund der mit Schreiben vom 09.11.2018 mitgeteilten "Hoffnung" auf ein neues Arbeitsverhältnis nach Ableistung eines dreitägigen Praktikums (erneut) in den Arbeitnehmer-Status hineinwächst.
Schließlich wird die Ast zu 1. auch zu der bereits im Beschluss des SG angesprochenen Frage eines Aufenthaltsrechts aus familiären Gründen der Ast zu 4. vorzutragen haben. Soweit sich aus dem Rubrum der Antragsschrift ergibt, dass S K R durch die Ast zu 1., aber auch durch ihren Vater Herrn K vertreten werde, hat die Ast zu 1. hierzu lediglich vorgetragen, dass der Vater der Ast zu 4. nicht im Haushalt der Ast lebe, dass er leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sei und sich "regelmäßig und liebevoll um sein Kind kümmere". Vorgelegt wurde des Weiteren ein Formular "Antrag auf Umverteilung", aus welchem sich ergibt, dass Herr S I K, derzeit wohnhaft Mstraße , F, am 25.06.2018 die "Umverteilung" von E nach B zur Kindesmutter wegen der Geburt des gemeinsamen Kindes S K R beantragt hat. Nähere (belegte) Angaben, insbesondere zur Wahrnehmung des gemeinsamen Sorgerechts, sind erforderlich, um die Zulässigkeit des allein von der Ast zu 1. auch für die Ast zu 4. gestellten Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beurteilen zu können, wobei es zudem einer nachträglichen Genehmigung durch den Kindesvater bedarf (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 54/08 R, juris).
Nach alledem waren weiterhin existenzsichernde Leistungen im tenorierten Umfang in Form der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung, die betragsmäßig feststehen und nicht streitig sind, unter Anrechnung des Kindergeldes für die Ast zu 2.-4. und des Unterhaltsgeldes für den Ast zu 2. im Rahmen der Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu gewähren.
Soweit die Beschwerde dahingehend auszulegen ist, dass Leistungen ab Antragseingang bei dem SG am 02.10.2018 begehrt werden, kann diesem Begehren für den Zeitraum bis zur Beschlussfassung des Senats nicht entsprochen werden. Maßgebend sind – auch im Beschwerdeverfahren – in der Regel die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkung für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden (BVerfG, Beschlüsse vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, und vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05).
Anhaltspunkte für eine derartige Dringlichkeit sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Ast sind nach wie vor nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) in der Obdachlosenunterkunft "D T" für den Zeitraum vom 11.09.2018 bis 12.02.2019 (längstens bis zum Ende des Bewilligungszeitraums) untergebracht (s. Schreiben des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf, Abteilung Soziales und Gesundheit, an den Ag vom 11.09.2018). Zwar hat der Bewilligungszeitraum am 30.09.2018 geendet, es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Wohnheimplatz bei zeitweise ausstehenden Zahlungen durch den Ag aktuell von Kündigung bedroht ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller (Ast) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 11. Oktober 2018 ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnisses treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung), wenn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO)). Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dürfen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache gestützt werden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12). Soweit - wie hier - existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch hierbei weniger streng zu beurteilen und die Folgenabwägung hat unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. 05.2005,1 BvR 569/05). Hierbei kann sich die summarische Prüfung auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 16c), vor allem, wenn diese erst bei umfassender Klärung der tatsächlichen Umstände zu beantworten sind, wobei die Interessen- und Folgenabwägung mit dem Ziel, eine etwaige Verletzung von Grundrechten zu verhindern, stärkeres Gewicht gewinnt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010, 1 BvR 216/07).
Nach Abwägung der Interessen der Ast an einer Gewährung existenzsichernder Leistungen mit dem vom Ag vertretenen öffentlichen Interesse kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Ag im Wege der Regelungsanordnung zur vorläufigen Leistungsgewährung im tenorierten Umfang zu verpflichten ist.
Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 4 Zweites Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) ist glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO). Die Astin zu 1. als gesetzliche Vertreterin der Ast zu 2. – 4., hat das 15. Lebensjahr vollendet, nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht, ist erwerbsfähig (§ 8 SGB II), hilfebedürftig (§ 9 SGB II) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
Der Senat teilt bei summarischer Prüfung nicht die vom SG vertretene Auffassung, dass die Ast als spanische Staatsbürger gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Vielmehr ist der Ag im Rahmen einer Folgenabwägung für einen ab Beschlussfassung des Senats und antragsgemäß bis zum 31.03.2019 beschränkten Zeitraum zur vorläufigen Leistungserbringung zu verpflichten. Dies erfordert die besondere Situation der allein erziehenden Ast zu 1. als Mutter zweier Kleinkinder und eines Säuglings in Anbetracht der noch bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Unklarheiten.
Derzeit lässt sich nicht abschließend feststellen, ob die Ast zu 1., die ursprünglich zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, auch nach Aufgabe ihrer letzten Beschäftigung zum 31.03.2018 weiterhin ein materielles Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a, Abs. 3 S. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU zusteht, nachdem der Ag ihr und ihren Kindern bis zum 30.09.2018 (Ablauf von sechs Monaten nach Aufgabe der letzten Arbeitsstelle) Leistungen gewährt hat. Ob ein derartiges Aufenthaltsrecht weiterhin besteht, hängt zum einen davon ab, ob die von der Ast zu 1. ausgeübten Tätigkeiten einen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU zu begründen vermögen, zum anderen davon, ob sich die "Hoffnung" der Ast zu 1. nach erfolgreichem Abschluss des derzeit anzutretenden dreitägigen Praktikums auf ein Arbeitsverhältnis erfüllt (vgl. Schriftsatz vom 09.11.2018).
Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, kommt die Ast zu 1. nur dann auf eine Erwerbstätigkeit von über einem Jahr, wenn man ihre sämtlichen (kurzen und überwiegend befristeten) Tätigkeiten zusammenrechnet. Eine derartige Zusammenrechnung kommt grundsätzlich in Betracht, denn der mit § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU verfolgte Zweck erfordert keine ununterbrochene Beschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr. Allerdings muss es sich um kurzzeitige Unterbrechungen handeln. Wenn es in Addition zahlreicher kurzfristiger oder durch längere Zeiten unterbrochener Beschäftigungsverhältnisse nur auf längere Sicht und eher zufällig zu einer Tätigkeit von mehr als einem Jahr kommt, so ist dies nicht ausreichend (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2017, B 4 AS 17/16 R, juris).
Zu berücksichtigen sind hier die folgenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen der Ast zu 1., die nach Ergehen des angefochtenen Beschlusses die erforderlichen Bescheinigungen der Bundesagentur für Arbeit vom 09.10.2018 betreffend die unfreiwillige Arbeitslosigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU vorgelegt hat: 01.04.2016 - 09.11.2016 Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft (aufgrund Schwangerschaft ärztliches Beschäftigungsverbot, nach Kündigung durch den Arbeitgeber zum 03.06.2016 fortbestehend bis zum 09.11.2016 nach Vergleich vom 08.09.2016 vor dem Arbeitsgericht Berlin), 01. 08. - 31.08.2017 Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft bei der Firma A, 01.09. - 31.12.2017 Arbeitsverhältnis als Raumpflegerin vom im Tierparkhotel, Zurücknahme der zwischenzeitlich erfolgten Kündigung zum 02.11.2017 wegen Unkenntnis der eingetretenen Schwangerschaft, 01.02. - 31.03.2018 Arbeitsverhältnis als Reinigungskraft bei der Firma N-G (Eigenkündigung wegen Beginn des Mutterschutzes zum 31.03.2018).
