S 16 U 78/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 78/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 21.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2017 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei der Lebendnierenspende rechts des Klägers vom 23.04.2015 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer Lebendnierenspende des Klägers vom 23.04.2015 zu Gunsten seiner am 00.00.2012 geborenen Tochter als Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Kläger gibt an, seit dem Eingriff ununterbrochen arbeitsunfähig zu sein. Er begehrt die Anerkennung der Nierenspende als Versicherungsfall, da er sowohl körperliche als auch psychische Folgen aus der Nierenspende davon getragen habe.

Gut ein Jahr nach erfolgter Nierenspende meldete sich der Kläger zunächst telefonisch bei der Beklagten und teilte mit, dass er ca. drei Monate nach der durchgeführten Operation Schmerzen im Bereich der Narbe bekommen habe. Seit dem Zeitpunkt der Operation sei er arbeitsunfähig. Da die Krankenkasse der Tochter und Empfängerin der Niere angekündigt habe, die Zahlung des Krankengeldes einzustellen, bitte er um Prüfung der Beklagten, inwieweit ihre Zuständigkeit gegeben sei.

Die Beklagte zog medizinische Behandlungsberichte bei. Einem Bericht der Uniklinik Münster vom 12.05.2015 ist zu entnehmen, dass die Nierenspende und Transplantation im Wesentlichen komplikationslos durchgeführt worden sei. Im weiteren Verlauf seien aber Beschwerden beim Kläger aufgetreten. Die Uniklinik Münster bestätigte dem Kläger mit Bericht vom 24.05.2016 diagnostisch das Vorliegen von Narbenschmerzen, die drei Monate nach der Spende aufgetreten seien. Bildgebende Verfahren hätten dafür kein organisches Korrelat gezeigt. Dennoch seien die Beschwerden des Klägers glaubhaft. Es handele sich hier um eine selten vorkommende Komplikation nach Lebendnierenspende. Es werde auch eine psychosomatische Mitbetreuung empfohlen.

Der behandelnde Internist und Nephrologe des Klägers, Dr. B, erstattete am 02.06.2016 einen Befundbericht in dem er mitteilte, dass bei dem Kläger nach der Organspende Schmerzen im rechten Nierenlager aufgetreten seien. Diese Schmerzen seien auf die Organspende zurückzuführen. In der Folge seien auch psychovegetative Begleitbeschwerden aufgetreten. Auch dies sei Folge der Organspende.

Die Beklagte stellte auch Ermittlungen zu den Vorerkrankungen des Klägers an. Aus dem in diesem Zusammenhang von der Beklagte beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers ergab sich, dass im Zeitraum vor der Operation im Jahre 2014 eine Verhaltenstherapie erfolgte, im Dezember 2014 bestand eine Krankschreibung wegen somatoformer Störung, ab November 2014 wegen einer depressiven Episode.

Aus den von der Beklagten beigezogenen Behandlungsunterlagen ergibt sich u.a., dass der Kläger Ängste wegen der anstehenden Nierenspendenoperation habe, auf Bl. 55 Verwaltungsakte wird insoweit Bezug genommen.

Der Psychiater Dr. C bestätigte mit Bericht vom 04.12.2014 wenige Monate vor der Operation, dass der Kläger aufgrund der Nierenerkrankung seiner Tochter voller Ängste und Unsicherheiten sei. Hinzu kämen Sorgerechtsstreitigkeiten. Er habe Schmerzen am ganzen Körper und Flackern vor den Augen. Diagnostiziert wurde eine rezidivierende Störung, Somatisierungsstörung sowie akute Belastungsreaktion.

Die gesetzliche Krankenkasse stellte die Krankengeldzahlungen an den Kläger zum 25.05.2016 ein. Nach Ablauf des komplikationslosen Verlaufs der Organspende sei nunmehr die Beklagte für den Kläger zuständig.

