Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 27 SB 4291/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3584/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.08.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Die 1967 geborene Klägerin beantragte erstmals am 13.12.2011 beim Landratsamt E. (LRA) die Feststellung des GdB. Sie machte als Gesundheitsstörungen primäre Lymphödeme, eine Unterfunktion der Schilddrüse sowie eine Fibromyalgie geltend.
Das LRA nahm medizinische Befundunterlagen zu den Akten (insbesondere Berichte Dr. M. vom 16.11.2005 und 18.11.2005, Diagnose: Chronisch lymphozytäre Thyreoiditis; Dr. K. vom 30.07.2010, Diagnosen: Präkordiale Schmerzen, Kontaktdermatitis beider Hände, Lymphödem beide Beine, Autoimmunthyreoiditis und Lipödem beidseits; Entlassungsbericht F. klinik Dr. A. vom 14.10.2011, Diagnosen: Primäre Lymphödeme der Beine mäßig ausgeprägt, Adipositas Grad 3, Hashimoto Thyreoiditis unter laufender Therapie, Nikotinabusus; Dr. H. vom 14.11.2011, Diagnosen: Fibromyalgie-Syndrom, kein Anhalt für eine entzündlich rheumatische Erkrankung). In der hierzu eingeholten Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 29.01.2012 schlug Dr. L. wegen einer Lymphstauung beider Beine (GdB 20) sowie einem Fibromyalgiesyndrom (GdB 10) den GdB mit 20 vor.
Mit Bescheid vom 14.02.2012 stellte das LRA bei der Klägerin den GdB mit 20 seit 01.01.2011 fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.03.2012 Widerspruch ein, der vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 zurückgewiesen wurde.
Am 02.08.2012 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte im Verlauf des Klageverfahrens unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen zur Begründung geltend, der GdB sei hinsichtlich der Lymphstauung der Beine, ihrer psychischen Beschwerden sowie der Wirbelsäulenbeschwerden zu gering bewertet und legte medizinische Unterlagen vor (insbesondere Befundberichte Dr. S. vom 26.02.2014, MUDr. M. vom 12.03.2015, ärztlicher Entlassungsbericht S.klinik S. P. vom 13.01.2015, Entlassungsbericht B.klinik R. vom 11.11.2015).
Das SG hörte von der Klägerin benannte behandelnde Ärzte - unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 29.01.2012 - schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Arzt für Allgemeinmedizin, Phlebologie und Lymphologie Dr. K. teilte in seiner Aussage vom 11.04.2013 - unter Vorlage von Befundberichten - die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Er äußerte sich außerdem ergänzend mit Aussage vom 14.04.2014. Der Arzt für Neurologie Dr. K. äußerte sich mit Aussage vom 15.04.2013 unter Vorlage von Befundberichten. Die Ärztin für Allgemeinmedizin und Homöopathie Dr. G. teilte in ihrer Aussage vom 30.04.2013 unter Vorlage von Befundberichten die erhobenen Befunde und Diagnosen mit. Die Fibromyalgie, ein HWS/LWS-Syndrom sowie Muskelverspannungen und Blockaden führten zu einer mittelgradigen Funktionseinschränkung der Extremitäten. Die Klinik für Innere Medizin der K.kliniken E. , Professor Dr. H. , teilte in der Aussage vom 26.04.2013 mit, dass der unter der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms (Fibromyalgie-Syndroms) festgestellte GdB von 10 nachvollziehbar sei. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. machte mit Schreiben vom 19.01.2016 Angaben und legte den Bericht vom 12.03.2015 vor.
Die Klägerin wurde vom SG in der nichtöffentlichen Sitzung am 20.03.2014 angehört. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 20.03.2014 Bezug genommen.
Anschließend holte das SG von Amts wegen das sozialmedizinische Gutachten von Dr. W. vom 04.11.2014 ein. Dr. W. diagnostizierte bei der Klägerin eine Lymphstauung beider Beine (Einzel-GdB 20), eine seelische Störung und chronisches Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 20), ein chronisch degenerativ bedingtes Wirbelsäulensyndrom, betont in der Lendenwirbelsäule, mit Nervenwurzelreizerscheinungen und geringfügigen Funktionsdefiziten (Einzel-GdB 10), eine Hashimoto-Thyreoiditis (Einzel-GdB 0), ein Karpaltunnel-Syndrom milder Ausprägung (Einzel-GdB 0) sowie die Entfernung eines Sigmapolypen (Einzel-GdB 0). Dr. W. bewertete den Gesamt-GdB mit 30 seit Dezember 2011.
Das Regierungspräsidium Stuttgart unterbreitete der Klägerin mit Schriftsatz vom 29.10.2015 unter Vorlage der ärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 15.10.2015 ein Vergleichsangebot dahin, wegen einer Lymphstauung beider Beine (GdB 20) sowie einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom und Fibromyalgiesyndrom (GdB 20) den GdB mit 30 ab 26.02.2014 (Bericht Dr. S. vom 26.02.2014) festzustellen. Dieses Vergleichsangebot nahm die Klägerin nicht an (Schriftsätze vom 18.12.2015 und 13.01.2013).
Das SG zog anschließend weitere medizinische Befundunterlagen von Dr. B. , Dr. S. , Dr. J. und Dr. F. bei, insbesondere Berichte Dr. S. vom 06.05.2014 und 01.07.2014 (Bl. 198/199). Außerdem hörte das SG Dr. Schr. schriftlich als sachverständigen Zeugen an, der in seiner Aussage vom 11.05.2016 wegen der Lymphödeme den GdB auf 15 einschätzte.
Das Regierungspräsidium Stuttgart unterbreitete der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.06.2016 unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes D. vom 02.06.2016 ein weiteres Vergleichsangebot dahin, wegen einer depressiven Verstimmung, psychovegetativem Erschöpfungssyndrom und Fibromyalgiesyndrom (GdB 30) sowie einer Lymphstauung beider Beine (GdB 20) den GdB mit 40 ab 26.02.2014 festzustellen. Auch mit diesem Vergleichsangebot erklärte sich die Klägerin nicht einverstanden (Schriftsatz vom 25.07.2016).
Mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2016 verurteilte das SG das Land Baden-Württemberg, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 ab 26.02.2014 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das SG führte zur Begründung aus, für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche sei ab dem 26.02.2014 ein GdB von 30, zuvor ab Antragstellung ein GdB von 10, angemessen und ausreichend. Für das Funktionssystem Bein sei ein GdB von 20 für die an beiden Gliedmaßen vorliegenden Lymphödeme angemessen, aber auch ausreichend. Für das Funktionssystem Rumpf sei ein GdB von 10 zu berücksichtigen. Das leichte Karpaltunnelsyndrom und die Hashimoto-Thyreoiditis begründeten keinen GdB. Hiervon ausgehend sei es nicht gerechtfertigt, einen Gesamt-GdB von über 40 festzusetzen.
Gegen den der Klägerin am 31.08.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die von der Klägerin am 26.09.2016 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung.
Der Senat hat im Hinblick auf einen im Klageverfahren eingetretenen Wohnsitzwechsel der Klägerin in den Freistaat Bayern mit Beschluss vom 13.04.2016 das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und den Freistaat Bayern als neuen Beklagten einbezogen. Aufgrund eines im Berufungsverfahren eingetretenen weiteren Wohnsitzwechsels der Klägerin nach Niedersachsen hat der Senat mit Beschluss vom 22.01.2018 den Freistaat Bayern aus dem Rechtsstreit entlassen und das Land Niedersachsen, vertreten durch das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, als neuen Beklagten einbezogen.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Berufung unter Bezug auf einen Bericht der B.klinik R. ausgeführt, das SG hätte für das Funktionssystem Gehirn von einem GdB von 40 ausgehen müssen. Unter Berücksichtigung des weiteren Einzel-GdB von 20 für die Lymphstauung beider Beine hätte das SG den Gesamt-GdB mit 50 feststellen müssen.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.08.2016 sowie den Bescheid vom 14.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 ab Antragstellung (13.11.2011) festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Klägerin gehe fehl, wenn sie hinsichtlich des Funktionssystems Gehirn einschließlich Psyche auf die Ausschöpfung des GdB-Rahmens 30 bis 40 nach oben abziele. Der Klägerin könne auch nicht gefolgt werden, soweit sie einen Gesamt-GdB von 40 bereits ab dem Antragsmonat fordere.
