L 9 AL 260/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 522/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 260/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kein Anspruch auf Gründungszuschuss bei zeitgleichem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Umfang von 40 Std./Woche und einem Arbeitsentgelt von 5.500,-- €.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.11.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung von Gründungszuschuss für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 01.12.2009 und die Erstattung der erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 9.490,03 Euro.

Der am 00.00.1968 geborene Kläger ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Nach dem Abitur wurde er Soldat auf Zeit und schloss an der Universität der Bundeswehr ein Ingenieursstudium der Elektrotechnik erfolgreich ab. Nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr arbeitete der Kläger von August 1996 bis September 1997 als Projektleiter und Konzeptautor bei der Fa. H, einem deutschen Entwickler von Computerspielen. Zum 01.10.1997 gründete er mit anderen Personen zusammen die Q GmbH und nahm dort die Aufgaben des Geschäftsführers wahr. Zum 01.10.2002 trat der Kläger als Gesellschafter und Mitgeschäftsführer in die von ihm gemeinsam mit T und T1 gegründete und geführte Fa. U Software GmbH mit Sitz in der M-straße 00 in C ein, die ab dem 01.11.2005 als Y GmbH firmierte.

Im Hinblick auf sein dortiges Ausscheiden beantragte der Kläger bei der Beklagten Arbeitslosengeld zum 01.03.2009, das er für einen Tag bewilligt erhielt, und zudem am 10.02.2009 die Gewährung von Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Softwareentwickler, wobei er die künftige Arbeitszeit mit ca. 40 Wochenstunden angab.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 20.02.2009 gründete der Kläger gemeinsam mit T und T1 die Fa. U GbR mit Geschäftssitz M-straße 00 in C. Die Gewerbeanmeldung erfolgte am gleichen Tag. Nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages nahm die Gesellschaft am 02.03.2009 die Geschäfte auf.

Mit Bescheid vom 17.03.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Gründungszuschuss für die Zeit vom 02.03.2009 bis zum 01.12.2009 in Höhe von monatlich 2.352,90 Euro. Der Gründungszuschuss wurde entsprechend dem Bewilligungsbescheid ausgezahlt.

Am 26.03.2009 gründete der Kläger zusammen mit den vorgenannten Personen sowie S die Fa. O GmbH mit Geschäftssitz S-Straße 00 bzw. später M-straße 00 in C. Gesellschaftszweck war - wie bei der Fa. U - die Entwicklung und Vermarktung von Software.

Am 14.08.2009 schloss der Kläger mit der Fa. O einen Anstellungsvertrag ab. Danach trat er zum 01.08.2009 als operativer Leiter (COO) in die Dienste dieser Gesellschaft ein. Die Beklagte erfuhr hiervon zunächst nichts.

Die Fa. O erteilte dem Kläger Gehaltsabrechnungen, führte Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ab und gewährte ihm Zuschüsse zur freiwilligen/privaten Kranken- und Pflegeversicherung.

Durch Beschluss vom 12.03.2014 eröffnete das Amtsgericht C das Insolvenzverfahren (Az. 000) über das Vermögen der Fa. O und stellte dieses später ein (Beschluss vom 14.08.2015). Die Gesellschaft ist wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht worden. Der Insolvenzverwalter kündigte dem Kläger am 13.03.2014 zum 30.04.2014.

Am 17.03.2014 meldete der Kläger sich bei der Beklagten zum 01.05.2014 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er legte eine Arbeitsbescheinigung des Insolvenzverwalters vor, nach der er bei der Fa. O ab dem 01.08.2009 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. Der Kläger gab u.a. an, er sei ursprünglich mit einem Gesellschaftsanteil von 25 Prozent und seit 2012 nur noch von 12,5 Prozent beteiligt gewesen. Er sei nicht zum Geschäftsführer bestellt, sondern als Projektentwickler aufgrund des Anstellungsvertrages tätig gewesen.

Am 20.03.2014 beantragte der Kläger zudem Insolvenzgeld, welches ihm die Beklagte durch Bescheid vom 26.03.2014 i.H.v. 13.297,95 Euro bewilligte.

Die Prüfung der Beklagten im Rahmen des Insolvenzgeldantrages ergab, dass der Kläger versicherungspflichtiger Arbeitnehmer der Fa. O war. Darauf aufbauend gelangte auch die für die Gewährung des Arbeitslosengeldes zuständige Stelle der Beklagten zur selben Einschätzung.

Dem Antrag auf Insolvenzgeld fügte der Kläger das am 17.03.2014 elektronisch ausgefüllte Zusatzblatt "Gesellschafter/Geschäftsführer" zum Antrag auf Insolvenzgeld (BA OS12 - 06.2013) und dem Antrag auf Arbeitslosengeld das am 01.04.2014 handschriftlich, aber inhaltlich identisch ausgefüllte Zusatzblatt "Gesellschafter/Geschäftsführer" zum Antrag auf Insolvenzgeld (BA OS10 - 08.2013) bei. Letzteres enthält ebenfalls unter Ziffer 3.3 "Für die zu beurteilende Tätigkeit habe ich einen Existenzgründungszuschuss oder einen Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit bezogen." ein Kreuz bei "nein". In beiden Formularen gab der Kläger an, tatsächlich die vereinbarten 40 Stunden pro Woche für die Fa. O gearbeitet zu haben.

Durch Bescheid vom 09.04.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.04.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 30.04.2015 i.H. eines täglichen Leistungsbetrages von 79,68 Euro. Aufgrund der Aufnahme einer Beschäftigung hob sie die Bewilligung durch Bescheid vom 09.05.2014 ab dem 05.05.2014 wieder auf.

Im Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 25.06.2014 forderte dieser die Entscheidung des Antrages auf Arbeitslosengeld und führte aus, dass diese bei den übrigen "Arbeitnehmern", zu denen er u.a. die beiden Geschäftsführergesellschafter zählte, längst erfolgt sei. Daraufhin übersandte die Beklagte ihm nach Vollmachtsanzeige die drei vorgenannten Bescheide.

Bereits mit Schreiben vom 09.04.2014 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Gründungszuschuss ab dem 01.08.2009 an. Er sei ab diesem Zeitpunkt als Arbeitnehmer abhängig beschäftigt gewesen, damit hätten die Voraussetzungen für die Gewährung von Gründungszuschuss nicht mehr vorgelegen. Er habe die Überzahlung verursacht, da er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht mitgeteilt habe.

Durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 01.07.2014 hob die Beklagte die Bewilligung von Gründungszuschuss ab dem 01.08.2009 auf. Die Leistungsvoraussetzungen hätten nicht mehr vorgelegen, da der Kläger ab dem 01.08.2009 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden habe. Der überzahlte Betrag für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 01.12.2009 in Höhe von insgesamt 9.490,03 Euro sei zu erstatten.

Mit seinem Widerspruch vom 04.08.2014 gegen diesen Bescheid trug der Kläger vor, er sei auch in seiner Tätigkeit bei der Fa. O selbständig tätig gewesen, da er über einen Kapitalanteil von 25 Prozent und über eine Sperrminorität verfügt habe. Er sei als mitarbeitender Gesellschafter an der Leitung des Unternehmens maßgeblich beteiligt gewesen. Es habe keinen Unterschied zwischen der Tätigkeit der aufgrund eines Anstellungsvertrages mitarbeitenden Gesellschafter und der Tätigkeit der Geschäftsführer gegeben. Zu keinem Zeitpunkt habe er in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden. Er habe sich vielmehr freiwillig sozialversichert. Im Übrigen sei eine Rücknahme nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgrund der eingetretenen Verjährung nicht mehr möglich.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2014, zugegangen am 24.02.2015, zurück. Mit der am 01.08.2009 erfolgten Aufnahme eines abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden bei der Fa. O sei der Anspruch auf Gewährung von Gründungszuschuss weggefallen, weil es ab diesem Tage der Gewährung dieser Leistung zur Aufnahme und damit zur Ausübung einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit zur Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht mehr bedurft habe. Deshalb sei die Bewilligung des Gründungszuschusses ab dem 01.08.2009 aufgehoben worden. Der Kläger hätte wissen müssen, dass sein Anspruch auf den Gründungszuschuss mit der Aufnahme eines abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses weggefallen sei.

Am 02.03.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Dortmund erhoben, das den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen hat.

Bei der Tätigkeit für die Fa. O habe es sich um eine Tätigkeit im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit bei der Fa. U gehandelt. Er habe diese zunächst gemeinsam mit zwei Partnern zur Abwicklung eines konkreten Auftrages gegründet. Es sei nur ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen worden, Arbeitsverträge hingegen nicht. Zur Verwirklichung einer weiteren Geschäftsidee sei gemeinsam mit Herrn S als weiterem Gesellschafter dann die Fa. O gegründet worden. Zu Geschäftsführern dieser GmbH seien die Gesellschafter S und T1 bestellt worden. Ursprünglich hätten alle vier Gesellschafter als Geschäftsführer bestellt werden sollen, man habe ihnen aber davon abgeraten. Deshalb habe er einen Anstellungsvertrag mit der Fa. O abgeschlossen. Beide Firmen hätten sich unter der gleichen Anschrift befunden und ein gemeinsames Büro besessen. Er habe nicht darüber nachgedacht, ob er den Abschluss des Anstellungsvertrages der Beklagten mitteilen müsse. Für ihn habe es sich um die Ausübung einer einzigen selbständigen Tätigkeit gehandelt.

Erst im Jahre 2012 habe sich die Situation im Rahmen einer Stammkapitalerhöhung durch Eintritt des F Fonds und der L als neue Gesellschafter in die Fa. O mit einem Kapitalanteil von jeweils 24,13 % geändert. Sein Einfluss auf die Geschäftspolitik und die strategische Ausrichtung der Fa. O sei aufgrund des seitdem nur noch im Umfang von 12,46 % gehaltenen Kapitalanteils erheblich gesunken. Er habe danach nur noch Aufgaben im Vertrieb erhalten. Überdies habe er aufgrund seiner konkreten Tätigkeit, seiner Stellung und seiner Beteiligung an der Fa. O in der Gründungsphase auf die Rechtmäßigkeit der Bewilligung des Gründungszuschusses der Beklagten vertrauen dürfen.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 01.07.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2014 aufzuheben.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen,

und sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bezogen.

Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 21.07.2017 erörtert und die Klage durch Urteil vom 24.11.2017 - mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen:

Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) lägen vor, denn die Voraussetzungen für die Gewährung von Gründungszuschuss seien ab dem 01.08.2009 entfallen, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hauptberuflich selbständig tätig gewesen sei. Ab dem 01.08.2009 sei er vielmehr gemäß dem Anstellungsvertrag vom 14.08.2009 als operativer Leiter bei der Fa. O hauptberuflich gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von 5.500,00 Euro als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Gemäß diesem Vertrag sei er sogar verpflichtet gewesen, erforderlichenfalls über die betriebsüblichen Arbeitszeiten hinaus zu arbeiten. Damit habe er zusätzlich nicht mehr hauptberuflich eine selbständige Tätigkeit bei der Fa. U ausüben können. Bei der Tätigkeit für die Fa. O habe es sich nicht um eine selbständige, sondern um eine abhängige Beschäftigung gehandelt, da er nicht als Geschäftsführer, sondern nur als mitarbeitender Gesellschafter tätig gewesen sei. Ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter sei regelmäßig abhängig beschäftigt, wenn er nicht die Rechtsmacht besitze, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter durch Weisungen der Gesellschafterversammlung aufzuheben oder abzuschwächen. Eine solche Rechtsmacht habe ein mitarbeitender Gesellschafter nur, wenn er beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterversammlung habe. Einen solchen habe der Gesellschaftsanteil des Klägers von nur 25 Prozent nicht begründet. Er sei damit abhängig beschäftigt gewesen.

Den Kläger treffe auch der erforderliche Verschuldensvorwurf. Denn er sei zumindest grob fahrlässig seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher, für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen. Es habe sich für ihn aufdrängen müssen, dass die Aufnahme einer Tätigkeit aufgrund eines Anstellungsvertrages zu einem monatlichen Entgelt von 5.500,00 Euro bei gleichzeitiger Anmeldung zur Sozialversicherung für seinen Anspruch auf Gründungszuschuss von Bedeutung sein könnte. Er habe sich daher gedrängt fühlen müssen, dieses der Beklagten mitzuteilen und sich zu erkundigen, welche Auswirkungen die Aufnahme der Beschäftigung auf seinen Anspruch auf Gründungszuschuss habe. Indem er dies nicht getan habe, sei ihm vorzuwerfen, ganz naheliegende Überlegungen außer Acht gelassen zu haben. Es müsse für jeden Leistungsempfänger offensichtlich sein, dass nicht eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung wie der Gründungszuschuss bezogen werden könne, wenn gleichzeitig ein Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von 5.500,00 Euro bestehe. Dass die Stelle, die die Lohnersatzleistung zahle, vom Bezug von Arbeitsentgelt zu informieren sei, liege auf der Hand.

Da es sich dabei um eine gebundene Entscheidung handele, sei es auch ohne Bedeutung, ob das Vorbringen des Klägers zutreffe, dass in dem vergleichbaren Fall seines Kollegen die Beklagte die Leistungsbewilligung nicht aufgehoben habe. Bei gebundenen Entscheidungen bestehe kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Da die Leistungsbewilligung zu Recht aufgehoben worden sei, bestehe gemäß § 50 SGB X ein Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe der zu Unrecht gezahlten Leistungen.

Gegen das ihm am 01.12.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.12.2017 Berufung eingelegt.

Das Sozialgericht habe verkannt, dass die Begründung eines Arbeitsverhältnisses als mitarbeitender Gesellschafter die selbständige Tätigkeit als Softwareentwickler für ein anderes Unternehmen nicht ausschließe. Er sei für die Fa. U deutlich mehr als 15 Stunden pro Woche tätig gewesen. Es komme daher nicht entscheidend darauf an, in welchem Umfang er gemäß Anstellungsvertrag gegenüber der Fa. O als mitarbeitender Gesellschafter zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Tatsächlich habe er jedenfalls keine Vollzeittätigkeit bzw. hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt. In jedem Fall sei ihm kein Verschulden vorzuwerfen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.11.2017 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 01.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

I. Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht i.S.v. §§ 143, 144, 151 Abs. 1, 64 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn dieser erweist sich als rechtmäßig.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Gründungszuschuss gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III liegen vor. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses in der Zeit vom 01.08.2009 bis zum 01.12.2009, sein Vertrauen war auch nicht schutzwürdig, da er es unterlassen hat, der Beklagten die Aufnahme der Beschäftigung bei der Fa. O anzuzeigen, obwohl ihm die Relevanz für den Leistungsanspruch zumindest hätte bewusst sein müssen. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den zutreffenden und bereits - insbesondere zu § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X - überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichtes in seinem Urteil vom 24.11.2017 an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab. Lediglich ergänzend weist er auf Folgendes hin:

Die Berufung ist nicht geeignet, eine dem Kläger günstigere Entscheidung zu rechtfertigen.

Der Kläger hat für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III in der hier anwendbaren, vom 01.09.2009 bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.).

Nach § 57 Abs. 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Dieser wird nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. geleistet, wenn der Arbeitnehmer

1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit
a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder
b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist,
2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Abs. 3 beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt,
3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.

Die selbstständige Tätigkeit wird durch eine frei gestaltete Arbeitsverrichtung bei Einsatz der eigenen Arbeitskraft ohne eine bestimmte Arbeitszeit bestimmt. Die Tätigkeit des Selbstständigen wird geprägt durch Arbeit im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Der Selbstständige trägt sein eigenes unternehmerisches Risiko. Damit unterscheidet sich diese Tätigkeit von der eines abhängig Beschäftigten gemäß § 7 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), der nach Weisungen seines Arbeitgebers arbeitet und in seine Arbeitsorganisation eingegliedert ist.

Die selbstständige Tätigkeit ist hauptberuflich, wenn sie mindestens 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und keine andere abhängige oder selbstständige Tätigkeit in der Summe in zeitlich höherem Umfang verrichtet wird (vgl. Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 93 SGB III, Rn. 15; Sächsisches LSG, Urteil vom 20.11.2008 - L 3 AL 108/06 -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.05.2007 - L 7 AL 4485/05 -, juris; vgl. auch § 138 Abs. 3 SGB III). Das Tatbestandsmerkmal "hauptberuflich" ist bereits durch das 4. SGB III-ÄndG v. 19.11.2004 in § 57 SGB III a.F. eingefügt worden und galt auch in dieser Norm weiter bis zum 31.03.2012. Nach der Gesetzesbegründung sollte die Änderung klarstellen, dass nur die Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit förderfähig ist. Die selbstständige Tätigkeit ist insbesondere dann hauptberuflich, wenn der zeitliche Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit auf ihr liegt. Da sich die Hauptberuflichkeit über die Zeitkomponente definiert, kommt es nicht darauf an, ob sich durch die selbstständige Tätigkeit wirtschaftlich höhere Einnahmen bei zeitlich geringerem Umfang erzielen lassen als durch eine abhängige Beschäftigung, die daneben in zeitlich höherem Umfang ausgeübt wird.

Mit dem Sozialgericht ist auch der Senat der Überzeugung, dass die selbständige hauptberufliche Tätigkeit, für die Gründungszuschuss beantragt worden war, jedenfalls ab dem 01.08.2009 nicht mehr vor lag, denn der Kläger trat nun in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in Vollzeit zur Fa. O ein und bedurfte des Gründungszuschusses zur Sicherung seines Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung nicht weiter.

Die von ihm noch im Widerspruchsschreiben behauptete Sperrminorität ist den vom Senat im elektronischen Handelsregister eingesehenen Gesellschaftsverträgen der Fa. O nicht zu entnehmen. Grundsätzlich reicht nach dem insoweit allein relevanten Gesellschaftsvertrag vom 26.03.2009 die einfache Mehrheit, was bei vier gleichen Gesellschaftsanteilen 75 % entspricht (§ 7). Auch für die Sonderbeschlüsse war eine Mehrheit von lediglich 70 % geregelt (§ 10). Der Kläger besaß also schon von Anfang an nicht die - insoweit nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 R -, juris Rn. 25 m.w.N.) allein relevante - Rechtsmacht, ihm missliebige Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern. Insoweit hat er auch in den Antragsverfahren auf Arbeitslosen- und Insolvenzgeld im Zusatzfragebogen unter Ziffer 3.11 die Frage nach Sonderrechten zutreffend mit "nein" angekreuzt.

Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung durch das Sozialgericht zwar angegeben, überwiegend an der Entwicklung der Software für die Fa. U gearbeitet und sich hinsichtlich der Fa. O auf Vorbereitungshandlungen und die Investorensuche beschränkt zu haben. Eine konkrete zeitliche Einordnung in Stunden pro Woche ist aber weder erfolgt noch auf der Basis der Angaben des Klägers - erst recht nicht nachträglich - möglich. Die Unternehmen sind beide im März 2009, d.h. nahezu parallel mit dem gleichen Gesellschaftszweck gegründet worden und wurden von den (nahezu) gleichen Personen betrieben. Der Kläger muss sich vor diesem Hintergrund auch nach Überzeugung des Senates daran festhalten lassen, dass er mit der Fa. O einen Anstellungsvertrag abgeschlossen hat, ausweislich dessen seine wöchentliche Arbeitszeit dort bei 40 Stunden gelegen hat. Ihm musste bewusst sein, dass dies mit der nur ein halbes Jahr zuvor abgegebenen Erklärung, ca. 40 Stunden pro Woche für die Aufnahme der neuen selbständigen Tätigkeit aufzuwenden, nicht in Einklang zu bringen und zudem relevant für den Bezug von Gründungszuschuss sein würde.

Im Antragsverfahren auf Arbeitslosen- und Insolvenzgeld hat der Kläger zudem ausdrücklich bestätigt, die vereinbarten 40 Stunden für die Fa. O gearbeitet zu haben. Auch daran muss er sich festhalten lassen. Wenn diese Angabe bewußt falsch gewesen sein sollte, um in den Genuss der beantragten Leistungen zu gelangen, muss er sich selbst zuschreiben, dass eine nachträgliche Aufklärung des Sachverhaltes nicht mehr möglich ist. Soweit er zu argumentieren versucht hat, dass sich diese Angaben nur auf das Ende der Beschäftigung und nicht auf die Anfangszeit bei der Fa. O bezogen hätten, bleibt sein Vortrag nebulös. Weder ist die genaue Arbeitszeit zu Beginn, noch der Zeitpunkt eines etwaigen Übergangs zur 40 Stunden-Woche von ihm bezeichnet worden. Insgesamt ist der zeitliche Umfang der Tätigkeit für den Streitzeitraum nicht mehr erkennbar rekonstruierbar und abgrenzbar.

Selbst wenn nicht an die arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Vollzeittätigkeit ab dem 01.08.2009 anzuknüpfen wäre, so müsste angenommen werden, dass sich Art und Umfang der Tätigkeit für die O nicht mehr aufklären ließen, was nicht zu Lasten der Beklagten ginge. Zwar trifft diese für die Voraussetzungen einer Aufhebung nach § 48 SGB X in der Regel die objektive Beweislast. Da es hier um nicht mehr aufklärbare Umstände aus der Sphäre des Klägers geht und die zeitliche Verzögerung der Aufklärbarkeit nicht von der Beklagten verursacht worden ist, wäre dann allerdings eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt.

Die Zehnjahresfrist des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 bis 5 SGB X ab Änderung der Verhältnisse am 01.08.2009 war bei Bekanntgabe des Bescheides vom 01.07.2014 noch nicht abgelaufen. Entgegen der Auffassung des Klägers vermag er sich nicht auf Verjährung der Erstattungsforderung zu berufen. Ausgeschlossen ist neben § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X eine Anwendung der Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Denn die §§ 45, 48 SGB X treffen im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen einerseits und dem Vertrauensschutz des Adressaten andererseits eine abschließende Regelung, neben der Verjährungsvorschriften nicht zur Anwendung gelangen. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke scheidet insoweit auch eine Gesetzesanalogie aus (vgl. Merten in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 08/17, § 48 SGB X, Rn. 115). Die Beklagte hat auch die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X, die § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X für entsprechend anwendbar erklärt, ab Kenntnis eingehalten.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch in diesem Rechtszug nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

III. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved