S 29 AS 3566/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 3566/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 22.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2016 verurteilt, den Klägern höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von August 2016 bis Januar 2017 in Höhe von weiteren 124,45 EUR monatlich zu zahlen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Berücksichtigung höherer Unterkunftskosten bei der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Sie wenden sich dagegen, dass der Beklagte die Unterkunftskosten als unangemessen hoch bewertet und deshalb nicht vollständig berücksichtigt.

Die am 00.00.1964 geborenen Klägerin zu 1) lebt gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem am 00.00.1966 geborenen Kläger zu 2) und den gemeinsamen Kindern, dem am 00.00.1999 geborenen Kläger zu 3) und dem am 00.00.2001 geborenen Kläger zu 4) in einer Wohnung in der G-F-Straße 000 in Solingen. Die Kaltmiete lag bei 577,00 EUR monatlich, die Betriebskostenvorauszahlung bei 126,00 EUR monatlich und die Heizkostenvorauszahlung bei 110,00 EUR monatlich.

Bereits 2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass er der Ansicht sei, die Unterkunftskosten seien unangemessen hoch und forderte die Kläger zur Senkung der Kosten auf.

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 22.07.2016 vorläufig aufstockende Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von August 2016 bis Januar 2017 in Höhe von 1.365,05 EUR unter Anrechnung von ALG I in Höhe von 313,50 EUR und Kindergeld für die Kläger zu 3) und 4). Dabei berücksichtigte der Beklagte eine für angemessen erachtete Bruttokaltmiete in Höhe von 578,55 EUR monatlich nebst der Heizkosten in Höhe von 110,00 EUR monatlich.

Die Kläger erhoben hiergegen mit Schreiben vom 22.08.2016 Widerspruch. Das Konzept des Beklagten zur Ermittlung der angemessenen Miete sei nicht schlüssig. Auch vor dem Hintergrund der Verknappung der Wohnsituation durch den Zuzug von Flüchtlingen sei davon auszugehen, dass die Mietgrenzen nicht ausreichen würden.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2016 zurück. Das Konzept des Beklagten sei schlüssig.

Dagegen haben die Kläger am 16.09.2016 Klage erhoben.

Die Kläger tragen vor, dass höhere Unterkunftskosten zu übernehmen seien. Das Konzept des Beklagten sei nicht schlüssig. Es lägen auch nicht die vollständigen dem Konzept zu Grunde liegenden Rohdaten vor, so dass eine vollständige Prüfung nicht möglich sei.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 22.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2016 zu verurteilen, ihnen höhere Leistungen nach dem SGB II bezüglich der Unterkunftskosten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Unterkunftskosten seien auf das angemessen Maß zu reduzieren. Die Ermittlung der angemessenen Miete durch das Konzept des Beklagten sei nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Kläger sind durch den Bescheid vom 22.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2016 im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Bescheid ist teilweise rechtswidrig. Die Kläger haben einen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II betreffend die Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von August 2016 bis Januar 2017 in Höhe von weiteren 124,45 EUR monatlich.

Die zunächst vorläufig festgesetzten Leistungen geltend als endgültig festgesetzte Leistungen und sind als solche streitig. Ergeht gem. § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung, gelten die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt. Innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums, also bis Januar 2018, erging keine abschließende Entscheidung. Eine Ausnahme nach § 41a Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt nicht vor.

Der Streitgegenstand wurde in zulässigerweise auf die Unterkunftskosten beschränkt (vgl. zur Zulässigkeit der Beschränkung: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R).

Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach §§ 7, 19, 20, 21, 22, 23 SGB II. Sie erfüllen die allgemeinen Voraussetzungen nach § 7 SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die Klägerin zu 1) war im streitigen Zeitraum 52 Jahre alt, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die weiteren Kläger gehören nach § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1).

Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe, mithin 813,00 EUR monatlich anstelle der bisher berücksichtigten 688,55 EUR monatlich.

Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Die tatsächlichen Aufwendungen belaufen sich auf monatlich 703,00 EUR Bruttokaltmiete für den Zeitraum von August 2016 bis Januar 2017 (anstelle der vom Beklagten berücksichtigten 578,55 EUR monatliche Bruttokaltmiete) sowie 110,00 EUR monatliche Heizkostenvorauszahlung. Diese Aufwendungen sind angemessen.

