L 4 P 2381/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 4717/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2381/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 26. Februar 2016 bis 15. September 2016 und nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 16. September 2016 bis 31. Dezember 2016.

Der am 2009 geborene Kläger ist familienversichertes Mitglied der Beklagten. Er leidet an Diabetes mellitus Typ I. Seit dem 23. November 2011 ist ein Grad der Behinderung von 50 sowie das Merkzeichen "H" und seit dem 30. März 2015 ein Grad der Behinderung von 70 (Funktionsbeeinträchtigungen: Diabetes mellitus, Hypoglykämien, Anfallsleiden) sowie zusätzlich die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt.

Der Kläger beantragte erstmals am 14. Dezember 2011 Leistungen der Pflegeversicherung (Geldleistung) und begehrte die Einstufung in die Pflegestufe II. Er bezifferte den durchschnittlichen täglichen Hilfebedarf der Grundpflege mit mindestens fünf Stunden und acht Minuten. Pflegefachkraft G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) schätzte in ihrem Gutachten vom 12. Januar 2012 aufgrund eines Hausbesuches vom 11. Januar 2012 den täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf sechs Minuten (sechsmal täglich Unterstützung bei der Teilwäsche Hände/Gesicht) und den hauswirtschaftlichen Hilfebedarf auf 60 Minuten. Die frühkindliche Entwicklung des Klägers sei altersentsprechend. Körperlich bestünden keine Einschränkungen. Er esse alleine und könne auf einem Stuhl oder Sessel selbständig sitzen. Er habe eine gut entwickelte Feinmotorik. Bei der Blutzuckerentgleisung sei es zur vermehrten Urinausscheidung gekommen. Der Kläger habe es dann teilweise nicht mehr rechtzeitig geschafft, die Toilette/das Töpfchen aufzusuchen. Aktuell habe sich die Kontrolle über die Urinausscheidung aber wieder gebessert und es würden zum Wäscheschutz zu Hause am Tag Stoffwindeln und in der Nacht eine normale Windel getragen. Das Insulin werde ca. alle sechs Stunden gespritzt. Regelmäßige Blutzuckerkontrollen und eine gezielte Broteinheiten-Ernährung finde statt. Je nach Blutzuckerwert seien zusätzliche Injektionen oder Nahrungsverabreichungen erforderlich. Die Mutter des Klägers sei durch die häufigen nächtlichen Blutzuckerkontrollen und Essensverabreichungen mit Zähneputzen, Toilettengang usw. sehr belastet. Die Beklagte lehnte es daraufhin mit Bescheid vom 24. Januar 2012 ab, Leistungen der Pflegeversicherung zu gewähren.

Der Kläger erhob Widerspruch und wies hierbei insbesondere auf seinen im Vergleich zu einem gesunden, gleichaltrigen Kind zusätzlichen Pflegebedarf bei der Ernährung (auch nachts), der Mobilität, der Körperpflege durch Händewaschen und Zähneputzen, beim Zubettbringen und Wecken und die regelmäßigen (ein- bis zweimal pro Monat) stattfindenden Besuche in der Diabetesambulanz hin. Pflegefachkraft S. vom MDK schätzte in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 5. März 2012 den täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf 21 Minuten (sechsmal täglich erforderliche Teilwäsche Hände/Gesicht: sechs Minuten; zusätzlich erforderliche einmal tägliche Zahnpflege: fünf Minuten; Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung: zehn Minuten täglich). Den hauswirtschaftlichen Hilfebedarf schätzte sie auf 60 Minuten. Beim Händewaschen vor den Blutzuckermessungen sei ein erhöhter Pflegebedarf nachvollziehbar. Ebenfalls nachvollziehbar sei aufgrund der häufigeren Zwischenmahlzeiten zusätzliches Zähneputzen. Zusätzliche Windelwechsel würden seltener und fielen unregelmäßig an. Eine Würdigung der zeitintensiven behandlungspflegerischen Maßnahmen wie Blutzuckermessungen und Insulininjektionen ließen die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI – (Begutachtungs-Richtlinien) nicht zu. Die Begutachtungs-Richtlinien ließen auch nicht zu, dass die sehr aufwändige diätetische Ernährung bei Diabeteskindern gewürdigt werden könne. Sie sei der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen. Die ständige Krankenbeobachtung, um rechtzeitig Über- und vor allem Unterzuckerung erkennen zu können, finde nach den geltenden Begutachtungs-Richtlinien ebenfalls keine Berücksichtigung. Das unvorhersehbare und unregelmäßige Tragen des Kindes könne nicht berücksichtigt werden. Gewürdigt würden die vierzehntägigen Ambulanzbesuche. Pflegefachkraft S. hielt an ihrer Auffassung in einer sog. sozialmedizinischen Fallberatung vom 12. April 2012 fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2012 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Er stützte sich auf die eingeholten Gutachten des MDK. Er verkenne die umfassenden Betreuungsleistungen der Mutter des Klägers nicht. Diese könnten jedoch nicht umfänglich berücksichtigt werden.

