S 83 KA 166/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
83
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 166/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KA 52/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Rechtmäßigkeit der Nachvergütung für die Notfallbehandlung im Krankenhaus nach erfolgter Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) hinsichtlich der Quartale III/2007 und IV/2007.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2017 bleibt unberührt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Nachvergütung für die Notfallbehandlung nach erfolgter Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstaben (EBM) hinsichtlich der Quartale III/2007 und IV/2007.

Die Klägerin nahm in den streitgegenständlichen Quartalen im Rahmen der Erbringung von Erste-Hilfe-Leistungen im Verwaltungsbezirk N. an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Gegen die Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III/2007 und IV/2007 legte die Klägerin Widerspruch ein. Neben anderen, nicht mehr streitgegenständlichen Punkten, rügte sie dabei insbesondere die Höhe der Vergütung der Notfallleistungen.

Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des BSG 17.09.2008 (B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R) änderte der Bewertungsausschuss (BewA) mit Beschluss vom 16.12.2009 u.u. die Bewertung der Abrechnungsziffer GOP 01218 für die Notfallbehandlungen rückwirkend wie folgt:

EBM-Nummer Zeitpunkt der Inanspruchnahme Bewertung in Punkten vorher Bewertung in Punkten nachher 01218 Montag bis Freitag in der Zeit zwischen 07:00 Uhr und 18:59 Uhr 200 Punkte 200 Punkte 01218 Montag bis Freitag in der Zeit zwischen 19:00 Uhr und 06:59 Uhr 200 Punkte 500 Punkte 01218 Samstag, Sonntag, gesetzliche Feiertage, 24.12 und 31.12 (ganztätig) 200 Punkte 500 Punkte

Infolge des Beschlusses forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine korrigierte Abrechnung mit den entsprechenden Angaben hinsichtlich der Uhrzeiten einzureichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2017 gab die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Honorarfestsetzungsbescheide teilweise statt und beschied, dass bezogen auf die Notfallbehandlungen für das Quartal III/2007 eine Nachvergütung i.H.v. 2.377,32 Euro und für das Quartal IV/2007 eine Nachvergütung i.H.v. 2.451,12 Euro zu erfolgen habe. Im Übrigen werde der Widerspruch zurückgewiesen. Vor dem Hintergrund der eingereichten Unterlagen durch die Klägerin ergäbe sich eine Nachvergütung i.H.v. 8.274,87 Euro für das Quartal III/2007 und i.H.v. 8.701,74 für das Quartal IV/2007. Dabei sei der rückwirkend geänderte Honorarverteilungsmaßstab (HVM) vom 27.03.2014 zugrunde zu legen, wonach die Leistungen unbudegtiert zum RLV-Punktwert i.H.v. 2.97 Cent für Primärkassen und i.H.v. 3,59 Cent für Ersatzkassen zu vergüten seien. Die Klägerin könne jedoch die Nachzahlungsbeträge nicht in voller Höhe erhalten. Maßgebend hierfür sei, dass die ursprünglichen Honorarfestsetzungen rechtswidrig seien, da diese nicht den nach § 120 Abs. 3 S. 2 SGB V vorgeschriebenen Investitionskostenabschlag von 10 % berücksichtigt hätten, bzw. dessen Höhe nicht vom Gesamthonorar abgezogen worden sei. Die Klägerin habe also ihre originäre Honorarfeststetzung ungeschmälert, ohne Berücksichtigung des Abzuges eines Investitionskostenabschlages erhalten. Die Berechnung der Nachvergütung (NV) abzüglich des Investitionskostenabschlages stelle sich wie folgt dar:

Quartal Honorar (brutto) Honorar-bescheid Nach- vergütung brutto Honorar (brutto) neu Abzugl. 10 % Investitions-kostenabschl Verw.-kosten von NV (brutto) NV (netto) NV (brutto) III/ 2007 128.857,12 EUR 21.813,08 EUR 150.670,02 EUR 15.067,02 EUR 458,07 EUR 6.287,99 EUR 6.746,06 EUR IV/ 2007 158.419,77 EUR 29.722,52 EUR 188.142,29 EUR 18.814,23 EUR 564,73 EUR 10.343,56 EUR 10.908,29 EUR