Angemessen sind Aufwendungen, wenn sie eine durch ein schlüssiges Konzept ermittelte abstrakte Angemessenheitsgrenze nicht überschreiten oder – bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts und bei fehlender Nachbesserungsmöglichkeit – wenn sie die Werte der Wohngeldtabelle nebst Sicherheitszuschlag nicht überschreiten.

Ein schlüssiges Konzept liegt nicht vor. Zu prüfen ist das von Analyse und Konzepte erstellte Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft für die Stadt Solingen aus März 2015 unter Berücksichtigung der Fortschreibung des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft für die Stadt Solingen aus Oktober 2016.

Ein schlüssiges Konzept befasst sich mit der Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze. Sie ist nach der sogenannten Produkttheorie durch Multiplikation der abstrakt angemessenen Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter im örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln (BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). Für einen Vier-Personen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist nach Nr. 8.2 der insoweit maßgeblichen (BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 109/11 R) Wohnraumnutzungsbestimmungen eine Wohnfläche von 95 m² abstrakt angemessen. Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis soll den Preis wiedergeben, den ein Leistungsberechtigter auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufwenden muss (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R). Das Bundessozialgericht hat Verfahrensregeln für das methodische Vorgehen zur Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises entwickelt, ohne eine bestimmte Methode der Ermittlung vorzugeben. Es hat Mindestanforderungen an die empirische Ableitung der angemessenen Bruttokaltmiete definiert, die sicherstellen sollen, dass die ermittelten Daten die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes tatsächlich wiedergeben. Die Ermittlung der regional angemessenen Unterkunftskosten muss danach auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statischer Grundsätze erfolgen. Der kommunale Grundsicherungsträger muss im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn gleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall, planmäßig vorgehen (BSG, Urteil vom 16.06.2015, a.a.O. m.w.N.). Schlüssig ist das Konzept, wenn es gewisse Mindestanforderungen hinsichtlich der Datenerhebung und -auswertung sowie der Folgerichtigkeit erfüllt. Es muss ein Vergleichsraum genau eingegrenzt werden. Die Datenerhebung darf ausschließlich in diesem Vergleichsraum erfolgen. Sie muss sich über den gesamten Vergleichsraum erstrecken. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung (Art der Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Vergleichbarkeit, Differenzierung nach Wohnungsgröße). Der Beobachtungszeitraum ist anzugeben. Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel) sind festzulegen. Die Datenerhebung muss valide sein, die einbezogenen Daten müssen repräsentativ sein. Das Konzept muss Angaben zu den gezogenen Schlüssen enthalten (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze). Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze sind bei der Datenauswertung einzuhalten. Es handelt sich um verallgemeinerbare (d.h. nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängige) und entwicklungsoffene Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe, die Raum für die Berücksichtigung regionaler Bedingungen lassen; sie eröffnen dem Grundsicherungsträger eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Methodenfreiheit bei Methodenvielfalt. Bei der Prüfung eines schlüssigen Konzepts sind die mit Wirkung zum 01.04.2011 eingefügten Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu beachten. Denn die Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird durch das Regelungssystem der §§ 22a bis 22c SGB II gesetzlich begrenzt (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 06.10.2017, 1 BvL 2/15; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R).

Das streitige Konzept wählt das gesamte Stadtgebiet Solingen als Vergleichsraum. Es begegnet seitens des Gerichts keinen Bedenken, das gesamte Stadtgebiet Solingen als homogenen Wohn- und Lebensraum zu betrachten.

Der Beobachtungsgegenstand ist definiert. Das Konzept berücksichtigt die Bruttokaltmiete. Dies entspricht dem in der Rechtsprechung vorgegebenen Beobachtungsgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R).

Der Wohnungsstandard als Beobachtungsgegenstand ist definiert. Es soll der gesamte Wohnungsmarkt ermittelt werden und durch einen Bruchteil davon soll das einfache Segment dargestellt werden. Die Datenerhebung erfolgt differenziert nach den Wohnungsgrößen. Dabei wird für jede Wohnungsgrößenklasse (50 qm, 65 qm, 80 qm ...) der Bereich der untersten Grenze bis zur angemessenen Wohnungsgröße festgelegt. Konkret bedeutet dies, dass für 1-Personen-Haushalte die Wohnungsgrößenklasse von 35 qm bis 50 qm gebildet wird, für 2-Personen-Haushalte die Wohnungsgrößenklasse von mehr als 50,00 qm bis 65,00 qm und für größere Wohnungsgrößenklassen entsprechend. Bereits die Einteilung der Wohnungsgrößenklassen ist nicht ausreichend begründet. Anstelle von Wohnung um die 95 qm für 4-Personen-Haushalte soll hier die Wohnungsgrößenklasse von gerade mehr als 80 qm (für 3-Personen-Haushalte angemessen) bis 95 qm maßgeblich für die Bestimmung der angemessenen Kaltmiete pro qm sein. Darauf kommt es jedoch nicht an, da das Konzept bereits aus einem anderen Grund nicht schlüssig ist.

