L 8 AS 615/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 2479/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 615/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 5. April 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist eine Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II nach § 32 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum Dezember 2015 bis Februar 2016 streitig.

Der 1985 geborene Kläger bezieht Arbeitslosengeld II. Mit Bescheid vom 13.01.2015 wurden ihm für den Zeitraum Februar 2015 bis Januar 2016 entsprechende Leistungen bewilligt (ab April 2015 in Höhe von 534,90 EUR). Ladungen durch den Beklagten zu den Meldeterminen vom 26.03.2015, 17.06.2015 und 06.08.2015 kam der Kläger nicht nach. Einen Grund für sein jeweiliges Nichterscheinen gab er nicht an.

Mit Schreiben vom 08.10.2015, dem eine Rechtsfolgenbelehrung mit Hinweis auf § 309 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) beigefügt war, lud der Beklagte den Kläger zu einem weiteren Meldetermin am 22.10.2015 um 11.00 Uhr ein. Als Meldezweck war angegeben: "Ich möchte mit Ihnen Ihre aktuelle berufliche Situation besprechen". Die Rechtsfolgenbelehrung hatte folgenden Wortlaut: "1. Eine Verletzung der Meldepflicht nach§ 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III liegt vor, wenn Sie der Aufforderung Ihres zuständigen Jobcenters, sich persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen. 2. Bei einer Verletzung der Meldepflicht wird das Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld um 10 Prozent des für Sie maßgebenden Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach §·20 SGB II gemindert. 3. Minderung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zustellung des entsprechenden Bescheides über die Sanktionen (§ 31b SGB II). Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). 4. Durch Verletzung der o.g. Pflichten können sich ggf. Überschneidungen der Sanktionszeiträume ergeben (Beispiel: 10 Prozent Minderung aufgrund erster Verletzung der Meldepflicht vom 01.05. bis 31.07. und 10 Prozent Minderung aufgrund einer weiteren Verletzung der Meldepflicht vom 01.06. bis 31.08. -) Überschneidung vom 01.06. bis 31.07. mit insgesamt 20 Prozent Minderung). 5. Minderungen wegen Meldepflichtverletzungen treten zu Minderungen nach § 31 SGB II hinzu (Beispiel: 10 Prozent Minderung aufgrund Verletzung der Meldepflicht vom 01.05. bis 31.07. und 30 Prozent Minderung aufgrund einer Verletzung der Grundpflichten vom 01.05. bis 31.07. -) vom 01.05. bis 31.07. insgesamt 40 Prozent Minderung). 6. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs können auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese sind grundsätzlich zu erbringen, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben. Beachten Sie aber, dass Sie vorrangig Ihr Einkommen und verwertbares Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einsetzen müssen."

Der Kläger erschien zu diesem Termin nicht und reagierte auch nicht auf das Anhörungsschreiben vom 22.10.2015 zu einer beabsichtigten Sanktion. Mit Bescheid vom 09.11.2015 stellte der Beklagte für die Zeit vom 01.12.2015 bis 29.02.2016 eine Minderung des Arbeitslosengeldes II des Klägers um monatlich 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs höchstens in Höhe des zustehenden Gesamtbetrages fest. Der Kläger sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen und ohne Angabe von Gründen zu dem Meldetermin am 22.10.2015 nicht erschienen. Das Arbeitslosengeld II sei daher für die bezeichneten Monate um 39,90 Euro zu mindern. Der vorangegangene Bescheid vom 13.01.2015 werde insoweit für den Leistungsanspruch für die Zeit vom 01.12.2015 bis 31.01.2016 in Höhe der genannten Minderung aufgehoben. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.

Mit Schreiben vom 03.03.2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag nach § 44 SGB Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf Überprüfung des Bescheides vom 09.11.2015, den der Beklagte mit Bescheid vom 04.04.2016 bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 02.08.2016 ablehnte. Der Kläger habe für sein Meldeversäumnis keinen wichtigen Grund nachgewiesen. § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III sei nur relevant, wenn tatsächlich eine verspätete Vorsprache erfolgt sei, was im Fall des Klägers nicht geschehen wäre. Im Übrigen verstießen die Sanktionsregelungen der §§ 31 ff. SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung nicht gegen das aus Artikel 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Artikel 20 Abs. 1 GG hergeleitete menschwürdige Existenzminimum. Das Grundgesetz gewährleiste keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf Sicherung eines Leistungsniveaus.