In Addition sämtlicher Beschäftigungsverhältnisse kommt man auf eine Gesamtbeschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr. Zwar besteht zwischen der Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses am 09.11.2016 und der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses zum 01.08.2017 eine längere Pause. In dieser Zeit wurde der Ast zu 3. geboren (am 04.01.2017), so dass hier zunächst der Zeitraum des Mutterschutzes von zwei Monaten zu berücksichtigen ist, aber auch weitere tatsächliche Umstände, die einer unmittelbaren Aufnahme einer Beschäftigung entgegen stehen könnten (vgl. hierzu Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 19.06.2014, C-507/12, Saint Prix). So kommt es u.a. darauf an, ob an die Zeit des Mutterschutzes in Fällen, in denen keine Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz möglich ist, noch eine gewisse angemessene Zeitspanne zur Suche und zum Eingehen eines neuen Beschäftigungsverhältnisses und zur Sicherstellung einer Betreuung des Kindes zu geben ist. Hier wird die Ast zu 1. weiter zu ihren diesbezüglichen Bemühungen um möglichst unmittelbare Aufnahme einer Arbeit und Sicherstellung der Betreuung ihrer beiden, hier geborenen Kinder vortragen müssen. In diesem Zusammenhang ist auch der Frage nachzugehen, ob das von der Ast vom 24.05.2017 - 30.06.2017 abgeleistete betriebliche Praktikums unter "arbeitsähnlichen Bedingungen" bei der Firma A geeignet sein könnte, die Pause zwischen den Beschäftigungsverhältnissen zu unterbrechen, da sich im Anschluss bei derselben Firma ein - wenn auch kurzfristiges - Arbeitsverhältnis ergeben hat. Bisher nicht geklärt werden konnte auch, ob die Ast zu 1. aufgrund der mit Schreiben vom 09.11.2018 mitgeteilten "Hoffnung" auf ein neues Arbeitsverhältnis nach Ableistung eines dreitägigen Praktikums (erneut) in den Arbeitnehmer-Status hineinwächst.
Schließlich wird die Ast zu 1. auch zu der bereits im Beschluss des SG angesprochenen Frage eines Aufenthaltsrechts aus familiären Gründen der Ast zu 4. vorzutragen haben. Soweit sich aus dem Rubrum der Antragsschrift ergibt, dass S K R durch die Ast zu 1., aber auch durch ihren Vater Herrn K vertreten werde, hat die Ast zu 1. hierzu lediglich vorgetragen, dass der Vater der Ast zu 4. nicht im Haushalt der Ast lebe, dass er leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sei und sich "regelmäßig und liebevoll um sein Kind kümmere". Vorgelegt wurde des Weiteren ein Formular "Antrag auf Umverteilung", aus welchem sich ergibt, dass Herr S I K, derzeit wohnhaft Mstraße , F, am 25.06.2018 die "Umverteilung" von E nach B zur Kindesmutter wegen der Geburt des gemeinsamen Kindes S K R beantragt hat. Nähere (belegte) Angaben, insbesondere zur Wahrnehmung des gemeinsamen Sorgerechts, sind erforderlich, um die Zulässigkeit des allein von der Ast zu 1. auch für die Ast zu 4. gestellten Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beurteilen zu können, wobei es zudem einer nachträglichen Genehmigung durch den Kindesvater bedarf (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 54/08 R, juris).
Nach alledem waren weiterhin existenzsichernde Leistungen im tenorierten Umfang in Form der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung, die betragsmäßig feststehen und nicht streitig sind, unter Anrechnung des Kindergeldes für die Ast zu 2.-4. und des Unterhaltsgeldes für den Ast zu 2. im Rahmen der Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu gewähren.
Soweit die Beschwerde dahingehend auszulegen ist, dass Leistungen ab Antragseingang bei dem SG am 02.10.2018 begehrt werden, kann diesem Begehren für den Zeitraum bis zur Beschlussfassung des Senats nicht entsprochen werden. Maßgebend sind – auch im Beschwerdeverfahren – in der Regel die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkung für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden (BVerfG, Beschlüsse vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, und vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05).
Anhaltspunkte für eine derartige Dringlichkeit sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Ast sind nach wie vor nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) in der Obdachlosenunterkunft "D T" für den Zeitraum vom 11.09.2018 bis 12.02.2019 (längstens bis zum Ende des Bewilligungszeitraums) untergebracht (s. Schreiben des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf, Abteilung Soziales und Gesundheit, an den Ag vom 11.09.2018). Zwar hat der Bewilligungszeitraum am 30.09.2018 geendet, es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Wohnheimplatz bei zeitweise ausstehenden Zahlungen durch den Ag aktuell von Kündigung bedroht ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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