Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AY 47/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 27/20 B ER und L 20 AY 28/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2020 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz, ob die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen den Umzug in eine privat angemietete Wohnung gestatten und hierfür die laufenden Wohnungskosten tragen muss.
Die 1995 geborene Antragstellerin zu 1 ist Mutter der 2018 geborenen Antragstellerin zu 2. Die Antragstellerin zu 1, deren Aufenthalt in Deutschland nach § 60a AufenthG geduldet wird, weil sie mangels türkischen Nationalpasses nicht abgeschoben werden kann, bezieht wie auch die Antragstellerin zu 2 Leistungen nach § 2 AsylbLG. Beide leben mit den Eltern und drei Geschwistern der Antragstellerin zu 1 in einer 112 m² großen Wohnung, die von der Antragsgegnerin im Rahmen der Leistungserbringung nach dem AsylbLG zur Verfügung gestellt wird.
Am 09.11.2018 beantragte die Antragstellerin zu 1 bei der Antragsgegnerin, die Anmietung einer Privatwohnung zu genehmigen. Die derzeitige Wohnung bestehe aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer und einer Küche. Es gebe für sie und die Antragstellerin zu 2 keinen Rückzugsort. Es sei ihr nicht zuzumuten, mit ihren drei älteren Brüdern zusammen in einem Zimmer zu leben. Die Zimmer seien angesichts ihrer Größe im Übrigen nicht geeignet, ein Kinderbett aufzustellen.
Am 07.03.2019 kam es in der Wohnung der Antragstellerinnen und ihrer Familie zu einem Austritt von Gas. Das Haus wurde daraufhin polizeilich evakuiert und die Bewohner (die das Haus sämtlich selbstständig verlassen konnten) vorsorglich in umliegende Krankenhäuser verbracht. Ein Formular-Antrag auf Übernahme von Krankenhauskosten der Kinderklinik C GmbH, C, vom 11.03.2019 vermerkt für die Antragstellerin zu 2 eine Krankenhausaufnahme am 07.03.2019 und eine Entlassung am 09.03.2019 und als Erkrankung - ohne nähere Ausführungen - eine Kohlenmonoxidvergiftung.
Die Antragstellerin zu 1 teilte daraufhin am 13.03.2013 anwaltlich mit, sie sei durch diesen Vorfall traumatisiert und traue sich nicht mehr, in der Wohnung zu übernachten, zumal die Gastherme weiterhin nicht funktioniere, da sie kein warmes Wasser erzeuge. Die Antragsgegnerin werde daher letztmalig aufgefordert, die Anmietung einer eigenen Wohnung zu gestatten.
Mit Bescheid vom 21.03.2019 lehnte die Antragsgegnerin eine Übernahme der Kosten für Anmietung und Ausstattung einer Wohnung ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen. Hiergegen legten die Antragstellerinnen Widerspruch ein. Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage (Sozialgericht Gelsenkirchen; S 32 AY 37/19) wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 05.12.2019 zurück. Ein Anspruch auf Leistungen für eine privat angemietete Wohnung bestehe nicht; gewichtige - etwa gesundheitliche oder sonstige wichtige - Gründe für eine Ausnahme seien weder dargetan noch ersichtlich. Erneut könne aber für die Antragstellerinnen eine abgeschlossene Wohnung von 32 m² mit zwei Zimmern, Küche und Bad in der städtischen Unterkunft N-Straße in D angeboten werden; dies sei für die Antragsgegnerin kostengünstiger als eine privat angemietete Wohnung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Die Antragstellerinnen haben am 16.12.2019 beim Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben (S 32 AY 5/20) und zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt (S 32 AY 47/19 ER). Schon die Antragstellerin zu 1 sei in Datteln geboren worden. Seit jeher bezögen sie Leistungen nach dem AsylbLG. In der von der Antragsgegnerin für sie und sechs weitere Familienmitglieder zugewiesenen Wohnung gebe es nur ein Bad. Sie hätten kein eigenes Schlafzimmer. Der Kindesvater sorge sich nicht um die Antragstellerin zu 2. Die städtische Unterkunft sei in marodem Zustand. Durch den Gasaustritt sei es bereits zu einer lebensgefährlichen Situation gekommen, und die Antragstellerin zu 1 fühle sich seither in der Wohnung nicht mehr sicher. Die Antragsgegnerin habe im Ablehnungsbescheid nur mitgeteilt, die Situation sei nicht so schlimm und "im Griff" gewesen; Ursache für den Gasaustritt sei wohl der Sturm "Eberhard" gewesen, und es werde den Antragstellerinnen vorgeschlagen, sich einen Gaswarnmelder anzuschaffen. Zuletzt sei Wasser aus der Toilette gelaufen und habe auch das darunter liegend Geschoss betroffen. Die zur privaten Anmietung ins Auge gefasste Wohnung (I-Straße in D) stehe frei und könne sofort bezogen werden; die Grundmiete betrage 300,00 EUR zzgl. 100,00 EUR Nebenkosten sowie 80,00 EUR Heizkosten. Ein Umzug sei notwendig, weil die derzeitige Lebenssituation für die Antragstellerinnen unzumutbar sei. Es gebe keinen Rückzugsraum und keine Privatsphäre. Ohne Zustimmung der Antragsgegnerin könne eine neue Unterkunft nicht gefunden und auch die konkret in D zur Verfügung stehende, angemessene Wohnung nicht bezogen werden.
