L 10 R 2904/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1862/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2904/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.05.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der am 1976 geborene Kläger erlernte den Beruf des Zerspannungsmechanikers und war zuletzt bis August 2011 als CNC-Einrichter beschäftigt (vgl. den Lebenslauf Bl. 19 Rentenakte) Seither ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Er bewohnt alleine eine Dreizimmerwohnung, versorgt sich und den Haushalt eigenständig, mittags kocht er, er beschäftigt sich mit Lesen und Informatik (Laptop), geht spazieren bzw. laufen und gelegentlich in die Sauna, trifft sich mit ehemaligen Kollegen und hält Kontakt zu seinen Glaubensbrüdern einer keltisch-druidischen Vereinigung. Er hat eine feste Beziehung zu einer Partnerin, die in der eigenen Wohnung lebt und die er nachmittags und abends trifft; das Sexualleben ist ungestört. Der Kläger verfügt über einen Pkw und hat einen Führerschein und fährt nach eigenen Angaben auch kurze Strecken selbst (vgl. u.a. Gutachten des Facharztes u.a. für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Innere Medizin Dr. G. ).

Im Vordergrund der vom Kläger angegebenen Beschwerden stehen Schmerzzustände im Bereich des Kopfes, der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) die es - so seine Angaben - nicht erlauben würden, zu sitzen, so dass er in den erfolgten Untersuchungen regelmäßig stand. Dabei kam es teilweise auch zu unwillkürlichen Zuckungen des Kopfes und der Extremitäten sowie umfangreich demonstrierten Bewegungseinschränkungen. Wegen der Schmerzzustände gibt der Kläger auch Schlafstörungen sowie darauf beruhend Konzentrationsstörungen an. Die Schmerzzustände sind organisch nicht zu klären, die behandelnden Ärzte gehen von einer Schmerzstörung aus (vgl. u.a. die Auskunft des Arztes für Allgemeinmedizin und Hausarztes des Klägers Dr. Z. im ärztlichen Teil der Rentenakte - M8 - mit den beigefügten Unterlagen sowie die von Dr. Z. im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenauskunft vorgelegten Befundberichte, Bl. 50 ff. SG-Akte, insbesondere den Bericht des Neurozentrums des Universitätsklinikums Freiburg vom Dezember 2013, Bl. 60 SG-Akte).

Im November 2012 befand sich der Kläger auf Veranlassung der Beklagten zur stationären medizinischen Rehabilitation im Schmerztherapiezentrum Bad M ... Die Ärzte beschrieben die Schmerzäußerungen des Klägers u.a. als ihnen inadäquat erscheinende, ausladende Schmerzreaktionsbewegungen (ärztlicher Teil der Rentenakte M15). Klare somatische Befunde fanden sie nicht, eine schlüssige Erklärung konnten sie nicht geben (a.a.O. M 19, 20). Sie sahen als möglichen Grund für die unzureichenden Behandlungseffekte unter anderem ein Sozialleistungsbegehren, das zur Aufrechterhaltung des Schmerzes führe (a.a.O. M19). Wegen dieses auffälligen Verhaltens ließ die Beklagte den Kläger im Januar 2013 von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. begutachten (vgl. Bl. 66 ff. LSG-Akte). Die Gutachterin sah Diskrepanzen in der Untersuchung und ging von Aggravation aus. Unter anderem wies sie darauf hin, dass die Angabe des Klägers, nicht sitzen zu können, mit der Nutzung des Pkw für den mehr als zehnminütigen Weg zur Gutachtensstelle nicht vereinbar sei, ebenso wenig der Umstand, dass der Kläger dann nach der Untersuchung doch recht entspannt über fünf Minuten sitzen und berichten konnte. Sie sah sich nicht in der Lage festzustellen, welche Teile einem echten Leiden entspringen und welche Anteile einer Aggravation zuzuordnen sind. Eine psychische Störung konnte sie nicht feststellen, die Schmerzsymptomatik ordnete sie einer somatoformen Schmerzstörung zu. Sie ging von einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten aus (ohne Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, unter Vermeidung von Kälte und Nässe). Ebenfalls im Januar 2013 suchte der Kläger den Facharzt u.a. für Neurologie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin Dr. S. auf, der den Eindruck gewann, er werde nur vor dem Hintergrund des Kampfes um soziale Transferleistungen aufgesucht. Eine relevante Leistungsminderung verneinte er und er wurde vom Kläger auch nicht mehr konsultiert (Bl. 106 SG-Akte). Auch im Entlassungsbericht des S. Klinikums V. über den stationären Aufenthalt vom 23.04. bis 25.04.2013 ist eine auffällig expressive Beschwerdeschilderung und -dramatisierung mit Katastrophisierung und übertriebener Selbstwahrnehmung dokumentiert (Bl. 67 SG-Akte). Weil sich der Kläger durch Mitpatienten und das Pflegepersonal gestört und belästigt fühlte, brach er die Therapie ab (Bl. 68 SG-Akte).

Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.07.2013 den am 08.05.2013 gestellten Rentenantrag ab. Während des Widerspruchsverfahrens veranlasste die Beklagte das Gutachten bei Dr. G. , der den Kläger im Mai 2014 untersuchte (ärztlicher Teil der Rentenakte M33). Die Wegstrecke zum Gutachter legte der Kläger mit dem Pkw und der Hilfe eines Bekannten als Fahrer zurück (Fahrzeit ca. 30 Minuten, Gutachten Dr. G. , S. 21). Die Anamnese erfolgte wegen der Schmerzangaben des Klägers im Stehen, wobei der Gutachter ein freihändiges, auch lockeres Stehen, mit den Händen bisweilen in den Hosentaschen, und gelegentlichem (für Sekunden) Stützen an der Stuhllehne beschrieb. Die internistische Untersuchung erfolgte im Sitzen. Der Gutachter beschrieb wiederholte groteske Bewegungsführungen, Diskrepanzen zwischen den vom Kläger bei der Untersuchung demonstrierten Bewegungseinschränkungen und der Bewegungsfähigkeit in unbeobachteten Momenten (z. B. Einschränkung der Anhebung der Arme nur bis zur Horizontalen, S. 15, dagegen Heben der Arme über die Horizontale beim Ankleiden, S. 19; Versteifung der Kniegelenke, S. 18/19, dagegen unproblematische Beugung beim anschließenden Ankleiden, S. 19; Anhebung der Beine allenfalls bis 40 Grad, S. 19, dagegen In-die-Hocke-gehen und Anwinkeln der Beine im Hüftgelenk beim anschließenden Ankleiden, S. 19; Betreten des Untersuchungsraumes mit leichtem Humpeln, S. 17, dagegen im unbeobachteten Zustand ein normales Gangbild, S. 19). Hinsichtlich sämtlicher Einzelheiten wird auf die Ausführungen von Dr. G. in seinem Gutachten Bezug genommen. Der Gutachter ging von einem Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und einer histrionischen Persönlichkeitsstörung, DD artefizielle Störung (= vorgetäuschte oder selbst erzeugte Störung, um krank zu sein, S. 23) aus. Darüber hinaus sah der Gutachter auch Diskrepanzen zwischen den behaupteten Beschwerden und der Fähigkeit des Klägers, alle üblichen Alltagsverrichtungen vornehmen zu können (S. 23). Im Ergebnis ging Dr. G. von Aggravation beim Kläger aus und - angesichts der Alltags- und Freizeitgestaltung - von einer Fähigkeit, leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen mindestens sechs Stunden täglich ausüben zu können. Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 zurück.