Der Senat hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Der Facharzt P. hat in seinen Aussagen vom 23.11.2017 und 12.06.2018 den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und Befunde mitgeteilt und den GdB auf 30 bis eher 40 eingeschätzt.
Mit Ausführungsbescheid vom 01.11.2018 stellte der Beklagte bei der Klägerin den GdB mit 40 ab 26.02.2014 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Beklagte Schriftsatz vom 23.10.2018, Klägerin Schriftsatz vom 09.11.2018)
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Beteiligte des Berufungsverfahrens sind nunmehr allein die Klägerin und das Land Niedersachsen als Beklagter. Das Land Baden-Württemberg ist durch einen Beteiligtenwechsel aus dem Verfahren ausgeschieden und als Beklagter durch das Land Niedersachsen ersetzt worden, das im Berufungsverfahren für die Klägerin zuständig geworden ist. Nachdem die Klägerin im Verlaufe des Gerichtsverfahrens zuletzt ihren Wohnsitz vom Freistaat Bayern nach H. in das Bundesland Niedersachsen verlegt hat, ist ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten (vgl. BSG Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 2/07 R -). Beklagter ist nunmehr das Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG). Diese Regelung gilt gemäß § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB X (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX a.F.) auch für den Bereich des SGB IX (vgl. BSG Urteil vom 05.07.2007 a.a.O.). Nach § 3 Abs. 1 KOVVfG ist örtlich die Verwaltungsbehörde zuständig, in deren Bezirk der Antragsteller oder Berechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland) hat. Auf die örtliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts hat der Beklagtenwechsel keine Auswirkungen (BSG vom 08.05.2007 - B 12 SF 3/07 S -). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend die letzte mündliche Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt kann allein der im Lauf des Verfahrens zuständig gewordene Träger die begehrten Rechte gewähren, sodass sich die Klage richtigerweise nunmehr gegen das Land Niedersachen zu richten hat. Dem entspricht der (deklaratorische) Beschluss des Senats vom 22.01.2018. Hiergegen haben die Beteiligten auch keine Einwendungen erhoben. Nachdem der Beklagte dem Gerichtsbescheid des SG mit Ausführungsbescheid vom 01.11.2018 entsprochen hat, bedarf es keiner weiteren Erwägungen dazu, dass das SG das Land Baden-Württemberg (anstelle des an sich zuständigen Freistaates Bayern) verurteilt hat.
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 seit dem 26.02.2014 und mehr als 20 seit der Antragstellung bis 25.02.2014 zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach § 152 Absatz 1 SGB IX (§ 69 Abs. 1 und 3 SGB IX a.F.) stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Geisteszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, § 2 Absatz 1 Satz 2 SGB IX. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt; eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Absatz 1 Satz 6 SGB XI). Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 70 Abs. 2 SGB IX in der ab 15.01.2015 gültigen Fassung). Bis zum 14.01.2015 galten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX (in der Fassung vom 20.06.2011) die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Hiervon hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die VersMedV erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "VG" zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden AHP getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG Teil A Nr. 2 e).
Die Feststellung des GdB erfolgt zum Zeitpunkt der Antragstellung; auf Antrag kann, wenn ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird, festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat § 152 Abs. 1 Satz 2 SGBX; (§ 69 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX a.F.).
Hiervon ausgehend ist der Senat nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 seit dem 26.02.2014 und von 20 für die Zeit davor ab Antragstellung nicht rechtfertigen. Dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.
Die Gesundheitsstörung der Klägerin auf psychischem Fachgebiet rechtfertigt seit dem 26.02.2014 einen Einzel-GdB von 30. In dieser Bewertung ist ein Fibromyalgiesyndrom miterfasst, das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht mit einem eigenständigen GdB zu bewerten ist. Insoweit sieht B Nr. 18.4 VG vor, dass die Fibromyalgie nach ihren funktionellen Auswirkungen zu beurteilen ist. Da diese Erkrankung vorliegend bei der Klägerin zu Ganzkörperschmerzen führt, sind diese, da sie einem einzelnen Funktionssystem nicht konkret zugeordnet werden können und über einzelne Funktionssysteme hinausgehen, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nach den VG Teil B 3.7 zu bewerten (Senatsurteile vom 19.05.2017 - L 8 SB 619/16 -, 27.01.2012 - L 8 SB 668/11, 19.12.2008 - L 8 SB 3720/07, 29.08.2008 - L 8 SB 5525/06 und 23.11.2007 - L 8 SB 4995/04 -; jeweils unveröffentlicht; ebenso Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteile vom 13.12.2012 - L 6 SB 4838/10 -, sozialgerichtsbarkeit.de; 28.09.2016 - L 3 SB 4862/14 -). Hiervon geht auch Dr. W. in seinem Gutachten aus.
Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Das SG ist im angefochtenen Gerichtsbescheid, gestützt auf die Befundbeschreibungen in Berichten von Dr. S. vom 26.02.2014, 06.05.2014 und 01.07.2014, im Gutachten von Dr. W. , im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015 und in den Entlassungsberichten der B.klinik R. vom 11.06.2015 und 11.11. 2015, zutreffend zu der Feststellung gelangt, dass bei der Klägerin seit dem 26.02.2014 aus der Zusammenschau stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegen. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die hierzu im Gerichtsbescheid gemachten Ausführungen des SG (Seite 11 Abs. 5 bis Seite 14 Abs. 2) vollinhaltlich Bezug, auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Hiervon geht auch der Versorgungsarzt D. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.06.2016 aus, der es für gerechtfertigt erachtet, bei der Klägerin von einer wesentlich eingeschränkten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen.
Ergänzend hierzu bleibt auszuführen:
Das Vorliegen schwerer Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten ist bei der Klägerin nicht festzustellen. Insbesondere sind bei der Klägerin nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen keine Wahninhalte oder Sinnestäuschungen bzw. keine psychotische Symptomatik festzustellen, die die Annahme schwerer Störungen rechtfertigen könnten. Das Vorliegen schwerer Störungen hat die Klägerin im Übrigen auch nicht substantiiert geltend gemacht.
Anlass, den nach den oben dargestellten GdB-Bewertungsvorgaben der VG eröffneten GdB-Rahmen von 30 bis 40 nach oben auszuschöpfen, besteht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht. Nach dem in den oben genannten medizinischen Unterlagen beschriebenen psychischen Befund sind die durch die psychische Gesundheitsstörung der Klägerin festzustellenden Einschränkungen an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dem unteren Bereich des vorgegebenen GdB-Bewertungsrahmens (GdB 30) zuzuordnen. Nach den psychischen Befundbeschreibungen lassen sich bei der Klägerin insbesondere keine gewichtigen Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Mnestik, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, inhaltliche Denkstörungen oder Ich-Störungen feststellen, die die Ausschöpfung des GdB-Rahmens rechtfertigen, weshalb zur Überzeugung des Senates ein GdB von 30 angemessen und ausreichend ist. Auch der die Klägerin behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. geht in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen vom 23.11.2017 und 12.06.2018 von einer stärker behindernden Störung der Klägerin aus und hat den GdB auf 30 bis eher 40 eingeschätzt. Dies lässt darauf schließen, dass auch der Facharzt P. davon ausgeht, dass ein Einzel-GdB von 40 für die psychische Gesundheitsstörung der Klägerin noch nicht erreicht wird. Zur Überzeugung des Senates ist daher auf psychiatrischem Fachgebiet bei der Klägerin seit dem 26.02.2014 ein Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen. Dr. W. gelangt in seinem Gutachten für die von ihm diagnostizierte seelische Störung und das chronische Schmerzsyndrom der Klägerin sogar zu der Bewertung des Einzel-GdB mit lediglich 20.
Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung geltend macht, ein Einzel-GdB von 40 auf psychiatrischem Gebiet sei begründet, da bei ihr von sehr ausgeprägten depressiven Störungen auszugehen sei, rechtfertigt ihr Vorbringen entgegen ihrer Ansicht keinen Einzel-GdB von 40. Die von ihr geltend gemachte reduzierte Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis, die Grundstimmung deutlich depressiv, im Denken sei sie eingeengt, im Antrieb gemindert und es bestehe eine starke Rückzugstendenz, rechtfertigt nach dem oben Ausgeführten zwar die Feststellung stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, jedoch nicht auch, wie die Klägerin meint, den GdB-Rahmen auf 40 auszuschöpfen. Auch Diagnosen sind für sich nicht geeignet, den GdB zu bewerten. Maßgeblich für die GdB-Bewertung sind vielmehr die durch psychische Störungen hervorgerufenen Beeinträchtigungen, die, wie ausgeführt, einschließlich der Fibromyalgie einen GdB von 30 rechtfertigen.
Für die Zeit vor dem 26.02.2014 (13.12.2011 bis 25.02.2014) ist die Feststellung eines Einzel-GdB von über 10 für eine psychische Gesundheitsstörung der Klägerin nicht gerechtfertigt. Soweit Dr. W. in seinem Gutachten davon ausgeht, dass für die psychische Gesundheitsstörung der Klägerin der Einzel-GdB 20 seit Dezember 2011 anzunehmen sei, kann seiner zeitlichen Einschätzung nicht gefolgt werden. Dass bei der Klägerin eine gewichtige psychische Gesundheitsstörung vor dem 26.02.2014 bestanden hat, lässt sich nicht feststellen. Dass sich die Klägerin vor dem 26.02.2014 wegen einer psychischen Gesundheitsstörung im Behandlung befunden hat, ist durch entsprechende Facharztunterlagen nicht belegt. Weiter werden im ärztlichen Entlassungsbericht der F. Klinik Dr. A. vom 14.10.2011 keine psychischen Auffälligkeiten der Klägerin, sondern lediglich eine Einzelberatung mit der Psychologin zum Thema Raucherentwöhnung beschrieben. Auch hat die Klägerin bei ihrer Antragstellung am 13.12.2011 eine psychische Gesundheitsstörung (mit Ausnahme einer vom LRA mit einem GdB von 10 berücksichtigten Fibromyalgie) nicht geltend gemacht. Die Klinik für Innere Medizin der K.kliniken E. , Professor Dr. H. , hat in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 26.04.2013 die Bewertung des Fibromyalgiesyndroms mit einem GdB von 10 als nachvollziehbar bestätigt. Die Diagnose Angst und depressive Störung gemischt wird erstmals durch den von der Klägerin vorgelegten Befundbericht von Dr. S. vom 26.02.2014 aufgrund einer am 26.02.2014 durchgeführten Anamnese und Beurteilung dokumentiert. Ärztliche Befundunterlagen die geeignet sind, den GdB auf psychiatrischem Gebiet vor dem 26.02.2014 zu bewerten, liegen nicht vor, worauf auch Dr. H. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.01.2015 zutreffend hinweist, weshalb die Annahme eines Einzel-GdB von 20 vor dem 26.02.2014 durch Dr. W. nicht überzeugt.
Die Lymphstauung beider Beine rechtfertigt bei der Klägerin einen Einzel-GdB von 20. Nach den VG Teil B 9.2.3 ist bei einem Lymphödem an einer Gliedmaße ohne wesentliche Funktionsbehinderung, Erfordernis einer Kompressionsbandage der GdB mit 0 bis 10, mit stärkerer Umfangsvermehrung (mehr als 3 cm) je nach Funktionseinschränkung der GdB mit 20 bis 40, mit erheblicher Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaße, je nach Ausmaß der GdB mit 50 bis 70 und bei Gebrauchsunfähigkeit der ganzen Gliedmaße der GdB mit 80 zu bewerten. Entstellungen bei sehr ausgeprägten Formen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach dem Gutachten von Dr. W. besteht bei der Klägerin eine mäßige Varikosis sowie ein mäßiger Schwellungszustand bei bekanntem Lip-/Lymphödem. Seit Juni 2014 wurde keine Lymphdrainage mehr durchgeführt und nach den Beschreibungen der Angaben der Klägerin im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015 auch nicht mehr verordnet. Dies deutet nach Ansicht von Dr. W. auf das Vorliegen einer Beschwerdearmut hin. Des Weiteren ist die Klägerin (nur) mit Stützkniestrümpfen Klasse III versorgt, die die Klägerin nach den Beschreibungen ihrer Angaben im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. zudem nicht mehr trägt. Das Gangbild ist gewichtsbedingt etwas behäbig, sonst jedoch unauffällig. Die Fußpulse sind ausreichend tastbar. Eine Schmerzsymptomatik mit Spannungsgefühl und Zunahme der Beschwerden in Zwangshaltungen sowie das Auftreten von Hautproblemen sind zwar nachvollziehbar. Bedeutsame durch die Lymphstauung beider Beine verursachte Funktionseinschränkungen hat Dr. W. jedoch nicht erheben können und werden auch von Dr. K. in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG nicht beschrieben. Nach den Beschreibungen im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. war der Gefäßstatus nicht bedeutsam beeinträchtigt. Die zentralen Pulse waren an regelrechter Stelle beidseits gut palpabel und ohne pathologisches Strömungsgeräusch. Ebenso sind die Fußpulse beidseits palpabel. Es bestand eine leichte Varikosis, keine trophischen Störungen, keine wesentlichen peripheren Ödeme und kein wesentliches Lymphödem. Dr. Schr. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 11.05.2016 eine Funktionseinschränkung der Gliedmaßen sowie eine Umfangvermehrung von mehr als 3 cm verneint. Nach den dargestellten GdB-Bewertungsvorgaben der VG kommt danach für die Lymphstauung beider Beine allenfalls ein GdB von 20 (bis 40) in Betracht, wobei hinsichtlich der festzustellenden geringen klinischen Beschwerden es nicht gerechtfertigt ist, den GdB-Rahmen nach oben auszuschöpfen. Vielmehr spricht der festzustellende Gefäßstatus eher für einen GdB von jeweils 10 für beide Beine, worauf der Arzt D. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.06.2016, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet, überzeugend hinweist. Der Senat erachtet daher für die Lymphstauung beider Beine mit Dr. W. und dem Versorgungsarzt D. einen GdB von 20 für ausreichend und angemessen. Dabei sind mit der Stauung einhergehende Schmerzen mitberücksichtigt. Dem entspricht auch die Bewertung von Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 11.04.2013, der die Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes (GdB 20) teilt. Dr. Schr. geht in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage sogar lediglich von einem GdB von 15 aus. Soweit die Klägerin im Klageverfahren, insbesondere in der nichtöffentlichen Sitzung am 20.03.2014, geltend gemacht hat, die Lymphstauung der Beine bedinge nicht nur geringe Einschränkungen, hat sich das Vorbringen der Klägerin nach dem von Dr. W. im Gutachten beschriebenen Befund sowie durch die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. K. und Dr. Schr. und die im Entlassungsbericht der S.klinik S. P. beschriebenen Befunde nicht bestätigt. Im Übrigen hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr gegen die Bewertung der Lymphstauung der Beine mit einem Einzel-GdB von 20 gewandt.
Eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule der Klägerin rechtfertigt einen Einzel-GdB von 10. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de).
Nach dem von Dr. W. in seinem Gutachten beschriebenen Wirbelsäulenbefund besteht bei der Klägerin keine wesentliche Fehlstellung der Wirbelsäule. Die Rückenmuskulatur ist nicht ausgeprägt verspannt. Ein relevanter Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule besteht nicht. Nach Angaben der Klägerin bestehen Schmerzen nur in Zwangshaltungen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule ist weitgehend frei. Auch die unteren Wirbelsäulenabschnitte sind mit keiner wesentlichen Bewegungseinschränkung versehen (Finger-Boden-Abstand 10 cm, Schober 11/14 cm), bei zum Teil dokumentierten Nervenwurzelreizerscheinungen. Dem entspricht im Wesentlichen auch die Befundbeschreibung im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015. Danach zeigen sich bei der Klägerin zwar eine deutliche Brusthyperkyphose, eine leichte Halswirbelsäulenfehlhaltung sowie mäßige muskuläre Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule, bei massiver Verkürzung der pectoralen Muskulatur und deutlicher Schmerzhaftigkeit. Die Rotation der Halswirbelsäule ist jedoch nur leichtgradig eingeschränkt (schmerzbedingte hälftige Einschränkung der Reklination sowie der Drehfähigkeit bei freier Inklination der Halswirbelsäule). Der Finger-Boden-Abstand beträgt ca. 20 cm. Danach sind bei der Klägerin noch keine mittelgradigen funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in wenigstens einem Wirbelsäulenabschnitt festzustellen, die einen Einzel-GdB von 20 rechtfertigen, zumal Überschneidungen mit dem bei der Psyche berücksichtigten chronischen Schmerzsyndrom bestehen, wie Dr. W. in seinem Gutachten beschrieben hat. Danach erachtet der Senat mit Dr. W. für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule einen Einzel-GdB von 10 für ausreichend und angemessen. Gegen diese Bewertung hat sich die Klägerin im Übrigen im Berufungsverfahren auch nicht mehr gewandt.
Nach den VG GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen des Bewegungsapparates sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Nach den Beschreibungen von Dr. W. in seinem Gutachten sind hinsichtlich der oberen Extremitäten beide Schultern in ihrer Beweglichkeit nicht eingeschränkt. Nacken- und Schürzengriff sind problemlos möglich. Beide Ellenbogengelenke sind unauffällig und frei beweglich. Gleiches gilt für die Handgelenke. Es besteht eine unauffällige Feinmotorik und ein ausreichend starker Händedruck beidseits. Die Muskulatur der unteren Extremitäten ist an beiden Beinen unauffällig. Das Lasègue´sche Zeichen ist negativ. Hüft- und Kniegelenke sind beidseits unauffällig. Gleiches gilt bei der funktionalen Prüfung beider Sprunggelenke bei Senk-Spreizfüßen beidseits. Für die körperliche Untersuchung kann sich die Klägerin ausreichend zügig Ent- und Ankleiden. Dem entspricht auch die Befundbeschreibung im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015. Danach sind Schulter-, Hüft- und Kniegelenke der Klägerin unauffällig. Es bestehen keine sensiblen oder motorischen Störungen. Auch in den Entlassungsberichten der B.klinik R. vom 11.06.2015 und 11.11.2015 werden die Gelenke der Klägerin mit Ausnahme einer ausgeprägten Adipositas und Lymphödeme als frei beweglich beschrieben, bei unauffälliger neurologischer Untersuchung und ohne weitere motorische und sensible Paresen. Dass bei der Klägerin eine mittelgradige Funktionseinschränkung der Extremitäten vorliegt, wie Dr. G. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.04.2013 ausgesagt hat, ist danach nicht festzustellen und wird auch von Dr. G. nicht nachvollziehbar beschrieben. Die Berücksichtigung von Funktionsbehinderungen des Bewegungsapparates hat die Klägerin im Übrigen im Verlauf des Rechtsstreites auch nicht geltend gemacht.
Die sonst bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen rechtfertigen keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Die Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenerkrankung) ist nach der sachverständigen schriftlichen Zeugenaussage von Dr. G. vom 30.04.2013 medikamentös kompensiert und hat nach dem Gutachten von Dr. W. keine sozialmedizinische Auswirkung bezogen auf eine Eigenschaft als Behinderung im engeren Sinn. Entsprechendes gilt für ein Karpaltunnelsyndrom milder Ausprägung. Es äußert sich klinisch durch ein "Einschlafen" der Hände bei Zwangshaltung (z.B. beim Autofahren). Weitergehende neurologische Defizite bestehen nach dem Gutachten von Dr. W. jedoch nicht, weshalb das Karpaltunnelsyndrom insgesamt als mild einzustufen ist und keinen GdB von 10 rechtfertigt. Hiervon geht auch Dr. W. in seinem Gutachten aus, dem sich der Senat anschließt. Hiergegen hat die Klägerin im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben. Entsprechendes gilt auch für eine im Bericht von Dr. K. vom 30.07.2010 diagnostizierte Kontaktdermatitis der Hände der Klägerin.
Weitere zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Insbesondere liegen bei der Klägerin nach dem Gutachten von Dr. W. auf internistischem Fachgebiet eine Einschränkung der Lungenfunktion bzw. eine Herzerkrankung nicht vor, die nach den VG mit einem Einzel-GdB von wenigstens 10 zu berücksichtigen wären und lassen sich auch nach den sonst zu den Akten gelangten zahlreichen medizinischen Befundunterlagen nicht feststellen. Entsprechendes gilt auch für Schäden der inneren Organe. Zu berücksichtigende weitere Gesundheitsstörungen hat die Klägerin im Übrigen im Verlauf des Rechtsstreites auch nicht geltend gemacht.
Hiervon ausgehend ist bei der Klägerin der Gesamt-GdB mit 40 seit dem 26.02.2014 und davor ab Antragstellung der Gesamt-GdB mit 20 zu bemessen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen - bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen - zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Hiervon ausgehend ist bei der Bemessung des Gesamt-GdB für die Zeit ab 26.02.2014 die psychische Gesundheitsstörung einschließlich des Fibromyalgiesyndroms mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Dieser wird durch den für die Lymphstauung der Beine bestehenden Einzel-GdB von 20 auf 40 erhöht. Sonstige den Gesamt-GdB-erhöhende Gesundheitsstörungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Der Gesamt-GdB wird insbesondere nicht für die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule erhöht. Für die Zeit vor dem 26.02.2014 ist der Gesamt-GdB ab Antragstellung durch den Einzel-GdB von 20 für die Lymphstauung der Beine zu bemessen. Sonstige den Gesamt-GdB-erhöhende Behinderungen sind bei der Klägerin für diesen Zeitraum nicht festzustellen.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die vom SG sowie vom Senat durchgeführten Ermittlungen und die zahlreich zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Insbesondere sind Verschlimmerungen im Gesundheitszustand der Klägerin nicht ersichtlich und werden im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Die 1967 geborene Klägerin beantragte erstmals am 13.12.2011 beim Landratsamt E. (LRA) die Feststellung des GdB. Sie machte als Gesundheitsstörungen primäre Lymphödeme, eine Unterfunktion der Schilddrüse sowie eine Fibromyalgie geltend.
