L 16 RA 9/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 RA 5096/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 9/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2001 geändert. Die der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 zugrunde liegende Verwaltungsentscheidung der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2000 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte den bisher gezahlten Auffüllbetrag von 253,38 DM (= 129,55 Euro) um mehr als 4,95 DM (= 2,53 Euro) gemindert hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Verringerung (Abschmelzung) des Auffüllbetrages, den ihr die Beklagte seit 1. Januar 1992 zusätzlich zu ihrer Altersrente zahlt, im Rahmen der Rentenanpassungen zum 1. Juli 1998, 1. Juli 1999 und 1. Juli 2000.

Die Klägerin, geboren 1923, hat einen 1949 geborenen Sohn. Sie bezog in der DDR seit 1. März 1970 eine Invalidenrente, die ab 1983 als Invalidenaltersrente gewährt, ab 1. Dezember 1989 auf 410,- Mark der DDR erhöht und ab 1. Juli 1990 in Höhe von 553,- DM gezahlt wurde. Aufgrund der Erhöhungen durch die 1. und die 2. Rentenanpassungsverordnung zum 1. Januar 1991 und zum 1. Juli 1991 belief sich der Zahlbetrag auf 732,- DM. Für die Zeit ab 1. Januar 1992 stellte die Beklagte die Rente als Regelaltersrente in Höhe von 830,04 DM fest, in der ein Auffüllbetrag von 370,42 DM enthalten war (Bescheid über die Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Rentenrechts vom 2. Dezember 1991). Dieser Bescheid enthält den Hinweis, dass der Auffüllbetrag ab 1. Januar 1996 bei den Rentenanpassungen vermindert werde.

Nachdem die Klägerin im Juni 2000 von der Beklagten eine „Mitteilung zur Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung“ erhalten hatte, erhob sie mit Schreiben vom 12. Juni 2000 Widerspruch. Sie machte geltend, dass mit der Anpassung der Rente zum 1. Juli 2000 nicht nur die jährliche Rentenanpassung vollzogen worden, sondern auch die nach dem Rentenreformgesetz (RRG) in drei Schritten seit 1998 erfolgte Erhöhung des Wertes für Kindererziehungszeiten abgeschlossen worden sei. Es sei nicht rechtens, dass die sich aus der Erhöhung des Wertes der Kindererziehungszeiten ergebende Erhöhung des Zahlbetrages zur Abschmelzung des Auffüllbetrages genutzt werde. Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin ein formularmäßiges Schreiben (Anpassung der Renten zum 1.7.1999, Jahreszahl durchgestrichen und ersetzt durch „2000“), dem eine maschinell erstellte Berechnung der Monatsrente für die Zeit ab 1. Juli 2000 (Anlage 1 vom 19. Juni 2000 bzw. 20. Juni 2000) beigefügt war; auf den Inhalt dieses Anhörungsschreibens und die beigefügte Berechnung wird Bezug genommen.

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2000 zurückgewiesen.

Mit der Klage hat die Klägerin zunächst beantragt, „den Zahlbetrag der Rente um den Erhöhungsbetrag für Kindererziehungszeiten entsprechend den drei gesetzlichen Zahlungsterminen zum 1. Juli 1998, 1. Juli 1999 und 1. Juli 2000 fortlaufend zu erhöhen und nicht zur Abschmelzung des Auffüllbetrages zu verwenden, sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2000 zu korrigieren“. Im Termin beim Sozialgericht (SG) Berlin am 8. November 2001 hat der Bevollmächtigte der Klägerin erklärt, dass er gegen den Bescheid vom 10. August 2000 Widerspruch eingelegt habe und damit einverstanden sei, dass dieser Aspekt nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens sei; insoweit ist beim SG Berlin ein Verfahren unter dem Aktenzeichen anhängig.

Die Klägerin hat dann beantragt, den Zahlbetrag ihrer Rente um den Erhöhungsbetrag für Kindererziehungszeiten um 0,25 % persönliche Entgeltpunkte (PEP) entsprechend den drei gesetzlichen Zahlungsterminen 1. Juli 1998, 1. Juli 1999 und 1. Juli 2000 fortlaufend effektiv zu erhöhen und nicht zur Abschmelzung des Auffüllbetrages zu verwenden, die Kürzung ihrer bestandsgeschützten Rente bei der Neuberechnung der Rente rückgängig zu machen und ausgehend von dem letzten Rentenbescheid vor dem 1. Juli 1990 eine Neuberechnung vorzunehmen und einen neuen Rentenbescheid zu erteilen. Das SG hat diese Klage mit Urteil vom 8. November 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit die Klägerin begehre, ihre Rente ausgehend vom letzten Rentenbescheid vor dem 1. Juli 1990 neu zu berechnen. Im Übrigen sei sie unbegründet. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, bei der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 die persönlichen Entgeltpunkte der Klägerin, die dieser ab diesem Zeitpunkt aufgrund der Neubewertung der Kindererziehungszeiten nach § 307 d Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) zuständen, für die Berechnung des aktuellen Monatsbetrags der Rente zugrunde zu legen. Ebenfalls zu Recht habe sie den der Klägerin zustehenden Auffüllbetrag entsprechend der Rentenanpassung abgeschmolzen. Entsprechend der in § 315 a Satz 4 SGB VI getroffenen Regelung habe die Beklagte bis zum 1. Juli 1999 den der Klägerin zu leistenden Auffüllbetrag in fünf Schritten mit den jeweiligen Rentenanpassungen auf 253,38 DM abgeschmolzen. Dabei habe sie sowohl bei der Rentenanpassung zum 1. Juli 1998 als auch bei der zum 1. Juli 1999 den Auffüllbetrag jeweils auch unter Einbeziehung der Erhöhung, die durch die bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten bewirkt worden sei, abgeschmolzen. Diese Rentenanpassungsbescheide seien bindend geworden, da die Klägerin hiergegen nicht Widerspruch eingelegt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG (Urteil vom 16. November 2000 - B 4 RA 68/99 R -) handele es sich bei der Abschmelzung gemäß § 315 a Satz 4 SGB VI um die „erste Phase“ des „Abschmelzungsprogramms“. Das BSG habe über einen Abschmelzungsschritt der „ersten Phase“ zu entscheiden gehabt und habe festgestellt, dass in der ersten Phase der Abschmelzung alle seit dem 1. Januar 1996 wirksam gewordenen Erhöhungen des Geldwertes des Rechts auf Rente zur Verfügung stünden. Im Falle der Klägerin sei die erste Phase der Abschmelzung des Auffüllbetrages bereits abgeschlossen und somit hier nicht mehr streitgegenständlich. Vielmehr handele es sich bei der hier angegriffenen Abschmelzung des Auffüllbetrages um den ersten Schritt der zweiten Phase, also die Anwendung der Vorschrift des § 315 a Satz 5 SGB VI. Die Anzahl der persönlichen Entgeltpunkte betrage bei der Klägerin ab 1. Juli 2000 19,7496. Die Beklagte habe diese Entgeltpunkte bei der Rentenanpassung gemäß § 65 SGB VI zugrunde gelegt. Es seien keine Gründe ersichtlich, aus denen sich ergäbe, dass bei der Rentenanpassung die vorhandenen persönlichen Entgeltpunkte des Leistungsempfängers nicht zugrunde gelegt werden sollten. Die Vorschrift des § 64 SGB VI regele dies im Gegenteil sogar ausdrücklich. Die Beklagte habe deshalb völlig zu Recht sämtliche der Klägerin zum Zeitpunkt der Durchführung der Rentenanpassung zustehenden Entgeltpunkte für die Rentenberechnung mit einbezogen. Alles andere stünde im Widerspruch zur Rentenformel. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten seien auch ansonsten rechtsfehlerfrei, insbesondere sei die nach § 24 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erforderliche Anhörung rechtzeitig, nämlich vor Abschluss des Vorverfahrens, nachgeholt worden. Zwar beziehe sich das Formblatt, das die Beklagte verwendet habe, nicht ausdrücklich auf die zweite Phase der Abschmelzung; die Klägerin sei damit jedoch unter Berücksichtigung der beigefügten Rentenberechnung und der zuvor übersandten Mitteilung zur Rentenanpassung ausreichend in die Lage gesetzt worden zu überprüfen, warum die Beklagte den Auffüllbetrag kürze.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin nur noch ihr Begehren hinsichtlich der - ihrer Auffassung nach fehlerhaften - Abschmelzungsentscheidungen zum 1. Juli 1998, 1. Juli 1999 und 1. Juli 2000 weiter. Wegen der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 31. Januar 2002 sowie ihren Schriftsatz vom 4. Mai 2002 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 31. Januar 2002),

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2001 zu ändern, entgegenstehende Bescheide aufzuheben und den Zahlbetrag ihrer Rente um den Erhöhungsbetrag für Kindererziehungszeiten um 0,25 PEP entsprechend den drei gesetzlichen Zahlungsterminen 1. Juli 1998, 1. Juli 1999 und 1. Juli 2000 fortlaufend und effektiv zu erhöhen und nicht zur Abschmelzung des Auffüllbetrages zu verwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung u.a. auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Gründe des Urteils des SG. Im Übrigen trägt sie vor: Die Abschmelzung der Auffüllbeträge stelle inhaltlich eine Gleichstellung von West- und Ost-Renten dar, weil Auffüllbeträge in Westrenten nicht existierten und der Systematik der Rentenberechnung auch gänzlich widersprächen. Es sei nicht einleuchtend, warum Erhöhungen der Renten durch verbesserte Anrechnung der Kindererziehung nicht bei der Abschmelzung berücksichtigt werden sollten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des Sozialgerichts Berlin - S 1 RA 6104/02 -, einschließlich der Akte der Beklagten, und - S 2 An 846/93 (L 16 An 188/95) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist begründet, soweit sie sich gegen die der Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 zugrunde liegende Verwaltungsentscheidung der Beklagten über die - weitere - Abschmelzung des in der Rentenleistung enthaltenen Auffüllbetrages wendet. Im Übrigen, d.h. soweit die Klägerin die vorangegangenen Abschmelzungsentscheidungen der Beklagten im Rahmen der Rentenanpassungen zum 1. Juli 1998 und zum 1. Juli 1999 angreift, ist die Berufung hingegen nicht begründet; das Rechtsmittel war daher insoweit zurückzuweisen.

Die Klage gegen die Abschmelzungsentscheidung der Beklagten zum 1. Juli 2000 ist als isolierte Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Mit dieser Klage wendet sich die Klägerin nach ihrem Vorbringen und den von ihr gestellten Anträgen nicht gegen die - weitere - Abschmelzung des Auffüllbetrages als solche, sondern nur gegen die Höhe des Abschmelzungsbetrages sowie die daraus resultierende Nichterhöhung des Zahlbetrages. Ausweislich des Berechnungsbogens der Beklagten vom 20. Juni 2000, der der Klägerin im Rahmen der Anhörung übersandt worden war, handelt es sich dabei um einen Betrag von 9,14 DM (= 4,67 Euro). Dieser Betrag übersteigt den Betrag, der, ausgehend von dem bisherigen bis zum 30. Juni 2000 maßgebenden Rentenbetrag von 825,48 DM (= 422,07 Euro), sich in Anwendung des Rentenanpassungssatzes zum 1. Juli 2000 von 0,6 % (siehe dazu § 1 der - vom BSG mit Urteil vom 30. Juli 2002 - B 4 RA 120/00 R - für nichtig erklärten - Rentenanpassungsverordnung 2000 - BGBl. I S. 788) ergeben hätte; das wäre nämlich nur ein Erhöhungsbetrag von 4,95 DM (= 2,53 Euro) gewesen.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Aufhebung der getroffenen Abschmelzungsentscheidung zum 1. Juli 2000, soweit die Beklagte den in der Rentenleistung zuvor enthaltenen Auffüllbetrag von 253,38 DM (= 129,55 Euro) um mehr als 4,95 DM (= 2,53 Euro) gemindert hat. Die Verwaltungsentscheidung der Beklagten ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin vor dem belastenden Eingriff (Aufhebung der bisherigen bindenden Festsetzung des Auffüllbetrages auf zuletzt 253,38 DM = 129,55 Euro und Festsetzung eines neuen Wertes von 244,24 DM = 124,88 Euro) nicht ordnungsgemäß angehört worden ist.

Die erforderliche Rechtsgrundlage für die Verwaltungsentscheidung der Beklagten bildet § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 315 a Satz 5 SGB VI. Da der Klägerin mit Bescheid vom 2. Dezember 1991 - bindend - ein Auffüllbetrag von 370,42 DM bewilligt worden war, erfordert ein Eingriff in diese bindend bewilligte Sozialleistung in jedem Falle eine Aufhebungsentscheidung unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X. Da § 315 a SGB VI eine Verminderung des Auffüllbetrages (Abschmelzung) zum 1. Januar 1996 vorsieht (Sätze 4 und 5 der Vorschrift), stellt sich jede dieser Abschmelzungsentscheidungen als eine den Erfordernissen des § 48 SGB X unterliegende Aufhebungsentscheidung dar. Eine derartige Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X verlangt die vorherige Anhörung des Betroffenen. Die Beklagte hat zwar die Klägerin nach Eingang ihres Widerspruchs und damit noch im Widerspruchsverfahren zu der beabsichtigten Abschmelzungsentscheidung angehört, indem sie der Klägerin ein formularmäßiges Anschreiben zur „Anpassung der Renten zum 1.7.1999“, bei dem die Jahreszahl durch die Jahreszahl „2000“ ersetzt worden war, und zusätzlich eine maschinell erstellte Berechnung der sich ab 1. Juli 2000 ergebenden Monatsrente vom 19. Juni 2000 bzw. 20. Juni 2000 zugesandt hatte. Entgegen der vom SG und der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung war diese Anhörung aber nicht ordnungsgemäß, weil der Klägerin nicht in ausreichendem Umfang die entscheidungserheblichen Haupttatsachen mitgeteilt worden waren (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2000 - B 4 RA 68/99 R = SozR 3-2600 § 315 a Nr. 3).

Zutreffend hat zwar das SG darauf hingewiesen, dass sich die Entscheidung des BSG ausschließlich auf einen Sachverhalt erstreckt, bei dem es sich um die sogenannte erste Phase der Abschmelzung handelt. Bei der streitgegenständlichen Abschmelzungsentscheidung der Beklagten zum 1. Juli 2000 steht hingegen eine Abschmelzungsentscheidung in der sogenannten zweiten Phase im Streit. Denn zuvor war bereits seit 1. Januar 1996 der der Klägerin bewilligte Auffüllbetrag in fünf „Abschmelzungsschritten“, der sogenannten ersten Phase, bis zum 1. Juli 1999 einschließlich verringert worden; die Rechtsgrundlage dafür bildet § 315 a Satz 4 SGB VI. Ungeachtet dessen, dass das BSG über eine Abschmelzungsentscheidung der sogenannten zweiten Phase nicht zu befinden hatte, befasst sich das BSG aber grundlegend mit den Anforderungen, die an die Anhörung eines Rentenempfängers im Falle der Abschmelzung des Auffüllbetrages zu stellen sind und differenziert dabei gerade nicht zwischen der ersten und der zweiten Phase der Abschmelzung. Dabei verlangt es zur ordnungsgemäßen Durchführung der nach § 24 SGB X gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung insbesondere die Angabe, um die wievielte Abschmelzung es sich handelt, um für den Rentenempfänger deutlich zu machen, ob die Abschmelzung nach Satz 4 oder aber nach Satz 5 des § 315 a SGB VI erfolgen soll. Diesen vom BSG aufgestellten Anforderungen genügt die - formularmäßige - Anhörung der Klägerin nicht. Soweit die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, die Abschmelzung der ersten Phase erlaube wegen der Heranziehung aller Wertsteigerungen des Rechts auf Rente die weitergehenden Eingriffe in die Rechtsstellung des Rentenempfängers, so dass bei einer Anhörung nach der ersten Phase erst recht auch die Anforderungen für eine Anhörung in der zweiten Phase erfüllt seien, übersieht sie, dass das BSG ausdrücklich verlangt, dass der Rentenempfänger darüber unterrichtet wird, ob die Abschmelzungsentscheidung aufgrund des § 315 a Satz 4 SGB VI oder aber aufgrund des Satzes 5 der Vorschrift vollzogen werden soll; denn nur dann ist er in der Lage, die beabsichtigte Abschmelzungsentscheidung in ausreichendem Umfang nachvollziehen zu können. Daran fehlt es indes im vorliegenden Falle. Gerade weil die Beklagte das Formular für die Rentenanpassung zum 1. Juli 1999 verwendet hat und die Jahreszahl „1999“ durch die maßgebende Jahreszahl „2000“ ersetzt hat, lässt sich dem - unveränderten - Text nicht entnehmen, in welcher Phase der Abschmelzung sich die Klägerin befindet. Auch ist in dem Anhörungsschreiben keine Rechtsgrundlage für die beabsichtigte Abschmelzungsentscheidung angegeben worden; es fehlt auch eine Gegenüberstellung mit dem alten Rentenzahlbetrag, da die beigefügte - maschinelle - Neuberechnung der Rentenleistung zum 1. Juli 2000 nur die neuen Beträge ausweist.

Die unterbliebene ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin konnte nach dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht mehr in zulässiger Weise nachgeholt werden. Anzuwenden ist noch § 41 Abs. 2 SGB X in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Denn maßgebend ist bei einer isolierten Anfechtungsklage das zur Zeit des Erlasses der letzten angefochtenen Verwaltungsentscheidung, das ist hier der Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2000, geltende Recht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 54 Rn. 32 m.w.N.). Nach § 41 Abs. 2 SGB X in der vor der Änderung durch das Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) geltenden Fassung konnte die Anhörung aber nur bis zum Abschluss des Vorverfahrens nachgeholt werden. Die unterbliebene ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin führt damit im Ergebnis zur Aufhebung der Abschmelzungsentscheidung der Beklagten in dem angefochtenen Umfang (vgl. § 42 Satz 2 SGB X).

Hinzu kommt, dass die Abschmelzungsentscheidung der Beklagten in dem angefochtenen Umfang auch deswegen rechtswidrig ist, weil die Beklagte die letzte Erhöhung der Altersrente aufgrund der Neubewertung der Kindererziehungszeit (vgl. dazu § 307 d SGB VI) nicht zur - weiteren - Abschmelzung des Auffüllbetrages verwenden durfte. Denn der Entscheidung des BSG im Urteil vom 16. November 2000 - B 4 RA 68/99 R - a.a.O. lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senats eindeutig entnehmen, dass der nach dem Ende der ersten Abschmelzungsphase verbliebene Auffüllbetrag bei den folgenden Rentenanpassungen, d.h. in der sogenannten zweiten Phase, nur im Umfang der Wertsteigerung des Rechts auf Rente aufgrund dieser Rentenanpassungen abgeschmolzen, also nur um die dadurch bedingten Erhöhungen des Wertes des Rechts auf Rente gemindert werden darf. Andere Erhöhungen des Geldwertes des Rechts auf Rente, wie z.B. eine Änderung der Rangstelle durch Neubewertung der Kindererziehungszeit, führen nach dieser Rechtsprechung des BSG in der zweiten Phase nicht mehr zur Abschmelzung des Auffüllbetrages.

Soweit die Klägerin mit ihrer Klage auch die vorangegangenen Abschmelzungsentscheidungen der Beklagten im Rahmen der Rentenanpassungen zum 1. Juli 1998 und zum 1. Juli 1999 angreift, hatte die Berufung hingegen keinen Erfolg. Denn diese Verwaltungsentscheidungen sind gemäß § 77 SGG bestandskräftig geworden und damit mit der Klage nicht mehr in zulässiger Weise anfechtbar. Sollten den der Klägerin von der Post übersandten Rentenanpassungsmitteilungen - wie üblich - keine Rechtsbehelfsbelehrungen beigefügt gewesen sein, so wären die den Rentenanpassungen zugrunde liegenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten nur innerhalb eines Jahres nach Erhalt der Rentenanpassungsmitteilungen mit einem Rechtsbehelf anfechtbar gewesen. Die Klägerin hat aber erst in der mündlichen Verhandlung beim SG am 8. November 2001 erstmals die den Rentenanpassungen zum 1. Juli 1998 und zum 1. Juli 1999 zugrunde liegenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten angefochten. Zu diesem Zeitpunkt war aber jedenfalls die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG auch für die der Rentenanpassung zum 1. Juli 1999 zugrunde liegende Verwaltungsentscheidung längst abgelaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Begehren auf teilweise Aufhebung der Abschmelzungsentscheidung zum 1. Juli 2000 in vollem Umfang Erfolg hatte.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Der Sache kommt insbesondere keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Denn die Abschmelzungsentscheidung der Beklagten zum 1. Juli 2000 ist bereits wegen fehlender ordnungsgemäßer Anhörung im Einzelfall fehlerhaft. Soweit die Vorschrift des § 41 Abs. 2 SGB X a.F. heranzuziehen ist, handelt es sich im Übrigen um ausgelaufenes Recht.
Rechtskraft
Aus
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