Der Kläger erhob am 20. August 2012 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage (S 18 P 4154/12). Er bedürfe seit dem 23. November 2011 der Hilfe in den Bereichen der Grundpflege und Hauswirtschaft, die über das Maß der Hilfe hinausgehe, der gleichaltrige Kinder bedürften. Der notwendige Aufwand zur Vorbereitung der eigentlichen Nahrungsaufnahme belaufe sich auf 204 Minuten (Hände waschen, Blutzucker messen, Auswiegen/Berechnen/Zusammenstellen der Nahrung, Rechnen und Blutzuckertagebuchführung/Spritzen/Überwachen des Ess-Spritz-Abstandes) und der Aufwand für die eigentliche Nahrungsaufnahme, Auswiegen/Berechnen/Zusammenstellen von Resten und Ersatz bzw. bei Hypoglykämien, Rechnung und Tagebuchführung für Hypoglykämien, nächtliches Wecken, Zähne putzen, wieder Zubettbringen bei nächtlichen Hypoglykämien, Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme bei Hypo-/Hyperglykämien auf 140 Minuten. Im Vergleich zu Gleichaltrigen müsse er bei plötzlich auftretenden Hyper- und Hypoglykämien auch deutlich mehr gefahren/getragen werden und bedürfe der ständigen Begleitung. Aufgrund seiner Erkrankung müsse dauerhaft nachts mehrmals der Blutzucker gemessen werden und dann gegebenenfalls durch Gabe von Zusatz-Broteinheiten durch seine Mutter eingegriffen werden. Er sei auf diese ständige, auch nächtliche, Hilfebereitschaft der Pflegeperson angewiesen. Da seine Mutter diese allein gewährleisten müsse, sei eine individuelle Sondersituation gegeben und damit auch eine Überschreitung der durch die Begutachtungs-Richtlinien angesetzten Orientierungsminuten begründet.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Februar 2013 ab. Der Kläger sei nicht pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe I. Dieser Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig. Den während dieses Klageverfahrens gestellten Antrag des Klägers auf einstweiligen Rechtsschutz, ihm vorläufig ab 23. November 2011 Pflegegeld mindestens nach der Pflegestufe I zu zahlen, lehnte das SG mit Beschluss vom 4. September 2012 (S 18 P 4153/12 ER) ab. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 (L 4 P 4264/12 ER-B) zurück.

Der Kläger beantragte am 4. Dezember 2013 erneut Leistungen der Pflegeversicherung und zwar Sachleistungen und Pflegegeld. Im Auftrag der Beklagten erstellte die Pflegefachkraft W. vom MDK auf Grund einer Untersuchung vom 16. Dezember 2013 unter dem 20. Dezember 2013 ein Gutachten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass ein Grundpflegebedarf von 36 Minuten pro Tag (Körperpflege: 24 Minuten; Ernährung: 10 Minuten; Mobilität: 2 Minuten) bestehe. Zweifelsohne sei die Betreuung eines an Diabetes mellitus leidenden Kindes zeitintensiver und aufwendiger als die Versorgung eines gleichaltrigen gesunden Kindes, der Mehraufwand liege jedoch vorrangig im Bereich der Krankenbeobachtung und Krankenbehandlung mit regelmäßigen Blutzuckerkontrollen und unter Umständen erforderlichen Insulininjektionen. Diese Maßnahmen seien nicht pflegebegründend im Sinne des SGB XI. Die teilweise Übernahme der mundgerechten Nahrungszubereitung und die täglichen Beaufsichtigungen der Nahrungsaufnahme insbesondere nach den Insulininjektionen seien im Umfang nicht so erheblich, dass damit die zeitlichen Voraussetzungen für Pflegebedürftigkeit erfüllt würden. Das Kochen der Nahrung und die Zubereitung nach Diätplan mit Portionierung sei zeitaufwendiger als bei gesunden Kindern. Eine Berücksichtigung im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung könne jedoch nur bei entsprechendem Grundpflegebedarf erfolgen. Es bestünden beim Kläger keine Einschränkungen im Stütz- oder Bewegungsapparat. Er sei altersentsprechend körperlich entwickelt, könne frei gehen, stehen, klettern und hüpfen. Auch die feinmotorischen Fähigkeiten seien gut entwickelt. Die Sauberkeitserziehung sei bereits vor längerer Zeit abgeschlossen. Pflegebegründende Diagnosen seien ein Diabetes mellitus Typ I mit stark schwankenden Blutzuckerwerten und wiederholter Enuresis nocturna (nächtliches Einnässen).

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. Januar 2014 ab. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I seien derzeit nicht gegeben. Auch ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung, der einen Anspruch auf Betreuungsleistungen auslöse, bestehe nicht.