Der beratende Arzt der Beklagten Dr. D äußerte sich dahingehend, dass es keinen krankhaften Befund gebe, der tatsächlich auf eine Komplikation nach der Nierenspende hinweise. Nach den Ausführungen der Uniklinik habe sich auch kein körperliches Korrelat auf organischem Gebiet für die subjektiven Beschwerden des Klägers gezeigt. Soweit der behandelnde Arzt, Prof. E, von einer selten vorkommenden Komplikation spreche, sei unklar, welche Erkrankung damit gemeint sein solle.

Sodann holte die Beklagte eine psychiatrische beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. E ein. Im Rahmen dieser Stellungnahme vom 05.10.2016 heißt es, körperliche Ursachen seien ausgeschlossen worden. Der Kläger weise außerdem psychische Vorerkrankungen auf. Insgesamt sei der Umgang mit der Situation schwierig, aber im Ergebnis entscheidend durch die Persönlichkeit des Klägers geprägt. Die psychische Belastung des Klägers resultiere letztendlich nicht wesentlich aus der Organspende. Auch jede andere psychische Belastung hätte die Schmerzproblematik des Klägers in gleicher Weise auslösen können.

Mit Bescheid vom 21.10.2016 lehnte es die Beklagte daraufhin ab, die erfolgte Organspende bzw. deren Folgen als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger binnen Monatsfrist Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017 zurückwies. Beim Kläger sei tatsächlich kein regelwidriger Gesundheitsschaden festgestellt worden. Es gebe kein organisches Korrelat für seine Beschwerden. Ohne die Feststellung eines sog. "qualifizierten Gesundheitsschadens" durch die Spende sei auch die Kausalitätsvermutung nach § 12 a Abs. 1 S. 2 SGB VII nicht anwendbar. Die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers seien ebenfalls nicht durch die Organspende ausgelöst.

Am 02.03.2017 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger hält daran fest, dass sowohl seine körperlichen als auch psychischen Beschwerden Folge der Organspende seien. Im Übrigen komme ihm hier die vom Gesetzgeber vorgesehene Beweiserleichterung des § 12 a SGB VII zu Gute. Sinn der Regelung sei es gewesen, die versicherungsrechtliche Situation von Organspendern zu verbessern. Dem trage die Beklagte keinerlei Rechnung.

Der Kläger beantragt unter Bezugnahme auf seien Schriftsatz vom 17.10.2017,

1. den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2016 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 22.02.2017 aufzuheben und die Beklagte zu ver¬urteilen, anzuerkennen, dass es sich bei der Organspende vom 23.04.2015 um einen Arbeitsunfall handelt.

2. Der Tenor der wesentlichen Folgen des Arbeitsunfalles wird insgesamt wie folgt neu gefasst. Als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalles werden anerkannt: Nach einer Lebendnierenspende rechts (Nephrektomie) am 23.04.2015 aufgetretene chronische Niereninsuffizienz (Stadium II nach KDIGO), chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) ICD-10G93.3, chronisches Schmerzsyndrom mit psychischen und somatischen Faktoren, ICD10:F45.41 sowie rezidivierende depressive Störung (ICD10:F33.0).

3. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, dem Kläger eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit MdE von 100 % zu gewähren.

4. Festzustellen, dass eine chronische Nierenkrankheit vorliegt

5. Darüber hinaus beantragt der Kläger als weitere Gesundheitsstörungen auch starke Narbenschmerzen und abdominelle Beschwerden des Klägers als Folgen des Versicherungsfalls anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, nur konkrete Gesundheitsschäden könnten Anerkennung finden. Beispielsweise Trauer, Schmerz oder Enttäuschung, seien keine Gesundheitsschäden in diesem Sinne. Diffuse Beschwerdekomplexe oder subjektive Befindlichkeitsstörungen seien nicht anerkennungsfähig. Dies gelte insbesondere auch für das vom Kläger geltend gemachte chronische Erschöpfungssyndrom (CFS). Der Kläger sei im Übrigen schon vor der Entnahme der Niere aus psychischen Gründen arbeitsunfähig gewesen. Es gebe insofern keinen nach der Spendenoperation neu aufgetretenen objektivierbaren Gesundheitsschaden. Auch bezüglich der Narbenschmerzen finde sich kein organisches Korrelat. Es gebe tatsächlich keinen Beweis für einen Gesundheitsschaden.

