L 2 U 6/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 328/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 6/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Erstattung von u. a. Kosten der Heilbehandlung für eine Versicherte.

Die Klägerin ist die zuständige Krankenkasse der als Sachbearbeiterin bei der T1 beschäftigten Versicherten S. (geb. xxxxx 1960). Die Beklagte ist der für das Unternehmen zuständige gesetzliche Unfallversicherungsträger. Mit Unfallanzeige vom 18. Dezember 2014 zeigte das Unternehmen gegenüber der damals für sie zuständigen Unfallkasse P. und T1 an, dass die Versicherte am 3. September 2014 um 16:50 Uhr während einer teambildenden Maßnahme auf einem asphaltierten Radweg mit leichtem Gefälle gestürzt sei. Bei diesem Unfall habe sich die Versicherte schwerste Kopfverletzungen zugezogen. Das Universitätsklinikum M. diagnostizierte unter anderem ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit akutem subduralem Hämatom sowie einer traumatischen Subarachnoidalblutung.

Der Vorgesetzte der Versicherten erklärte in einem Schreiben vom 30. Januar 2015, dass der Fachbereich T. Veranstalter der Maßnahme gewesen sei. Die Veranstaltung habe der Teambildung gedient. Das offizielle Ende der Veranstaltung sei um 17:00 Uhr geplant gewesen. Der Fachbereich habe insgesamt 12.569 Mitarbeiter. Im Bereich Technology arbeiteten 524 Mitarbeiter und im Bereich SDM 180 Mitarbeiter. Zu der Maßnahme seien alle 6 Mitarbeiter des Standortes M. eingeladen gewesen. Alle eingeladenen Mitarbeiter hätten an der Maßnahme teilgenommen. Von der Unternehmensleitung sei kein autorisierter Vertreter anwesend gewesen. Die Führungskraft habe jedoch Bescheid gewusst. Die Agenda für den Workshop T. M. am 3. September 2014 habe von 8:30 bis 9:00 Uhr eine Einführung I. Mobile, von 9:00 bis 10:30 Uhr eine erste Analyse Feldversuch Prozess und Produkte, von 10:30 bis 11:00 Uhr Next Steps und Aufgabenzuordnung im Team und von 11:00 bis 17:00 Uhr ein Team-Event vorgesehen. Das Team-Event sei eine gemeinsame Fahrradtour durch O. gewesen: - M1. – Richtung - E. –P2 –P1 –R ... - Ausklang beim "M2" mit Abendessen.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 9. März 2015 gegenüber der Klägerin, dass das Ereignis nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles seien nicht gegeben. Allein die mangelnde Beteiligung der Unternehmensleitung in Bezug auf die Organisation der Veranstaltung spreche gegen einen betrieblichen Zusammenhang. Bei der Fahrradtour habe es sich um eine dem privaten Bereich zuzuordnende Freizeitaktivität gehandelt.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls auch gegenüber der Versicherten ab. Die Teilnahme an der Fahrradtour habe nicht unmittelbar betrieblichen Belangen gedient. Das Hauptziel sei vielmehr eine gemeinsame Fahrradtour und Abendessen ohne eine betriebsbezogene "Team-Event-Eigenschaft" gewesen. Die Fahrradtour sei daher dem privaten, eigenwirtschaftlichen Lebensbereich zuzuordnen. Es habe sich auch nicht um eine Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Diese solle unter anderem der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dienen. Während der Veranstaltung sei die Unternehmensleitung oder ein anderer autorisierter Vertreter nicht anwesend gewesen. Die Teilnahme einer Führungskraft sei jedoch zwingend erforderlich, damit die betriebliche Zielsetzung erreicht werden könne. Der unmittelbare betriebliche Zusammenhang werde auch nicht dadurch hergestellt, dass die Fahrradtour im Programm aufgeführt sei und die Veranstaltung vom Unternehmen organisiert und finanziert worden sei. Stünden Freizeit, Unterhaltung und Erholung im Vordergrund, fehle es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 7. Juli 2015 Erstattungsansprüche für Krankengeld, stationäre Krankenhausbehandlung, Pflegeversicherung, ambulante Operationen, Heilmittel, Hilfsmittel und Fahrkosten geltend. Mit Schreiben vom 9. November 2015 wies sie darauf hin, dass es sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könnten die Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Die Veranstaltung sei durch den Arbeitgeber organisiert und durchgeführt worden. Sie sei zu Teambildungszwecken veranstaltet und das Ende sei von vornherein auf 17:00 Uhr begrenzt worden. Die Veranstaltung sei auch von allen Mitarbeitern besucht und diesen zugänglich gemacht worden. Ungeklärt, aber für die Gesamtbeurteilung nicht ausschlaggebend sei der Grund der Nichtanwesenheit der Führungskraft.