Hiergegen erhob der Kläger am 3. Februar 2014 Widerspruch. Im Auftrag der Beklagten erstellte die Pflegefachkraft S. auf Grund einer Untersuchung vom 27. Mai 2014 unter dem 28. Mai 2014 ein Gutachten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass ein täglicher Grundpflegebedarf von 37 Minuten pro Tag (Körperpflege: 14 Minuten; Ernährung: 10 Minuten; Mobilität: 13 Minuten) bestehe. Die Diabeteserkrankung des Klägers bedeute einen sehr hohen krankheitsbedingen Mehraufwand im Bereich der Behandlungspflege rund um die Uhr. Belastend sei, dass diese Tätigkeiten nur an Personen mit sehr guten Kenntnissen delegiert werden könne, da bei Unterzuckerung Lebensgefahr bestehe. Besonders belastend seien auch die nächtlichen Einsätze. Der überwiegende krankheitsbedingte Pflegeaufwand liege jedoch im Bereich der medizinischen Pflege, der sog. Behandlungspflege in Form von Blutzuckermessungen und Insulininjektionen. Das Abwiegen der Nahrung und die spezielle Diät seien der Hauswirtschaft zuzuordnen. Die Alterskompetenz des Klägers sei im Sinne der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI nicht eingeschränkt.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2014 unter Hinweis auf die Gutachten des MDK zurück.