Hiergegen hat sich die am 02.09.2016 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobene Klage gerichtet. Mit der Ladung zum Meldetermin sei er nicht nach §§ 59 SGB II, 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III darüber belehrt worden, dass er auch am selben Tag zu einer anderen als der vereinbarten Zeit hätte erscheinen können. Im Übrigen seien Sanktionen nach §§ 31 ff. SGB II generell verfassungswidrig; sie verletzten das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

Mit Urteil vom 05.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:

" Der Beklagte ist nicht verpflichtet, seinen Sanktionsbescheid vom 09.11.2015 zurückzunehmen.

Voraussetzung hierfür wäre nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass beim Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden wäre, der sich als unrichtig erwiesen hat, und deshalb zu Unrecht Sozialleistungen nicht erbracht worden wären. Der Kläger macht nur eine unrichtige Rechtsanwendung geltend; diese erfolgte beim Erlass des Sanktionsbescheids jedoch nicht.

Ermächtigungsgrundlage für ihn ist § 32 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGB II i.V.m. § 31b SGB II. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II um 10 % des für den Leistungsberechtigten nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs, wenn der Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt.

Die Aufforderung muss rechtmäßig sein. Dazu ist erforderlich, dass in der Ladung ein nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 Abs. 2 SGB III zulässiger Meldezweck genannt wird. Die zuletzt zitierte Vorschrift nennt in Nr. 2 als Meldezweck die Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit.

Die Minderung des Arbeitslosengelds II tritt nach § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht ein, wenn der Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für sein Verhalten darlegt und nachweist. Der Auszahlungsanspruch mindert sich gemäß § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsakts folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. Der Minderungszeitraum beträgt drei Monate, § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig (§ 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II).

Die von § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II geforderte Rechtsfolgenbelehrung muss, um ihre Warn- und Steuerungsfunktion erfüllen zu können, konkret, verständlich, richtig und vollständig sein (BSG, Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R -, Rdnr. 24, m.w.N. aus seiner Rspr.). Nach Auffassung der 22. Kammer des erkennenden Gerichts (Beschluss vom 09.09.2016 - S 22 AS 2098/16 ER -, in Juris Rdnr. 21 ff) ist eine Belehrung über die Rechtsfolgen unvollständig, wenn sie nur einen Hinweis auf § 309 SGB III enthält, ohne den Regelungsgehalt des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu erläutern, dem zufolge bei einem nach Tag und Tageszeit bestimmten Meldetermin die meldepflichtige Person der Meldepflicht auch dann nachgekommen ist, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird.

Die genannten Voraussetzungen für den Erlass einer Sanktion liegen vor: Der in der Ladung genannte Meldezweck "Ich möchte mit Ihnen Ihre aktuelle berufliche Situation besprechen" fällt unter den gesetzlichen Meldezweck des § 309 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Der Kläger kam trotz schriftlicher, konkreter, verständlicher, richtiger und vollständiger Belehrung über die Rechtsfolgen der Aufforderung des Beklagten vom 08.10.2015, sich am 22.10.2015 beim Beklagten zu melden, nicht nach. Einen wichtigen Grund hat der Kläger nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen.

Im vorliegenden Einzelfall ist die Rechtsfolgenbelehrung zur Meldeaufforderung nicht deshalb zu beanstanden, weil sie nicht auch den Inhalt des in ihr bloß erwähnten § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III wiedergibt. Nach Auffassung der Kammer setzt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung als selbstverständlich voraus, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Unrichtigkeit, Unvollständigkeit oder mangelnde Verständlichkeit der Rechtsfolgenbelehrung für das Nichterscheinen des Meldepflichtigen (allein oder mit-)ursächlich war. Dies schließt die Kammer daraus, dass das Bundessozialgericht von der Behörde eine Orientierung am jeweiligen Einzelfall verlangt: In seinem Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - (Rdnr. 36) hat es betont, eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung erfordere eine konkrete Umsetzung auf den jeweiligen Einzelfall. Es genüge mithin nicht, dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Merkblatt an die Hand zu geben, aus dem er die für seinen Fall maßgebenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen selbständig ermitteln muss. In seinem weiteren Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R – (Rdnr. 23) hat es dargelegt, es sei nicht ausreichend, wenn in der Rechtsfolgenbelehrung mehrere Varianten zur Auswahl gestellt werden und dem Hilfebedürftigen die Auswahl überlassen wird, ob eine der genannten Alternativen für ihn einschlägig ist. Schließlich spricht auch der Rechtsgedanke des § 42 Satz 1 SGB X (Unbeachtlichkeit von Verfahrens- und Formfehlern, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat; ähnlich die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu Verfahrensfehlern und Bewertungsmängeln im Prüfungsrecht, die nur beachtlich sind, wenn ihr Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann, vgl. BVerwG, Urteil vom 04.05.1999 - 6 C 13/98 -, in Juris Rdnr. 48; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.01.2017 - 14 A 1460/16 -, in Juris Rdnr. 28) dafür, einen Fehler der Rechtsfolgenbelehrung dann für unbeachtlich zu halten, wenn seine Ursächlichkeit für das Nichterscheinen zum Meldetermin ausgeschlossen werden kann. Müsste auf den Inhalt des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III stets hingewiesen werden, würde die Rechtsfolgenbelehrung wieder Ausführungen enthalten, die für eine größere Zahl Meldepflichtiger ohne Bedeutung sind, und wieder dazu führen, dass der Meldepflichtige dazu genötigt wird, aus einem umfangreichen Merkblatt das für seinen Einzelfall Passende herauszusuchen. Zudem wäre es bloße Förmelei, von der Behörde eine weitergehende, aber im Einzelfall nutzlose Belehrung zu verlangen.