Hiergegen hat der damals rechtskundig vertretene Kläger am 28.07.2014 mit dem Begehren, Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erhalten, Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den behandelnden Psychotherapeuten, die behandelnde Schmerztherapeutin und den Hausarzt Dr. Z. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Diplom-Psychologe Polzer hat als Diagnose eine anhaltende Schmerzstörung und Züge einer querulatorischen Persönlichkeit angegeben, von Behandlungen von November 2013 bis November 2014 berichtet und den Kläger nicht in der Lage gesehen, sechs Stunden zu arbeiten. Die Schmerztherapeutin Dr. H. hat lediglich von Kontakten im Sommer 2012 berichtet, der Kläger sei nicht behandelt, sondern nur diagnostisch abgeklärt worden (gestellte Diagnosen u.a. chronisches Schmerzsyndrom, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 48 SG-Akte Bezug genommen). Dr. Z. hat das Verhalten des Klägers bei den Konsultationen beschrieben (könne schmerzbedingt nicht auf dem Stuhl sitzen, stehe und gehe im Wartezimmer umher, im Stehen träten einschießende Schmerzen auf, die zu ruckartigen Bewegungen des Kopfes, der Arme und Verbiegungen der Wirbelsäule führten, mit nachfolgendem Kraftverlust und Einknicken der Beine). Wesentliche Änderungen habe er nicht festgestellt. Der Kläger könne nur ein bis maximal zwei Stunden täglich arbeiten. Später hat er mitgeteilt, dass es eine medizinische Erklärung für diese Symptome nicht gebe. Weil er sie wiederholt so erlebt habe, glaube er dem Patienten.

Daraufhin hat das Sozialgericht ein neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. L. , Neurologische Klinik des Universitätsklinikums T. , mit neuropsychologischem Zusatzgutachten des Prof. Dr. K. eingeholt. Prof. Dr. K. hat nach Untersuchung im März 2016 einen unveränderten Tagesablauf beschrieben (Bl. 132 SG-Akte). Der Kläger hat angegeben, mit dem Pkw (50 km) und einer Bekannten als Fahrerin angereist zu sein. Im Rahmen der einstündigen Anamnese hat der Kläger durchgehend gestanden, Schmerzsensationen sind nicht aufgetreten. Unmittelbar danach hat der Kläger angegeben, sich schmerzbedingt hinlegen zu müssen, hat dies unter Schmerzdemonstration (langsame Bewegung unter Stöhnen) getan und hat dann - so der Sachverständige - ruhig und entspannt, ohne Schmerzsensationen gelegen. Zu Beginn der nachfolgenden testpsychologischen Untersuchung hat er massive Schmerzzustände angegeben und entsprechende Einschränkung dargeboten (Haltung nur kniend am Tisch, krampfartige Bewegungen des linken Armes, Krampf- und Schmerzbewegungen, verzerrte Mimik, Stöhnen), so dass die Untersuchung abgebrochen worden ist. Die Diskrepanzen im Verhalten zwischen der Anamnese (entspannt, aufrecht, keine Schmerzsensationen) und der nachfolgenden Testuntersuchung (Darbietung massiver Schmerzen) hat der Sachverständige als auffallend bewertet. Klinische Defizite im Bereich von Konzentration und Aufmerksamkeit hat Prof. Dr. K. nicht gefunden und dementsprechend keinen Anhalt für Einschränkungen der Leistungsfähigkeit gesehen. Auch er hat darauf hingewiesen, dass der Kläger Alltagsarbeiten wie abwaschen, Wäsche waschen, reinigen, einkaufen und Essen zubereiten allein bewältigt, auswärtige Termine selbst wahrnimmt und sich selbstmotiviert verschiedenen Freizeitbeschäftigungen wie lesen, Geschichte oder Informatik widmet.

In seinem neurologischen Gutachten nach Untersuchung des Klägers im Februar 2016 hat Prof. Dr. L. einen im Wesentlichen unveränderten Tages- und Freizeitablauf beschrieben und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen (degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule) und psychischen Faktoren, DD somatoforme Schmerzstörung, eine muskuläre Hypertonie im Schulter-Nackenbereich beidseits, ein sensomotorisches mildes Karpaltunnelsyndrom rechts sowie Ein- und Durchschlafstörungen diagnostiziert, weshalb der Kläger nur dann regelmäßig arbeiten könne, wenn er regelmäßig und mehrmals pro Stunde die Arbeitshaltung wechseln könne, weshalb aktuell eine regelmäßige Arbeit nicht möglich sei. Der Kläger sei nicht in der Lage, länger als mehrere Minuten zu sitzen bzw. zu liegen. Auf die Einwände der Beklagten (beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie Dr. H. ) hat der Sachverständige eingeräumt, die Einschätzung zur Leistungsbeurteilung beruhe auf den vom Kläger geäußerten Beschwerden.