Die Beklagte erwiderte, dass nach der vorliegenden Agenda am 3. September 2014 ein Workshop mit anschließender Fahrradtour durchgeführt worden sei. Eine Gemeinschaftsveranstaltung werde vom Arbeitgeber weder auf der Agenda noch auf dessen Antwortschreiben erwähnt. Auch sei keine Einladung an die Beschäftigten gegangen, was für eine Gemeinschaftsveranstaltung sonst üblich sei. Unabhängig davon sei für die Durchführung einer betrieblich versicherten Gemeinschaftsveranstaltung unablässig, dass der Unternehmer bzw. die Unternehmensleitung oder Teile von ihr an der Veranstaltung teilnähmen. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Klägerin legte ein weiteres Antwortschreiben der Führungskraft J. des Arbeitgebers der Versicherten vom 8. März 2016 vor. Der gesamte Tag, angefangen mit der Vormittagsveranstaltung, der Radtour, der Nachmittagsveranstaltung und dem Abendessen im Restaurant sei als eine eintägige Maßnahme arbeitgeberseitig geplant gewesen. Die Radtour im Anschluss an die Vormittagsveranstaltung habe als eine Team-Building-Maßnahme zur Förderung der Zusammenarbeit gedient. Der Informationsaustausch zu den neuen anstehenden Aufgaben habe im Rahmen der Nachmittagsveranstaltung vertieft werden sollen. Die Teilnahme der Mitarbeiter in M. am Workshop sei bindend gewesen. Ein Mitarbeiter, D., sei als Vertreter für die abwesende Führungskraft für den Workshop und die anschließende Radtour benannt worden. Der Mitarbeiter sei entsprechend von ihm für die Inhalte des Workshops gebrieft worden. Die Tour sei von der Versicherten als Assistenz von ihm am Standort M. in Abstimmung mit ihm geplant und organisiert worden. Er sei als Führungskraft über Inhalt und Zeitplan der Veranstaltung informiert gewesen und habe den Mitarbeiter D. als Vertreter ebenfalls darüber informiert. Seine Teilnahme sei ursprünglich für den gesamten Ablauf einschließlich Abendessen geplant gewesen, habe aber aufgrund eines kurzfristigen Termins nicht wahrgenommen werden können.

Die Beklagte blieb bei ihrer Auffassung, dass zu dem Workshop lediglich ein begrenzter Personenkreis eingeladen gewesen sei. Schon daran scheitere das Vorliegen einer versicherten Gemeinschaftsveranstaltung.

Die Klägerin machte mit Schreiben vom 25. Mai 2016 einen weiteren Erstattungsanspruch für Krankengeld, Pflegeleistungen, ambulante Operationen, Heilmittel, Krankenhausbehandlung, Hilfsmittel und Fahrkosten geltend.