Der Erhebungszeitraum ist für die Bestandsmieten mit dem Zeitraum von Oktober 2014 bis Januar 2015 angegeben. Stichtag ist der 01.10.2014. Der Erhebungszeitraum für die Angebotsmieten ist mit dem Zeitraum von Juli 2014 bis Dezember 2014 angegeben. Die Fortschreibung des Konzepts erfolgte anhand eines Indexes.

Die Art und Weise der Datenerhebung ist festgelegt. Es handelt sich um ein gemischtes Bestandsmieten- und Angebotsmietenkonzept. Erkenntnisquellen für die Bestandsmieten sind Befragungen größerer Vermieter (erste Erhebungsstufe), kleinerer Vermieter, die aus Daten der kommunalen Abfallwirtschaft ermittelt wurden (zweite Erhebungsstufe) und Daten des Beklagten (dritte Erhebungsstufe). Erkenntnisquellen für die Angebotsmiete sind Zeitungen und Internetsuchportale für Immobilien.

Auf der ersten Erhebungsstufe wurde 9.422 Wohnungsdaten gesammelt, auf der zweiten Erhebungsstufe 557 Wohnungsdaten und auf der dritten Erhebungsstufe 4.588 Wohnungsdaten. Prozentual bedeutet dies, dass von den 14.567 Wohnungsdaten etwa 65% von größeren Vermietern stammen, 4 % aus der Mieterbefragung und 31 % aus den Daten von damals aktuellen Leistungsbeziehern beim Beklagten.

Dem Konzept liegen damit keine repräsentativen Daten zu Grunde.

Die Wohnungen, die von Menschen im Leistungsbezug bewohnt werden, stellen im Wesentlichen bereits das einfache Segment dar (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015, B 4 AS 44/14 R). 31% der dem Konzept zu Grunde liegenden Bestandsdaten stammen damit bereits aus dem einfachen Segment.

Die Großvermieter stellen traditionell das einfache und mittlere Wohnungsmarktsegment dar, da Bauvereine und Wohnungsbaugenossenschaften regelmäßig wenige Objekte des gehobenen Wohnungsmarktes umfassen. Sie haben vielmehr den Programmsatz, gut bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu erhalten. Wegen der einfachen Datenbeschaffung bei solchen institutionellen Anbietern besteht die Gefahr der Überrepräsentation. Datensammlungen, bei denen institutionelle Anbieter überrepräsentiert sind, sind nicht geeignet, das Niveau der Mieten realitätsgerecht widerzuspiegeln (vgl. den Hinweis im Forschungsbericht 478 "Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)" zu Angebotsmietdatenbanken, S. 182, https://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/Forschungsberichte/Forschungsberichte-Arbeitsmarkt/fb478-ermittlung-existenzsicherende-bedarfe.html).

Dem entspricht es auch, welche Ziele sich der Spar- und Bauverein Solingen eG mit rund 6900 Wohnungen gesetzt hat. Er stellt sich bezüglich seiner strategischen Ziele u.a. wie folgt dar (https://www.sbv-solingen.de/images/Strategische%20Ziele.pdf, Seite 4): "1. Ziele zum wirtschaftlichen Förderauftrag - Die Versorgung der Mitglieder mit Wohnungen zu angemessenen Preisen und Leistungen ist dauerhaft zu gewährleisten, dabei ist die nachhaltige Vermietbarkeit des Wohnungsbestandes stets sicherzustellen. - Wohnungsneubau, Wohnungsmodernisierungen, Instandhaltungsmaßnahmen und die Wohnungsverwaltung sind nach nachhaltigen wirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführen. Die finanziellen Auswirkungen sind auf die Mietzahlungsfähigkeit der Wohnenden abzustimmen. Ausreichender Wohnraum ist für breite Schichten der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, so dass unter anderem auch einkommensschwache Haushalte weiterhin mit angemessenem Wohnraum versorgt werden können."