Im Klageverfahren wurden weitere ärztliche Atteste vorgelegt. Aus einem Attest der Uniklinik Bonn vom 27.04.2017 ergibt sich diagnostisch, dass der Kläger an "Narbenschmerzen durch Adhäsion" leide. Es handele sich um eine seltene Komplikation nach einer Nierenlebendspende, die operativ auch nicht zu beheben sei.

Ausweislich eines Berichtes des Nephrologen Dr. F vom 29.01.2016 besteht beim Kläger inzwischen eine grenzwertige Nierenfunktion. Der behandelnde Internist Dr. G wies außerdem mit Bericht vom 11.09.2018 darauf hin, dass es sich bei der Transplantation keinesfalls um eine einfache, sondern um eine komplizierte Entnahme der Niere gehandelt habe, wegen einer bestehenden Mehrgefäßversorgung des Organs. Außerdem sei als Komplikation ein postoperatives Hämatom aufgetreten. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Zulässiger Streitgegenstand ist zur Überzeugung der Kammer lediglich die Frage der Feststellung eines Versicherungsfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach. Denn mit Bescheid vom 21.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2017 hat die Beklagte eben dies abgelehnt. Damit bestand aus Sicht der Beklagten schon keine Notwendigkeit konkrete Gesundheitsstörungen als Folge des Versicherungsfalls im Einzelnen zu prüfen, anzuerkennen oder abzulehnen. Dasselbe gilt für die Frage der Gewährung einer Verletztenrente, die der Kläger im Gerichtsverfahren ebenfalls beantragt hat. Auch darüber hat die Beklagte noch nicht entschieden.

Im Rahmen des zulässigen Streitgegenstands ist die Klage begründet. Für das Gericht besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass dem Grunde nach ein Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 13 b, 12 a SGB VII vorliegt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 b SGB VII sind Personen kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, die Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden. Gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 SGB VII gilt als Versicherungsfall im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB VII bei Versicherten nach § 2 Abs. 1 Nr. 13b SGB VII auch der Gesundheitsschaden, der über die durch die Blut-, Organ-, Organteil- oder Gewebeentnahme regelmäßig entstehenden Beeinträchtigungen hinausgeht und in ursächlichem Zusammenhang mit der Spende steht. Werden dadurch Nachbehandlungen erforderlich oder treten Spätschäden auf, die als Aus- oder Nachwirkungen der Spende oder des aus der Spende resultierenden erhöhten Gesundheitsrisikos anzusehen sind, wird vermutet, dass diese hierdurch verursacht worden sind (§ 12a Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, dass der Gesundheitsschaden nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Spende steht.

Ausweislich des Befundberichts der Uniklinik Münster vom 27.04.2017 leidet der Kläger u.a. unter "starken Narbenschmerzen" und "abdominellen Beschwerden". Dabei handelt es sich um Gesundheitsschäden entsprechend einem international anerkannten Diagnosesystem, nämlich ICD-10 L90.5 und ICD-10 R10.3.

Dem genannten Bericht der Uniklinik Münster ist außerdem eine klinische Ursache für die Beschwerden des Klägers zu entnehmen, nämlich eine "Adhäsion".

Zugleich teilt die Uniklinik mit, dass es sich hierbei um eine "seltene Komplikation nach Nierenlebendspende" handelt. Es kann zur Überzeugung der Kammer also davon ausgegangen werden, dass die Lebendspende einer Niere nach der allgemeinen medizinischer Lehrmeinung generell geeignet ist, die oben genannten Gesundheitsschäden zu verursachen.

Nach Auffassung der Kammer stellt sich durchaus die Frage, ob es sich bei den festgestellten Gesundheitsstörungen nicht bereits um sog. "Spätschäden" im Sinne von § 12 a Abs. 1 S. 2 SGB VII handelt. In Abgrenzung zum qualifizierten Gesundheitsschaden gemäß § 12 a Abs. 1 S. 1 SGB VII, entsteht ein Spätschaden "nicht schon bei der Spende selbst, sondern erst später (in der Regel nach der Entlassung aus dem Krankenhaus) erstmals oder nach Abteilung erneut" (vgl. Banafsche, Die Organlebendspende im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2013, 677,681). Vorliegend handelt es sich um Beschwerden die ausweislich des Berichts der Uniklinik Münster vom 24.05.2016 (Bl. 151 Verwaltungsakte) in der letztendlichen Form erst 3 Monate nach der Nierenspende aufgetreten sind.