Die Klägerin hat am 16. Dezember 2016 Klage erhoben und zunächst einen Leistungsantrag auf Erstattung von 235.784,17 Euro gestellt: Krankengeld in Höhe von 41.354,82 Euro, Pflegeleistungen in Höhe von 37.507,31 Euro, ambulante Operationen in Höhe von 217,19 Euro, Heilmittel in Höhe von 6.829,94 Euro, Krankenhausbehandlung in Höhe von 152.732,31 Euro, Hilfsmittel in Höhe von 1.826,78 Euro und Fahrkosten in Höhe von 2.145,76 Euro. Sie hat ergänzend darauf hingewiesen, dass eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung aller sechs Mitarbeiter des Fachbereichs T. des Standortes M. vorgelegen habe. Es habe sich um eine gemeinsame Arbeitsveranstaltung und nicht um einen Betriebsausflug gehandelt. Die Veranstaltung habe ausschließlich betrieblichen Zwecken gedient. Es habe eine Pflicht bestanden, an der Maßnahme teilzunehmen. Der gesamte Tag sei arbeitgeberseitig geplant worden. Die Führungskraft habe mit der Planung und Organisation der Veranstaltung seine Assistentin in Abstimmung mit ihm selbst beauftragt. Jeder Programmpunkt sei geplant gewesen und habe einen ineinandergreifenden, durchdachten und betriebsfördernden Zweck gehabt. Die Führungskraft J. habe die Teilnahme kurzfristig aufgrund anderer beruflicher Termine am Hauptstandort absagen müssen. Es sei aber ein Vertreter benannt worden, der über die Inhalte informiert worden sei und stellvertretend an der Radtour teilgenommen habe.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass sich die Versicherte zum Zeitpunkt des Unfalles zwar auf einer grundsätzlich versicherten Dienstreise befunden habe. Während einer solchen Dienstreise bestehe jedoch kein Versicherungsschutz rund um die Uhr. Bei dem Fahrradausflug habe es sich um eine Veranstaltung gehandelt, die dem privaten Bereich zuzurechnen sei. Zwischen einem Fahrradausflug und der Tätigkeit als Sachbearbeiterin bei der T1 bestehe kein sachlicher Zusammenhang. Hier stehe der Freizeit- bzw. Erholungscharakter im Vordergrund. Die Versicherte sei mit der Teilnahme an der Radtour keiner Pflicht aus der Tätigkeit einer Sachbearbeiterin bei der T1 nachgekommen. Auch unter dem Aspekt der Gemeinschaftsveranstaltung bestehe kein Versicherungsschutz. Zwar sei es nach neuester Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (unter Hinweis auf Urteil vom 5. Juli 2016, Aktenzeichen B 2 U 19/14 R) ausreichend, wenn kleinere Untergliederungen eine Betriebsgemeinschaftsveranstaltung durchführten. Um die Verbundenheit und das Gemeinschaftsgefühl der Beschäftigten in einem Team fördern zu können, sei es aber zwingend notwendig, dass die Feier allen Mitarbeitern des jeweiligen Teams offen gestanden habe und die jeweilige Teamleitung auch an der Veranstaltung teilnehme. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Insbesondere habe der Leiter des Teams, J., nicht an der Veranstaltung teilgenommen. Die Bestellung eines Vertreters der Führungskraft sei eindeutig nicht ausreichend.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin lediglich noch einen Antrag auf Feststellung der Beklagten als zuständige Versicherungsträgerin gestellt. Das Sozialgericht Hamburg hat mit Urteil vom 21. Dezember 2017 festgestellt, dass die Beklagte die zuständige Versicherungsträgerin für die Entschädigung des Arbeitsunfalles der Versicherten S. sei. Die Klägerin mache dem Grunde nach einen zulässigen Erstattungsanspruch über ihre bisherigen Aufwendungen in Höhe von 235.784,17 Euro gemäß § 105 SGB X geltend. Darüber hinaus sei zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass dem unzuständigen Leistungsträger ein Überprüfungsrecht im Rahmen der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen auch dann zustehe, wenn der zuständige Leistungsträger einen Versicherungsfall gegenüber dem Versicherten bereits bindend abgelehnt habe. Zum anderen werde festgestellt, dass der Versicherungsfall der Versicherten S. vom 3. September 2014 ein Arbeitsunfall gewesen sei. Die Versicherte sei zum Zeitpunkt des Unfalls auch einer den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründenden Tätigkeit nachgegangen und habe sich somit bei versicherter Tätigkeit befunden. Der Schutzzweck dieser Beschäftigtenversicherung solle bewirken, dass für die jeweiligen Versicherten ein Schutz in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren bestehe, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebe. Die Ausübung einer Beschäftigung (oder Tätigkeit) sei wesentliches Strukturelement der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Beschäftigung werde insbesondere dann ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetze und darauf gerichtet sei, eine eigene objektiv bestehende Haupt- und Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornehme, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Rechtsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zurzeit der Verrichtung habe annehmen dürfen, ihn treffe eine solche Pflicht. Zur Überzeugung der Kammer habe die Versicherte zum Unfallzeitpunkt bereits eine originäre Hauptpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt. Diese habe darin bestanden, dass alle Mitarbeiter des Standortes M., also auch die Versicherte, an einem vom Arbeitgeber angekündigten und festgelegten "Workshop" teilnähmen, u. a. mit dem Inhalt eines "Team-Events" innerhalb der regulären Arbeitszeit, nämlich von 11:00 bis 17:00 Uhr. Bei diesem Team-Event sei es um eine gemeinsame Fahrradtour gegangen, die nach schlüssiger Darstellung der Führungskraft der Versicherten eine sogenannte "Team-Building-Maßnahme" zur Förderung der Zusammenarbeit gewesen sei, außerdem mit der Maßgabe, dass der Informationsaustausch zu den neuen anstehenden Aufgaben – welche offenbar in der Vormittagsveranstaltung umrissen worden seien – habe vertieft werden sollen. Für den Charakter einer eindeutig betriebsbezogenen Tätigkeit und Ausfluss der Hauptpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis spreche darüber hinaus, dass die Teilnahme aller Mitarbeiter in M. nach dem Willen des Arbeitgebers bindend gewesen sei und sowohl die Vormittags- als auch die Nachmittagsveranstaltung arbeitgeberseitig geplant gewesen seien. Entgegen der Behauptung der Beklagten sei auch in keiner Weise erkennbar, dass die Fahrradtour lediglich wegen des Charakters einer "Fahrradtour" von vornherein als unversicherte privatwirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden müsse. Hiergegen sprächen eindeutig die von Seiten des Arbeitgebers ausgesprochene verbindliche Teilnahme aller Mitarbeiter in M., die Inhalte des Workshops sowie der vorgesehene offizielle Zeitplan bis 17:00 Uhr, also in regulärer Arbeitszeit. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sei entgegen der Ansichten der Beteiligten eher nicht zu diskutieren.