Die Beklagte sei berechtigt, den im Ausgangshonorarbescheid rechtswidrig nicht abgezogenen Investitionskostenabschlag nunmehr abzuziehen. Dieses Vorgehen sei durch die Rechtsprechung des BSG gedeckt. Das BSG habe in seinem Urteil vom 17.03.2010 (Az. B 6 KA 13/09 R) eine Prüfung und Aufrechnung trotz Überschreitens einer vierjährigen Frist zugelassen, da es den gleichen Sachverhalt betreffe. Weder die Bestandskraft der angefochtenen Bescheide noch der Ablauf der Ausschlussfrist von vier Jahren für die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarabrechnung hinderten die Beklagten an einer Überprüfung. Es müsse lediglich das Verbot der reformatio in peius beachtet werden. Gleichermaßen habe das BSG mit Urteil vom 25.03.2015 (Az. B 6 KA 22/14 R) festgestellt, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn eine ursprünglich nicht angewandte Punktzahlobergrenze im Rahmen eines Nachvergütungsanspruchs nunmehr berücksichtigt werde und damit den Nachvergütungsanspruch verringere, da es auf eine Gesamtbetrachtung ankomme und im Ergebnis keine Schlechterstellung erfolgen dürfe. Die Beklagte habe in den Ausgangshonorarbescheiden keine ausdrückliche Regelunge dahingehend erlassen, dass die Notfallleistungen ohne Abzug eines Investitionskostenabschlages nach § 120 Abs. 3 SGB V vergütet werden sollten. Bei dem Nichtabzug des Investitionskostenabschlages handele sich nicht um einen bestandskräftig gewordenen, abtrennbaren Teil des Honorarbescheides. Auch der Grundsatz der reformatio in peius sei nicht verletzt. Eine Gesamtbetrachtung mit einer Saldierung der Honoraransprüche über mehrere Quartale sei nicht erfolgt, weil für jedes Quartal gesonderte Ausgangsbescheide mit eigenständigen Verfügungssätzen ergangen seien und die Klägerin in den einzelnen Quartalen nicht schlechter gestellt worden sei.

Am 29.06.2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Beklagte habe die sich aus dem Beschluss des BewA vom 16.12.2009 ergebenden Nachvergütung für die Notfallbehandlungen rechtswidrig zu niedrig angesetzt. Insbesondere sei ein zu geringer Punktwert je Behandlung angesetzt worden. Die Beklagte hätte einen Punktwert i.H.v. 4,15 Punkten zugrunde legen müssen. Dieser ergebe sich aus dem damals gültigen Honorarvertrag. Die Beklagte sei nicht berechtigt, im Rahmen der Nachvergütung der Notfallbehandlung die wesentlich niedrigeren Punktwerte zugrunde zu legen, die sich aus dem rückwirkend beschlossenen Honorarvertrag vom 27.03.2014 ergäben. Erstens ergebe sich dies daraus, dass nach § 8 Abs. 4 Unterpunkt 3 des HVM u.a. das Honorar für die Erste-Hilfe-Stellen vorab abgezogen werden müsse. Dieses Honorar werde nicht Teil einer sog. flexiblen und zulässigerweise variablen Vergütung. Dieser Vorwergabzug gelte unabhängig davon, ob die Erste-Hilfe-Stellen durch die Beklagte oder durch Krankenhäuser betrieben werde. Zur Finanzierung eventueller nachträglicher Zahlungen habe § 11 HVV einen "Honorarausgleichsfonds" (Rückstellungen) vorgesehen. Zweiten ergebe sich aus der Entscheidung des BSG, dass die Notfallbehandlungen in Krankenhäusern rückwirkend in jeder Hinsicht genauso hoch vergütet werden müssten, wie Notfallbehandlungen, die damals von anderen Leistungsträgern erbracht worden seien. Andernfalls liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor. Diese Auffassung werde auch durch die Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg (Verweis auf Urteil vom 14.11.2012, Az. L 9 KA 25/11) bestätigt: Eine nachträgliche Änderung des Punktwertes sei rechtswidrig, wenn und soweit sie zur Ungleichbehandlung/Entwertung einer an sich unstreitig bestehenden, rückwirkend nachzuzahlenden Honorarforderung führe. Drittens hätte eine nachträgliche Änderung des Punktwertes, selbst wenn man sie als eine bloße rechnerische "Berichtigung" ansehe, innerhalb von vier Jahren nach Erlass des Honorarbescheides erfolgen müssen. Diese Frist sei vorliegend nicht eingehalten worden.

