L 19 AS 2035/19 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 53 AS 4828/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2035/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.11.2019 geändert. Die Beigeladene wird einstweilig verpflichtet, den Antragstellern zu 1) bis zu 6) Leistungen nach § 3 AsylbLG nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 02.10.2019 bis 31.03.2020 zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Beigeladene trägt die Kosten der Antragsteller zu 1) bis zu 6) im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen seine einstweilige Verpflichtung, den Antragstellern Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 02.10.2019 bis 31.03.2020 zu gewähren.

Der Antragssteller zu 2) und die Antragstellerin zu 3) reisten mit ihren gemeinsamen drei Kindern, den Antragstellern zu 1), zu 4) und zu 5) (geboren 2010, 2012, 2014) am 21.12.2016 in die Bundesrepublik ein. Der Antragsteller zu 6) wurde 2017 und der Antragsteller zu 7) 2018 geboren. Die sieben Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige.

Die Antragsteller zu 1) und zu 4) besuchen die Schule. Die Antragsteller beziehen kein Kindergeld. Im Monat Februar 2020 hat der Antragsteller zu 2) eine Nachzahlung von Elterngeld i.H.v. 357,92 EUR erhalten

In der Zeit vom 01.10.2017 bis 30.07.2018 war der Antragsteller zu 2) als Bauhelfer bei der Firma H UG tätig. Das Entgelt betrug 400,00 EUR brutto (385,60 EUR netto). Das Arbeitsverhältnis wurde nach Angaben des Antragstellers zu 2) von der Arbeitgeberin aus betriebsbedingten Gründen gekündigt.

Mit fünf Bescheiden vom 17.01.2019 stellte das Ausländeramt der Beigeladenen den Verlust des Rechts der Antragsteller zu 1) bis zu 6) auf Einreise und Aufenthalt nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU fest, setzte eine Frist zur Ausreise bis zum 01.03.2019 und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hiergegen erhoben die Antragssteller Klagen vor dem Verwaltungsgericht H in den Verfahren 16 K 428/19, 16 K 625 bis 628/19 und beantragten die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in den weiteren Verfahren 16 L 237/19, 16 L 239/19 - 243/19. Im Mai 2019 hob das Ausländeramt der Beigeladenen die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, weil nach den vom Antragsteller zu 2) eingereichten Unterlagen zu seinem aktuellen Arbeitsverhältnis bei der Firma HH, der Anmeldung der Beschäftigung bei der Sozialversicherung, nach Stundenzahl und Verdienst oberhalb des vom EuGH geforderten Mindestniveaus erneut ein Arbeitsnehmerstatus entstanden sein könnte.

In der Zeit vom 01.02.2019 bis 11.09.2019 war der Antragsteller zu 2) bei der Firma HH gegen einen Stundenlohn i.H.v. 9,50 EUR bzw. ab dem 01.04.2019 i.H.v. 10,00 EUR beschäftigt. Das Nettoentgelt betrug im Februar 2019 250,82 EUR, im März 2019 364,71, im April 2019 438,40, im Mai 2019 382,00 EUR, im Juni 2019 422,20 EUR und im Juli 2019 348,59 EUR.

Seit dem 19.09.2019 ist der Antragsteller bei der Arbeitnehmerüberlassungsfirma F GmbH als Helfer in der Industriereinigung befristet auf ein Jahr beschäftigt. Die Arbeitszeit beträgt 15 Stunden bei einem Entgelt von 9,79 EUR pro Stunde. Die Beschäftigung ist in der Gleitzone sozialversicherungspflichtig. Es ist eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart.

Mit Bescheid vom 19.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2019 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.10.2019 unter Berufung auf die Verlustfeststellungen ab. Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Dortmund, S 53 AS 4953/19.

Mit Bescheid vom 19.12.2019 lehnte die Beigeladene den Antrag der Antragsteller vom 02.10.2019 auf Leistungen nach dem AsylbLG ab. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein.

Am 02.10.2019 haben die Antragsteller beim Sozialgericht beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, hilfsweise die Beigeladene zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII oder nach dem AsylbLG zu erbringen.

Mit Beschluss vom 21.11.2019 hat das Sozialgericht Dortmund den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 02.10.2019 bis zum 31.03.2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen vorläufig zu gewähren. Es hat ausgeführt, die Antragsteller zu 2) und 3) erfüllten die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Die Antragsteller zu 1), zu 4) bis 7) gehörten gemäß § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 SGB II ebenfalls zum Kreis der Leistungsberechtigten. Die Antragsteller hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 SGB I. Eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit liege bei Unionsbürgern regelmäßig nur dann vor, wenn ihr Aufenthalt nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt sei. Einem zukunftsoffenen Aufenthalt der Antragsteller stünden die von der Beigeladenen erlassenen Feststellungen des Verlustes des Freizügigkeitsrechts im Bundesgebiet nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU nicht entgegen. Denn die Beigeladene habe ihre Anordnungen sofortiger Vollziehung dieser Verfügungen aufgehoben. Dies habe die Beigeladene - sinngemäß - damit begründet, dass nach eingehender Prüfung der Unterlagen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 2) bei Fa. HH sowie nach Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung von der Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 2) nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU auszugehen sein dürfte. Die Aufhebung sofortiger Vollziehung führe zum Entfall der aufschiebenden Wirkung der beim Verwaltungsgericht erhobenen Anfechtungsklagen gegen die Verlustfeststellungen.