Mit Urteil vom 17.05.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung verneint, weil schon das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung nicht nachgewiesen sei. Erst recht sei es nicht möglich, sich von einem auf unter sechs Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögen zu überzeugen. Es bestünden durchschlagende Zweifel daran, dass die geschilderte und auch in der mündlichen Verhandlung dargestellte Symptomatik echt sei. Diese Zweifel gingen zu Lasten des Klägers. Es hat dann im Einzelnen und ausführlich dargelegt, dass Auffälligkeiten in der Dokumentation medizinischer Behandlungen und der mehrmals dokumentierte Tagesablauf sowie die von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. , Dr. G. und Prof. Dr. K. geschilderten Diskrepanzen die Feststellung eines Krankheitsbildes nicht zuließen. Vor diesem Hintergrund hat es die Leistungsbeurteilung der Gutachterin S. und von Dr. G. für überzeugend erachtet. Die Beurteilung von Prof. Dr. L. sei dagegen ebenso wenig plausibel, wie die Beurteilungen der gehörten sachverständigen Zeugen.

Gegen das ihm am 26.06.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.07.2017 Berufung eingelegt, aktuelle Befundberichte über Magnetresonanztomographien (MRT) der HWS und LWS, einen Auszug aus einer Patientenkartei von Dr. R. vorgelegt und darauf hingewiesen, dass bei ihm eine OP-Indikation gestellt sei, weil das Risiko einer Lähmung wegen einer Affektion des Spinalnervens bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.05.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Wie das Sozialgericht vermag auch der Senat angesichts der vom Kläger demonstrierten Ungereimtheiten im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen, insbesondere bei Dr. G. und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. , und den Diskrepanzen zwischen den vom Kläger behaupteten Beschwerden und seinem Alltags- und Freizeitverhalten keine exakte Diagnose einer Erkrankung festzustellen. Dies wäre allerdings insoweit unschädlich, als die exakte, korrekte diagnostische Einordnung der Schmerzzustände dahingestellt bleiben kann. Denn für die vorliegend zu beurteilende Frage, inwieweit der Kläger durch die im Vordergrund der Beurteilung stehenden Schmerzzustände in der beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist weniger von Bedeutung, welchem Krankheitsbild diese Schmerzzustände zuzuordnen sind, als vielmehr, welche konkreten funktionellen Einschränkungen hieraus resultieren und inwieweit diese der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit entgegenstehen.

Vielmehr geht der Senat, wie sowohl die Gutachter und die behandelnden Ärzte, davon aus, dass beim Kläger zwar eine Schmerzsymptomatik vorliegt, jedoch deren Ausmaß wegen der beschriebenen Ungereimtheiten und Diskrepanzen nicht festgestellt werden kann. Auch das Sozialgericht hat das Vorliegen von Schmerzzuständen nicht für ausgeschlossen erachtet, sich aber im Hinblick auf die erwähnten Ungereimtheiten nicht davon überzeugen können, eine wesentliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens anzunehmen. Dies geht zu Lasten des Klägers. Dies hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme auf die festgestellten Behandlungen und erfolgten Begutachtungen überzeugend ausgeführt und auch dargestellt, aus welchen Gründen der abweichenden Leistungsbeurteilung von Prof. Dr. L. und der behandelnden Ärzte nicht zu folgen ist. Da der Kläger hiergegen keine Einwände erhebt, sieht der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück. Soweit das Sozialgericht das Vorliegen einer Erkrankung bereits als durchgreifend zweifelhaft erachtet hat, merkt der Senat an, dass eine beim Kläger bestehende Schmerzsymptomatik, wie sie alle mit der Beurteilung befassten Ärzte als jedenfalls im Kern bestehend ansehen, durchaus Krankheitswert hat, also ein Krankheitsbild darstellt. Aus den vom Sozialgericht genannten Gründen ist aber dessen Ausmaß nicht feststellbar.