Geht man von einem "Spätschaden" im Sinne von § 12 a Abs. 1 S. 2 SGB VII aus, gilt nicht das allgemeine sozialrechtliche Kausalitätserfordernis der rechtlich wesentlichen Bedingung. Vielmehr greift zugunsten des Klägers eine Kausalitätsvermutung. Diese könnte nur widerlegt werden, wenn offenkundig wäre, dass dieser Gesundheitsschaden nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Spende steht (§ 12 a Abs. 1 S. 3 SGB VII). Diese Offenkundigkeit erscheint der Kammer vorliegend ausgeschlossen, wenn die behandelnden Ärzte des Klägers eine Universitätsklinik wie zuvor genannten Beschwerden als "seltene Komplikation nach Nierenlebendspende" qualifizieren.

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die "starken Narbenschmerzen" und "abdominellen Beschwerden" unter dem Gesichtspunkt eines sog. qualifizierten Gesundheitsschadens im Sinne von § 12 Abs. 1 S. 1 SGG zu prüfen sind, was eine Kausalitätsprüfung nach den Grundsätzen der rechtlich wesentlichen Bedingung erfordern würde, spricht hier Überwiegendes für diesen Ursachenzusammenhang.

Soweit es die zuvor dargestellten Gesundheitsschäden angeht besteht aufgrund der vorliegenden Befunde der behandelnden Ärzte des Klägers für die Kammer keinerlei Zweifel am Vorliegen eine exakten medizinische Diagnose und an dem erforderlichen Zusammenhang mit der Nierenspende des Klägers. Eine Begutachtung bedurfte es daher an dieser Stelle nicht.

Wie zuvor dargelegt, hatte das Gericht hier zu entscheiden, ob ein Versicherungsfall dem Grunde nach vorliegt. Dies ist zu bejahen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, anstelle der Beklagten erstmalig den genauen Katalog der Folgen des Versicherungsfalls herauszuarbeiten. Zur Frage der Unfallfolgen im Einzelnen liegt noch keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten vor. Denn die Beklagte musste, ausgehend von ihrem Rechtsstandpunkt, dass schon kein Versicherungsfall dem Grunde nach vorgelegen habe, auch keine Veranlassung haben, die medizinischen Folgen des Versicherungsfalls im Einzelnen herauszuarbeiten und durch Verwaltungsakt darüber zu entscheiden.

Im Hinblick darauf, dass der Kläger aber die Feststellung weiterer konkreter Folgen des Versicherungsfalls begehrt und außerdem die Gewährung einer Verletztenrente beantragt hat, über welche die Kammer im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden konnte, wird die Beklagte den Kläger erneut zu bescheiden haben.

Da sowohl der Widerspruchsbescheid als auch die Ausführungen seitens der Beklagte im Verlauf des Gerichtsverfahrens zur Überzeugung der Kammer teilweise rechtlich fehlerhaft sind, wird die Beklagte im Rahmen einer Neubescheidung dabei folgendes zu berücksichtigen haben:

Sofern gemäß § 12 a Abs. 1 S. 2 SGB VII zu prüfen ist, ob Gesundheitsschäden "Spätschäden" sind, setzt dies gerade nicht das Vorliegen eines sog. qualifizierten Gesundheitsschadens voraus. Auch im Falle einer zunächst lege artis und ohne jede Komplikation durchgeführten Organspendeoperation, also ohne einen abgrenzbaren "qualifizierten Gesundheitsschaden", ist die Anerkennung von Spätschäden im Sinne des § 12 a Abs. 1 S. 2 SGB VII möglich. Insofern bezieht sich das Erfordernis der Feststellung eines Gesundheitsschadens im Vollbeweis bei der Frage der Feststellung von Spätschäden ausschließlich auf die Spätschäden selbst.