Das Gericht zieht daraus den Schluss, dass weitere 65% der Wohnungsdaten überwiegend aus dem einfachen und mittleren Segment stammen. Die Zuordnung zum einfachen bis mittleren Segment wird auch dadurch untermauert, dass bei der 33. Perzentile der Quadratmetermietpreis der großen Vermieter sogar noch unterhalb des aus den Daten der damals aktuellen Leistungsbezieher ermittelten Quadratmetermietpreises liegt.

Nur weil eine Datensammlung deutlich mehr als 10% des Wohnungsmarktes umfasst, bedeutet dies nicht, dass damit der gesamte Wohnungsmarkt abgebildet ist (in diesem Sinne auch: Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.08.2019, L 4 AS 474/17, Rn. 47). Soweit 31% der Datensätze aus dem einfachen Segment stammen und weitere 65% aus dem einfachen bis mittleren Segment, zeigt sich, dass keinesfalls ein repräsentatives Bild des gesamten Wohnungsmarktes dargestellt ist, sondern ein verzerrtes Bild. Es ist im Rahmen der Methodenfreiheit zwar weder verboten, Daten von institutionellen Vermietern zu verwenden, noch Daten aus öffentlich gefördertem Wohnraum zu nehmen, noch Daten vom Jobcenter selbst. Eine solche unproportionierte Datensammlung widerspricht jedoch im Grundsatz dem eigenen Konzept, dessen Anspruch und Ziel es ist, den gesamten Wohnungsmarkt darzustellen und als Teil davon das einfache Segment zu ermitteln.

Der Beklagte argumentiert, dass ein Vergleich der verschiedenen Datensätze zeige, dass diese relativ nah beieinander verlaufen würden und daher keine Verzerrung vorliege. Die Datenkurven zu den einzelnen Erhebungsstufen zeigen bei der 33. Perzentile, dass die großen Vermieter 0,28 EUR pro qm günstiger sind als die privaten Vermieter und 0,05 EUR günstiger als die Daten des Beklagten (wobei die Daten der großen Vermieter auf der dritten Erhebungsstufe bereits herausgefiltert wurden). Bei einem Vier-Personen-Haushalt zeigt sich zwischen den Erhebungsstufen ein maximaler Unterschied in Höhe von 26,60 EUR (95 qm * 0,28 EUR). Damit liegen die Daten zwar näher aneinander als etwa in Neuss oder Remscheid. Allerdings erscheint ein Vergleich zwischen den Erhebungsstufen ohnehin wenig sinnvoll. Denn keine der drei Datenquellen ist für sich genommen repräsentativ, die zweite Erhebungsstufe schon nicht aufgrund ihrer geringen Fallzahl. Der Vergleich der drei Datenquellen erschafft aus den drei nicht repräsentativen Quellen nicht eine repräsentative Quelle. Auch wenn die Daten der ersten und dritten Erhebungsstufe nahe an den Daten der zweiten Erhebungsstufe liegen, lässt dies nicht den hinreichend sicheren Schluss zu, dass es tatsächlich in der Grundgesamtheit der Mietwohnungen keinen noch erheblicheren Unterschied zwischen den Erhebungsstufen geben würde.

Da nicht schlüssig dargelegt ist, dass die Daten des Wohnungsmarkts repräsentativ erhoben wurden, stellt sich die Frage, ob eine verzerrte Darstellung des Wohnungsmarktes durch die Wahl einer geeigneten Kappungsgrenze ausgeglichen werden kann.

Das Konzept des Beklagten geht im Grundsatz davon aus, dass die Kappungsgrenze dem Anteil der Nachfragegruppe an preisgünstigem Wohnraum als prozentualer Anteil an der Bevölkerung entspricht. Leistungsbezieher beim Jobcenter, beim Sozialhilfeträger, Wohngeldempfänger, Studenten und Niedrigeinkommensbezieher würden um günstige Wohnungen des einfachen Segments konkurrieren. Der Beklagte bildet den Anteil der Nachfragegruppe zum Teil aus vorhandenen statistischen Daten, zum Teil greift der Beklagte auf Schätzungen zurück. Für einen 4-Personenhaushalt schätzt der Beklagte den Anteil der Nachfragegruppen an der Gesamtbevölkerung auf 24%. In wie weit die Schätzung belastbar sei, kann offen gelassen werden. Denn der Beklagte belässt es nicht bei der Bestimmung des Anteils der Nachfragegruppen zur Festsetzung der Kappungsgrenze, sondern berücksichtigt die Angebotsmieten. Der Beklagte wendet ein sog. iteratives Verfahren an, bei dem er prüft, ob auf dem aktuellen Wohnmarkt Wohnungen verfügbar sind zu den vorläufig aus den Bestandsmieten und dem Anteil der Nachfragegruppen ermittelten Angemessenheitsgrenzen. Die Kappungsgrenze wird solange erhöht, bis nach Ansicht des Beklagten genug Wohnungsangebote verfügbar seien.