Gegen das ihr am 4. Januar 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Februar 2018 Berufung eingelegt. Die Fahrradtour erfülle nicht die Voraussetzungen einer versicherten Tätigkeit. Es fehle am erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der versicherten Tätigkeit. Das Gericht verkenne, das bei einem Workshop oder einem Team-Event nicht zwingend per se Versicherungsschutz bestehe. Vielmehr sei wie bei Tätigkeiten am Arbeitsplatz zu unterscheiden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhingen und solchen Verrichtungen, die der privaten Sphäre zuzuordnen seien. Diese Unterscheidung sei objektiv anhand der Vereinbarungen über den Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses und des tatsächlichen Geschehens zu prüfen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 R). Bereits aus dem Tagungsprogramm ergebe sich eine klare Unterscheidung zwischen betrieblich bedingten Programmpunkten und der Radtour, die keinen Bezug zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Versicherten erkennen lasse und lediglich der sportlichen Betätigung gedient habe. Für die Fahrradtour sei entsprechend auch kein Verantwortlicher benannt worden und kein konkretes Thema bezeichnet worden. Es erscheine auch lebensfremd, dass sich sechs Arbeitskollegen mehrere Stunden beim Fahrradfahren konzentriert über betriebliche Aufgaben unterhalten und Informationen austauschen könnten. Objektiv betrachtet, sei eine Fahrradtour auch nicht geeignet, die Zusammenarbeit innerhalb des Teams zu fördern, denn jeder fahre für sich allein. Die Fahrradtour habe als Begleitprogramm keinen prägenden wesentlichen Bezug zu betrieblichen Angelegenheiten gehabt, sondern habe der Freizeitgestaltung und Befriedigung sportlicher Interessen gedient. Der Versicherten hätte auch bewusst sein müssen, dass keine arbeitsvertragliche Pflicht bestanden habe, an der Fahrradtour teilzunehmen. Wolle man das Fahrradfahren aufgrund der vermeintlichen Anordnung des Arbeitgebers als im betrieblichen Interesse liegende Tätigkeit werten, würde der Unfallversicherungsschutz auf einen weiten Teil der privaten Lebenssphäre ausgedehnt. Es spiele auch keine Rolle, ob der Arbeitgeber eine Teilnahme erwartet habe, denn in diesem Fall würde der Umfang des Unfallversicherungsschutzes in das Belieben des Arbeitgebers gestellt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin erwidert, dass sie einen Anspruch auf Erstattung ihrer bisherigen Aufwendungen habe und auf Feststellung, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Das Tagesprogramm vom 3. September 2014 sei als Gesamtveranstaltung zu betrachten. Es habe für alle Teammitglieder die Verpflichtung bestanden, an der Veranstaltung teilzunehmen. Aus der Streckenführung folge, dass dort durchaus im Pulk hätte gefahren werden können. Die letzte Etappe R. bis zum M2 sei nicht von vornherein im Tagesprogramm festgelegt gewesen. Es sei durchaus möglich gewesen, dass die Teilnehmer sich über die Streckenführung hätten verständigen sollen, was den Charakter der Veranstaltung als Teamfindungsmaßnahme bestätige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. Mai 2019 und den weiteren Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte zuständig für die Entschädigung des Unfalls der Versicherten ist. Die unfallbringende Tätigkeit verrichtete die Versicherte im inneren sachlichen Zusammenhang mit ihrer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigung bei der T1, einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; BSG, st. Rspr., vgl. nur Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 8/11 R, BSGE 111, 37).