Die Nachvergütung sei aber auch deshalb zu niedrig, weil die Beklagte nicht nur von dem Nachvergütungsbetrag, sondern von dem Gesamten Honorar, d.h. auch von den Honoraren, die längst schon für das Jahr 2007 festgesetzt und ausgezahlt worden seien, den zehnprozentigen Investitionskostenabschlag abgezogen habe. Das Vorgehen der Beklagten sei schon in formaler Hinsicht rechtswidrig. Der Widerspruch gegen den Honorarfestsetzungsbescheid habe sich allein darauf bezogen, dass die Beklagte die abgerechneten Notfallziffern GOP Nrn. 01210, 01215, 01216 und 01217 EBM gestrichen und diese Positionen durch die GOP Nr. 01218 EBM ersetzt hatte. Die sonstigen Honorarfestsetzungen in den Honorarbescheiden seien nicht mit dem Widerspruch angegriffen worden und deshalb bestandskräftig. Streitgegenstand des vorliegenden Widerspruchs- und Klageverfahrens seien nur die in der "Anlage" zum Zurückbehaltungsrecht betroffenen Anordnungen (Einbehalte) sowie die fehlerhaft zu geringen Honorare bezüglich der Notfallbehandlungen. Eine Beschränkung des Rechtsbehelfs sein unzweifelhaft möglich (Verweis auf BSG, Urteil vom 23.02.2005, Az. B 6 KA 77/03 R). Im Übrigen sei auch hier die vierjährige Ausschlussfrist überschritten. Aber selbst wenn man die von der Beklagten vorgenommene Neuberechnung formal für zulässig halte, sei die dadurch erfolgte Schlechterstellung materiell rechtswidrig. Das Vorgehen der Beklagten sei als sog. echte reformatio in peius unter Anwendung der dafür geltenden Maßstäbe der §§ 45 ff. SGB X unzulässig. Die rückwirkende Neufestsetzung komme einer (Teil-)Rücknahme gleich. Diese sei nur in Ausnahmefällen bei begünstigenden Verwaltungsakten zulässig. Ein solcher Fall sei hier jedoch nicht gegeben.

Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte, die Vergütung für die Notfallbehandlung rückwirkend auf 18.374,20 Euro (Quartal III/2007) und auf 62.037,59 Euro (Quartal IV/2007) festzusetzen, beantragt sie nunmehr,

die Honorarfestsetzungsbescheide der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2017 zu Tagebuchnummern 23114-08 und 35974-08 – V. Klinikum N., Standort P. – für die Quartal III/2007 und IV/2007 werden insoweit aufgehoben und teilweise neu gefasst, als die Beklagte verpflichtet wird, an die Klägerin eine weitere Vergütung der Notfallbehandlungen innerhalb der Zeiten des organisierten Notfalldienstes für das Quartal III/2007 in Höhe von 26.518,49 Euro (netto) und für das Quartal IV/2007 i.H.v. 34.059,17 Euro (netto) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbeingen im Widerspruchsbescheid. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es der Beklagten nicht verwehrt gewesen, für die Neuberechnungen einen anderen Punktwert anzusetzen, als den seinerzeit gültigen Punktwert i.H.v. 4,15 Cent. Es sei ihr lediglich nach dem Urteil des BSG verwehrt gewesen, Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen von Krankenhäusern anders zu vergüten als Notfallleistungen, die Vertragsärzte im organisierten Notfalldienst abgerechnet hätten. Hieran habe sie sich gehalten. Die Vergütung der Leistungen im organisierten Notfalldienst erfolgten gemäß § 8 Buchst. a Abs. 6 und 8 Buchst. b Abs. 9 bzw. 15 Abs. 2 des neugefassten HVM ebenfalls unbudgetiert außerhalb des RLV zu einem Punktwert i.H.v. 2,97 Cent im Primärkassenbereich und 3,59 Cent im Ersatzkassenbereich. Anders als in dem Fall, der der Entscheidung des LSG, die von der Klägerin zitiert werde, zugrunde gelegen habe, habe die Beklagte keinerlei Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielt, die Punktwerte in dem neugefassten HVM so niedrig zu halten, dass die insgesamt anstehenden Nachvergütungen in irgendeiner Weise abgewertet würden. Vielmehr habe das BSG unter anderem durch Urteil vom 14.12.2011 (B 6 KA 6/11 R) entschieden, dass die Honorarverteilungssystematik auf Basis von Individualbudgets ab dem Quartal II/2005 rechtswidrig gewesen sei. Die rechtswidrigen Regelungen im ursprünglichen HVM für den hier streitigen Zeitraum hätten daher geändert werden müssen, was zur Neufassung des HVM geführt habe. Die Beklagte könne kein Recht anwenden, dessen Rechtswidrigkeit im Zeitpunkt ihrer Entscheidung bereits festgestanden habe. Sie habe daher bei der Entscheidung über die Nachvergütung die geänderte Rechtslage zu berücksichtigen und den neugefassten HVM anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG seien im Übrigen Ausnahmen vom Rückwirkungsverbot anerkannt, u.a. wenn eine gerichtlich als rechtswidrig angesehene Regelung durch eine neue ersetzt werde. Vorliegend sei ein solcher Fall gegeben.