Das LRA nahm medizinische Befundunterlagen zu den Akten (insbesondere Berichte Dr. M. vom 16.11.2005 und 18.11.2005, Diagnose: Chronisch lymphozytäre Thyreoiditis; Dr. K. vom 30.07.2010, Diagnosen: Präkordiale Schmerzen, Kontaktdermatitis beider Hände, Lymphödem beide Beine, Autoimmunthyreoiditis und Lipödem beidseits; Entlassungsbericht F. klinik Dr. A. vom 14.10.2011, Diagnosen: Primäre Lymphödeme der Beine mäßig ausgeprägt, Adipositas Grad 3, Hashimoto Thyreoiditis unter laufender Therapie, Nikotinabusus; Dr. H. vom 14.11.2011, Diagnosen: Fibromyalgie-Syndrom, kein Anhalt für eine entzündlich rheumatische Erkrankung). In der hierzu eingeholten Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 29.01.2012 schlug Dr. L. wegen einer Lymphstauung beider Beine (GdB 20) sowie einem Fibromyalgiesyndrom (GdB 10) den GdB mit 20 vor.
Mit Bescheid vom 14.02.2012 stellte das LRA bei der Klägerin den GdB mit 20 seit 01.01.2011 fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.03.2012 Widerspruch ein, der vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 zurückgewiesen wurde.
Am 02.08.2012 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte im Verlauf des Klageverfahrens unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen zur Begründung geltend, der GdB sei hinsichtlich der Lymphstauung der Beine, ihrer psychischen Beschwerden sowie der Wirbelsäulenbeschwerden zu gering bewertet und legte medizinische Unterlagen vor (insbesondere Befundberichte Dr. S. vom 26.02.2014, MUDr. M. vom 12.03.2015, ärztlicher Entlassungsbericht S.klinik S. P. vom 13.01.2015, Entlassungsbericht B.klinik R. vom 11.11.2015).
Das SG hörte von der Klägerin benannte behandelnde Ärzte - unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 29.01.2012 - schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Arzt für Allgemeinmedizin, Phlebologie und Lymphologie Dr. K. teilte in seiner Aussage vom 11.04.2013 - unter Vorlage von Befundberichten - die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Er äußerte sich außerdem ergänzend mit Aussage vom 14.04.2014. Der Arzt für Neurologie Dr. K. äußerte sich mit Aussage vom 15.04.2013 unter Vorlage von Befundberichten. Die Ärztin für Allgemeinmedizin und Homöopathie Dr. G. teilte in ihrer Aussage vom 30.04.2013 unter Vorlage von Befundberichten die erhobenen Befunde und Diagnosen mit. Die Fibromyalgie, ein HWS/LWS-Syndrom sowie Muskelverspannungen und Blockaden führten zu einer mittelgradigen Funktionseinschränkung der Extremitäten. Die Klinik für Innere Medizin der K.kliniken E. , Professor Dr. H. , teilte in der Aussage vom 26.04.2013 mit, dass der unter der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms (Fibromyalgie-Syndroms) festgestellte GdB von 10 nachvollziehbar sei. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. machte mit Schreiben vom 19.01.2016 Angaben und legte den Bericht vom 12.03.2015 vor.
Die Klägerin wurde vom SG in der nichtöffentlichen Sitzung am 20.03.2014 angehört. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 20.03.2014 Bezug genommen.
Anschließend holte das SG von Amts wegen das sozialmedizinische Gutachten von Dr. W. vom 04.11.2014 ein. Dr. W. diagnostizierte bei der Klägerin eine Lymphstauung beider Beine (Einzel-GdB 20), eine seelische Störung und chronisches Schmerzsyndrom (Einzel-GdB 20), ein chronisch degenerativ bedingtes Wirbelsäulensyndrom, betont in der Lendenwirbelsäule, mit Nervenwurzelreizerscheinungen und geringfügigen Funktionsdefiziten (Einzel-GdB 10), eine Hashimoto-Thyreoiditis (Einzel-GdB 0), ein Karpaltunnel-Syndrom milder Ausprägung (Einzel-GdB 0) sowie die Entfernung eines Sigmapolypen (Einzel-GdB 0). Dr. W. bewertete den Gesamt-GdB mit 30 seit Dezember 2011.
Das Regierungspräsidium Stuttgart unterbreitete der Klägerin mit Schriftsatz vom 29.10.2015 unter Vorlage der ärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 15.10.2015 ein Vergleichsangebot dahin, wegen einer Lymphstauung beider Beine (GdB 20) sowie einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom und Fibromyalgiesyndrom (GdB 20) den GdB mit 30 ab 26.02.2014 (Bericht Dr. S. vom 26.02.2014) festzustellen. Dieses Vergleichsangebot nahm die Klägerin nicht an (Schriftsätze vom 18.12.2015 und 13.01.2013).
Das SG zog anschließend weitere medizinische Befundunterlagen von Dr. B. , Dr. S. , Dr. J. und Dr. F. bei, insbesondere Berichte Dr. S. vom 06.05.2014 und 01.07.2014 (Bl. 198/199). Außerdem hörte das SG Dr. Schr. schriftlich als sachverständigen Zeugen an, der in seiner Aussage vom 11.05.2016 wegen der Lymphödeme den GdB auf 15 einschätzte.
Das Regierungspräsidium Stuttgart unterbreitete der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.06.2016 unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes D. vom 02.06.2016 ein weiteres Vergleichsangebot dahin, wegen einer depressiven Verstimmung, psychovegetativem Erschöpfungssyndrom und Fibromyalgiesyndrom (GdB 30) sowie einer Lymphstauung beider Beine (GdB 20) den GdB mit 40 ab 26.02.2014 festzustellen. Auch mit diesem Vergleichsangebot erklärte sich die Klägerin nicht einverstanden (Schriftsatz vom 25.07.2016).
Mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2016 verurteilte das SG das Land Baden-Württemberg, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 ab 26.02.2014 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das SG führte zur Begründung aus, für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche sei ab dem 26.02.2014 ein GdB von 30, zuvor ab Antragstellung ein GdB von 10, angemessen und ausreichend. Für das Funktionssystem Bein sei ein GdB von 20 für die an beiden Gliedmaßen vorliegenden Lymphödeme angemessen, aber auch ausreichend. Für das Funktionssystem Rumpf sei ein GdB von 10 zu berücksichtigen. Das leichte Karpaltunnelsyndrom und die Hashimoto-Thyreoiditis begründeten keinen GdB. Hiervon ausgehend sei es nicht gerechtfertigt, einen Gesamt-GdB von über 40 festzusetzen.
Gegen den der Klägerin am 31.08.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die von der Klägerin am 26.09.2016 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung.
Der Senat hat im Hinblick auf einen im Klageverfahren eingetretenen Wohnsitzwechsel der Klägerin in den Freistaat Bayern mit Beschluss vom 13.04.2016 das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und den Freistaat Bayern als neuen Beklagten einbezogen. Aufgrund eines im Berufungsverfahren eingetretenen weiteren Wohnsitzwechsels der Klägerin nach Niedersachsen hat der Senat mit Beschluss vom 22.01.2018 den Freistaat Bayern aus dem Rechtsstreit entlassen und das Land Niedersachsen, vertreten durch das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, als neuen Beklagten einbezogen.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Berufung unter Bezug auf einen Bericht der B.klinik R. ausgeführt, das SG hätte für das Funktionssystem Gehirn von einem GdB von 40 ausgehen müssen. Unter Berücksichtigung des weiteren Einzel-GdB von 20 für die Lymphstauung beider Beine hätte das SG den Gesamt-GdB mit 50 feststellen müssen.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.08.2016 sowie den Bescheid vom 14.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 ab Antragstellung (13.11.2011) festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Klägerin gehe fehl, wenn sie hinsichtlich des Funktionssystems Gehirn einschließlich Psyche auf die Ausschöpfung des GdB-Rahmens 30 bis 40 nach oben abziele. Der Klägerin könne auch nicht gefolgt werden, soweit sie einen Gesamt-GdB von 40 bereits ab dem Antragsmonat fordere.