Der Kläger erhob am 28. August 2014 Klage beim SG (S 18 P 4051/14). Sein Stoffwechsel sei so grundlegend und irreparabel gestört, dass er ohne Insulingaben und im Fall lebensbedrohlicher Unterzuckerung Glukagongaben (dies sei bis jetzt bereits zweimal der Fall gewesen) sterben würde und zwar unabhängig von einer Aufnahme von Kohlehydraten über die Nahrung. Ihm fehlten auf Grund seines Alters die verstandesmäßige Einsicht in die Erfordernisse der Therapie, die Fähigkeit zur eigenständigen Medikation, zur eigenständigen adäquaten Reaktion auf Blutzuckerschwankungen, zur Dokumentation sowie zur eigenständigen, insbesondere nächtlichen Blutzuckerkontrolle. Nach dem Willen des Gesetzgebers zählten krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, wenn sie zur Aufrechterhaltung körperlicher Grundfunktionen erforderlich seien, zur Grundpflege. Vorliegend zählten deshalb die Blutzuckerkontrollen, die Insulingaben sowie die Essensgaben selbst zur Grundpflege, denn sie dienten der lebensrettenden Aufrechterhaltung des gesamten Stoffwechselsystems und Hormonhaushaltes, ohne die weder ein Leben überhaupt möglich wäre noch irgendeine Nahrungsaufnahme erfolgen könne. Es seien daher die Blutzuckerkontrollen, die Berechnung und Dokumentation der notwendigen Insulingaben für die Grundversorgung, die Stabilisation des Blutzuckers sowie die Nahrungsaufnahme, die Bereit- und Zusammenstellung der Nahrung bei Unterzuckerungen, bei Überzuckerungen und bei normalen Mahlzeiten, die Überwachung der Einhaltung des Ess-Spritz-Abstandes sowie die Überwachung der Nahrungsaufnahme zu berücksichtigen. Bei ihm liege eine besondere Form eines schwer einstellbaren Diabetes vor, die durch häufige und jeweils plötzlich auftretende Insulinempfindlichkeitsschwankungen geprägt sei, weshalb die Einstellung ständig angepasst werden müsse, was im Abstand teils sogar weniger Tage engmaschige, vor allem nächtliche Blutzuckerkontrollen erforderlich mache, um die bereits zweimal aufgetretenen lebensbedrohlichen Unterzuckerungen zu vermeiden. Erschwerend komme hinzu, dass er ein schlechter Esser sei, der häufig abgesprochene und dann entsprechend gespritzte Essensmengen nicht aufesse. Der Kläger trug weiter vor, dass die Beklagte gemäß § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Behandlungspflege bezahlen müsse, weil für ihn das Wahlrecht bestehe, ob diese durch die Pflegeversicherung oder die Krankenkasse bezahlt werde.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2014 ab. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 4 P 330/15) wies der Senat mit Urteil vom 11. Dezember 2015 zurück. Aus den Gutachten der Pflegefachkräfte W. und S. ergebe sich ein Hilfebedarf bei der Körperpflege von 14 bis maximal 24 Minuten täglich, der Ernährung von zehn Minuten täglich und der Mobilität (Ankleiden und Entkleiden) von zwei bis drei Minuten täglich. Entgegen dem Gutachten der Pflegefachkraft S. sei für Mobilität kein Hilfebedarf anzusetzen, denn insoweit fehle es an der wöchentlichen Regelmäßigkeit des Aufsuchens von Ärzten; Pflegefachkraft S. gehe selbst nur von durchschnittlich Arztbesuchen in Abstand von 14 Tagen aus. Damit werde ein täglicher Grundpflegebedarf von allenfalls 37 Minuten erreicht. Die (weiteren) mit dem Diabetes zusammenhängenden Verrichtungen, die die Mutter des Klägers ausführen müsse, könnten bei der Berechnung des Grundpflegebedarfs nicht berücksichtigt werden. Bei an Diabetes erkrankten Versicherten, insbesondere Kindern, sei zu unterscheiden zwischen Grundpflege- und hauswirtschaftlichem Hilfebedarf andererseits, insbesondere beim Bereich der Ernährung. Die gesamte Vorbereitung der Nahrungsaufnahme (Einkaufen, Kochen, Vor- und Zubereiten der Bestandteile der Mahlzeiten, Tätigkeiten des Berechnens, Abwiegens und der Zusammenstellung der Speisen zur Herstellung der erforderlichen Diät) gehöre nicht zur Grundpflege (Bereich der Ernährung), sondern zum Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Zur Hauswirtschaft gehöre auch als Abschluss des "Kochens" das anhand der Diätvorschriften vorzunehmende Bemessen und Zuteilen der zubereiteten Nahrung bzw. der Nahrungsbestandteile. Letzteres rechne auch nicht zum mundgerechten Zubereiten der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, bei dem es nur darum gehe, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet werde, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken könne. Daran ändere sich nichts, dass bei dem Kläger im Hinblick auf seine Diabetes-Erkrankung im Gegensatz zu gesunden Kindern neben drei Hauptmahlzeiten und einer Zwischenmahlzeit noch weitere Mahlzeiten erforderlich seien. Der Senat verkenne nicht, dass es beim Kläger – altersbedingt – an der notwendigen Einsicht mit Blick auf das Ernährungsverhalten fehle, weshalb dies durch die Pflegeperson zu kompensieren ist. Allein für die Überwachung der Aufnahme der erforderlichen Nahrungsmenge sowie der Anleitung und Aufforderung während der täglichen Mahlzeiten ergebe sich aber kein Zeitaufwand für die Aufnahme der Nahrung von mehr als 45 Minuten täglich, auch wenn man, zumindest bei einem Kind, einen zur Grundpflege zählenden Hilfebedarf bei der Aufnahme der Nahrung mit der Erwägung bejahe, dass bei einem Kind ein Hilfebedarf bestehe, wenn es zum Essen angehalten werden müsse, weil ihm die Einsichtsfähigkeit dafür fehle, dass es aus Gesundheitsgründen notwendig sei, Widerwillen erregende Speisen oder Speisen in großen Mengen – über den Appetit hinaus – einzunehmen. Denn eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme sei nur als berücksichtigungsfähige Hilfe einzustufen, wenn sie von einer solchen Intensität sei, dass die Pflegeperson wie beim Füttern praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert sei bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen müsse, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "im Auge behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgehe. Der Senat gehe insoweit davon aus, dass es bei dem Kläger, wie auch bei gleichaltrigen (inzwischen sechsjährigen) Kindern, die nicht an Diabetes mellitus litten, um die Beaufsichtigung gehe, ob er die Nahrung im vorgesehenen Maße aufnehme. Der Senat könne nicht feststellen, dass hier die Mutter des Klägers insbesondere bei den jeweiligen gemeinsamen Mahlzeiten in der Familie durch die Überwachung der Nahrungsaufnahme in solchem Umfang zeitlich und örtlich eingebunden sei, dass sie anderweitigen Tätigkeiten nicht nachgehen könne. Ebenso verhalte es sich auch mit Blick auf die vom Kläger geltend gemachte Zeit zwischen dem Spritzen des Insulins und der Essensaufnahme. Auch insoweit handele es sich um die Beaufsichtigung, die auch bei gleichaltrigen Kindern notwendig sei. Bei Diabetikern, auch soweit es sich um Kinder handele, rechneten auch Blutzuckertests (einschließlich der Führung eines Blutzucker-Tagebuchs) sowie das Spritzen von Insulin sowohl als Basisinsulin als auch als Korrekturinsulin zu den Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen auch bei dem Kläger kein unmittelbarer Zusammenhang mit der "Aufnahme der Nahrung" im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI bestehe (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 17. Juni 1999 – B 3 P 10/98 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 P 6/02 R – juris, Rn. 18). Ein Bedarf könne auch nicht mit Blick auf die Müdigkeit des Klägers bei plötzlich auftretenden Hyper- wie Hypoglykämien mit der Folge, dass er getragen oder gefahren werden muss, berücksichtigt werden, denn insoweit ist nicht ersichtlich, dass diese im Zusammenhang mit anderen Grundpflegeverrichtungen notwendig sind. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht erforderlich.

Den Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe zu gewähren, lehnte das BSG mit Beschluss vom 17. Februar 2016 ab (B 3 P 1/16 BH).