Auch der Investitionskostenabschlag habe nachträglich auf die gesamte Honorarforderung berechnet werden können. Das BSG habe in seinem Urteil vom 17.03.2010 (B 6 KA 13/09 R) eine nachträgliche Prüfung trotz Überschreitung der vierjährigen Ausschlussfrist zugelassen und ausgeführt, dass die Bestandskraft der angefochtenen Bescheide dem nicht entgegenstehe. Es sei vielmehr nur das Verbot der reformatio in peius zu beachten. Der Beklagten könne der Ablauf der Vierjahresfrist deshalb nicht entgegengehalten werden, weil in der vorliegend erforderlichen Neubescheidung kein neues Vorgehen gegen die Klägerin liege. Vielmehr stelle die Neubescheidung nur eine Nachbesserung der bisherigen Maßnahme in modifizierter Form dar. Als Maßnahme in diesem Sinne sei die Festsetzung des Honorars der Klägerin für die ambulante Notfallbehandlung anzusehen. Diese Maßnahme sei von der Klägerin mit einem Rechtsmittel angegriffen worden und habe daher von der Beklagten insoweit nachgebessert werden dürfen, als sie Nachbesserung insgesamt nicht zu einer Schlechterstellung der Klägerin geführt habe, was vorliegend beachtet worden sei. Der Honoraranspruch der Klägerin habe sich durch die nachträgliche Neufestsetzung unter Berücksichtigung des Investitionskostenabschlages insgesamt erhöht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte und die Sitzungsniederschrift der Sitzung vom 28.08.209 verwiesen.

Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2019 mit einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung geworden ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 S. 2 SGG).

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Die Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III/2007 und I/2007 sind in der Fassung des teilweise stattgebenden Widerspruchsbescheids vom 16.05.2017 rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung der in der Notfallambulanz erbrachten Leistungen.

Die Beklagte hat der Klägerin die in der Notfallambulanz erbrachten Leistungen entsprechend den Vorgaben des BewA vergütet (vgl. hierzu unter 1.). Dabei hat sie durch die Zugrundelegung des Punktwertes i.H.v. 2.97 Cent für Primärkassen und i.H.v. 3,59 Cent für Ersatzkassen auch nicht das vom BSG in dem Urteil vom 17.09.2008 (B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R) vorgegebene Verbot der Ungleichbehandlung missachtet (vgl. hierzu unter 2.). Sie war zudem berechtigt, den Investitionskostenabschlag insgesamt abzuziehen (vgl. hierzu unter 3.).

1.) Nach der Feststellung der Rechtswidrigkeit der ursprünglich im streitbefangenen Zeitraum geltenden Abrechnungspositionen des EBM-Ä a.F. durch das BSG (BSG, Urteil vom 17. September 2008 – B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R) hat der BewA mit Beschluss vom 16.12.2009 die Bewertung der Abrechnungsziffer GOP 01218 für die Notfallbehandlungen rückwirkend geändert und eine Anpassung der Bewertung in Punkten auch für die hier streitgegenständlichen Quartale vorgenommen. Die Rechtsmäßigkeit des Beschlusses des BewA vom 16.12.2009 steht nicht im Streit.

Bei der dann nach Maßgabe des Beschlusses vom 16.12.2009 erfolgten Nachvergütung hat die Beklagte nicht den damals im Jahr 2007 angewandten Punktwert i.H.v. 4,15 Cent zugrunde gelegt, sondern den geänderten Punktwert i.H.v. 2,97 Cent für Primärkassen und i.H.v. 3,59 Cent für Ersatzkassen angewandt. Dieses Vorgehen war nach Auffassung der Kammer vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich gerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit der Individualbudgets nicht zu beanstanden.

Die in Notfällen von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachten ambulanten Notfallleistungen werden im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und sind aus der Gesamtvergütung zu honorieren (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2012 – B 6 KA 3/12 R, Rn. 27 m.w.N.). Die Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs für Nichtvertragsärzte und Krankenhäuser ergibt sich dem Grunde und der Höhe nach aus den Vorschriften des Vertragsarztrechts über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen. Aus der Zuordnung dieser Notfallleistungen zur vertragsärztlichen Versorgung folgt, dass sich die Honorierung dieser Behandlungen nach den Grundsätzen richtet, die für die Leistungen der Vertragsärzte und der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Personen und Institutionen gelten (vgl. BSG, Urteil vom 03. April 2019 – B 6 KA 67/17 R, Rn. 16). Die Beklagte hat sich also an die Vorgaben des HVM zu halten.

Nach dem die bislang (auch im Jahr 2007) der vertragsärztlichen Vergütung zugrunde gelegten Indvidualbudgets gerichtlich für rechtswidrig erklärt worden waren (vgl. für Berlin Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. November 2011 – L 7 KA 40/08; für NRW z.B. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 – B 6 KA 6/11 R) änderte die Beklagte rückwirkend den HVM, auch für die Quartale im Jahr 2007. Im HVM vom 27.03.2014 war nunmehr in § 8 Abs. 4c geregelt, dass die Vergütung der Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen im Rahmen des Vorwegabzuges unbudgetiert zum RLV-Punktwert zu vergüten sind. Dieser betrug im Primärkassenbereich 2,97 Cent und im Ersatzkassenbereich 3,59 Cent.

Der alte HVM 2007 hatte in § 8 Abs. 4 vorgesehen, dass aus dem pauschalierten Verteilungsbetrag vorweg abzuziehen sind: "Vergütung der Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen. Dazu ist die mitgliederbereinigte und die vertraglich vereinbarte prozentuale Veränderung der pauschalierten Gesamtvergütung zur Verfügung zu stellen, die im entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zur Verfügung gestanden hat. Der Auszahlungspunktwert ergibt sich durch die Division der o.g. Geldmenge durch die Anzahl der von den Erste-Hilfe-Stellen angeforderten Punkte. Als oberer Interventionspunktwert wird der in § 9 Abs. 1 genannte Individualpunktwert festgelegt. Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird der pauschalierten Gesamtvergütung zugeführt". Nach § 9 Abs. 1 des HVM 2007 a.F. verständigten sich die Vertragspartner auf einen Individualpunktwert i.H.v. 4,15 Cent. Zu diesem Punktwert wurden im Quartal III/2007 und im Quartal IV/2007 die Notfallleistungen vergütet.

Die durch den neuen HVM geregelten rückwirkenden Veränderungen stellen eine echte Rückwirkung dar. Als Satzung wirkt der HVM unmittelbar gegenüber den beteiligten Leistungserbringern normativ. Das ergibt sich insbesondere im Verhältnis zu den Leistungserbringern daraus, dass er nach dem in § 87b Abs. 1 und 2 SGB V zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers unmittelbar verbindliche Regeln über ihren Vergütungsanspruch trifft. Der HVM wird erst mit Veröffentlichung wirksam und darf grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft in Kraft gesetzt werden. Änderungen von HVM-Regelungen für noch nicht abgerechnete Quartale stellen im Regelfall nur einen Eingriff in noch nicht abgeschlossene Sachverhalte dar, sind also in Anwendung der Grundsätze über unechte Rückwirkungen bzw. tatbestandliche Rückanknüpfungen bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe im Verhältnis zum Vertrauensschaden rechtmäßig (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 24. September 2003 – B 6 KA 41/02 R, Rn. 18, m.w.N.). Erfolgt die Änderung erst nachdem die Vertragsarzte die Quartalsabrechnung vorgenommen haben, ist dagegen von einer echten Rückwirkung auszugehen. Eine echte Rückwirkung von Gesetzen ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl. u.a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. April 2015 – 1 BvR 2314/12, Rn. 13, m.w.N.). Das BSG hat sich diesbezüglich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG wie folgt geäußert: "Echte Rückwirkungen und die Rückbewirkung von Rechtsfolgen sind nur ausnahmsweise rechtmäßig. In der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG ist dies dann in Betracht gezogen worden, wenn die bisherige Rechtslage unklar, verworren oder lückenhaft war und der Gesetzgeber lediglich eine Klarstellung vorgenommen hat, wenn eine gerichtlich als rechtswidrig angesehene Regelung durch eine neue ersetzt wird, wenn der Bürger nicht mit dem Fortbestand der Regelung rechnen konnte, wenn überragende Belange des Gemeinwohls deren Beseitigung erforderlich machen oder wenn die Neuregelung nur einen marginalen Eingriff bedeutet (BVerfGE 13, 261, 271 f; 72, 200, 258-261; 88, 384, 404; 95, 64, 87; 97, 67, 79 f, 81 ff; 98, 17, 39; 101, 239, 263 f, 266, 268; BSGE 81, 86, 96 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 91 f)" (BSG, Urteil vom 24. September 2003 – B 6 KA 41/02 R, Rn. 21). Obgleich es in einer aktuelleren Entscheidung den Gesichtspunkt Ersetzung einer gerichtlich als rechtswidrig angesehenen Regelung durch eine neue nicht mehr nennt (BSG, Urteil vom 26. Juni 2019 – B 6 KA 8/18 R, Rn. 22), geht die Kammer davon aus, dass vorliegend aufgrund dieser Fallkonstellation ausnahmsweise die echte Rückwirkung nicht rechtswidrig war. Die Fallgruppen der Ausnahmen vom Verbot der echten Rückwirkung sind nicht abschließend (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08, Rn. 64).

Der HVM, der bislang für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen Individualbudgets vorgesehen hatte, war gerichtlich für rechtswidrig erklärt worden. Die Beklagte war verpflichtet, einen neuen HVM mit einem rechtmäßigen Verteilungsmechanismus zu erlassen. Alle noch nicht bestandskräftig beschiedenen Honoraransprüche der Vertragsärzte und der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Einrichtungen wurde in der Folge nach Maßgabe des neuen HVM i.d.F. vom 27.03.2014 beschieden. Auch über das Honorar der Klägerin hinsichtlich der Erbringung der Notfallleistungen war noch nicht bestandskräftig entschieden worden. Diese Leistungen waren bislang ebenfalls auf der Grundlage eines rechtwidrigen HVM vergütet worden. Zwar wurden die Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen im Rahmen des Vorwegabzuges vergütet und standen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Individualbudgets. Jedoch war die Berechnung der Vergütung nach § 8 Abs. 4 HVM a.F. in das System der sich als rechtswidrig herausstellenden Individualbudgets eingebettet, was sich nicht zuletzt an der Deckelung durch den Individualbudgetpunktwert nach § 9 HVM a.F. zeigt. Es liegt auch kein dem Sachverhalt der Entscheidung des BSG aus dem Jahr 2003 (BSG, Urteil vom 24. September 2003 – B 6 KA 41/02 R) vergleichbarer Fall zugrunde. Dort ging es um einen garantierten Mindestpunktwert, der rückwirkend geändert wurde. Vorliegend war kein Mindestpunktwert garantiert, vielmehr war nur ein oberer Maximalpunktwert festgelegt worden.

2.) Die Beklagte verstößt auch nicht gegen das vom BSG vorgegebene Verbot der Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), indem sie den neuen HVM und damit niedrigere Punktwerte zugrunde legt.

Das BSG hatte in der Entscheidung, die zu dem Beschluss des BewA vom 16.12.2009 führt, die "unterschiedliche (Punkte-)Bewertung ambulanter Notfallbehandlungen" beanstandet (BSG, Urteil vom 17. September 2008 – B 6 KA 46/07 R, Rn. 22). Diese Unterschiede sind behoben worden. Die einschlägigen Leistungen werden nunmehr einheitlich mit 500 Punkten bewertet. Aus dem Urteil des BSG ergibt sich nach Auffassung der Kammer nicht, dass die Beklagte die Krankenhäuser zu dem Punktwert vergüten muss, zu dem sie die Leistungen damals vergütet hat. Zwar ist dem Urteil die Formulierung zu entnehmen, dass auch die Leistungen der Notfallambulanzen der Krankenhäuser zu dem gleichen Punktwert zu vergüten sind, wie die des organisierten Notdienstes (dort 4,6 Cent) (BSG, Urteil vom 17. September 2008 – B 6 KA 46/07 R, Rn. 30). Die dortige Ausgangslage war aber mit der hier vorliegenden nicht zu vergleichen. Denn der dortige HVM (bzw. die Praxis der dortigen KV) sah vor, dass die Leistungen der Krankenhäuser zu einem niedrigeren Punktwert zu vergüten waren. Dies wurde als Gleichheitsverstoß angesehen. Im hier vorliegenden Fall wurde sowohl unter Geltung der Individualbudgets als auch unter Geltung der Regelleistungsvolumen für die Notfallleistungen der Krankenhäuser und die des organisierten Notdienstes der gleiche Punktwert zugrunde gelegt. Und deshalb verstößt die Beklagte auch nicht gegen das Verbot der Ungleichbehandlung, welches das BSG in dem o.g. Urteil gestützt auf Art. 3 Abs. 1 GG näher ausgestaltet hat. Denn sie legt bei allen noch nicht bestandskräftigen Honorarbescheiden hinsichtlich der Notfallleistungen die Punktwerte des HVM vom 27.03,2014 zugrunde, ohne hier die im Rahmen des organisierten Notdienstes erbrachten Leistungen besser zu bezahlen. Dass diejenigen, die keinen Widerspruch gegen den Honorarbescheid eingelegt hatten, weiterhin in dem "Genuss" des auf einem rechtswidrigen HVM beruhenden Punktwert bleiben, steht damit in keinem Zusammenhang. Es besteht kein Anspruch auf wirtschaftliche Gleichbehandlung mit den Notfallambulanzen im organisierten Notdienst, deren Bescheide bestandskräftig geworden sind. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das BSG sich bezogen auf das Urteil aus dem Jahr 2008 jüngst wie folgt geäußert hat: "Es ist zwar zutreffend, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 17.9.2008 (B 6 KA 46/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 29; vgl auch BSG Urteil vom 20.1.1999 - B 6 KA 9/98 R - BSGE 83, 218 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 113) zur vergütungsrechtlichen Ungleichbehandlung von Krankenhäusern und Vertragsärzten bei Notfallbehandlungen festgestellt hat, die Ungleichbehandlung für die Vergangenheit könne nur dadurch behoben werden, dass die Krankenhäuser nachträglich dieselbe Vergütung erhielten wie die Vertragsärzte" (BSG, Urteil vom 03. April 2019 – B 6 KA 67/17 R, Rn. 26). Nach Auffassung der Kammer kann damit nicht gemeint sein, dass die Krankenhäuser nachträglich wirtschaftlich genau das Gleiche bekommen müssen. Vielmehr kann es nur darum gehen, dass alle, die gegen ihre Vergütung Widerspruch eingelegt werden, zum jetzigen Zeitpunkt gleich vergütet werden. Dies ist vorliegend der Fall. Ein Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht besteht nicht. Das Risiko, dass sich während der Bearbeitung des Widerspruchs etwas in der Honorarverteilung ändert, geht insoweit zu Lasten des Widerspruchsführers.

Die Grenze liegt aber selbstverständlich dort, wo der Grundsatz der reformatio in peius verletzt ist. Der Grundsatz der reformatio in peius wäre aber nur dann verletzt, wenn sich der Honoraranspruch der Klägerin durch die Neufestsetzung insgesamt reduziert hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25. März 2015 – B 6 KA 22/14 R, Rn. 33). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn insgesamt hat die Klägerin eine Nachvergütung erhalten (vgl. ausführlicher unter 3.).

Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg eine gezielte Maßnahme zur Abwertung von Punkte mit der Folge, dass damit Entscheidungen des BewA zu Lasten der Vertragsärzte "korrigiert" werden, unzulässig sind (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2012 – L 7 KA 25/11, Rn. 21). Vorliegend hat die Beklagte aber keine gezielte Absenkung des Punktwertes vorgenommen, um die Kosten für die geänderte Punktbewertung zu kompensieren. Vielmehr erfolgt die Änderung des HVM aufgrund der Rechtswidrigkeit des gesamten Vergütungssystems (Individualbudget). Die Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg ist deshalb nicht auf die hier gegebene Fallkonstellation zu übertragen.

3.) Die Beklagte war auch berechtigt, von allen erbrachten Leistungen den 10%igen Investitionskostenabschlag abzuziehen. Es ist zwischen den Beteiligten zu recht nicht streitig, dass die Beklagte grundsätzlich berechtigt war, die Vergütung der Klägerin um den sog. Investitionskostenabschlag gemäß § 120 Abs. 3 S. 2 SGB V a.F. zu kürzen. Dies hatte die Beklagte im Rahmen der Honorarbescheide für die Quartale III/2007 und IV/2007 versehentlich unterlassen.

Die Beklagte wäre nur dann darauf beschränkt, den Investitionskostenabschlag nur von der Nachvergütung abzuziehen, wenn die Honorarfestsetzung im Übrigen in Bestandskraft erwachsen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Bindungswirkung nach § 77 SGG kommt im Grundsatz nur dem Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes, nicht jedoch den Begründungselementen und Rechenschritten zu. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Verwaltungsakte in der Regel nicht wie Urteile eine strenge Trennung zwischen Verfügungssatz und Begründung aufweisen. Die gesamte Begründung ist vielmehr daraufhin zu prüfen, inwieweit sie für einen Verwaltungsakt typische, der Bindung fähige Regelungen (§ 31 Satz 1 SGB X) trifft. Dies gilt auch für Honorarbescheide. Der im Verfügungssatz zum Ausdruck kommende Regelungsgehalt eines Honorarbescheides ist nicht auf den konkreten Zahlbetrag für das entsprechende Quartal beschränkt. Die Entscheidung über die dem Vertragsarzt für seine Leistungen in einem bestimmten Quartal zustehende Vergütung stellt den Mindestinhalt des Honorarbescheides dar. Der Honorarbescheid kann jedoch weitere abtrennbare Regelungen beinhalten, die an der Bindungswirkung teilnehmen (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 25. März 2015 – B 6 KA 22/14 R, Rn. 30 ff. m.w.N.). Eine entsprechende Beschränkung des Rechtsbehelfs führt dazu, dass die nicht angegriffenen Teilregelungen in Bestandskraft erwachsen (§ 77 SGG), sodass eine später hierauf erstreckte Klage unzulässig ist. Umgekehrt kann die Beklagte auch hinsichtlich der in Bestandskraft erwachsenen Honorarfestsetzungsbescheide nach Ablauf der Ausschlussfrist grundsätzlich keine Änderungen mehr vornehmen.

Vorliegend hat die Klägerin gegen die Vergütung der Notfallleistungen Widerspruch eingelegt. Dabei wollte sie eine höhere Vergütung erreichen. Dies bedeutet aber nicht, dass damit alles, was schon vergütet wurde, bestandskräftig ist. Denn es handelt sich dabei nicht um einen abtrennbaren Teil des Honoraranspruches. Anders als z.B. die Verwaltungskosten (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2007 – B 6 KA 1/07 R) oder die in den hier streitgegenständlichen Honorarbescheiden gesondert ausgewiesenen Praxisgebühren, ist die hier angefochtene Vergütung der Notfallleistungen Teil der Honorarsumme. Die Höhe der Vergütung der Notfallleistungen stellt letztlich einen von mehreren Rechtenschritten dar, die erforderlich sind, um von der Honoraranforderung des Leistungserbringers zur Honorarsumme zu gelangen, die dieser nach den für die Honorarverteilung geltenden Vorschriften beanspruchen kann. Im Tenor des Honorarfestsetzungsbescheid wird nur der Gesamtbetrag angegeben (BSG, Urteil vom 25. März 2015 – B 6 KA 22/14 R, Rn. 31). Durch ihren Widerspruch hat die Klägerin verhindert, dass die im Honorarbescheid ausgewiesene Honorarsumme ("Honorarvergütung") bestandskräftig geworden ist. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte berechtigt, den versäumten Abzug des Investitionskostenabschlags auch hinsichtlich der bereits ausgezahlten Leistungen vorzunehmen, soweit sie Bestandteil der Honorarsumme waren.

Die vierjährige Ausschlussfrist steht dem Abzug des Investitionskostenabschlages – ebenso wie die Zugrundelegung des Punktewertes des HVM vom 27.03.2014 – nicht entgegen, da die Ausgangsbescheide nicht zu Ungunsten der Klägerin geändert wurden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25. März 2015 – B 6 KA 22/14 R, Rn. 29). Anders als von der Klägerin angenommen ist auch hier kein Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius gegeben. Bei der Berechnung der Nachvergütung hat die Beklagte zwar erstmals den Investitionskostenabschlag abgezogen und die sich aus dem bisherigen Unterlassen des Abzugs ergebende Überzahlung mit der sich aus der Vergütung der Notfallleistungen gemäß des Beschlusses des BewA vom 16.12.2009 ergebenden Nachzahlung saldiert. Dabei handelt es sich jedoch nur um unselbstständige Faktoren der Berechnung des Honoraranspruchs. Ausschlaggebend ist, dass die Klägerin insgesamt Nachzahlungen für alle streitgegenständlichen Quartale gewährt wurden. Mit den Ausgangsbescheiden hat die Beklagte nicht gesondert über den Nichtabzug des Investitionskostenabschlags entschieden, sodass insoweit auch keine Änderung zu Ungunsten des Klägers erfolgen konnte (vgl. BSG zur nachträglichen erstmaligen Anwendung einer Punktzahlobergrenze, Urteil vom 25. März 2015 – B 6 KA 22/14 R, Rn. 29). Der Grundsatz der reformatio in peius wäre auch im Zusammenhang mit dem nachträglichen Abzug des Investitionskostenabschlages nur verletzt, wenn sich der Honoraranspruch der Klägerin durch die Neufestsetzung insgesamt reduziert hätte. Eine Gesamtbetrachtung mit einer Saldierung der Honoraransprüche über mehrere Quartale ist dabei allerdings nicht zulässig, weil für jedes Quartal gesonderte Ausgangsbescheide mit eigenständigen Verfügungssätzen ergangen sind. Dies ist vorligend auch nicht erfolgt. Da die Neuberechnung hier in zutreffender Umsetzung der inzwischen rechtmäßigen Vorgaben des Bewertungsausschusses für jedes der streitgegenständlichen Quartale zu einer Erhöhung des Honoraranspruchs der Klägerin geführt hat, verstoßen die angefochtenen Bescheide nicht gegen das Verbot der reformatio in peius (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 25. März 2015 – B 6 KA 22/14 R, Rn. 33).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin im Widerspruchsbescheid vom 16.05.2017 teilweise abgeholfen hatte, war die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids aufrecht zu erhalten.
Rechtskraft
Aus
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