Versicherter ist jemand, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder der Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht, oder er unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt (BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 5/14 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 33 m.w.N.). Zu einer Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag kann neben der eigentlichen Arbeitsleistung grundsätzlich auch die Teilnahme an Maßnahmen gehören, die den Zusammenhalt im Team stärken sollen. Als eine solche Maßnahme hat der Arbeitgeber die gemeinsame Fahrradtour gesehen und ist von einer Verpflichtung der Mitarbeiter des Standorts zur Teilnahme ausgegangen. Ob im konkreten Fall die Verpflichtung zur Teilnahme an der Fahrradtour tatsächlich vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst war, kann dabei dahinstehen. Denn jedenfalls durfte die Geschädigte aufgrund der bindenden Teilnahmeverpflichtung des Arbeitgebers davon ausgehen, dass sie eine vermeintliche Pflicht aus ihrem Rechtsverhältnis erfüllt.

Doch selbst wenn man eine Teilnahme – wie die Beklagte dies tut – als freiwillig ansieht, lag zumindest eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vor, die der versicherten Beschäftigung zuzurechnen war. Eine Verrichtung, die nicht der Erfüllung einer Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis dient oder dienen soll, kann nur dann im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, wenn der Beschäftigte sie wegen des Beschäftigungsverhältnisses vornimmt, um durch sie zumindest auch dem Unternehmen in nicht offensichtlich untauglicher Weise zu dienen (BSG, Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 12/15 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 37). Diese Zurechnung kann bei der freiwilligen, d. h. rechtlich nicht geschuldeten und vom Unternehmen nicht abverlangten Teilnahme an einer sog. betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung in Betracht kommen, weil der Beschäftigte wegen seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) durch seine freiwillige, aber vom Unternehmer erbetene Teilnahme das erklärte Unternehmensinteresse unterstützt, durch die Gemeinschaftsveranstaltung den Zusammenhalt in der Belegschaft zu fördern (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 2 U 4/08 R, juris). Dieses unternehmensdienliche Verhalten rechtfertigt es, die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung als Bestandteil der aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geschuldeten versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu betrachten (st. Rspr, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 12/15 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 37).

Eine Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen kann der versicherten Beschäftigung aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden. Das BSG verlangt in ständiger Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – B 2 U 19/14 R, BSGE 121, 297), dass der Arbeitgeber die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchführt oder durchführen lässt. Er hat zu ihr alle Betriebsangehörigen oder bei Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abgegrenzte Abteilungen des Betriebs alle Angehörigen dieser Abteilung eingeladen oder einladen lassen. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Dienststellen verfügt, genügt es, dass die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit als Veranstalter auftritt. Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen. Die Teilnahme muss daher vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Die betroffene Abteilung hat aufgrund des Wunsches des Arbeitgebers geschlossen an dem Team-Event teilgenommen. Aufgrund der geschlossenen Teilnahme kann auch unterstellt werden, dass alle Mitarbeiter der Abteilung eingeladen gewesen sind.

An dem früher geforderten weiteren Kriterium der Teilnahme der Unternehmensleitung selbst an der Veranstaltung hat das BSG nicht mehr festgehalten (BSG, Urteil vom 15. November 2016 – B 2 U 12/15 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 37 unter Hinweis auf Urteil vom 5. Juli 2016 – B 2 U 19/14 R, juris). Allerdings müssen betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen nach wie vor im Interesse des Arbeitgebers liegen und einen betrieblichen Zweck verfolgen. Die von der Unternehmensleitung getragene, im Einvernehmen mit ihr durchgeführte Veranstaltung muss darauf abzielen, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. An diesem betrieblichen Zusammenhang fehlt es, wenn stattdessen Freizeit, Unterhaltung, Erholung oder die Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen im Vordergrund steht (BSG vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 47/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 11). Für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist eine Gesamtbetrachtung aller tatsächlichen Umstände erforderlich (BSG vom 5. Juli 2016 - B 2 U 19/14 R). Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Radtour war in ein Workshop-Programm integriert und Bestandteil einer Veranstaltung, die sich an die gesamte Abteilung richtete. Vorliegend waren Programmpunkte außerhalb der Radtour vorgesehen und diese sollte anschließend mit allen Teilnehmern gemeinsam stattfinden. Laut Arbeitgeber ging es darum, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Die Teilnahme der Abteilungsleitung erfolgte durch einen Vertreter, der von der Abteilungsleitung hierzu ausdrücklich bevollmächtigt wurde

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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