Am 10. März 2016 beantragte der Kläger, vertreten durch seine Mutter, erneut Leistungen der Pflegeversicherung bei der Beklagten. Zur Begründung gab die Mutter an, dass ein medizinisch untrennbarer Zusammenhang zwischen Behandlungspflege und Grundpflege bestehe. Seit einem schweren hypoglykämischen Krampfanfall am 7. April 2015 halte sie zur Vermeidung weiterer derartiger Vorfälle entgegen der allgemeinen Diabetes-Empfehlungen keinen Ess-Spritz-Abstand mehr ein. Insulingabe und Essensgabe seien ein einziger Vorgang. Die für seine anstehende Einschulung erforderliche Krankenbeobachtung gehöre zur Grundpflege, wenn der Bedarf der Krisenintervention – wie vorliegend – nur eventuell erforderlich sei, aber nicht konkret vorhersehbar. Es werde das Wahlrecht nach § 37 SGB V geltend gemacht.

Die Beklagte beauftragte den MDK mit der Erstattung eines Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Im Gutachten vom 6. April 2016 stellte die Pflegefachkraft Sc. aufgrund eines Hausbesuchs einen grundpflegerischen Hilfebedarf von 18 Minuten und einen hauswirtschaftlichen Hilfebedarf von 60 Minuten täglich fest. Im Bereich der Grundpflege bestehe ein Mehrbedarf in Höhe von zwei Minuten im Bereich der Körperpflege zur gründlichen Säuberung von Händen, Ohrläppchen oder Füßen im Zusammenhang mit den Blutzuckerkontrollen. Ca. alle vier Stunden erfolgten Insulininjektionen im direkten Zusammenhang mit der Einnahme von Mahlzeiten, in Ausnahmefällen einmal zusätzlich. Im Bereich der Ernährung bestehe ein Mehrbedarf von 16 Minuten. Die teilweise Übernahme der mundgerechten Nahrungszubereitung und die tägliche Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme insbesondere im Zusammenhang mit den Insulininjektionen seien im Umfang nicht so erheblich, dass damit die zeitlichen Voraussetzungen für Pflegebedürftigkeit erfüllt seien. Der Grundbedarf des Klägers sei im Wesentlichen alterstypisch. Der Mehraufwand liege vorrangig im Bereich der Krankenbeobachtung und Krankenbehandlung mit regelmäßigen Blutzuckerkontrollen und Insulininjektionen. Diese Maßnahmen seien jedoch nicht pflegebegründend.

Mit Bescheid vom 7. April 2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab.

Hiergegen legte der Kläger am 19. April 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug seine Mutter vor, sie sei alleinerziehend und könne wegen der aufwendigen Betreuung keiner Arbeit nachgehen. Dies sei nach § 1 SGB XI zu berücksichtigen. Die Beklagte habe zu Unrecht den Zeitaufwand für die Blutzuckermessungen, Insulingabe und Dokumentation sowie für die Krankenbeobachtung insbesondere im Sport- und Musikverein, die permanente tägliche wie auch nächtliche Hilfebereitschaft bei Über- und Unterzuckerung sowie die notwendige Begleitung zur Schule nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der ab 16. September 2016 notwendigen Begleitung zur Schule hätten sich bereits die Krankenkasse (Bescheid vom 14. April 2016), das Schulamt und das für Eingliederungshilfe zuständige Amt der Stadt Freiburg (Bescheid vom 12. April 2016) für unzuständig erklärt. Der für die Begleitung zur Schule notwendige Zeitaufwand sei zu berücksichtigen.

Die Beklagte veranlasste daraufhin ein weiteres Gutachten durch den MDK. Im Gutachten vom 29. Juli 2016 bestätigte die Pflegefachkraft G. das Ergebnis des Vorgutachtens der Pflegefachkraft Sc ...

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2016 (zur Post gegeben am 25. Oktober 2016) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers unter Verweis auf die Gutachten der Pflegefachkräfte Sc. und G. zurück.