Der Beklagte hat die Kappungsgrenze letztlich auf die 33. Perzentile erhöht, um nach seiner Ansicht abstrakt ausreichend verfügbare Wohnungen nachweisen zu können.

Das Gericht ist der Ansicht, dass die Wahl der Kappungsgrenze bei der 33. Perzentile nicht ausreicht, um die verzerrte Darstellung des Wohnungsmarktes auszugleichen. Allein der Umstand, dass bereits 31% der Daten aus dem damals aktuellen Leistungsbezug stammen und weitere 65% der Daten von institutionellen Anbietern stammen, die eine überdurchschnittlich günstige Angebots- und Kostenstruktur aufweisen, die bei der 33. Perzentile sogar noch unter den Daten des Leistungsbezugs liegen, lassen hinreichend daran zweifeln, dass 2/3 aller Datensätze für das einfache Segment unangemessen teuer sein sollten. Bezogen auf die Netto-Kaltmieten liegen 41% der Datensätze der damals aktuellen Leistungsbezieher oberhalb der Kappungsgrenze. Der Umstand, dass rund 41% der Wohnungen im damaligen Leistungsbezug nach dem Konzept des Beklagten eine unangemessen teure Kaltmiete aufweisen sollen, ist angesichts dessen, dass die Daten der Leistungsempfänger bereits das untere Wohnsegment abbilden, bedenklich. Es trifft zwar zu, dass es theoretisch möglich ist, dass 41% der damaligen Leistungsempfänger unangemessen teure Kaltmieten zahlten. Ein solcher Wert sollte jedoch Anlass geben, an der bisher ermittelten Angemessenheitsgrenze zu zweifeln. Das Ergebnis wird auch nicht dadurch unzweifelhaft, dass es sein kann, dass mehrere Personen im damaligen Leistungsbezug zusammen eine zu kleine Wohnung bewohnen, die dann aber einen höheren qm-Preis hat.

Die ermittelten Angebotsmieten können die Wahl der 33. Perzentile als Kappungsgrenze auch nicht plausibilisieren.

Nach Tabelle 11 des Konzepts waren für einen 4-Personen-Haushalt nur 18 von 114 Wohnungen (etwa 15%) im Hinblick auf die Nettokaltmiete pro qm angemessen. Das bedeutet, dass innerhalb von 6 Monaten nur 18 angemessene Quadratmeternettokaltmietangebote öffentlich inseriert waren für eine unbekannte Anzahl an Leistungsempfängern und sonstigen Nachfragern. Zwar werden bekanntermaßen nicht alle Wohnungsangebote öffentlich inseriert. Gleichwohl ist erst recht nicht bekannt, wie viele 4-Personen-Haushalte eine neue Wohnung suchen. Weder ist bekannt, wie viele Leistungsbezieher zur Kostensenkung aufgefordert wurden und deshalb eine neue Wohnung suchen oder bei wie vielen Leistungsbeziehern bereits nur eine wegen Kostenunangemessenheit abgesenkte Miete berücksichtigt wird, noch, wie viele sonstige Nachfrager es gibt. Ohne belastbare Daten zur Nachfrageseite kann nicht überprüft werden, ob die wenigen am Markt vorhandenen Angebote von vornherein ausreichen. Doch selbst wenn die Daten vorlägen und für jeden von der Kostensenkung Betroffenen in angemessener Zeit eine verfügbare Wohnung am Markt vorhanden gewesen wäre, würde das nicht für ein schlüssiges Konzept ausreichen. Es muss zuerst eine schlüssige angemessene Miete ermittelt werden. Jedem Betroffenen mit gesenkten Kosten eine verfügbare Wohnung nachzuweisen und damit die Senkung zu legitimieren, entspräche nicht einem planmäßig Vorgehen, wie es für das schlüssige Konzept notwendig ist.

Soweit nach Tab. 12 39 % der Angebote unter den angemessenen Bruttokaltmietwert für 4- Personen-Haushalte fallen sollen, sei darauf hingewiesen, dass die Bildung der Wohnungsgrößenklassen die Anzahl der anmietbaren Angebote verzerrt. Zu den 39% der Angebote zu angemessenen Bruttokaltmietwerten dürften auch solche Angebote zählen, die nur geringfügig größer sind, als es für 3 Personen angemessen wäre (80 qm), und sich nur aufgrund ihrer geringeren Größe noch im Angemessenheitsrahmen befinden (zur Bildung der Wohnungsgrößenklassen s.o.). Es erscheint unwahrscheinlich, dass Leistungsempfänger die für sie als angemessen erachtete qm-Zahl regelhaft ausschöpfen können, sondern vielmehr, dass sie regelhaft kleinere Wohnungen anmieten müssen, um überhaupt innerhalb der Angemessenheitsgrenze zu bleiben. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, dass 773 mal im streitigen Zeitraum eine Zustimmung zur Wohnungsanmietung erteilt worden sei, lässt sich daraus auch nicht der Schluss ziehen, dass die Kappungsgrenze zutreffend gewählt worden sei. Unabhängig davon, dass nicht bekannt ist, wie oft dieselben Wohnungen von mehreren Suchenden zur Zustimmung vorgelegt worden sind und ebenfalls nicht bekannt ist, wie viele 4-Personen-Haushalte eine Zustimmung erhalten haben, ist schon nicht bekannt, ob nicht ein erheblicher Anteil der Betroffenen auf kleinere Wohnungen zurückgreifen musste, um eine Zustimmung erhalten zu können.

Da bereits das Grundkonzept nicht schlüssig ist, kommt es nicht darauf an, ob die Indexfortschreibung Oktober 2016 korrekt erfolgte. Eine Nachbesserung des Konzepts scheidet aus, da keine repräsentativen Bestandsmieten erhoben worden sind oder auf andere Weise verfügbar wären. Es liegt somit ein Erkenntnisausfall vor. Im Falle eines Erkenntnisausfalls sind zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) nebst Sicherheitszuschlag in Höhe von 10% im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R m.w.N.).

Für die Stadt Solingen war im streitigen Zeitraum die Mietstufe IV zu berücksichtigen. Für vier Personen lag die Bruttokaltmietobergrenze daher bereits ohne Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags bei 730,00 EUR monatlich (mit Sicherheitszuschlag in Höhe von 10% wären es 803,00 EUR bruttokalt). Damit überschreiten die tatsächlichen Bruttokaltmietkosten des Klägers in Höhe von 703,00 EUR die hilfsweise anzuwendenden Werte der Wohngeldtabelle nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Die Berufung bedarf gem. § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Differenz zwischen bereits berücksichtigter und tatsächlicher Warmmiete beträgt 124,45 EUR monatlich, mithin 746,70 EUR für die sechs streitigen Monate. Vorliegend übersteigt der Wert der Beschwer daher 750,00 EUR nicht. Es sind auch keine laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen.

Die Berufung ist gem. § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Eine grundsätzliche Bedeutung sieht die erkennende Kammer nicht. Die rechtlichen Anforderungen an ein schlüssiges Konzept sind höchstrichterlich geklärt und wurden von der Kammer zu Grunde gelegt. Es liegt auch keine Divergenz vor. Der Umstand, dass eine Entscheidung der 12. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf (Urteil vom 16.08.2017, S 12 AS 4887/15) das Konzept des Beklagten als schlüssig angesehen hat und dagegen beim Landessozialgericht NRW eine Berufung anhängig ist, begründet keine Divergenz im Sinne des § 144 SGG. Denn nur eine abweichende Entscheidung des Landessozialgerichts NRW oder des Bundessozialgerichts wäre geeignet, eine Divergenz zu begründen. Zudem hat sich die 12. Kammer nicht damit auseinandergesetzt, dass die Daten aus den verschiedenen Erhebungsstufen disproportional verteilt sind. Denn die Verteilung der Daten lässt sich dem Konzept nicht entnehmen. Die Angaben musste von der Kammer erst angefordert werden.
Rechtskraft
Aus
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