Die Antragstellerinnen haben beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für die Wohnung in der I-Straße in D vorläufig in Form der Grundmiete i.H.v. 300,00 EUR, Vorauszahlungen auf die Betriebsnebenkosten i.H.v. 100,00 EUR und Heizkosten i.H.v. 80,00 EUR ab dem 01.01.2020 zu tragen, sowie vorläufig die Kosten für Umzug, Renovierung und Erstausstattung als Beihilfe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Das Antragsvorbringen rechtfertige keine andere Beurteilung. Zwar habe ein Wasserrohrbruch in der jetzigen Wohnung zu Reparaturarbeiten geführt; diese würden jedoch aktuell abgeschlossen. Im Übrigen träfen sämtliche Einwände der Antragstellerinnen gegen die jetzige Wohnung jedenfalls nicht auf die neu errichtete Unterkunft in der N-Straße zu; dort könnten die Antragstellerinnen über eine abgeschlossene Wohneinheit von 32 m² verfügen.
Durch Beschluss vom 26.02.2020 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Selbst bei einem Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG sei wegen dessen Abs. 2 die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft zulässig. Gründe für eine ausnahmsweise Unzulässigkeit im Einzelfall machten die Antragstellerinnen nicht geltend. Soweit sie den Austritt von Gas am 07.03.2019 anführten, sei bereits nicht glaubhaft gemacht, dass es zu einer lebensgefährlichen Situation gekommen sei. Dem Einsatzprotokoll der Polizei sei vielmehr zu entnehmen, dass die Verbringung ins Krankenhaus rein vorsorglich erfolgt und Anzeichen einer Kohlenmonoxidvergiftung nicht ersichtlich gewesen seien. Zwar spreche der Krankenhausbericht von einer solchen Vergiftung, jedoch gehe auch er von keiner Beeinträchtigung aus. Ohnehin habe die Antragsgegnerin die Gastherme von einem Fachbetrieb untersuchen lassen, so dass nicht anzunehmen sei, dass davon weitere Gefahren ausgingen. Wenn im Bad zwischenzeitlich eine Dusche gefehlt habe, beruhe das auf Renovierungsmaßnahmen, die mittlerweile abgeschlossen seien. Fotos von einer defekten Deckenverkleidung lieferten ebenfalls keinen besonderen Grund für eine ausnahmsweise Unzulässigkeit der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft. Für ein nicht gewährleistetes harmonisches Zusammenleben sei nichts substantiiert vorgetragen worden. Im Übrigen komme es auf die Zumutbarkeit der aktuellen Wohnung auch nicht an, da den Antragstellerinnen angeboten worden sei, in der neuerrichteten Unterkunft in der N-Straße eine 32 m² große Wohnung zu beziehen. Ein Anordnungsanspruch für Umzugskosten, Renovierung und Erstausstattung sei ebenfalls nicht glaubhaft gemacht; es könne insofern dahinstehen, ob die Antragstellerinnen zunächst die Antragsgegnerin hätten kontaktieren müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen den am 27.02.2020 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 16.03.2020 Beschwerde eingelegt. Das AsylbLG solle nur für einen begrenzten Zeitraum Anwendung finden; nach 18 Monaten sollten Leistungen entsprechend dem SGB XII gewährt werden. Die Antragstellerin zu 1 lebe seit ihrer Geburt, also seit mehr als zwei Jahrzehnten, in Deutschland, die Antragstellerin zu 2 in zweiter Generation. Der Gesetzgeber habe es versäumt, nach spätestens fünf Jahren einen Übergang zu regulären Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zu gewährleisten; verfassungsrechtlich wäre dies jedoch erforderlich, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft zu unterbinden. Nach SGB II und SGB XII bestehe jedoch ein Anspruch auf eine eigene, angemessene Wohnung. Die bisherige Unterkunft sei unzumutbar. Ein Verweis auf die Wohnung in der N-Straße in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge komme nicht in Betracht, weil es einen solchen Verweis im Rechtskreis des SGB II oder SGB XII nicht gebe. Im Übrigen würde auch diese Wohnung wegen zu geringer Größe keine gleichwertigen Lebensverhältnisse schaffen. Die Katholische Pfarrgemeinde St. B habe bereits am 14.06.2016 den Standort N-Straße als ungeeignet bezeichnet. Danach sei es mit Blick auf Integrationsmöglichkeiten nicht zielführend, Flüchtlinge auf der anderen Kanalseite von jeglicher Nachbarschaft zu trennen. Eine (seinerzeit erst geplante) Bebauung an dieser Stelle sei danach nicht nur für eine Integration hinderlich, sondern auch ein falsches Signal an die Bevölkerung sowie eine politisch bedenkliche Aussage, weil sie im Kern die Botschaft vermittele, dass man mit Fremden nicht zusammenleben und sich nicht mit ihnen auseinandersetzen, sondern sie am besten auf Abstand halten wolle. Die Antragstellerinnen legen hierzu aus dem Internet-Portal der Katholischen Kirchengemeinde St. B eine Stellungnahme vom 14.06.2016 bei, welche die Gemeinde zusammen mit anderen Kirchengemeinden, dem Diakonischen Werk im Kirchenkreis, dem Sozialdienst katholischer Frauen, einem Vertreter der Ärzteschaft sowie des Arbeitskreises Asyl eines "Moderationsteams" abgegeben hatte; auf die Stellungnahme wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Die Antragstellerinnen beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2020 zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung entsprechend ihren erstinstanzlichen Anträgen zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerinnen zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine andere Bewertung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten (Streitakten Sozialgericht Gelsenkirchen S 32 AY 37/19 und S 32 AY 5/20 sowie Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin) Bezug genommen. Der Inhalt liegt der Entscheidungsfindung zugrunde.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerinnen ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich sind danach die Glaubhaftmachung (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines sog. Anordnungsanspruchs (d.h. des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruchs) sowie eines sog. Anordnungsgrundes (i.S. einer Eilbedürftigkeit für eine gerichtliche Regelung). In der Regel findet eine summarische Prüfung statt; können jedoch ohne Eilrechtsschutz schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung des Anordnungsanspruches vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn. 24 f.). Bleibt der Ausgang einstweilen offen, muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, welche die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG, a.a.O. Rn. 26).
In Anwendung dieser Maßstäbe haben die Antragstellerinnen bei summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten für Miete und Ausstattung einer privat angemieteten Wohnung sowie Umzugskosten; es fehlt damit bereits ein Anordnungsanspruch.
a) Die Antragstellerin zu 1 fällt - als Inhaberin einer Duldung nach § 60a AufenthG - gemäß § 1 Nr. 4 AsylbLG unter den nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis. Für die Antragstellerin zu 2 als 2018 geborene Tochter der Antragstellerin zu 1 gilt diese Leistungsberechtigung jedenfalls nach § 1 Nr. 6 AsylbLG.
b) Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift sind abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII und Teil 2 des SGB IX auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Dementsprechend erbringt die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen Leistungen nach § 2 AsylbLG.
aa) Ist deshalb nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG auf die Antragstellerinnen das SGB XII "entsprechend anzuwenden", so trifft gleichwohl § 2 Abs. 2 AsylbLG bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft eine Sonderregelung; in solchen Fällen bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände. Damit aber geht das AsylbLG für sog. Analogleistungs-Berechtigte i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst davon aus, dass bei diesen dem SGB XII (nur) "entsprechenden" Leistungen die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft gleichwohl zulässig ist.
Wenn die Antragstellerinnen insoweit ausführen, nach dem SGB II bzw. dem SGB XII bestehe ein Anspruch auf eine eigene, angemessene Wohnung, so ändert dies nichts daran, dass das Gesetz ausweislich der Regelung in § 2 Abs. 2 AsylbLG für das (vom SGB II und SGB XII zu unterscheidende) Grundleistungsregime des AsylbLG einen solchen Anspruch auch dann nicht garantiert, wenn im Übrigen - wie für die Antragstellerinnen - nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG Leistungen entsprechend dem SGB XII zu erbringen sind. Soweit die Antragstellerinnen weiter der Ansicht sind, der Gesetzgeber habe es versäumt, nach spätestens fünf Jahren einen Übergang zu regulären Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zu gewährleisten, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft zu unterbinden, so mögen sie damit eine nachvollziehbare rechtspolitische Forderung verbinden; eine solche kann jedoch die aktuelle geltende Rechtslage nicht definieren.
bb) Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine privat angemietete Wohnung kommt deshalb nur bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall in Betracht, wenn - etwa aus gesundheitlichen Gründen oder wegen unzumutbarer Zustände in den vom Leistungsträger bereitgehaltenen Gemeinschaftsunterkünften (oder sonstigem als Sachleistung zur Verfügung gestellten Wohnraum) - die Unterbringung in einer solchen Unterkunft nicht in Betracht kommt (vgl. schon Beschlüsse des Senats vom 07.11.2006 - L 20 B 51/06 AY ER Rn. 6 m.W.N und vom 06.05.2011 - L 20 AY 48/11 B Rn. 6 f.). Solche Umstände sind im Falle der Antragstellerinnen jedoch nicht ersichtlich.
(1) Insofern kann offenbleiben, ob der Erhaltungszustand oder die tatsächliche Belegung mit sechs weiteren Familienmitgliedern die Nutzung der aktuell bewohnten, 112 m² großen Unterkunft für die Antragstellerinnen unzumutbar ist. Denn jedenfalls erscheint die ihnen ersatzweise angebotene, abgeschlossene Wohnung von 32 m² mit zwei Zimmern, Küche und Bad in der neu errichteten Unterkunft N-Straße einstweilen als zumutbare Unterkunft.
Dabei sieht der Senat durchaus, dass diese Wohnung eine recht geringe Größe hat. Es ist jedoch auch im Bereich des SGB II oder SGB XII nicht unüblich, dass Leistungsberechtigte in Wohnungen leben, die weniger als die maximal als angemessen anzusehende Wohnfläche bieten. Immerhin ist die den Antragstellerinnen von der Antragsgegnerin angebotene Wohnung in der Unterkunft N-Straße erst vor Kurzem neu gebaut worden und dürfte deshalb - anders als viele andere Wohnungen im nach Grundsicherungskriterien angemessenen Bereich - modernen Standards (z.B. bei der Heizung und der sanitären Einrichtung, bei Fenstern und bei der räumlichen Optimierung) entsprechen.
Etwa verbleibende Restzweifel können deshalb einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das gilt auch hinsichtlich des Umstandes, dass - ersichtlich noch vor Errichtung der Wohnanlage in der N-Straße - eine Initiative aus lokalen Kirchengemeinden und anderen grundsätzliche politische Bedenken zur Belegenheit dieser Unterkunft in D geäußert haben. Wenn diese (ausweislich ihrer von den Antragstellerinnen vorgelegten Stellungnahme vom 14.06.2016) insbesondere Zweifel anklingen ließen, ob die Wohnanlage angesichts ihrer Belegenheit auf der "anderen Kanalseite" die Integration von Flüchtlingen konterkariere, so dürfte die Antragstellerin zu 1 durch ihr Aufwachsen in Deutschland und ihr dementsprechend hier gewachsenes soziales Umfeld solchen Integrationshindernissen jedenfalls von vornherein nicht ausgesetzt sein. Auch für die Antragstellerin zu 2 sind bei summarischer Prüfung bei einem Wohnen "auf der anderen Seite des Kanals" Integrationshemmnisse schon deshalb nicht zu besorgen, da sie sich im sozialen Umfeld ihrer schon in Deutschland aufgewachsenen Mutter bewegt.
(2) Soweit die Antragstellerinnen meinen, es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn auch in Deutschland aufgewachsene oder lange hier lebende Ausländer keine Leistungsberechtigung nach dem SGB II oder SGB XII erhielten, so muss dies im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes offen und eine Klärung auch insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Bei summarischer Prüfung teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragstellerinnen im Übrigen jedenfalls nicht in einer Weise, dass er ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens für unzumutbar hielte.
2. Ist die Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes nach allem unbegründet, so gilt dies auch für die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Denn der Rechtsverfolgung durch die Antragstellerinnen fehlte von Anfang an eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO.
3. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes (L 20 AY 27/20 B ER) auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG, hinsichtlich der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (L 20 AY 28/20 B) auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz, ob die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen den Umzug in eine privat angemietete Wohnung gestatten und hierfür die laufenden Wohnungskosten tragen muss.
Die 1995 geborene Antragstellerin zu 1 ist Mutter der 2018 geborenen Antragstellerin zu 2. Die Antragstellerin zu 1, deren Aufenthalt in Deutschland nach § 60a AufenthG geduldet wird, weil sie mangels türkischen Nationalpasses nicht abgeschoben werden kann, bezieht wie auch die Antragstellerin zu 2 Leistungen nach § 2 AsylbLG. Beide leben mit den Eltern und drei Geschwistern der Antragstellerin zu 1 in einer 112 m² großen Wohnung, die von der Antragsgegnerin im Rahmen der Leistungserbringung nach dem AsylbLG zur Verfügung gestellt wird.
Am 09.11.2018 beantragte die Antragstellerin zu 1 bei der Antragsgegnerin, die Anmietung einer Privatwohnung zu genehmigen. Die derzeitige Wohnung bestehe aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer und einer Küche. Es gebe für sie und die Antragstellerin zu 2 keinen Rückzugsort. Es sei ihr nicht zuzumuten, mit ihren drei älteren Brüdern zusammen in einem Zimmer zu leben. Die Zimmer seien angesichts ihrer Größe im Übrigen nicht geeignet, ein Kinderbett aufzustellen.
Am 07.03.2019 kam es in der Wohnung der Antragstellerinnen und ihrer Familie zu einem Austritt von Gas. Das Haus wurde daraufhin polizeilich evakuiert und die Bewohner (die das Haus sämtlich selbstständig verlassen konnten) vorsorglich in umliegende Krankenhäuser verbracht. Ein Formular-Antrag auf Übernahme von Krankenhauskosten der Kinderklinik C GmbH, C, vom 11.03.2019 vermerkt für die Antragstellerin zu 2 eine Krankenhausaufnahme am 07.03.2019 und eine Entlassung am 09.03.2019 und als Erkrankung - ohne nähere Ausführungen - eine Kohlenmonoxidvergiftung.
Die Antragstellerin zu 1 teilte daraufhin am 13.03.2013 anwaltlich mit, sie sei durch diesen Vorfall traumatisiert und traue sich nicht mehr, in der Wohnung zu übernachten, zumal die Gastherme weiterhin nicht funktioniere, da sie kein warmes Wasser erzeuge. Die Antragsgegnerin werde daher letztmalig aufgefordert, die Anmietung einer eigenen Wohnung zu gestatten.
Mit Bescheid vom 21.03.2019 lehnte die Antragsgegnerin eine Übernahme der Kosten für Anmietung und Ausstattung einer Wohnung ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen. Hiergegen legten die Antragstellerinnen Widerspruch ein. Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage (Sozialgericht Gelsenkirchen; S 32 AY 37/19) wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 05.12.2019 zurück. Ein Anspruch auf Leistungen für eine privat angemietete Wohnung bestehe nicht; gewichtige - etwa gesundheitliche oder sonstige wichtige - Gründe für eine Ausnahme seien weder dargetan noch ersichtlich. Erneut könne aber für die Antragstellerinnen eine abgeschlossene Wohnung von 32 m² mit zwei Zimmern, Küche und Bad in der städtischen Unterkunft N-Straße in D angeboten werden; dies sei für die Antragsgegnerin kostengünstiger als eine privat angemietete Wohnung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Die Antragstellerinnen haben am 16.12.2019 beim Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben (S 32 AY 5/20) und zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt (S 32 AY 47/19 ER). Schon die Antragstellerin zu 1 sei in Datteln geboren worden. Seit jeher bezögen sie Leistungen nach dem AsylbLG. In der von der Antragsgegnerin für sie und sechs weitere Familienmitglieder zugewiesenen Wohnung gebe es nur ein Bad. Sie hätten kein eigenes Schlafzimmer. Der Kindesvater sorge sich nicht um die Antragstellerin zu 2. Die städtische Unterkunft sei in marodem Zustand. Durch den Gasaustritt sei es bereits zu einer lebensgefährlichen Situation gekommen, und die Antragstellerin zu 1 fühle sich seither in der Wohnung nicht mehr sicher. Die Antragsgegnerin habe im Ablehnungsbescheid nur mitgeteilt, die Situation sei nicht so schlimm und "im Griff" gewesen; Ursache für den Gasaustritt sei wohl der Sturm "Eberhard" gewesen, und es werde den Antragstellerinnen vorgeschlagen, sich einen Gaswarnmelder anzuschaffen. Zuletzt sei Wasser aus der Toilette gelaufen und habe auch das darunter liegend Geschoss betroffen. Die zur privaten Anmietung ins Auge gefasste Wohnung (I-Straße in D) stehe frei und könne sofort bezogen werden; die Grundmiete betrage 300,00 EUR zzgl. 100,00 EUR Nebenkosten sowie 80,00 EUR Heizkosten. Ein Umzug sei notwendig, weil die derzeitige Lebenssituation für die Antragstellerinnen unzumutbar sei. Es gebe keinen Rückzugsraum und keine Privatsphäre. Ohne Zustimmung der Antragsgegnerin könne eine neue Unterkunft nicht gefunden und auch die konkret in D zur Verfügung stehende, angemessene Wohnung nicht bezogen werden.