Am 28. November 2016 erhob der Kläger beim SG Klage. Zur Begründung verwies die Mutter des Klägers auf den bisherigen Vortrag. Ergänzend führte sie aus, dass der Kläger am 16. September 2016 eingeschult worden sei. Im Einklang mit den Verwaltungsvorschriften des Kultusministeriums Baden-Württemberg zur Verabreichung von Medikamenten bei chronischen Krankheiten in Schulen vom 4. Februar 2013 lehne die Schule jede Form der Krankenbeobachtung und Durchführung von notwendigen Behandlungspflegemaßnahmen ab. Sie (die Mutter des Klägers) begleite deshalb ihren Sohn zur Schule. Spätestens seit der Einschulung sei das Maß der familiären Zumutbarkeit überschritten. Die therapeutisch notwendigen Maßnahmen und die Krankenbeobachtung gehörten zur Grundpflege, da sie eine Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und gesellschaftliche Teilhabe überhaupt erst ermöglichten. Die Verweigerung von Pflegeleistungen sei verfassungswidrig.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2017 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zuordnung zu einer Pflegestufe und die Gewährung entsprechender Leistungen in Form von Pflegegeld. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I lägen nicht vor. Der Hilfebedarf des Klägers erreiche nicht die erforderlichen 45 Minuten für die Grundpflege pro Tag. Dies ergebe sich aus den Gutachten der Pflegefachkräfte Sc. und G ... Diese seien schlüssig und überzeugend. Zusätzlicher, bisher nicht berücksichtigter Hilfebedarf, folge auch nicht aus den weiteren, von der Mutter des Klägers vorgetragenen, Verrichtungen im Zusammenhang mit der Diabetes-Erkrankung des Klägers. Der erforderliche Zeitbedarf für die Blutzuckermessungen, das Spritzen von Insulin nebst Berechnung und Dokumentation der Insulingaben gehörten zur Behandlungspflege und sei somit im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigungsfähig. Dabei werde auch § 37 SGB V berücksichtigt. Diese Norm sei jedoch bereits deshalb nicht einschlägig, weil der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen sei. Der Kläger könne durch seine Mutter in dem erforderlichen Umfang gepflegt und versorgt werden. Auch ein Mehraufwand für die Bereit- und Zusammenstellung der Nahrung begründe keinen zusätzlichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege. Zwar sei nachvollziehbar, dass der Mutter des Klägers für diese Verrichtung ein erheblicher Zeitaufwand entstehe. Jedoch handele es sich dabei um eine hauswirtschaftliche Verrichtung. Denn erst die mundgerechte Zubereitung der Mahlzeit auf dem Teller und die Aufnahme der Nahrung seien Verrichtungen der Grundpflege. Bei diesen Verrichtungen sei ein über den von den Sachverständigen des MDK festgestellter Hilfebedarf von 16 Minuten hinausgehender Hilfebedarf jedoch nicht nachzuvollziehen. Denn eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme sei nur als berücksichtigungsfähige Hilfe einzustufen, wenn sie von einer solchen Intensität sei, dass die Pflegeperson – wie beim Füttern – praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert sei bzw. diese, wenn auch möglichweise nur kurzzeitig, unterbrechen müsse, die Hilfe also über das – gewissermaßen nebenbei erfolgende – bloße im Auge Behalten des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgehe. Der Kläger könne vorliegend jedoch (altersentsprechend zubereitete) Mahlzeiten nach den vorliegenden Gutachten selbständig zu sich nehmen und die Mutter des Klägers sei in der Lage, während der bloßen Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme auch andere Tätigkeiten auszuführen, z.B. selbst ihre Mahlzeiten zu sich nehmen oder hauswirtschaftliche Verrichtungen durchführen. Insofern entstehe ebenfalls kein (weiterer) zeitlicher Mehrbedarf. Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig seien die geltend gemachten Bedarfe für die Begleitung des Klägers zur Schule. Hierbei handele es sich nicht um Grundpflegebedarf. Denn diese Hilfe könne keiner der Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI zugerechnet werden. Zwar sei davon auszugehen, dass der Schulbesuch des Klägers nicht nur zur Erfüllung der Schulpflicht, sondern auch zur altersgerechten Entwicklung und Sozialisation im schulischen wie außerschulischen Zusammenleben mit gleichaltrigen Schulkameraden erforderlich sei. Jedoch wolle die gesetzliche Pflegeversicherung nicht sämtliche Risiken der Pflegebedürftigkeit abdecken, sondern in mehrfacher Hinsicht nur ein begrenztes gesetzgeberisches Zielprogramm verwirklichen. Dazu diene vor allem der abgeschlossene Katalog der Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI, der lediglich körperliche Grundvoraussetzungen erfasse und die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit an die Unfähigkeit zur Ausführung dieser für die Aufrechterhaltung eines eigenen Haushalts nötigen Verrichtungen knüpfe. Das habe zur Folge, dass auch Hilfen bei dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nur insoweit zu berücksichtigen seien, als sie für das Weiterleben in der Wohnung unerlässlich seien. Dies sei bei einer Begleitung zur Ermöglichung des Schulbesuchs, auch im Rahmen der Schulpflicht, nicht der Fall (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 3 P 1/99 R – juris).

Gegen den seiner Mutter am 11. Mai 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. Juni 2017 beim SG Berufung eingelegt und zur Begründung die bisherige Argumentation wiederholt. Ergänzend hat die Mutter des Klägers vorgetragen, das SG habe sich in Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht mit den durch den Klagesachverhalt aufgeworfenen Fragen auseinandergesetzt. Weil der Kläger altersbedingt die krankheitsspezifischen notwendigen Verrichtungen nicht selbst vornehmen könne und die Schule, die Krankenkasse und der Sozialhilfeträger jede Unterstützung abgelehnt hätten, müsse sie als alleinerziehende Mutter die gesamte Pflege und Betreuung während der Schulzeit übernehmen. Eine Arbeitsaufnahme oder wenigstens stundenweise Entfaltung ihrer Persönlichkeit sei ihr hierdurch vollständig und auf Dauer unmöglich. Hierzu sei sie nicht entschädigungslos verpflichtet, weil dies ein Eingriff in ihr Recht auf Selbstbestimmung darstelle. Die bestehende Gesetzeslage sei verfassungskonform auszulegen. Der Entscheidung des BSG vom 28. September 2017 (B 3 P 3/16 R – juris), wonach die Überwachung und medikamentöse Regulierung einer Stoffwechselstörung nicht als Grundpflegebedarf zu berücksichtigen sei, könne nicht gefolgt werden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. Mai 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2016 zu verurteilen, dem Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 26. Februar 2016 bis 15. September 2016 und Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 16. September 2016 bis 31. Dezember 2016 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