Des Weiteren sind auch psychische Erkrankungen grundsätzlich als Spätschäden im Rahmen von § 12 a SGB VII anerkennungsfähig. Insofern gilt nichts anderes als in den Standardfällen der gesetzlichen Unfallversicherung, in denen die Anerkennung psychischer Gesundheitsstörungen als Unfallfolge ebenso möglich ist. Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannte Diagnosesysteme (ICD 10, DSM IV) erforderlich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az. B 2 U 1/05 R). Sofern also psychiatrische Diagnosen im Rahmen eines anerkannten Diagnosesystems zweifelsfrei festgestellt werden, wird die Beklagte zu prüfen haben, ob diese nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere des § 12 a SGB VII, möglicherweise auch als Spätschaden, in Zusammenhang mit der Spende stehen. Keinesfalls ist es zulässig konkret diagnostizierte psychische Erkrankungen pauschal als diffuse Befindlichkeitsstörungen ohne Krankheitswert abzutun, sofern diese diagnostisch gesichert sind und einer konkreten ICD 10-Ziffer zugeordnet werden können.

In diesem Zusammenhang wird die Beklagte auch zu differenzieren haben, welche konkreten psychiatrischen Diagnosen nach ICD 10 vor dem Eingriff bestanden haben und welche erst danach aufgetreten sind. Keinesfalls ist es zulässig, allgemein darauf zu verweisen, dass der Kläger sowohl davor als auch danach psychische Probleme gehabt habe. Eine Erkrankung "Psyche" ist weder dem ICD 10 noch dem DSM 4 bekannt. Soweit es sich bei Durchsicht der Akte ergibt, waren vor dem Unfallereignis bei dem Kläger beispielsweise eine "depressive Episode" und eine "somatoforme Schmerzstörung" diagnostiziert worden. Nach dem Spendenereignis haben die behandelnden Fachärzte demgegenüber u.a. eine "chronische Schmerzstörung" diagnostiziert und ein "chronisches Erschöpfungssyndrom" (CFS). Hierbei handelt es sich um jeweils unterschiedliche Diagnosen nach anerkannten Diagnosesystemen, für die jeweils gesondert die Frage zu beantworten ist, ob sie im Vollbeweis festzustellen sind und in einem Zusammenhang mit der Spende nach Maßgabe der dafür vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen stehen, so dass sie gegebenenfalls als Folge des Versicherungsfalls Anerkennung finden müssen.

Sofern die Beklagte regelmäßig auf das Fehlen eines "organisch Korrelat" abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass nicht jede Erkrankung ein organisches Korrelat hat und die Diagnose nach einem der anerkannten Diagnosesysteme auch nicht zwingend ein organisches Korrelat voraussetzt. Dies gilt insbesondere für psychische Erkrankungen.

Abschließend weist das Gericht die Beklagte auf die gesetzliche Zielrichtung der Gesetzesänderung mit Einführung von § 12 a SGB VII im Jahre 2012 hin, die versicherungsrechtliche Absicherung des Organlebensspenders zu verbessern und den Versicherungsschutz auf alle Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit der Spende von Blut und körpereigenen Organen zu erstrecken, ohne dass es grundsätzlich auf den zeitlichen Abstand zwischen der Spende und dem Gesundheitszustand und dem Gesundheitsschaden ankommen sollte (vgl. BT-Drucksache 17/9773, Seite 42).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Sofern die Klägerseite vorliegend die Feststellung konkreter Folgen des Versicherungsfalls beantragt hat und die Gewährung einer Verletztenrente, musste die Klage lediglich deswegen abgewiesen werden, weil zur Überzeugung der Kammer, darüber noch kein überprüfungsfähiger Verwaltungsakt der Beklagten ergangen ist. Im Endeffekt hat dies auf das vorliegende Verfahren aber keine relevanten Auswirkungen gehabt, so dass der Klägerseite zur Überzeugung der Kammer kein kostenrechtlicher Nachteil entstehen soll.
Rechtskraft
Aus
Saved