Die Kammer lasse offen, ob die aufschiebende Wirkung lediglich zur Hemmung der Vollziehbarkeit der angefochtenen Verlustfeststellungen oder zur Hemmung ihrer Wirksamkeit geführt habe. Denn sowohl die Hemmung der Wirksamkeit als auch der Vollziehbarkeit bedeuteten im Ergebnis, dass aus den Verlustfeststellungen derzeit keine für die Antragsteller nachteiligen Folgen resultieren dürften (vgl. zu ähnlich gelagerten Fällen: LSG NRW, Beschluss vom 10.12.2018 -L 21 AS 959/18 B ER und Beschluss vom 27.12.2018 - L 12 AS 1711/18 B ER).

Unter der Vollziehung eines Verwaltungsaktes seien nicht nur behördliche Maßnahmen im vollstreckungsrechtlichen Sinne zu verstehen. Dies ergebe sich bereits aus § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO. Rechtsgestaltende und feststellende Verwaltungsakte seien einer besonderen behördlichen Durchsetzungshandlung weder bedürftig noch fähig, weil sie die Sachverhalte unmittelbar mit Eintritt ihrer Wirksamkeit regelten. Vor diesem Hintergrund zähle zur Vollziehung eines Verwaltungsaktes auch jede sonstige rechtliche oder tatsächliche Folgerung unmittelbarer oder mittelbarer Art, die durch behördliches oder privates Handeln aus dem Verwaltungsakt gezogen wird und auf Verwirklichung des Inhalts des Verwaltungsakts gerichtet sei (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.11.2007 - 2 LB 29/07 m.w.N.). Vollziehung sei als Gegenstück der aufschiebenden Wirkung in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Nur wenn unter Vollziehung jegliche rechtliche oder tatsächliche Folgerung verstanden werde, die die Verwaltung, der Adressat selbst oder Dritte aus dem Verwaltungsakt zögen, werde der Zweck aufschiebender Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen belastenden Verwaltungsakt erreicht.

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte unterlägen die Antragsteller nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Die Kammer sei ausgehend von den ihr zur Verfügung gestellten Erkenntnisquellen nach summarischer Prüfung zum Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller zu 2) ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU herleiten könne. Die Antragsteller zu 1) und zu 3) bis zu 7) könnten als seine Familienangehörige ihre Aufenthaltsrechte vom Antragsteller zu 2) nach §§ 2 Abs. 2 Nr. 6, 3 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU ableiten. Der Antragstellerin zu 3) stehe nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte ein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 Abs. 1 AEUV zu.

Der Antragsgegner hat den Beschluss des Sozialgerichts für die Zeit vom 02.10.2019 bis 31.12.2019 ausgeführt.

Gegen den ihm am 02.12.2019 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 09.12.2019 Beschwerde eingelegt.

Auf Antrag des Antragsgegners hat der Senat durch Beschluss vom 02.01.2020 - L 19 SF 447/19 B ER - die Vollstreckung aus dem Beschluss insoweit ausgesetzt, als der Antragsgegner verpflichtet worden ist, den Antragstellern Leistungen für Bedarf der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.01.2020 bis 31.03.2020 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig zu gewähren.

Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, die Antragsteller hätten auf Grund der wirksamen Verlustfeststellung der Beigeladenen vom 17.01.2019 keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die förmliche Verlustfeststellung beende den rechtmäßigen Aufenthalt der Antragsteller und diese Wirkung werde auch nicht durch die eingelegte Klage beseitigt. Voraussetzung für die Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts sei lediglich, dass die Verlustfeststellung wirksam geworden sei. Um diese Rechtsfolgen auszulösen, müsse die Verlustfeststellung nicht vollziehbar sein, also weder bestandskräftig noch für sofort vollziehbar erklärt worden sein. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 FreizügG/EU.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU i. d. F. des Gesetzes vom 30.07.2004 seien Unionsbürger ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt habe, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht bestehe. Mit dem Gesetz vom 19.08.2007 sei in § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU mit Wirkung zum 28.08.2007 das Wort "unanfechtbar" gestrichen worden. In den Materialien sei hierzu ausgeführt, dass die Ausreisepflicht nicht erst dann entstehe, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt habe, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht bestehe, sondern grundsätzlich bereits mit der bloßen Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts. Auch die Tatsache, dass die Beigeladene am 10.05.2019 die sofortige Vorziehung aufgehoben habe, beseitige die Wirksamkeit der Verlustfeststellung nicht. Denn die aufschiebende Wirkung der Klage lasse den rechtmäßigen Aufenthalt nicht mehr aufleben, sie führe lediglich dazu, dass die Durchsetzung der Ausreisepflicht durch die Abschiebung nicht vollzogen werden dürfe. Somit wirke die Feststellung des Verlustes der Freizügigkeitsberechtigung durch die damit eintretende Ausreisepflicht einer Zukunftsoffenheit des Aufenthalts der Antragsteller entgegen mit der Folge, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht mehr bestehe. Ihm sei eine eigenständige Prüfung der materiellen aufenthaltsrechtlichen Lage verwehrt, der Feststellungsentscheidung der Ausländerbehörde komme Tatbestandswirkung zu. Aufgrund der Verlustfeststellung seien die Antragsteller zudem nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a SGB II von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.11.2019 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen,

hilfsweise, die Beigeladene zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie für Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe ab dem 02.10.2019 bis zum 31.03.2020 vorläufig zu gewähren.

Sie vertreten die Auffassung, die Verfügungen der Beigeladenen vom 17.01.2019 hätten ihren rechtmäßigen Aufenthalt nicht beendet, da ihren Klagen gegen die Verlustfeststellungen vor dem Verwaltungsgericht H aufschiebende Wirkung zukomme. Die Beigeladene habe die sofortige Vollziehung der feststellenden Verwaltungsakte aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klagen lasse ihren rechtmäßigen Aufenthalt wieder aufleben bzw. die aufschiebende Wirkung von Klagen gegen einen feststellenden Verwaltungsakt habe zur Folge, dass aus der Feststellung keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgerungen gezogen werden dürfe.