In einem weiteren Klageverfahren beim SG (S 5 P 3821/17) wendet sich der Kläger gegen die Ablehnung von Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung durch die Beklagte für die Zeit ab dem 1. Januar 2017.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des Senats in den Verfahren L 4 P 330/5 und L 4 P 4264/12 ER-B, die Akte des SG in den Verfahren S 18 P 4051/4 und S 18 P 4154/12 sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, weil die Summe des begehrten Pflegegeldes mehr als EUR 750,00 beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2016 und das Begehren des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 26. Februar 2016 bis 15. September 2016 und Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 16. September 2016 bis 31. Dezember 2016. Nicht streitgegenständlich sind damit Leistungen der Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2017. Hierzu ist ein gesondertes Klageverfahren beim SG anhängig (S 5 P 3821/17).

3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 26. Februar 2016 bis 15. September 2016 und Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 16. September 2016 bis 31. Dezember 2016.

Da der Kläger seinen Antrag auf Pflegegeld am 10. März 2016, mithin vor dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sein Anspruch nach den Vorschriften des SGB XI in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (SGB XI a.F.).

a) aa) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI a.F. Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI a.F.) der Hilfe bedürfen.

Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI a.F. Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI a.F.).

Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI a.F.), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI a.F.) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI a.F.). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI a.F. stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinie zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinie; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).

Bei Kindern ist nach § 15 Abs. 2 SGB XI für die Zuordnung zu einer Pflegestufe nur der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Damit wird klargestellt, dass der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern, der jeweils vom Lebensalter der Betroffenen abhängt, unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand abzustellen ist (BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 3/97 R – juris, Rn. 30; BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 5/97 R – juris, Rn. 27; BSG, Urteil vom 26. November 1998 – B 3 P 20/97 R – juris, Rn. 24).

bb) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I liegen beim Kläger im Zeitraum vom 26. Februar 2016 bis 31. Dezember 2016 nicht vor. Damit fehlen zugleich die Voraussetzungen für Pflegegeld nach der Pflegestufe II für die Zeit vom 16. September 2016 bis 31. Dezember 2016 vor.

(1) Der Kläger leidet seit November 2011 an einem Diabetes mellitus Typ I. Eine wiederholte Enuresis nocturna (vgl. Gutachten der Pflegefachkraft W. vom 20. Dezember 2013) lag im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr vor. Die Sauberkeitserziehung war danach vielmehr abgeschlossen. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Pflegefachkräfte Sc. und G., die er im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnten (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – in juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Aus diesen ergibt sich auch, dass weitere pflegerelevante Diagnosen beim Kläger nicht bestehen. Insbesondere bestehen beim Kläger keine funktionellen Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Der Kläger ist vielmehr körperlich altersentsprechend entwickelt. Er kann frei gehen, stehen und klettern. Im Übrigen behauptet der Kläger auch selbst keine funktionellen Einschränkungen.

(2) Der Senat entnimmt den Gutachten der Pflegefachkräfte Sc. und G. einen Hilfebedarf bei der Körperpflege von zwei Minuten täglich und der Ernährung von 16 Minuten täglich, mithin insgesamt ein täglicher Grundpflegebedarf von 18 Minuten. Damit wird das für die begehrte Pflegegeldgewährung erforderliche Ausmaß an täglich durchschnittlicher Grundpflege von mehr als 45 Minuten nicht erreicht.

Wie auch schon mit Urteil des Senats vom 11. Dezember 2015 (L 4 P 330/15) gegenüber dem Kläger für den Zeitraum ab 1. Dezember 2013 entschieden, können die (weiteren) mit dem Diabetes zusammenhängenden Maßnahmen, die die Mutter des Klägers ausführen muss, bei der Berechnung des Grundpflegebedarfs nicht berücksichtigt werden.

Maßnahmen der Behandlungspflege, die nicht den in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. genannten Verrichtungen dienen, sondern allein der Behandlung der den Pflegebedarf auslösenden Krankheit oder Behinderung dienen, stellen grundsätzlich keine Verrichtungen der Grundpflege dar. Verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind nach § 15 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB XI a.F. nur dann berücksichtigungsfähig, wenn bei ihnen der behandlungspflegerische Hilfebedarf "untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung nach § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. ist oder mit einer solchen Verrichtung notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht".