Gleiches gilt in Bezug auf etwaige psychische Erkrankungen. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. konnte keine psychische Erkrankung, insbesondere keine Persönlichkeitsstörung, feststellen. Und auch Dr. G. sah sich nicht in der Lage, klar zwischen dem Vorliegen einer histrionischen Persönlichkeitsstörung und einer artefiziellen Störung zu unterscheiden. Ähnlich hat Prof. Dr. L. nur den Verdacht auf eine dissoziative Störung geäußert. Aber selbst unter der Annahme einer psychischen Störung lässt sich deren Ausmaß in funktioneller Hinsicht aus den vom Sozialgericht beschriebenen Widersprüchen im Verhalten des Klägers und seinem Alltags- und Freizeitverhalten wiederum nicht feststellen.

Soweit der Kläger in der Berufung zuletzt auf die von Dr. R. gestellte OP-Indikation (vgl. Bl. 42 LSG-Akte) und das Risiko einer Lähmung hingewiesen hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn eine OP-Indikation als solche bzw. das für die Stellung dieser Indikation angenommene Risiko einer Lähmung begründet als solche keine aktuelle funktionelle Einschränkung und damit auch keinen Grund für die Annahme rentenrelevanter Einschränkungen. Der vom Kläger vorgelegte MRT-Befund der HWS von August 2017 führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Dort ist am Ende ausgeführt, dass im Vergleichszeitraum - Voraufnahme aus dem Jahr 2013 - keine durchgreifende Befundänderung erfolgt ist. Damit bleibt es auch insoweit bei der Beurteilung der Gutachterin S. und des Gutachters Dr. G ... Soweit im MRT-Befund der LWS von Februar 2018 eine höhergradige Bedrängung der Nervenwurzel L5 beidseits beschrieben ist, führt auch dies nicht zum Nachweis einer rentenrelevanten Einschränkung. Denn für die Frage, ob Gesundheitsstörungen vorliegen, die zu einer rentenrelevanten Einschränkung führen, kommt es allein darauf an, ob diese Gesundheitsstörungen zu funktionellen Einschränkungen führen, die eine mindestens sechsstündige Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr zulassen. Die Angaben des Klägers über seine Beschwerden datieren aber zumindest bis in das Jahr 2012 zurück, wobei in der Vergangenheit eine organische Ursache dieser Beschwerden, insbesondere auch durch radiologische Befunderhebungen, nicht gefunden wurde. Wenn aber die Beschwerden des Klägers - eine Veränderung ist weder behauptet noch ersichtlich - bereits in der Vergangenheit ohne entsprechenden radiologischen Befund vorlagen, kann der nun auffällige radiologische Befund nicht zu diesen Beschwerden führen. Wie bereits ausgeführt, geht der Senat - insbesondere in Übereinstimmung mit der von der Beklagten beauftragten Gutachtern S. und Dr. G. - von einer im Kern bestehenden Schmerzsymptomatik aus, sieht sich aber - ebenso wie die Gutachter - nicht in der Lage, deren Ausmaß zu bestimmen. Dies ist auch auf Grund des vom Kläger vorgelegten MRT-Befundes der LWS nicht möglich.

Eine weitere Sachaufklärung hält der Senat nicht für erforderlich. Hierzu sieht sich der Senat insbesondere deshalb nicht gedrängt, weil angesichts des mehrmals vom Kläger demonstrierten aggravativen Verhaltens auch bei Einholung eines zusätzlichen Gutachtens weitergehende Erkenntnisse in Bezug auf das (tatsächliche) Ausmaß der beim Kläger vorhandenen Schmerzsymptomatik nicht zu erwarten sind.

Im Ergebnis bleibt es somit bei der Leistungsbeurteilung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. und des Dr. G. , wonach der Kläger jedenfalls leichte Tätigkeiten unter Beachtung der von der Gutachterin S. aufgeführten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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