Wegen der aufschiebenden Wirkung der beim Verwaltungsgericht H anhängigen Klagen komme den Bescheiden vom 17.01.2019 keine Tatbestandswirkung zu. Eine Tatbestandswirkung komme nur bindenden Verwaltungsakten zu. Solange die aufschiebende Wirkung andauere, seien sie so zu behandeln, als sei noch keine Verlustfeststellung getroffen worden. Der Umstand, dass die Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 S.1 FreizügG/EU nicht mehr die Unanfechtbarkeit, sondern nur noch die Wirksamkeit der Feststellung der Ausländerbehörde voraussetze, zwinge nicht zu abweichender Betrachtung. Dies könne sich nur in den Fällen auswirken, in denen mangels Widerspruch bzw. Klage oder trotz Widerspruch bzw. Klage wegen Anordnung der sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung eingetreten sei.

Den Sozialleistungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei es nicht verwehrt, eine eigenständige Prüfung der materiellen aufenthaltsrechtlichen Lage nach Erlass einer Verlustfeststellung durchzuführen. Da nur ein bindender Verwaltungsakt Tatbestandswirkung entfalte, seien sie, so lange die aufschiebende Wirkung der Klage andauere, so zu behandeln, als sei keine Verlustfeststellung getroffen worden. Der Antragsteller zu 2) habe aufgrund seiner Beschäftigung bei der Firma F GmbH mit einer Entlohnung in der Gleitzone seit dem 18.09.2019 seinen Arbeitnehmerstatus nachgewiesen.

Wenn der Senat zu einer anderen Einschätzung gelange, sei jedenfalls die Beigeladene zu verpflichten, ihnen bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII oder dem AsylbLG zu gewähren, da ansonsten das Existenzminimum nicht gewährleistet sei. Sie seien zwar der Auffassung, dass sie nicht die Voraussetzung für einer Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG erfüllten, da sie wegen der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Bescheide vom 17.01.2019 nicht vollziehbar ausreisepflichtig seien, was Voraussetzung für eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG sein dürfte. Jedoch müssten dann wegen des in der Verfassung verankerten Sozialstaatsprinzip gleichwohl Leistungen von der Beigeladenen gewährt werden und zwar entweder in Form von Leistungen nach dem SGB XII oder nachdem AsylbLG.

Der Senat hat die Stadt E zum Verfahren beigeladen. Sie hat mitgeteilt, es bestehe eine, nach Aussage der Fachabteilung für Ausländer- und Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom Verwaltungsgericht H mitgetragene Verwaltungspraxis, wonach eine neu aufgenommene Erwerbstätigkeit bei der Überprüfung einer Verlustfeststellung zu berücksichtigen sei, wenn der Betroffene das tatsächliche Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Freizügigkeitsrechts nachgewiesen und die Nachhaltigkeit seiner Beschäftigung über die Probezeit hinaus dargelegt habe.

Ein Leistungsanspruch der Antragsteller bestehe weder nach dem SGB II, dem SGB XII noch nach dem AsylbLG. Vielmehr griffen die gesetzlichen Leistungsausschlüsse ein. Hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit des AsylbLG in Fällen wie dem Vorliegenden schließe sie sich der im Beschluss des 20. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30.05.2019 - L 20 AY 15/19 B ER - dargelegten Rechtsauffassung an, dass Leistungen nach dem AsylbLG für Unionsbürger grundsätzlich ausgeschlossen seien. Eine Leistungsverpflichtung nach § 23 SGB XII sei nicht ersichtlich aus den im Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 28.09.2017 - L 4 SO 55/17 B ER genannten Gründen. Die Anfechtung der Verlustfeststellungen in den noch anhängigen Verfahren führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Eine erweiterte Ermessensentscheidung oder Gesetzesauslegung im Rahmen des § 23 SGB XIII sei verfassungsrechtlich weder angezeigt noch komme sie ansonsten in Betracht. Der Leistungsanspruch auf Sozialhilfe müsse vielmehr im Heimatland realisiert werden. Explizit hierfür seien Hilfen nach § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII eingeführt worden. Diese Hilfen und die Möglichkeit ihrer Gewährung seien nicht strittig gewesen. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass die Antragsteller sie in Anspruch nehmen wollten, da eine Bereitschaft zur freiwilligen Rückreise nicht ersichtlich sei.

Unionsbürger erhielten bei Verlustfeststellung auch keinen Aufenthaltsnachweis, da der Aufenthalt kraft Gesetzes mit der Versagung der Freizügigkeit ende und eine Ausreisepflicht auch nicht durch eine anhängige Klage gegen die Verlustfeststellung beseitigt werde, sondern fortbestehe. Das Bundessozialgericht habe bislang keine Bedenken hinsichtlich des neu geregelten Leistungsausschlusses in § 23 SGB XII erkennen lassen. Des Weiteren sei ein unabweisbarer Bedarf der Antragsteller nicht gegeben. Sie hätten zwei Optionen, ihren Bedarf sicherzustellen. Der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit mit existenzsicherndem Ertrag stehe nichts entgegen. Die Aberkennung der Freizügigkeit lasse die Arbeitserlaubnis unberührt. Weiterhin bestehe die Möglichkeit, ins Heimatland zu reisen. Entsprechend der bestehenden Sozialcharta der Europäischen Union werde unabweisbarer Bedarf im Heimatland sichergestellt.

Soweit der Senat die Auffassung vertrete, dass die Arbeitsaufnahme erneut Freizügigkeit begründen könne, komme allenfalls eine nur ergänzende Leistungsverpflichtung des Antragsgegners nach dem SGB II in Betracht. Es sei derzeit fraglich, ob der Antragsteller zu 2) tatsächlich ab dem 01.03.2020 einen dauerhaften Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU haben werde. Auch erscheine klärungsbedürftig, ob während der rechtskräftigen Versagung der Freizügigkeit zurückgelegte Beschäftigungszeiten für den Arbeitnehmerstatus relevant sein könnten. Diesbezüglich sei eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder der zuständigen Ausländerbehörde erforderlich, da diese ggfs. den Daueraufenthalt nach § 4a FreizügG/EU später rechtlich beurteilen müssten. Nicht absehbar sei, wie der Arbeitsplatzwechsel im September 2019 hinsichtlich der Freizügigkeit durch das Verwaltungsgericht bewertet werde. Sofern das Verwaltungsgericht den Ausführungen der Ausländerbehörde folge und die Probezeit absolviert werden müsse, bevor ein neuer Freizügigkeitsstatus begründet werden könne, werde die Beschäftigung bei der Firma HH wertlos und Freizügigkeit könne nur neu begründet werden, wenn der Antragsteller zu 2) seine Probezeit bei dem aktuellen Arbeitgeber erfolgreich bestehe, was erst Ende März der Fall wäre. Selbst wenn der Senat zu der Rechtsauffassung gelangen sollte, dass Freizügigkeit bereits früher vorgelegen habe, könne nur eine Leistungsverpflichtung nach dem SGB II zum Tragen kommen. Der Antragsteller zu 2) gehe einer Beschäftigung nach und unterfalle dem Anwendungsbereich des SGB II.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Sinne einer Verpflichtung der Beigeladenen zur einstweiligen Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG begründet.

Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch bezüglich Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (A) oder Leistungen nach § 27 SGB XII (B) glaubhaft gemacht. Hinsichtlich eines Anspruches auf einstweilige Verpflichtung der Beigeladenen zu Gewährung von Leistungen nach dem AsylblG an die Antragsteller zu 1) bis zu 6) sind sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (C). Weitere Ansprüche bestehen nicht (D).

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung BSG, Beschlüsse vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B und vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B; Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R).

A. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der begehrten Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen nicht erfüllt. Denn die Antragsteller zu 1) bis zu 6) haben infolge der Verlustfeststellungen vom 17.01.2019 keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II (I). Der Antragsteller zu 7) ist nicht anspruchsberechtigt (II).

I. Die Antragsteller zu 1) bis zu 6) haben im streitbefangenen Zeitraum keinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 7 Abs. 1 S.1 Nr. 4 SGB II in der Bundesrepublik Deutschland mehr. Entscheidend für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S.v. § 30 SGB I ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse eines Leistungsberechtigten faktisch dauerhaft im Inland liegt. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts muss aufgrund der sich aus dem FreizügG/EU ergebenden generellen Freizügigkeitsvermutung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.11.2011 - 1 C 17.09; BT-Drs. 15/538, S.106) der Aufenthalt eines Unionsbürgers solange als rechtmäßig und damit als zukunftsoffen angesehen werden bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bzw. der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs. 7 FreizügG/EU festgestellt hat. Erst die ausländerbehördliche Nichtbestehens- bzw. Verlustfeststellung führe zur sofortigen Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 FreizügG/EU. Bis dahin dürfe sich ein Unionsbürger unabhängig vom Vorliegen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 FreizügG/EU aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung im Bundesgebiet aufhalten, ohne ausreisepflichtig zu sein (vgl. BSG, Urteile vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R - und vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R).

Die Beigeladene hat das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts der Antragsteller zu 1) bis zu 6) nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt. Diese Ordnungsverfügung über die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts ist den Antragstellern zu 1) bis zu 6) zugestellt und damit wirksam geworden (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW). Da sie seitdem weder zurückgenommen oder aufgehoben wurden noch sich auf sonstige Weise erledigt haben, sind sie auch weiterhin wirksam (§ 43 Abs. 2 VwVfG NRW).

Dahinstehen kann, ob der Antragsteller zu 2) nach der Verlustfeststellung durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erneut ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU erworben hat und die übrigen Antragsteller hiervon ein Aufenthaltsrecht ableiten können.

Denn die erneute Erfüllung der Voraussetzungen eines Freizügigkeitsrechts nach Erlass der Verlustfeststellung erledigt die Ordnungsverfügung nicht auf "sonstige Weise" i.S.v. § 43 Abs. 2 VwVfG NRW (so aber LSG Hessen, Beschluss vom 09.10.2019 - L 4 SO 160/19 B ER; a.A. BVerwG, Urteil vom 11. 09.2019 - 1 C 48/18). Nach § 43 Abs. 2 VwVfG NRW bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Da das Gesetz den Wirksamkeitsverlust eines Verwaltungsakts bei den übrigen in § 43 Abs. 2 VwVfG NRW genannten Varianten entweder - wie in den Fällen der Rücknahme, des Widerrufs oder der anderweitigen Aufhebung - an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder - wie im Fall des Zeitablaufs - an einen eindeutig bestimmbaren Tatbestand knüpft, ist die Annahme einer Erledigung "auf andere Weise" im Sinne der letzten Variante der Vorschrift nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt. Insbesondere darf der Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsakts grundsätzlich nicht von einer Entscheidung der Behörde abhängen, da anderenfalls die Aufhebungsvoraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG NRW umgangen werden könnten (siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 09.05.2012 - 6 C 3/11).

Dass eine nachträgliche Änderung der für den Erlass des Verwaltungsakts maßgeblichen Sach- oder Rechtslage die Wirksamkeit des Verwaltungsakts grundsätzlich unberührt lässt, folgt aus der § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW zugrunde liegenden Wertung. Hat danach die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, können geänderte Umstände nur dann unmittelbar zum Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsakts führen, wenn sie ihn ausnahmsweise gegenstandslos machen. Ob von einer derartigen Gegenstandslosigkeit auszugehen ist, hängt davon ab, ob der Verwaltungsakt nach seinem Inhalt und Zweck, gegebenenfalls im Zusammenhang mit den Vorschriften, auf denen er beruht, Geltung auch gerade für den Fall der veränderten Umstände beansprucht oder nicht (BVerwG, Urteil vom 09.05.2012 - 6 C 3/11; siehe auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8.Aufl. 2014, § 43 Rn. 220; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 43 Rn. 42; Peuker in Knack/Henneke, 11 Aufl. 2020, § 43 VwVfG Rn. 44).

Das ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei Neuerwerb der Freizügigkeitsberechtigung in einem andauernden Gerichtsverfahren die Verlustfeststellung entweder mit Wirkung ex nunc aufzuheben ist oder als zeitlich teilbarer Verwaltungsakt nachträglich auf bestimmte zurückliegende Zeiträume beschränkt werden kann (BVerwG, Urteil vom 11.09.2019 - 1 C 48/18). Beide Varianten erfordern das Handeln der Ausländerbehörde.

Wenn eine Ausländerbehörde nicht in angemessener Zeit auf eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage reagiert, rechtfertigt auch dies nicht die Annahme einer "sonstigen Erledigung" i.S.v. § 43 Abs. 2 VwVfG NRW. Die Ausländerbehörde ist - auch nach Unanfechtbarkeit einer Verlustfeststellung - verpflichtet, unionsrechtswidrige Verwaltungsakte aufzuheben (siehe hierzu Geyer in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., § 7 FreizügG/EU Rn. 7). Insoweit kann ein Betroffener im Fall der Untätigkeit der Ausländerbehörde verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

Zwar ist Bestandskraft der Verlustfeststellungen vom 17.01.2019 bislang nicht eingetreten, da die Antragsteller zu 1) bis zu 6) hiergegen Klagen vor dem Verwaltungsgericht H erhoben haben. Der Senat folgt aber nicht der Rechtsprechung, wonach der durch Klageerhebung und die Aufhebung der Verfügung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO ausgelöste Suspensiveffekt die Wirksamkeit der Verlustfeststellung und die Ausreisepflicht der Antragsteller beseitigt, indem er die Zukunftsoffenheit des Aufenthaltes eines Unionsbürgers wiederherstellt (vgl. LSG Hessen, Beschluss vom 09.10.2019 - L 4 SO 160/19 B ER m.w.N.; LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 28.05.2019 - L 8 SO 109/19 B ER m.w.N.; LSG NRW, Beschluss vom 10.12.2018 - L 21 AS 959/18 B ER; LSG Sachsen, Beschluss vom 20.03.2018 - L 3 AS 73/18 R; anscheinend auch LSG NRW, Beschluss vom 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 B; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.07.2019 - L 15 SO 181/18 ).

Vielmehr ist der Senat der Auffassung, dass die weiterhin wirksame Feststellung eines Verlustes des Freizügigkeitsrechts der Annahme eines zukunftsoffenen Aufenthalts im Bundesgebiet ungeachtet ihrer Anfechtung entgegensteht. Hierzu hat der Senat in dem Beschluss vom 14.11.2018 - L 19 AS 1434/18 B ER ausgeführt:

"Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller am 22.06.2017, also innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO, bei dem Verwaltungsgericht Köln einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Ordnungsverfügung der Beigeladenen gestellt hat. Selbst wenn das Verwaltungsgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligte, er sodann die angekündigte Klage erhöbe und das Verwaltungsgericht ihm - auf einen entsprechenden Antrag hin - hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO gewährte, beseitigte der durch die Klageerhebung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO eingetretene Suspensiveffekt nicht die Wirksamkeit der Ordnungsverfügung und damit das Bestehen der Ausreisepflicht des Antragstellers (vgl. ebenso Dienelt in Bergmann/Dienelt, FreizügG/EU, 12. Aufl. 2018, § 7 Rn. 18).

Sind die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen oder liegen diese nicht vor, kann durch die Ausländerbehörde der Verlust der Freizügigkeitsberechtigung durch Verwaltungsakt festgestellt werden (Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 S. 1 FreizügG/EU). Diese förmliche Verlustfeststellung - wie hier - nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU bzw. § 6 Abs. 1 FreizügG/EU beendet den rechtmäßigen Aufenthalt (Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 18), widerlegt also die Freizügigkeitsvermutung und begründet nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU die sofortige Ausreisepflicht. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass die Verlustfeststellung wirksam geworden ist. Dies ist - wie festgestellt - hier der Fall.

Um diese Rechtsfolgen auszulösen, muss die Verlustfeststellung hingegen nicht vollziehbar, also weder bestandskräftig noch für sofort vollziehbar erklärt worden sein. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 FreizügG/EU. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU i.d.F. des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) waren Unionsbürger ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Mit dem Gesetz vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) wurde in § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU mit Wirkung zum 28.08.2007 das Wort "unanfechtbar" gestrichen. In den Materialien wurde hierzu ausgeführt, dass die Ausreisepflicht nicht erst dann entsteht, wenn die Ausländerbehörde unanfechtbar festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht, sondern grundsätzlich bereits mit der bloßen Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts (BT-Drucks. 16/5065, S. 211; BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 55 m.w.N.; ebenso Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 21; Kurzidem in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, § 11 FreizügG/EU Rn. 6).

Legt also der Unionsbürger gegen eine nicht für sofort vollziehbar erklärte Verlustfeststellung und Ausreiseaufforderung Klage ein, hat dies lediglich zur Folge, dass aufschiebende Wirkung eintritt (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO) und die Ausreisepflicht nicht - etwa durch Abschiebung - vollzogen werden darf. Der Suspensiv- effekt der Klage lässt zwar den rechtmäßigen Aufenthalt nicht mehr aufleben, er führt aber dazu, dass die Durchsetzung der Ausreisepflicht durch Abschiebung unzulässig ist (Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 22). Dass die Regelungen des § 84 Abs. 1 S. 1 AufenthG auf die Verlustfeststellung entsprechende Anwendung finden sollen, kann § 11 Abs. 2 FreizügG/EU nicht ausreichend deutlich entnommen werden (vgl. Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 22). Sind die Verlustfeststellung und die Ausreiseaufforderung für sofort vollziehbar erklärt worden, gilt das Verbot der Vollstreckung durch Abschiebung nur, falls ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt wurde (vgl. § 7 Abs. 1 S. 4 FreizügG/EU).

Somit wirkt schon die Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsberechtigung durch die damit eintretende Ausreisepflicht einer Zukunftsoffenheit des Aufenthalts des Antragstellers entgegen. Für den Bereich des Rechts der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat damit bereits der wirksame Erlass einer Verlustfeststellung zur Folge, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet nicht mehr besteht."

Diese Rechtsprechung wird fortgesetzt. Zur Rechtsüberzeugung des Senats lässt der Suspensiveffekt von Widerspruch und/oder Klage nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO gegen eine Verlustfeststellung den rechtmäßigen Aufenthalt aufgrund der Freizügigkeitsvermutung nicht wieder aufleben, macht vielmehr nur die Durchsetzung der kraft Gesetzes entstehenden Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU durch eine Abschiebung unzulässig.

Das Rechtsmittel hemmt nicht die Ausreisepflicht selbst, sondern nur deren Durchsetzung (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 28.09.2017 - L 4 SO 55/17 B ER; Dienelt in Bergmann/Dienelt, 12. Aufl. 2018, FreizügG/EU § 7 Rn. 22f; § 11 Rn. 14). Der Suspensiveffekt lässt die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes selbst unberührt und führt nur zu einem umfassenden Verwirklichungs- u. Ausnutzungsverbot, da dem Suspensiveffekt nur Vollzugs- und keine Wirksamkeitshemmung zukommt (vgl. Eyermann/Hoppe, 15. Aufl. 2019, VwGO § 80 Rn. 10f zum Streit, ob die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO die Vollziehbarkeit oder die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts hemmt; Sachs, a.a.O., § 43 Rn. 228). Die rechtsgestaltende Wirkung der Feststellungen nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU hinsichtlich der mit der Freizügigkeitsvermutung verbundenen nationalen Rechtsposition beendet den rechtmäßigen Aufenthalt. Nach dem Wirksamwerden der Feststellung ist ein Unionsbürger nach § 7 FreizügG/EU ausreisepflichtig, die Ausreisepflicht bei Anfechtung infolge des Suspensiveffekts aber nicht durchsetzbar.

Der Rechtsprechung, wonach die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen feststellenden oder rechtsgestaltenden Verwaltungsakt zur Folge hat, dass aus der Feststellung keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgerungen gezogen werden dürfen bzw. die gestaltende Wirkung nicht eintreten kann (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2017 - L 8 SO 262/17 B ER; LSG NRW, Beschlüsse vom 27.12.2018 - L 12 AS 1711/18 B ER und vom 10.12.2018 - L 21 AS 959/18 B ER), folgt der Senat nicht.

Weder aus Art. 19 Abs. 4 GG noch aus § 80 VwGO lässt sich ableiten, dass bei Eintritt aufschiebender Wirkung alle nachteiligen Folgen eines weiterhin wirksamen Verwaltungsaktes zu entfallen haben. Vielmehr darf der Gesetzgeber auch nachteilige Rechtsfolgen an die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts knüpfen und den Eintritt einer Tatbestandswirkung anordnen (Eyermann/Hoppe, a.a.O. § 80 Rn. 12). Die Folgen, die das Gesetz unmittelbar an die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts knüpft, bleiben von der aufschiebenden Wirkung unberührt (Eyermann/Hoppe, a.a.O., § 80 Rn. 12). § 7 Abs. 1 FreizügG/EU ordnet an, dass die Ausreisepflicht des Betroffenen mit der wirksamen Bekanntgabe der Feststellung des Verlustes auf Einreise und Aufenthalt entsteht (vgl. Ziffer 7.1.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 7 FreizügG/EU) und damit die generelle Freizügigkeitsvermutung entfällt. Einer Unanfechtbarkeit der Verlustfeststellung als Voraussetzung für den Fortfall der Freizügigkeitsvermutung und der damit verbundenen Ausreisepflicht bedarf es nach dem Willen des Gesetzgebers daher nicht.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU zur Beseitigung der Freizügigkeitsvermutung (Urteil vom 11.09.2019 - 1 C 48/18) bzw. der Beendigung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (Urteil vom 16.07.2015 - 1 C 22.14) und hat nach § 7 Abs. 1 FreizügG/EU die Ausreispflicht des Unionsbürgers zur Folge.

Eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass in der Folgezeit nicht erneut eine Freizügigkeitsberechtigung entsteht. Dies spricht nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dafür, dass eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU nachträglich auf bestimmte Zeiträume beschränkt werden kann und in diesem Sinne zeitlich teilbar ist (vgl. Urteil vom 11.09.2019 - 1 C 48/18; vgl. zur Pflicht, eine Verlustfeststellung mit Wirkung ex nunc aufzuheben: Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 25).