Der Senat hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Der Facharzt P. hat in seinen Aussagen vom 23.11.2017 und 12.06.2018 den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und Befunde mitgeteilt und den GdB auf 30 bis eher 40 eingeschätzt.
Mit Ausführungsbescheid vom 01.11.2018 stellte der Beklagte bei der Klägerin den GdB mit 40 ab 26.02.2014 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Beklagte Schriftsatz vom 23.10.2018, Klägerin Schriftsatz vom 09.11.2018)
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Beteiligte des Berufungsverfahrens sind nunmehr allein die Klägerin und das Land Niedersachsen als Beklagter. Das Land Baden-Württemberg ist durch einen Beteiligtenwechsel aus dem Verfahren ausgeschieden und als Beklagter durch das Land Niedersachsen ersetzt worden, das im Berufungsverfahren für die Klägerin zuständig geworden ist. Nachdem die Klägerin im Verlaufe des Gerichtsverfahrens zuletzt ihren Wohnsitz vom Freistaat Bayern nach H. in das Bundesland Niedersachsen verlegt hat, ist ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten (vgl. BSG Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 2/07 R -). Beklagter ist nunmehr das Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG). Diese Regelung gilt gemäß § 152 Abs. 1 Satz 4 SGB X (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX a.F.) auch für den Bereich des SGB IX (vgl. BSG Urteil vom 05.07.2007 a.a.O.). Nach § 3 Abs. 1 KOVVfG ist örtlich die Verwaltungsbehörde zuständig, in deren Bezirk der Antragsteller oder Berechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland) hat. Auf die örtliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts hat der Beklagtenwechsel keine Auswirkungen (BSG vom 08.05.2007 - B 12 SF 3/07 S -). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend die letzte mündliche Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt kann allein der im Lauf des Verfahrens zuständig gewordene Träger die begehrten Rechte gewähren, sodass sich die Klage richtigerweise nunmehr gegen das Land Niedersachen zu richten hat. Dem entspricht der (deklaratorische) Beschluss des Senats vom 22.01.2018. Hiergegen haben die Beteiligten auch keine Einwendungen erhoben. Nachdem der Beklagte dem Gerichtsbescheid des SG mit Ausführungsbescheid vom 01.11.2018 entsprochen hat, bedarf es keiner weiteren Erwägungen dazu, dass das SG das Land Baden-Württemberg (anstelle des an sich zuständigen Freistaates Bayern) verurteilt hat.
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 seit dem 26.02.2014 und mehr als 20 seit der Antragstellung bis 25.02.2014 zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB sind die Vorschriften des SGB IX (§ 152 SGB IX) in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtet sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer- Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 RdNr. 34). Nachdem § 241 Abs. 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-)Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.
Nach § 152 Absatz 1 SGB IX (§ 69 Abs. 1 und 3 SGB IX a.F.) stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Geisteszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, § 2 Absatz 1 Satz 2 SGB IX. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt; eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Absatz 1 Satz 6 SGB XI). Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 70 Abs. 2 SGB IX in der ab 15.01.2015 gültigen Fassung). Bis zum 14.01.2015 galten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX (in der Fassung vom 20.06.2011) die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Hiervon hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die VersMedV erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "VG" zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden AHP getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG Teil A Nr. 2 e).
Die Feststellung des GdB erfolgt zum Zeitpunkt der Antragstellung; auf Antrag kann, wenn ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird, festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat § 152 Abs. 1 Satz 2 SGBX; (§ 69 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX a.F.).
Hiervon ausgehend ist der Senat nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 seit dem 26.02.2014 und von 20 für die Zeit davor ab Antragstellung nicht rechtfertigen. Dies gilt sowohl unter der seit 01.01.2018 anzuwendenden Rechtslage, als auch unter Anwendung der bis 31.12.2017 geltenden Rechtslage des SGB IX.
Die Gesundheitsstörung der Klägerin auf psychischem Fachgebiet rechtfertigt seit dem 26.02.2014 einen Einzel-GdB von 30. In dieser Bewertung ist ein Fibromyalgiesyndrom miterfasst, das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht mit einem eigenständigen GdB zu bewerten ist. Insoweit sieht B Nr. 18.4 VG vor, dass die Fibromyalgie nach ihren funktionellen Auswirkungen zu beurteilen ist. Da diese Erkrankung vorliegend bei der Klägerin zu Ganzkörperschmerzen führt, sind diese, da sie einem einzelnen Funktionssystem nicht konkret zugeordnet werden können und über einzelne Funktionssysteme hinausgehen, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nach den VG Teil B 3.7 zu bewerten (Senatsurteile vom 19.05.2017 - L 8 SB 619/16 -, 27.01.2012 - L 8 SB 668/11, 19.12.2008 - L 8 SB 3720/07, 29.08.2008 - L 8 SB 5525/06 und 23.11.2007 - L 8 SB 4995/04 -; jeweils unveröffentlicht; ebenso Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteile vom 13.12.2012 - L 6 SB 4838/10 -, sozialgerichtsbarkeit.de; 28.09.2016 - L 3 SB 4862/14 -). Hiervon geht auch Dr. W. in seinem Gutachten aus.
Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Das SG ist im angefochtenen Gerichtsbescheid, gestützt auf die Befundbeschreibungen in Berichten von Dr. S. vom 26.02.2014, 06.05.2014 und 01.07.2014, im Gutachten von Dr. W. , im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015 und in den Entlassungsberichten der B.klinik R. vom 11.06.2015 und 11.11. 2015, zutreffend zu der Feststellung gelangt, dass bei der Klägerin seit dem 26.02.2014 aus der Zusammenschau stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegen. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die hierzu im Gerichtsbescheid gemachten Ausführungen des SG (Seite 11 Abs. 5 bis Seite 14 Abs. 2) vollinhaltlich Bezug, auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Hiervon geht auch der Versorgungsarzt D. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.06.2016 aus, der es für gerechtfertigt erachtet, bei der Klägerin von einer wesentlich eingeschränkten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen.
Ergänzend hierzu bleibt auszuführen:
Das Vorliegen schwerer Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten ist bei der Klägerin nicht festzustellen. Insbesondere sind bei der Klägerin nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen keine Wahninhalte oder Sinnestäuschungen bzw. keine psychotische Symptomatik festzustellen, die die Annahme schwerer Störungen rechtfertigen könnten. Das Vorliegen schwerer Störungen hat die Klägerin im Übrigen auch nicht substantiiert geltend gemacht.
Anlass, den nach den oben dargestellten GdB-Bewertungsvorgaben der VG eröffneten GdB-Rahmen von 30 bis 40 nach oben auszuschöpfen, besteht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht. Nach dem in den oben genannten medizinischen Unterlagen beschriebenen psychischen Befund sind die durch die psychische Gesundheitsstörung der Klägerin festzustellenden Einschränkungen an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dem unteren Bereich des vorgegebenen GdB-Bewertungsrahmens (GdB 30) zuzuordnen. Nach den psychischen Befundbeschreibungen lassen sich bei der Klägerin insbesondere keine gewichtigen Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Mnestik, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, inhaltliche Denkstörungen oder Ich-Störungen feststellen, die die Ausschöpfung des GdB-Rahmens rechtfertigen, weshalb zur Überzeugung des Senates ein GdB von 30 angemessen und ausreichend ist. Auch der die Klägerin behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie P. geht in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen vom 23.11.2017 und 12.06.2018 von einer stärker behindernden Störung der Klägerin aus und hat den GdB auf 30 bis eher 40 eingeschätzt. Dies lässt darauf schließen, dass auch der Facharzt P. davon ausgeht, dass ein Einzel-GdB von 40 für die psychische Gesundheitsstörung der Klägerin noch nicht erreicht wird. Zur Überzeugung des Senates ist daher auf psychiatrischem Fachgebiet bei der Klägerin seit dem 26.02.2014 ein Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen. Dr. W. gelangt in seinem Gutachten für die von ihm diagnostizierte seelische Störung und das chronische Schmerzsyndrom der Klägerin sogar zu der Bewertung des Einzel-GdB mit lediglich 20.
Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung geltend macht, ein Einzel-GdB von 40 auf psychiatrischem Gebiet sei begründet, da bei ihr von sehr ausgeprägten depressiven Störungen auszugehen sei, rechtfertigt ihr Vorbringen entgegen ihrer Ansicht keinen Einzel-GdB von 40. Die von ihr geltend gemachte reduzierte Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis, die Grundstimmung deutlich depressiv, im Denken sei sie eingeengt, im Antrieb gemindert und es bestehe eine starke Rückzugstendenz, rechtfertigt nach dem oben Ausgeführten zwar die Feststellung stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, jedoch nicht auch, wie die Klägerin meint, den GdB-Rahmen auf 40 auszuschöpfen. Auch Diagnosen sind für sich nicht geeignet, den GdB zu bewerten. Maßgeblich für die GdB-Bewertung sind vielmehr die durch psychische Störungen hervorgerufenen Beeinträchtigungen, die, wie ausgeführt, einschließlich der Fibromyalgie einen GdB von 30 rechtfertigen.
Für die Zeit vor dem 26.02.2014 (13.12.2011 bis 25.02.2014) ist die Feststellung eines Einzel-GdB von über 10 für eine psychische Gesundheitsstörung der Klägerin nicht gerechtfertigt. Soweit Dr. W. in seinem Gutachten davon ausgeht, dass für die psychische Gesundheitsstörung der Klägerin der Einzel-GdB 20 seit Dezember 2011 anzunehmen sei, kann seiner zeitlichen Einschätzung nicht gefolgt werden. Dass bei der Klägerin eine gewichtige psychische Gesundheitsstörung vor dem 26.02.2014 bestanden hat, lässt sich nicht feststellen. Dass sich die Klägerin vor dem 26.02.2014 wegen einer psychischen Gesundheitsstörung im Behandlung befunden hat, ist durch entsprechende Facharztunterlagen nicht belegt. Weiter werden im ärztlichen Entlassungsbericht der F. Klinik Dr. A. vom 14.10.2011 keine psychischen Auffälligkeiten der Klägerin, sondern lediglich eine Einzelberatung mit der Psychologin zum Thema Raucherentwöhnung beschrieben. Auch hat die Klägerin bei ihrer Antragstellung am 13.12.2011 eine psychische Gesundheitsstörung (mit Ausnahme einer vom LRA mit einem GdB von 10 berücksichtigten Fibromyalgie) nicht geltend gemacht. Die Klinik für Innere Medizin der K.kliniken E. , Professor Dr. H. , hat in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 26.04.2013 die Bewertung des Fibromyalgiesyndroms mit einem GdB von 10 als nachvollziehbar bestätigt. Die Diagnose Angst und depressive Störung gemischt wird erstmals durch den von der Klägerin vorgelegten Befundbericht von Dr. S. vom 26.02.2014 aufgrund einer am 26.02.2014 durchgeführten Anamnese und Beurteilung dokumentiert. Ärztliche Befundunterlagen die geeignet sind, den GdB auf psychiatrischem Gebiet vor dem 26.02.2014 zu bewerten, liegen nicht vor, worauf auch Dr. H. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.01.2015 zutreffend hinweist, weshalb die Annahme eines Einzel-GdB von 20 vor dem 26.02.2014 durch Dr. W. nicht überzeugt.
Die Lymphstauung beider Beine rechtfertigt bei der Klägerin einen Einzel-GdB von 20. Nach den VG Teil B 9.2.3 ist bei einem Lymphödem an einer Gliedmaße ohne wesentliche Funktionsbehinderung, Erfordernis einer Kompressionsbandage der GdB mit 0 bis 10, mit stärkerer Umfangsvermehrung (mehr als 3 cm) je nach Funktionseinschränkung der GdB mit 20 bis 40, mit erheblicher Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaße, je nach Ausmaß der GdB mit 50 bis 70 und bei Gebrauchsunfähigkeit der ganzen Gliedmaße der GdB mit 80 zu bewerten. Entstellungen bei sehr ausgeprägten Formen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach dem Gutachten von Dr. W. besteht bei der Klägerin eine mäßige Varikosis sowie ein mäßiger Schwellungszustand bei bekanntem Lip-/Lymphödem. Seit Juni 2014 wurde keine Lymphdrainage mehr durchgeführt und nach den Beschreibungen der Angaben der Klägerin im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015 auch nicht mehr verordnet. Dies deutet nach Ansicht von Dr. W. auf das Vorliegen einer Beschwerdearmut hin. Des Weiteren ist die Klägerin (nur) mit Stützkniestrümpfen Klasse III versorgt, die die Klägerin nach den Beschreibungen ihrer Angaben im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. zudem nicht mehr trägt. Das Gangbild ist gewichtsbedingt etwas behäbig, sonst jedoch unauffällig. Die Fußpulse sind ausreichend tastbar. Eine Schmerzsymptomatik mit Spannungsgefühl und Zunahme der Beschwerden in Zwangshaltungen sowie das Auftreten von Hautproblemen sind zwar nachvollziehbar. Bedeutsame durch die Lymphstauung beider Beine verursachte Funktionseinschränkungen hat Dr. W. jedoch nicht erheben können und werden auch von Dr. K. in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG nicht beschrieben. Nach den Beschreibungen im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. war der Gefäßstatus nicht bedeutsam beeinträchtigt. Die zentralen Pulse waren an regelrechter Stelle beidseits gut palpabel und ohne pathologisches Strömungsgeräusch. Ebenso sind die Fußpulse beidseits palpabel. Es bestand eine leichte Varikosis, keine trophischen Störungen, keine wesentlichen peripheren Ödeme und kein wesentliches Lymphödem. Dr. Schr. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 11.05.2016 eine Funktionseinschränkung der Gliedmaßen sowie eine Umfangvermehrung von mehr als 3 cm verneint. Nach den dargestellten GdB-Bewertungsvorgaben der VG kommt danach für die Lymphstauung beider Beine allenfalls ein GdB von 20 (bis 40) in Betracht, wobei hinsichtlich der festzustellenden geringen klinischen Beschwerden es nicht gerechtfertigt ist, den GdB-Rahmen nach oben auszuschöpfen. Vielmehr spricht der festzustellende Gefäßstatus eher für einen GdB von jeweils 10 für beide Beine, worauf der Arzt D. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.06.2016, die der Senat als sachverständiges Parteivorbringen verwertet, überzeugend hinweist. Der Senat erachtet daher für die Lymphstauung beider Beine mit Dr. W. und dem Versorgungsarzt D. einen GdB von 20 für ausreichend und angemessen. Dabei sind mit der Stauung einhergehende Schmerzen mitberücksichtigt. Dem entspricht auch die Bewertung von Dr. K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 11.04.2013, der die Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes (GdB 20) teilt. Dr. Schr. geht in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage sogar lediglich von einem GdB von 15 aus. Soweit die Klägerin im Klageverfahren, insbesondere in der nichtöffentlichen Sitzung am 20.03.2014, geltend gemacht hat, die Lymphstauung der Beine bedinge nicht nur geringe Einschränkungen, hat sich das Vorbringen der Klägerin nach dem von Dr. W. im Gutachten beschriebenen Befund sowie durch die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. K. und Dr. Schr. und die im Entlassungsbericht der S.klinik S. P. beschriebenen Befunde nicht bestätigt. Im Übrigen hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr gegen die Bewertung der Lymphstauung der Beine mit einem Einzel-GdB von 20 gewandt.
Eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule der Klägerin rechtfertigt einen Einzel-GdB von 10. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de).
Nach dem von Dr. W. in seinem Gutachten beschriebenen Wirbelsäulenbefund besteht bei der Klägerin keine wesentliche Fehlstellung der Wirbelsäule. Die Rückenmuskulatur ist nicht ausgeprägt verspannt. Ein relevanter Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule besteht nicht. Nach Angaben der Klägerin bestehen Schmerzen nur in Zwangshaltungen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule ist weitgehend frei. Auch die unteren Wirbelsäulenabschnitte sind mit keiner wesentlichen Bewegungseinschränkung versehen (Finger-Boden-Abstand 10 cm, Schober 11/14 cm), bei zum Teil dokumentierten Nervenwurzelreizerscheinungen. Dem entspricht im Wesentlichen auch die Befundbeschreibung im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015. Danach zeigen sich bei der Klägerin zwar eine deutliche Brusthyperkyphose, eine leichte Halswirbelsäulenfehlhaltung sowie mäßige muskuläre Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule, bei massiver Verkürzung der pectoralen Muskulatur und deutlicher Schmerzhaftigkeit. Die Rotation der Halswirbelsäule ist jedoch nur leichtgradig eingeschränkt (schmerzbedingte hälftige Einschränkung der Reklination sowie der Drehfähigkeit bei freier Inklination der Halswirbelsäule). Der Finger-Boden-Abstand beträgt ca. 20 cm. Danach sind bei der Klägerin noch keine mittelgradigen funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in wenigstens einem Wirbelsäulenabschnitt festzustellen, die einen Einzel-GdB von 20 rechtfertigen, zumal Überschneidungen mit dem bei der Psyche berücksichtigten chronischen Schmerzsyndrom bestehen, wie Dr. W. in seinem Gutachten beschrieben hat. Danach erachtet der Senat mit Dr. W. für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule einen Einzel-GdB von 10 für ausreichend und angemessen. Gegen diese Bewertung hat sich die Klägerin im Übrigen im Berufungsverfahren auch nicht mehr gewandt.
Nach den VG GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen des Bewegungsapparates sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Nach den Beschreibungen von Dr. W. in seinem Gutachten sind hinsichtlich der oberen Extremitäten beide Schultern in ihrer Beweglichkeit nicht eingeschränkt. Nacken- und Schürzengriff sind problemlos möglich. Beide Ellenbogengelenke sind unauffällig und frei beweglich. Gleiches gilt für die Handgelenke. Es besteht eine unauffällige Feinmotorik und ein ausreichend starker Händedruck beidseits. Die Muskulatur der unteren Extremitäten ist an beiden Beinen unauffällig. Das Lasègue´sche Zeichen ist negativ. Hüft- und Kniegelenke sind beidseits unauffällig. Gleiches gilt bei der funktionalen Prüfung beider Sprunggelenke bei Senk-Spreizfüßen beidseits. Für die körperliche Untersuchung kann sich die Klägerin ausreichend zügig Ent- und Ankleiden. Dem entspricht auch die Befundbeschreibung im ärztlichen Entlassungsbericht der S.klinik S. P. vom 13.01.2015. Danach sind Schulter-, Hüft- und Kniegelenke der Klägerin unauffällig. Es bestehen keine sensiblen oder motorischen Störungen. Auch in den Entlassungsberichten der B.klinik R. vom 11.06.2015 und 11.11.2015 werden die Gelenke der Klägerin mit Ausnahme einer ausgeprägten Adipositas und Lymphödeme als frei beweglich beschrieben, bei unauffälliger neurologischer Untersuchung und ohne weitere motorische und sensible Paresen. Dass bei der Klägerin eine mittelgradige Funktionseinschränkung der Extremitäten vorliegt, wie Dr. G. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 30.04.2013 ausgesagt hat, ist danach nicht festzustellen und wird auch von Dr. G. nicht nachvollziehbar beschrieben. Die Berücksichtigung von Funktionsbehinderungen des Bewegungsapparates hat die Klägerin im Übrigen im Verlauf des Rechtsstreites auch nicht geltend gemacht.
Die sonst bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen rechtfertigen keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Die Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenerkrankung) ist nach der sachverständigen schriftlichen Zeugenaussage von Dr. G. vom 30.04.2013 medikamentös kompensiert und hat nach dem Gutachten von Dr. W. keine sozialmedizinische Auswirkung bezogen auf eine Eigenschaft als Behinderung im engeren Sinn. Entsprechendes gilt für ein Karpaltunnelsyndrom milder Ausprägung. Es äußert sich klinisch durch ein "Einschlafen" der Hände bei Zwangshaltung (z.B. beim Autofahren). Weitergehende neurologische Defizite bestehen nach dem Gutachten von Dr. W. jedoch nicht, weshalb das Karpaltunnelsyndrom insgesamt als mild einzustufen ist und keinen GdB von 10 rechtfertigt. Hiervon geht auch Dr. W. in seinem Gutachten aus, dem sich der Senat anschließt. Hiergegen hat die Klägerin im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben. Entsprechendes gilt auch für eine im Bericht von Dr. K. vom 30.07.2010 diagnostizierte Kontaktdermatitis der Hände der Klägerin.
Weitere zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Insbesondere liegen bei der Klägerin nach dem Gutachten von Dr. W. auf internistischem Fachgebiet eine Einschränkung der Lungenfunktion bzw. eine Herzerkrankung nicht vor, die nach den VG mit einem Einzel-GdB von wenigstens 10 zu berücksichtigen wären und lassen sich auch nach den sonst zu den Akten gelangten zahlreichen medizinischen Befundunterlagen nicht feststellen. Entsprechendes gilt auch für Schäden der inneren Organe. Zu berücksichtigende weitere Gesundheitsstörungen hat die Klägerin im Übrigen im Verlauf des Rechtsstreites auch nicht geltend gemacht.
Hiervon ausgehend ist bei der Klägerin der Gesamt-GdB mit 40 seit dem 26.02.2014 und davor ab Antragstellung der Gesamt-GdB mit 20 zu bemessen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 152 Abs. 3 SGB IX (zuvor: § 69 Abs. 3 SGB IX). Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen - bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen - zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Hiervon ausgehend ist bei der Bemessung des Gesamt-GdB für die Zeit ab 26.02.2014 die psychische Gesundheitsstörung einschließlich des Fibromyalgiesyndroms mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Dieser wird durch den für die Lymphstauung der Beine bestehenden Einzel-GdB von 20 auf 40 erhöht. Sonstige den Gesamt-GdB-erhöhende Gesundheitsstörungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Der Gesamt-GdB wird insbesondere nicht für die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule erhöht. Für die Zeit vor dem 26.02.2014 ist der Gesamt-GdB ab Antragstellung durch den Einzel-GdB von 20 für die Lymphstauung der Beine zu bemessen. Sonstige den Gesamt-GdB-erhöhende Behinderungen sind bei der Klägerin für diesen Zeitraum nicht festzustellen.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die vom SG sowie vom Senat durchgeführten Ermittlungen und die zahlreich zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Insbesondere sind Verschlimmerungen im Gesundheitszustand der Klägerin nicht ersichtlich und werden im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved