L 7 AS 24/19 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 700/18 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 24/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Probewohnen im Rahmen des Maßregelvollzugs schließt Leistungen nach dem SGB II nicht aus, wenn der Maßnahmeträger nicht mehr die Gesamtverantwortung für den Betroffenen innehat.
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 30.11.2018 abgeändert und der Antragsgegner und Beschwerdegegner verpflichtet, den Antragstellern und Beschwerdeführern im November 2018 jeweils 62,15 EUR, im Dezember 2018 jeweils 227,10 EUR und ab Januar 2019 bis zur Bestandskraft der Entscheidung des Antragsgegners in der Hauptsache, längstens aber bis Oktober 2019, jeweils monatlich 235,10 EUR vorläufig zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller und Beschwerdeführer zu sechs Siebteln zu erstatten.
III. Den Antragstellern und Beschwerdeführern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin B., B-Stadt, beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehren vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg) im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem SGB II ab Oktober 2018.

Die 1964 geborene Bf zu 1) und der 1958 geborene Bf zu 2) sind ein vermögensloses verheiratetes Ehepaar. Für die gemeinsame, seit 01.06.2018 angemietete Wohnung mit 60 m² zahlen sie 320 EUR monatlich an Kaltmiete. Die monatliche Nebenkostenvorauszahlung beträgt insgesamt 100 EUR (70 EUR Heizung, 30 EUR Betriebskosten).

Die Bf zu 1) bezieht eine volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit in Höhe von 659,89 EUR monatlich. Der Bf zu 2) befindet sich im Maßregelvollzug nach § 63 Strafgesetzbuch und erhält in diesem Zusammenhang ein Justiztaschengeld in Höhe von 112,32 EUR monatlich. Bis Oktober 2018 war der Bf zu 2) im offenen Vollzug erwerbstätig. Der letzte Lohn in Höhe von 1.173,12 EUR wurde dem Bf zu 2) am 12.10.2018 auf sein Konto gutgeschrieben.

Am 15.10.2018 beantragten die Bf beim Bg Leistungen nach dem SGB II.

Im Rahmen des Maßregelvollzugs befindet sich der Bf zu 2) seit 29.10.2018 im "Probewohnen" dergestalt, dass der Bf zu 2) fünf Nächte außerhalb der Klinik in der gemeinsamen Ehewohnung verbringt (Dienstag bis Sonntag) und zwei Nächte in der Klinik (Sonntagabend bis Dienstag).

Mit Bescheid vom 06.11.2018 lehnte der Bg Leistungen nach dem SGB II ab. Die Bf zu 1) sei wegen ihres Einkommens aus Erwerbsminderungsrente nicht hilfebedürftig. Der Bf zu 2) befinde sich im Maßregelvollzug und sei deshalb nach § 7 Abs. 4 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dies gelte auch für das "Probewohnen". Hiergegen legten die Bf am 20.11.2018 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage bislang noch nicht entschieden ist.

Am 20.11.2018 beantragten die Bf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Landshut dahingehend, dass der Bg ihnen ab Oktober 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) "mindestens in Höhe der Regelleistung gemäß § 20 SGB II sowie angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350 EUR" gewährt. Der Bf zu 2) stünde dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das Probewohnen stelle keine stationäre Leistungserbringung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II dar, da die Einrichtung die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und Integration des Hilfebedürftigen fast vollständig an diesen selbst abgegeben habe.

Mit Beschluss vom 30.11.2018 lehnte das Sozialgericht Landshut einstweiligen Rechtsschutz ab. Die Bf zu 1) sei nicht hilfebedürftig. Mit ihrem Renteneinkommen in Höhe von 659,89 EUR (bereinigt 629,89 EUR) könne die Bf zu 1) ihren Gesamtbedarf in Höhe von 626 EUR abdecken (anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung - KdUH - in Höhe von 210 EUR sowie Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 416 EUR, der sich daraus ergebe, dass der Bf zu 2) nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei und damit auch nicht der geringere Partnerregelbedarf in Höhe von 374 EUR anzusetzen sei). Soweit wegen der Erhöhung des Regelbedarfs ab 01.01.2019 ein ungedeckter Bedarf bei der Bf zu 1) entstehe, solle diese einen neuen Antrag beim Bg ab diesem Zeitpunkt stellen. Der Bf zu 2) sei nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen und damit nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Beim Probewohnen handle es sich lediglich um eine Vollzugslockerung im Rahmen des Art. 18 BayMRVG. Auch beim Probewohnen in der eigenen Wohnung verbleibe es dem Grunde nach beim Ordnungsregime der Vollzugsanstalt. Durch den Umstand, dass der Bf zu 2) noch nicht aus dem Maßregelvollzug nach § 63 StGB entlassen sei, werde ihm die Tagesstruktur nach wie vor vorgegeben. Auch der Lebensunterhalt für die Zeit des Maßregelvollzugs sei ausschließlich im BayMRVG geregelt. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayMRVG seien die Kosten des Probewohnens Kosten des Maßregelvollzugs. Auch erhalte der Bf zu 2) Justiztaschengeld.

Hiergegen haben die Bf Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt mit dem Begehren, den Bg einstweilig zu verpflichten, "den Antragstellern ab Oktober 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mindestens in Höhe der Regelleistung gemäß § 20 SGB II sowie angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 350 EUR zu gewähren". Gleichzeitig haben die Bf Prozesskostenhilfeantrag gestellt.

Der Bf zu 2) sei nicht nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da er sich nicht mehr in einer stationären Einrichtung befinde. Zudem stünde der Bf zu 2) dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, wie sich schon aus seiner früheren Tätigkeit während des Maßregelvollzugs bis Oktober 2018 ergebe.

Mit Schreiben vom 13.12.2018 hat das Bezirksklinikum das Probewohnen des Bf zu 2) wie folgt beschrieben: Der Bf zu 2) befinde sich derzeit in einer Resozialisierungs- und Lockerungsstufe, bei der er gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Wohnung bezogen habe. Zu gegebener Zeit solle die Beurlaubung des Bf zu 2) im Rahmen des Maßregelvollzugs erweitert werden, so dass er letztlich nur noch zu Einzelgesprächen in die Klinik kommen müsse. Die Beurlaubung erfolge nach § 18 Satz 1 des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes (in Anlehnung an Art. 22 und 23 und nach Maßgabe des Art. 28 des Bayerischen Unterbringungsgesetzes). Die Verantwortung für die tägliche Lebensführung sei während der Zeiten der Beurlaubung aus dem Maßregelvollzug bereits auf den Bf zu 2) übergegangen; es könne deshalb nicht mehr von einer vollstationären Einrichtung/Unterbringung ausgegangen werden. Die Lockerung diene dazu, dass der Bf zu 2) sich eigenverantwortlich wieder an ein Leben in Freiheit und gegebenenfalls eine regelmäßige Erwerbstätigkeit gewöhne, soweit es dem Bf zu 2) gelänge, eine Anstellung zu finden.

Der Bg hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Der Bf zu 2) sei nach § 7 Abs 4 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Er befände sich in einer stationären Einrichtung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB II. Die Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des Begriffes der stationären Einrichtung sei nach der Gesetzesänderung zum 01.08.2016 überholt, wie das Sozialgericht München entschieden habe (Sozialgericht München, Urteil vom 19.03.2018, S 46 AS 2799/16). Der Bf zu 2) erhalte alles Lebensnotwendige vom Kostenträger des Maßregelvollzugs.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Für die Zeit vor Antragstellung auf gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München am 20.11.2018 ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Für die Zeit bis 19.11.2018 ist die Beschwerde unbegründet, da Leistungen nach dem SGB II im gerichtlichen Eilverfahren für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht grundsätzlich nur in Frage kommen, wenn eine akute Notlage aufgrund der bis dahin nicht gewährten Leistungen entstanden ist, die aktuell noch fortdauert (vgl etwa BayLSG Beschluss vom 09.03.2017, L 7 AS 167/17 B ER Rz 25). Hierfür ist nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen (vgl, BayLSG aaO). Vielmehr ist dem Bf zu 2) sogar im Oktober 2018 noch ausstehender Lohn zugeflossen, der den Bedarf der Gemeinschaft (vgl. dazu unten unter 2.) zumindest noch im Oktober decken konnte.

2. Für die Zeit ab 20.11.2019 ist die Beschwerde im tenorierten Umfang begründet.

a) Der Bf zu 2) ist nicht nach § 7 Abs. 4 Satz 2 iVm Satz 1 SGB II wegen Aufenthalts in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Denn ein "Probewohnen" im Rahmen des Maßregelvollzugs stellt keinen Aufenthalt auf Grund richterlicher Freiheitsentzugsentziehung im maßregelvollzugsrechtlichen Sinne dar und begründet keinen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 (BayLSG, Urteil vom 17.09.2018, L 16 AS 813/13). Obwohl eine förmliche Entlassung aus dem Maßregelvollzug nicht erfolgt ist, entfällt die Wirkung der richterlichen Anordnung durch die im Einvernehmen mit der Strafvollstreckungsbehörde gewährte Möglichkeit des Probewohnens außerhalb der Einrichtung. Der Proband wird nämlich dem Ordnungsregime der Vollzugsanstalt entzogen; er ist nunmehr für seine Lebensgestaltung und für seinen Lebensunterhalt selbst verantwortlich (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 06/17, § 7 SGB II Rdz. 243a). Soweit ein Probewohnender dem Ordnungsregime der Vollzugsanstalt entzogen ist - was hier von der Vollzugsanstalt mit Schreiben vom 15.12.2018 ausdrücklich bestätigt wurde -, befindet er sich nach der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG Urteil vom 02.12.2014, B 14 AS 66/13 R) nicht mehr in einer Einrichtung iSv nach § 7 Abs. 4 Satz 2 iVm Satz 1 SGB II, mit der Folge, dass der Leistungsausschluss nicht greift.

In seiner Rechtsprechung zur Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II hat das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt, dass der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung nach der seit 01.08.2006 geltenden Gesetzesfassung Leistungen nach dem SGB II dann ausschließt, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt (Urteile vom 05.06.2014, B 4 AS 32/13 R und vom 02.12.2014, B 14 AS 66/13 R). Diese Rechtsprechung des BSG, der eine Fallkonstellation nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu Grunde lag, ist - entgegen der Rechtsauffassung des Bg, der sich auf ein Urteil des Sozialgerichts München stützt - zu übertragen auf Fälle des Aufenthalts in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung, da nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II diese Fällen denen des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausdrücklich gleichgestellt sind (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.01.2016, L 13 AS 309/13 Rz. 23; ebenso LSG Hamburg, Urteil vom 24.01.2017, L 4 AS 66/16).

Das BSG hat in seiner genannten Entscheidung vom 05.06.2014 klargestellt, dass an der früheren Rechtsprechung, die zu der bis zum 31.07.2006 geltenden Gesetzesfassung ergangen ist, nicht mehr festgehalten werden könne, vor allem im Hinblick auf den darin entwickelten funktionalen Einrichtungsbegriff. Insbesondere § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II in der nunmehr geltenden Fassung, wonach eine ausdrückliche Rücknahme vom Leistungsausschluss lediglich für den Fall einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit vorgesehen sei, gebe Anlass zu einer Modifizierung des bisherigen Einrichtungsbegriffs. Aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II, der Gesetzesbegründung, dem Sinn und Zweck und der Systematik folgert das BSG, dass für das Eingreifen eines Leistungsausschlusses drei Voraussetzungen vorliegen müssen, nämlich erstens eine in einer Einrichtung erfolgende Leistungsunterbringung, zweitens eine stationär erfolgende Leistungserbringung und drittens eine Unterbringung in einer solchen Einrichtung.

Dabei hat das BSG hinsichtlich des Einrichtungsbegriffs ausdrücklich auf § 13 SGB XII Bezug genommen in der Absicht, das in der Kommentarliteratur kritisierte Auseinanderfallen der Einrichtungsbegriffe nach dem SGB II und dem SGB XII aufzuheben, und sich für die Frage der Zuordnung zu einem der beiden Leistungssysteme für einen einheitlichen Einrichtungsbegriff entschieden (BayLSG, Urteil 17.09.2014, L 16 AS 813/13).

Das BSG hat weiter ausgeführt, dass von einer stationären Leistungserbringung ausgegangen werden könne, wenn der Leistungsempfänger nach formaler Aufnahme in der Institution lebe und die Unterbringung Teil der Leistungserbringung sei. Das Erfordernis der Unterbringung sei von § 7 Abs. 4 SGB II - insoweit differenziert das BSG nicht zwischen Satz 1 und Satz 2 der Norm - ausdrücklich zum Tatbestandsmerkmal erhoben worden. Von einer Unterbringung im Sinne der Vorschrift ist nur dann auszugehen, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt. Ein geringes Maß an Unterbringung im Sinne einer formalen Aufnahme genügt hingegen nicht (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. Rz. 24).

Nach diesen Grundsätzen waren die Voraussetzungen einer stationären Unterbringung in einer Einrichtung nach Erteilung der Erlaubnis zum Probewohnen beim Bf zu 2) ab 29.10.2018 und damit während des dauerhaften Aufenthalts in der gemeinsamen ehelichen Wohnung nicht mehr gegeben. Der Bf zu 2) hat ab diesem Zeitpunkt vom Maßregelträger keine Gesamtleistung mehr erhalten, insbesondere keine umfassenden Leistungen im Sinne von Unterkunft und Verpflegung. Damit hat der Träger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung nahezu vollständig an den Kläger abgegeben, wie dieser auch im Schreiben vom 13.12.2018 ausdrücklich bestätigt.

Auch die Zielrichtung der erfolgten Beurlaubung für das Probewohnen, die im Sinne der Resozialisierung und Vorbereitung auf ein selbstbestimmtes Leben zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erfolgt ist (so ausdrücklich das Schreiben des Maßnahmeträgers vom 13.12.2018), spricht für eine entsprechende Auslegung des Einrichtungsbegriffs (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. Rdz. 25). Demgemäß wird die Tatsache, dass eine förmliche Entlassung aus dem Maßregelvollzug derzeit noch nicht erfolgt ist, sondern die Unterbringung im maßregelvollzugsrechtlichen Sinne fortdauert, zu keinem anderen Ergebnis (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. Rdz. 27).

Vor allem aber die Tatsache, dass der Bf zu 2) im streitigen Zeitraum seinen Lebensunterhalt außerhalb der Einrichtung für fünf Tage selbstständig sicherstellen musste, spricht für diese Auslegung. Anders als das Sozialgericht meint, ist insoweit nicht Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayMRVG ausschlaggebend, wonach der Maßregelvollzugsträger grundsätzlich die Kosten während des Maßregelvollzugs trägt. Vielmehr bestimmt Art. 18 Abs. 1 Satz 4 des BayMRVG ausdrücklich, dass dann - wenn wie hier - sich eine noch grundsätzlich in einem Maßregelvollzug befindliche Person in einer privaten Unterkunft ohne therapeutische Betreuung aufhält, gerade keine Kosten vom Vollzugsträger zu übernehmen sind. Damit stand dem Bf zu 2) für die Zeit während seines privaten Aufenthalts in seiner Ehewohnung an fünf Tagen die Woche kein anderer vorrangiger zuständiger Leistungsträger zur Verfügung und er war geradezu auf Grundsicherungsleistungen eines dafür zuständigen Trägers angewiesen.

Soweit der Bg unter Bezugnahme auf das Sozialgericht München (Urteil vom 19.03.2018, S 46 AS 2799/16) meint, der vom BSG entwickelte Einrichtungsbegriff sei aufgrund der Gesetzesänderung durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 BGBl I 1824 mit Wirkung ab 01.08.2018 überholt und alle sich formal noch im Strafvollzug befindlichen Personen wären nunmehr grundsätzlich von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, trifft dies nicht zu.

Durch diese Gesetzesänderung wurden in der Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II, wonach eine sich in einer stationären Einrichtung untergebrachte Person (die aufgrund dieser Unterbringung von Leistungen ausgeschlossen ist) ausnahmsweise doch Leistungen nach dem SGB II erhalten kann, wenn sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist, um den Zusatz "nach Satz1" ergänzt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: "Mit der Ergänzung in § 7 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 wird klargestellt, dass Personen, die sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten, auch dann nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II sind, wenn sie als Freigänger einer Beschäftigung nachgehen" (BT-DRs 18/8909, Seite 29).

Aus dieser Gesetzesbegründung wird vielmehr deutlich, dass mit der Einfügung von "nach Satz 1" eine Änderung gerade auf der Grundlage des vom BSG entwickelten Einrichtungsbegriff erfolgen sollte. Unter Anwendung des Einrichtungsbegriffs des BSG fällt ein Freigänger nach § 7 Abs. 4 Satz 1 iVm Satz 2 SGB II nur dann aus dem Leistungssystem des SGB II, wenn er stationär iSv § 7 Abs 4 Satz 1 iVm Satz 2 SGB II untergebracht ist. In diesem Fall griff die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II vor der Gesetzesänderung bei Freigängern im offenen Strafvollzug, wenn ein Freigänger eine entsprechende Erwerbstätigkeit ausübte. Die Gesetzesänderung bewirkt nunmehr, dass alle, die sich in einer Einrichtung nach § 7 Abs 4 Satz 2 befinden, keine Leistungen mehr nach dem SGB II erhalten können und zwar auch dann nicht, wenn sie über 15 Stunden täglich erwerbstätig sind. Voraussetzung der Anwendung dieser Rückausnahme ist allerdings, dass die betreffende Person sich überhaupt in einer solchen Einrichtung befindet, die die Gesamtverantwortung - auch finanziell - für sie übernimmt. Befindet sich eine Person nicht mehr in der Gesamtverantwortung eines Vollzugsträgers, der die Kosten für die betroffene Person umfassend übernimmt, muss ein zusätzliches Grundsicherungssystem zur Verfügung stehen, das im Bedarfsfall das Existenzminimum gewährleistet. Der Gesetzgeber hat daher auf der Grundlage des vom BSG entwickelten Einrichtungsbegriff mit der Gesetzesänderung klargestellt, dass Freigänger, die sich noch in einer Einrichtung nach Satz 1 befinden, also in einer Einrichtung, die die Gesamtverantwortung für die Person noch übernimmt und daher auch finanziell aufkommt, nicht aufgrund einer Erwerbstätigkeit zusätzlich noch Leistungen nach dem SGB II erhalten können. Personen, die sich nicht mehr in der Gesamtverantwortung des Vollzugsträgers befinden, sind aufgrund des vom BSG entwickelten Einrichtungsbegriffs von Leistungen nach dem SGB II ohnehin nicht ausgeschlossen; die Rückausnahme des §7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II spielt für sie damit keine Rolle und auf eine evtl. Erwerbstätigkeit und deren Umfang kommt es nicht an.

b) Nachdem der Bf zu 2) von Leistungen nach dem SGB II nicht ausgeschlossen ist, stehen den Bf Leistungen im tenorierten Umfang zu.

Der erwerbsfähige Bf zu 2) bildet mit seiner Ehefrau, der Bf zu 1), die eine volle Erwerbsminderungsrente erhält, eine Bedarfsgemeinschaft (vgl. BSG Urteil vom 18.05.2007, B 11b AS 27/06 R), deren Bedarfslage sich wie folgt darstellt Der monatliche Bedarf der Bf beträgt im November und Dezember 2018 monatlich insgesamt 1168 EUR, ab 01.01.2019 1184 EUR (jeweils monatlich 584 EUR, ab 01.01.2019 monatlich 592 EUR) Da die beiden Eheleute eine Bedarfsgemeinschaft bilden, kommt für beide jeweils ein Regelbedarf in Höhe von 90 % in Betracht, also im November und Dezember 2018 monatlich 374 EUR, ab 01.01.2019 monatlich 382 EUR. Den Bf stehen die angemessenen KdUH iHv 420 EUR jeweils zur Hälfte zu, also jeweils 210 EUR monatlich. Die Kosten für KdUH sind auch für den Bf zu 2) in voller Höhe zu übernehmen, da es sich um die gemeinsam genutzte Ehewohnung handelt (vgl. BSG Urteil vom 16.04.2013, B 14 AS 71/12 R).

Die um die Pauschale von 30,00 EUR bereinigte Erwerbsminderungsrente der Bf zu 1) ist mit 629,89 EUR monatlich als Einkommen auf die beiden Bf zu verteilen und entsprechend anzurechnen (jeweils 314,94 EUR). Das Justiztaschengeld des Bf zu 2) iHv monatlich 112,32 EUR ist um die Pauschale von 30,00 EUR bereinigt iHv monatlich 82,32 EUR als Einkommen auf die beiden Bf zu verteilen und entsprechend anzurechnen (jeweils 41,16 EUR). Bei den Bf ist damit jeweils ein Einkommen iHv monatlich 356,10 EUR anzurechnen.

Damit ergibt sich im November und Dezember 2018 für jeden Bf monatlich jeweils ein Anspruch iHv insgesamt (584 EUR-356,10 EUR=) 227,90 EUR, ab 01.01.2019 iHv (592-356,10=) 235,90 EUR.

Für November 2018 ist zu berücksichtigen, dass im Wege des Eilverfahrens Leistungen erst ab Antragstellung bei Gericht zugesprochen werden können, nämlich nur für 11 von 30 Tagen, also insgesamt nur jeweils 62,15 EUR.

3. Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG berücksichtigt unter Zugrundelegung eines 12-monatigen Bewilligungszeitraums, dass die Bf mit ihrem Begehren für Oktober 2018 und für November 2018 bis zum 19. November, also in etwa zu einem Siebtel, erfolglos blieben.

4. Dem Prozesskostenhilfeantrag der Bf war stattzugeben, da hinreichende Erfolgsaussichten bestanden und die vermögenslosen Bf die wirtschaftlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllen, § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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