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind aber nicht befugt, eine eigenständige materielle Prüfung vorzunehmen, ob der Unionsbürger nach einer Verlustfeststellung eine materielle Freizügigkeitsberechtigung wiederum verwirklicht hat, z. B. durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (so anscheinend LSG Hessen, Beschluss vom 09.10.2019 - L 4 SO 160/19 B ER). So würde inzidenter die Rechtmäßigkeit der Verlustfeststellung selbst geprüft. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit befugt sind, im Rahmen eines eigenständigen Prüfungsrechts den materiellen Aufenthaltsstatus von Unionsbürger zu prüfen (siehe BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R), besteht dieses Recht allenfalls, solange die Ausländerbehörde keine aufenthaltsrechtliche Statusentscheidung getroffen hat. Die Leistungsträger sowie die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nicht befugt, aufenthaltsrechtlichen Statusentscheidungen wie die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU - außerhalb der nach dem VwVfG und der VwGO vorgesehenen Verfahren und Fristen zu überprüfen und ggfls. nicht zu beachten (BSG, Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 8/13 R). Insoweit entfalten wirksame Verwaltungsakte schon vor Eintritt ihrer materiellen Bestandskraft Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Ramsauer, a.a.O., § 43 Rn. 16; Peuker, a.a.O., 3 43 VwVfG § 43 Rn. 20; zu den Folgen der Tatbestandswirkung: BVerwG, Urteil vom 28.11.1986 - 8 C 122 - 125/84).

Die in den Verlustfeststellungen vom 17.01.2019 getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Nichtbestehens einer Freizügigkeitsberechtigung der Antragsteller zu 1) bis zu 6) einschließlich der hiermit verbundenen Rechtsfolgen - Fortfall der Freizügigkeitsvermutung und Entstehen der Ausreisepflicht - sind daher im sozialrechtlichen Verfahren als gegeben hinzunehmen. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Feststellung obliegt ausschließlich den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

II. Der Antragsteller zu 7) erfüllt weder die Voraussetzung des § 7 Abs.1 Nr. 1 SGB II - Vollendung des 15. Lebensjahres - noch ist er anspruchsberechtigt nach § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II. Er lebt nicht mit einer nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II anspruchsberechtigten erwerbsfähigen Person in einer Bedarfsgemeinschaft.

B. Auch ein Anordnungsanspruch auf Verpflichtung der Beigeladenen zur Gewährung von Sozialhilfe nach dem SGB XII ist nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsteller sind nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII von Hilfen zum Lebensunterhalt nach § 27 ff. SGB XII ausgeschlossen.

§ 23 Abs. 3 S. 4 SGB XII greift nicht zu Gunsten der Antragsteller ein, da sie sich erst seit dem 21.12.2016 und damit weniger als fünf Jahre in der Bundesrepublik aufhalten.

Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Die Beigeladene hat mit den wirksamen Verlustfeststellungen vom 17.01.2020 klargestellt, dass die Antragsteller zu 1) bis zu 6) kein Aufenthaltsrecht nach den Vorschriften des FreizügG/EU haben. Diese Feststellungen entfalten für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Tatbestandswirkung (siehe oben). Der Antragsteller zu 7) verfügt auch über kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr.6 FreizügG/EU. Er kann vom Antragsteller zu 2) aufgrund der Tatbestandswirkung der Verlustfeststellung kein Aufenthaltsrecht nach §§ 2 Abs. 2 Nr. 6, 3 Abs. 1 S.1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, ableiten. Deshalb kann auch dahinstehen, ob sich die Antragstellerin zu 3) - wie vom Sozialgericht angenommen - auf ein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. § 28 AufenthG berufen kann.

C. Die Antragsteller zu 1) bis zu 6) haben jedoch einen Anordnungsanspruch und - grund hinsichtlich einer Verpflichtung der Beigeladenen zur Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 02.10.2019 glaubhaft gemacht. Sie gehören zum nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis.

Nach der Rechtsprechung des Senats haben Unionsbürger einen Anspruch auf Duldung für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und damit einen Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (siehe Dienelt, a.a.O., § 7 Rn. 23), wenn eine Klage gegen die Verlustfeststellung erhoben worden ist und die Klage Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO entfaltet (Beschluss des Senats vom 14.11.2018 - L 19 AS 1434/18 B ER; siehe auch LSG NRW, Beschluss vom 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.09.2019 - L 31 AS 1627/19 B ER zur analogen Anwendung des AsylbLG im Fall der Verlustfeststellung). Danach sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist.

Diese Voraussetzungen erfüllen die Antragsteller zu 1) bis zu 6).

Der Senat folgt nicht der Auffassung, dass der Anwendungsbereich des AsylbLG teleologisch auf Bürger nicht der Europäischen Union angehörender Staaten, sog. Arbeitsstaaten, zu beschränken ist. Hiernach haben Unionsbürger generell keine Ansprüche nach diesem Gesetz (LSG NRW, Beschluss vom 30.05.2019 - L 20 AY 15/19 B ER; Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 1 AsylbLG (Stand: 18.11.2019) Rn. 43f; a.A. SG Darmstadt, Beschluss vom 14.01.2020 - S 17 SO 191/19 ER; Cantzler, Asylbewerberleistungsgesetz, 2019, § 1 Rn. 34).

Nach dem Regelungskonzept des AsylbLG erfasst es Gruppen von Personen ausländischer Herkunft, denen kein verfestigtes Bleiberecht zukommt. Erfasst sind nicht nur Asylbewerber, wie der Wortlaut des Gesetzes es zunächst nahezulegen scheint. Der leistungsberechtigte Personenkreis wird in Gruppen bzw. durch bestimmte Typisierungen erfasst, die an ausländerrechtliche und asylverfahrensrechtliche Vorschriften anknüpfen. Es besteht eine tatbestandliche Bindung an die aufgrund dieser Vorschriften ergangenen Bescheide (BSG, Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 8/13 R und vom 28.05.2015 - B 7 AY 4/12 R).

Wer Ausländer ist, bestimmt sich nach § 2 AufenthG in Verbindung mit der in § 1 AsylbLG vorgenommenen näheren Bestimmung der Leistungsberechtigten. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 AufenthG ist das jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. Das Gesetz zur Änderung des AsylbLG vom 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) hat den heterogenen Personenkreis, der schon lange nicht mehr nur Asylbewerber umfasst, beibehalten. Es sind Personengruppen mit einem mehr oder minder unverfestigten Aufenthaltsstatus zusammengefasst (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, 6. Aufl. 2018, AsylbLG § 1 Rn. 18f).

Der Senat sieht im Hinblick auf den im AsylbLG erfassten heterogenen Personenkreis keinen Anlass, Unionsbürger aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG auszuschließen, zumal nach § 11 Abs. 2 FreizügG/EU auf Unionsbürger im Fall der Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlustes des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU das Aufenthaltsgesetz Anwendung findet, soweit das FreizügG/EU keine besonderen Regelungen trifft. Zu der Argumentation, der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen aus § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII löse verfassungsrechtliche Folgefragen des Ausschlusses von Unionsbürgern aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG ist darauf hinzuweisen, dass der Anwendungsbereich von § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII umstritten ist (siehe hierzu LSG Berlin-Brandenburg vom 11.07.2019 - L 15 SO 181/18, Revision anhängig unter B 8 SO 7/19 R; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2019 - L 7 SO 3873/19 ER-B).

Für die Erbringung dieser Leistungen ist die Beigeladene nach § 10a Abs. 1 S. 3 AsylbLG örtlich zuständig.

Die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a Abs. 1 AsylbLG liegen nicht vor. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, die Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Voraussetzung für die Anwendung dieser Leistungseinschränkung wäre, dass der Zweck, Sozialleistungen zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat (vgl. BSG, Urteile vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R, vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R und vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R). Wie das Bundesverwaltungsgericht dies bereits zu der wortgleichen Regelung in § 120 Abs. 3 S. 1 BSHG entschieden hat, bezeichnet schon die Konjunktion "um ( ) zu ( )" ein ziel- und zweckgerichtetes Handeln und damit eine Zweck-Mittel-Relation, in der die Einreise das Mittel und die Inanspruchnahme von Sozialhilfe den mit ihr verfolgten Zweck bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 22/87). Diese Zweck-Mittel-Relation ist auch gegeben, wenn die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven beruht, der Zweck der Inanspruchnahme für den Einreiseentschluss jedoch von prägender Bedeutung gewesen, also nicht nur neben vorrangigen anderen Zwecken billigend in Kauf genommen worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen bei den Antragstellern erfüllt sein könnten, sind nicht ersichtlich.

Für den Zeitraum vom 02.10.2019 bis zum 31.03.2020 liegt auch ein Anordnungsgrund vor, da die Antragsteller zu 1) bis zu 6) nicht der Lage sind, ihren Lebensunterhalt vollständig aus eigenen Mitteln - Erwerbeinkommen des Antragstellers zu 2) und Zufluss von Elterngeld im Februar 2020 - zu decken.

D. Da die Antragsteller zu 1) bis zu 6 ) einen Anspruch auf existenzsichernden Leistungen nach § 3 AsylbLG glaubhaft gemacht haben, kann dahinstehen, ob im Fall einer nicht durchsetzbaren aber wirksamen Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU deren Rechtmäßigkeit noch in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren geprüft wird, und bei Vorliegen von Anhaltspunkten für die erneute Erfüllung der Voraussetzungen eines Freizügigkeitsrechts i.S.v. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU nach Erlass der Verlustfeststellung ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII als Härtefall besteht (siehe LSG Berlin-Brandenburg vom 11.07.2019 - L 15 SO 181/18, Revision anhängig unter B 8 SO 7/19 R; ablehnend SG Darmstadt, Beschluss vom 14.01.2020 - S 17 SO 191/19 ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2019 - L 7 SO 934/19 und Beschluss vom 27.11.2019 - L 7 SO 3873/19 ER-B; siehe auch BVerfG Beschlüsse vom 04.12.2019 - 1 BvL 4/16 und vom 26.02.2010 - 1 BvL 1/20).

Ebenso kann dahinstehen, ob der Antragsteller zu 7) einen Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII hat. Denn der Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 ff SGB ist nicht Streitgegenstand eines Verfahrens mit dem Ziel der Gewährung laufender existenzsichernder Leistungen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2019 - L 7 SO 934/19 und Beschluss vom 27.11.2019 - L 7 SO 3873/19 ER-B; siehe auch Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 ff SGB XII ein aliud im Verhältnis zu Leistungen nach § 27ff SGB XII darstellen: Urteil des Senats vom 05.12.2019 - L 19 AS 1608/18 m.w.N., Revision anhängig unter B 14 AS 25/20 R; a. A. anscheinend LSG NRW, Beschluss vom 30.05.2019 - L 20 Ay 15/19 B ER).

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Beigeladenen sind die Kosten der Antragsteller zu 1) bis zu 6) im Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, da sie im Beschwerdeverfahren beteiligt gewesen ist und die Entscheidung betreffend die Antragsteller zu 1) bis zu 6) zu ihrem Nachteil ergeht. Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beigeladene nicht zu tragen. Denn ihre Beiladung ist erst im Beschwerdeverfahren erfolgt.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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