Umgekehrt ausgedrückt, kann die wörtliche oder sinngemäße Zitierung von § 309 Abs. 2 Satz 2 SGB II in einer Rechtsfolgenbelehrung allenfalls in Fällen verlangt werden und das Fehlen eines derartigen Hinweises zur Rechtswidrigkeit einer Sanktion führen, in denen der Meldepflichtige - erstens - einen Grund dafür vorträgt, warum er zum Meldetermin nicht erschienen ist, und sich – zweitens - aus seinem Vortrag ergibt, dass die Verhinderung nicht die gesamte Öffnungszeit des Jobcenters (bzw. im Geltungsbereich des SGB III der Agentur für Arbeit) am Tag des Meldetermins betraf, sodass er am gleichen Tag zu einer anderen Zeit hätte erscheinen können. Trägt dagegen der Meldepflichtige nicht einmal einen Grund vor, aus dem er nicht erschienen sein will, muss davon ausgegangen werden, dass er sich bewusst entschieden hat, den Termin nicht wahrzunehmen, sodass die Ursächlichkeit einer ggf. unvollständigen Belehrung auszuschließen ist.

Beim Kläger war dies der Fall: Er hat bei seiner Anhörung, im Überprüfungsantrag, in der Widerspruchs- und in der Klagebegründung nichts dazu vorgetragen, warum er nicht erschienen ist. Auch sein Gesamtverhalten (ebenfalls nicht erklärtes Nichterscheinen zu vier vorangegangenen Meldeterminen) spricht dafür, dass er sich in Kenntnis der Folgen bewusst entschieden hat, den verfahrensgegenständlichen Meldetermin nicht wahrzunehmen. Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass er auch bei Wiedergabe des Inhalts von § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III in der Rechtsfolgenbelehrung nicht erschienen wäre.

Sonstige Verstöße der Bescheide gegen Vorschriften des SGB II sind nicht ersichtlich. Da die Einhaltung der Sechsmonatsfrist des § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II zwischen sanktionsbegründendem Verhalten und Sanktion, die Höhe der Minderung der Leistungsansprüche (s. dazu § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II), Beginn und Ende des Minderungszeitraums (vgl. § 31b Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II) sowie die vorherige Anhörung des Klägers nach § 24 Abs. 1 SGB X unstreitig den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, sind hierzu keine Ausführungen veranlasst.

Die Kammer ist in Anbetracht der zu auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen basierenden Leistungsminderungen nach dem SGB II vorliegenden Rechtsprechung (alle folgenden Entscheidungen, soweit nicht anders vermerkt, veröffentlicht in Juris) schließlich nicht davon überzeugt, dass §§ 31b, 32 SGB II oder deren Anwendung im Fall des Klägers – letzteres wegen der für Februar 2016 erfolgten Kumulation mit der weiteren 10 % - Sanktion, die Gegenstand des Verfahrens S 17 AS 2479/16 ist - das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verletzen."

Gegen das am 16.05.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.06.2017 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist der Ansicht, dass die schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen in der Ladung zum Meldetermin unvollständig gewesen sei. Sie habe nur einen Hinweis auf § 309 SGB III enthalten, ohne den Regelungsgehalt des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu erläutern. Er sei weder schriftlich über die Möglichkeit belehrt worden, am 15.12.2015 auch nach 11.00 Uhr erscheinen zu können, noch habe er hiervon Kenntnis gehabt. Er hätte am 15.12.2015 "zu einer anderen Zeit am selben Tag" beim Beklagten erscheinen können und hierfür keinen wichtigen Grund darlegen und nachweisen müssen, wenn am selben Tag der Zweck der Meldung hätte erreicht werden können. Ein Leistungsberechtigter könne einer Meldeaufforderung nur i. S. d. § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III nachkommen, wenn er vor dem Meldetermin von dieser Möglichkeit Kenntnis habe. Daher sei ein Leistungsberechtigter über den Regelungsgehalt des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu informieren, soweit er hiervon keine Kenntnis habe. Ein schlichter Hinweis auf § 309 SGB III genüge nicht. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mit dem Zweck einer Rechtsfolgenbelehrung zu vereinbaren, dass deren Inhalt nur unter Heranziehung des Gesetzestextes zu erschließen sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 05.04.2017 und den Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 04.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Sanktionsbescheid vom 09.11.2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben vom 17.01.2018 und 30.11.2017).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung ist unbegründet. Mit Recht und zutreffender Begründung hat das SG die Klage abgewiesen. Der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 04.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch nach § 44 SGB X auf Aufhebung des Sanktionsbescheides vom 09.11.2015.

In der Sache schließt sich der Senat nach Überprüfung und eigener Bewertung den Ausführungen und Feststellungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil vollumfänglich an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Eine Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist nicht zu erkennen. Die Kammer hat die infrage kommenden Rechtsvorschriften umfassend und rechtlich richtig angewendet.

Ergänzend hierzu wird ausgeführt: Die Rechtsfrage, welchen Inhalt eine Rechtsfolgenbelehrung haben muss, ist durch das Bundessozialgericht hinlänglich geklärt (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - juris). Hiernach setzt die Wirksamkeit einer Rechtsfolgenbelehrung im Rahmen von Meldeaufforderungen nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG voraus, dass sie im Einzelfall konkret, richtig und vollständig ist und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgt, sowie dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt.

Der Senat teilt im Übrigen nicht die Ansicht des SG (Beschluss vom 09.09.2016 – S 22 AS 2098/16 ER – juris RdNr. 21), dass in der Rechtsfolgenbelehrung auch über die (über § 59 SGB II anwendbare) Regelung des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III belehrt werden muss. Gemäß des Wortlautes von § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III bzw. von § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist über die Rechtsfolgen des Meldeversäumnisses zu belehren und nicht über einzelne Modalitäten der Wahrnehmung der Meldepflicht. Zur Frage, was unter "Rechtsfolgen" i. S. v. § 32 SGB II fällt, und ob dazu auch die Regelung des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III gehört, gibt es außer der zitierten Entscheidung keine tragfähigen und überzeugenden Aussagen in Rechtsprechung und Literatur (vgl. nur Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, Stand Januar 2019, § 32 RdNr. 35.1). Die Kommentierungen stellen im Wesentlichen darauf ab, dass die "(Rechts-)Folgen" (Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 32 RdNr. 34; Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 32 RdNr. 89) bzw. "Auswirkungen" des Verhaltens (vgl. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017 § 32 RdNr. 18) erläutert werden müssen. Für Weiteres ist aus Sicht des Senates kein Raum.

Ausgehend hiervon ist die Rechtsfolgenbelehrung der Meldeaufforderung nicht zu beanstanden. Bereits dem Wortlaut nach umfasst "Rechtsfolgen" nicht einzelne Modalitäten der Erfüllung des Sanktionstatbestands. Schließlich wird auch nicht darüber belehrt, was relevante Meldezwecke oder wichtige Gründe sind. Auch der Zweck der Rechtsfolgenbelehrung erfordert solches nicht. Sie hat angesichts der erheblichen Relevanz von Sanktionen vor allem eine Warnfunktion für den Betroffenen (so auch SG München, Beschluss vom 12.07.2017, S 40 AS 1532/17 ER – juris RdNr. 30). Diese wird erfüllt, wenn verständlich wird, auf welches Verhalten welche Folgen drohen. Würde eine Rechtsfolgenbelehrung mit sämtlichen Details zu Einzelfragen der Tatbestandserfüllung überfrachtet, würde hierunter in der Konsequenz ganz erheblich die Verständlichkeit der Belehrung leiden.

Im Übrigen bestehen gegen eine Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II nach § 32 SGB II auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn das auf Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Artikel 1 Abs. 1, Artikel 20 Abs. 1 GG) bedingt nicht, dass die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten (vgl. zu Ganzen BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R – juris RdNr. 50 ff.). Auch gegen die Höhe der Minderung von hier zehn Prozent des für den Kläger nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs bestehen vor diesem Hintergrund keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Wegen des in der Regelleistung enthaltenen Ansparbetrages und der auf drei Monate begrenzten Kürzung (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 2 SGB II, § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II) ist es dem Leistungsempfänger auch nach Minderung des Leistungsanspruches möglich, seinen nach Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich als Existenzminimum geschützten Bedarf zu decken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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