Ein solcher untrennbarer bzw. unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Grundpflegebereich "Ernährung" und den mit dem Diabetes zusammenhängenden Maßnahmen (Messung des Blutzuckers, Verabreichung von Insulin, Verrichtungen zur Ermöglichung der stoffwechselgerechten Nahrungsaufnahme und –verarbeitung) besteht nicht (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 1999 – B 3 P 10/98 R – juris, Rn.13; BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 – B 3 P 12/00 R – juris, Rn.15; BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 – B 3 P 6/02 R – juris, Rn. 18; BSG, Urteil vom 28. September 2017 – B 3 P 3/16 R – juris, Rn. 21). Der Hilfebedarf bei der Überwachung und medikamentösen Regulierung einer Stoffwechselerkrankung wie Diabetes Typ I-Erkrankung kann grundsätzlich nicht als Pflegebedarf im Sinne von § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. berücksichtigt werden; denn zur Grundpflege gehört nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich wird (BSG, Urteil vom 28. September 2017 – B 3 P 3/16 R – juris, Rn. 21 m.w.N.).

Allein für die Überwachung der Aufnahme der erforderlichen Nahrungsmenge sowie der Anleitung und Aufforderung während der täglichen Mahlzeiten ergibt sich kein ausschlaggebender Zeitaufwand für die Aufnahme der Nahrung, auch wenn man, zumindest bei einem Kind, einen zur Grundpflege zählenden Hilfebedarf bei der Aufnahme der Nahrung mit der Erwägung bejaht, dass bei einem Kind ein Hilfebedarf bestehe, wenn es zum Essen angehalten werden müsse, weil ihm die Einsichtsfähigkeit dafür fehle, dass es aus Gesundheitsgründen notwendig sei, Widerwillen erregende Speisen oder Speisen in großen Mengen – über den Appetit hinaus – einzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1999 – B 3 P 12/98 R – juris, Rn. 16). Denn eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme ist nur als berücksichtigungsfähige Hilfe einzustufen, wenn sie von einer solchen Intensität ist, dass die Pflegeperson wie beim Füttern praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert ist bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen muss, die Hilfe also über das – gewissermaßen "nebenbei" erfolgende – bloße "im Auge behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausgeht (BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001 – B 3 P 4/01 B – juris, Rn. 4; siehe auch D 4.0/II Begutachtungs-Richtlinien). Der Senat geht insoweit davon aus, dass es bei dem Kläger, wie auch bei gleichaltrigen (sechs- bzw. siebenjährigen) Kindern, die nicht an Diabetes mellitus leiden, um die Beaufsichtigung geht, ob er die Nahrung im vorgesehenen Maße aufnimmt. Der Senat vermag deshalb nicht festzustellen (siehe bereits das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des Senats vom 11. Dezember 2011 – L 4 P 330/15 – nicht veröffentlicht), dass hier die Mutter des Klägers insbesondere bei den jeweiligen gemeinsamen Mahlzeiten in der Familie durch die Überwachung der Nahrungsaufnahme in solchem Umfang zeitlich und örtlich eingebunden ist, dass sie anderweitigen Tätigkeiten nicht nachgehen kann. Ebenso verhält es sich auch mit Blick auf die vom Kläger geltend gemachte Zeit zwischen dem Spritzen des Insulins und der Essensaufnahme. Auch insoweit handelt es sich um die Beaufsichtigung, die auch bei gleichaltrigen Kindern notwendig ist.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Schulpflicht (§ 72 Schulgesetz für Baden-Württemberg) des Klägers. Die Begleitung eines Pflegebedürftigen zur Schule fällt nicht in den Aufgabenbereich der Pflegeversicherung (BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 3 P 1/99 R – juris, Rn. 13). Sind Hilfen in diesem Bereich erforderlich, fallen sie entweder in die Zuständigkeit der Krankenkasse (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 SGB V) oder in den Aufgabenbereich der Eingliederungshilfe (§§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [XII] in Verbindung mit § 12 Eingliederungshilfe-Verordnung).

Auch aus dem Wahlrecht Pflegebedürftiger, ob sie eine Zuordnung der Behandlungspflege nach § 37 SGB V zur Grundpflege wünschen oder nicht (dazu BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 9/04 R – juris, Rn. 40f.), kann der Kläger keinen Anspruch gegenüber der Beklagten herleiten. Das Wahlrecht besteht nur insoweit, als die Maßnahmen der Behandlungspflege auch der Grundpflege zugerechnet werden können. Dies setzt voraus, dass es sich um verrichtungsbezogene Maßnahmen handelt. Wie oben aufgezeigt, sind die mit dem Diabetes zusammenhängenden Maßnahmen kein Bestandteil einer Verrichtung im Sinne von § 14 Abs. 4 SGB XI a.F ...

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen
Rechtskraft
Aus
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