Die Antragstellerinnen haben beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für die Wohnung in der I-Straße in D vorläufig in Form der Grundmiete i.H.v. 300,00 EUR, Vorauszahlungen auf die Betriebsnebenkosten i.H.v. 100,00 EUR und Heizkosten i.H.v. 80,00 EUR ab dem 01.01.2020 zu tragen, sowie vorläufig die Kosten für Umzug, Renovierung und Erstausstattung als Beihilfe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Das Antragsvorbringen rechtfertige keine andere Beurteilung. Zwar habe ein Wasserrohrbruch in der jetzigen Wohnung zu Reparaturarbeiten geführt; diese würden jedoch aktuell abgeschlossen. Im Übrigen träfen sämtliche Einwände der Antragstellerinnen gegen die jetzige Wohnung jedenfalls nicht auf die neu errichtete Unterkunft in der N-Straße zu; dort könnten die Antragstellerinnen über eine abgeschlossene Wohneinheit von 32 m² verfügen.
Durch Beschluss vom 26.02.2020 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Selbst bei einem Leistungsbezug nach § 2 AsylbLG sei wegen dessen Abs. 2 die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft zulässig. Gründe für eine ausnahmsweise Unzulässigkeit im Einzelfall machten die Antragstellerinnen nicht geltend. Soweit sie den Austritt von Gas am 07.03.2019 anführten, sei bereits nicht glaubhaft gemacht, dass es zu einer lebensgefährlichen Situation gekommen sei. Dem Einsatzprotokoll der Polizei sei vielmehr zu entnehmen, dass die Verbringung ins Krankenhaus rein vorsorglich erfolgt und Anzeichen einer Kohlenmonoxidvergiftung nicht ersichtlich gewesen seien. Zwar spreche der Krankenhausbericht von einer solchen Vergiftung, jedoch gehe auch er von keiner Beeinträchtigung aus. Ohnehin habe die Antragsgegnerin die Gastherme von einem Fachbetrieb untersuchen lassen, so dass nicht anzunehmen sei, dass davon weitere Gefahren ausgingen. Wenn im Bad zwischenzeitlich eine Dusche gefehlt habe, beruhe das auf Renovierungsmaßnahmen, die mittlerweile abgeschlossen seien. Fotos von einer defekten Deckenverkleidung lieferten ebenfalls keinen besonderen Grund für eine ausnahmsweise Unzulässigkeit der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft. Für ein nicht gewährleistetes harmonisches Zusammenleben sei nichts substantiiert vorgetragen worden. Im Übrigen komme es auf die Zumutbarkeit der aktuellen Wohnung auch nicht an, da den Antragstellerinnen angeboten worden sei, in der neuerrichteten Unterkunft in der N-Straße eine 32 m² große Wohnung zu beziehen. Ein Anordnungsanspruch für Umzugskosten, Renovierung und Erstausstattung sei ebenfalls nicht glaubhaft gemacht; es könne insofern dahinstehen, ob die Antragstellerinnen zunächst die Antragsgegnerin hätten kontaktieren müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen den am 27.02.2020 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 16.03.2020 Beschwerde eingelegt. Das AsylbLG solle nur für einen begrenzten Zeitraum Anwendung finden; nach 18 Monaten sollten Leistungen entsprechend dem SGB XII gewährt werden. Die Antragstellerin zu 1 lebe seit ihrer Geburt, also seit mehr als zwei Jahrzehnten, in Deutschland, die Antragstellerin zu 2 in zweiter Generation. Der Gesetzgeber habe es versäumt, nach spätestens fünf Jahren einen Übergang zu regulären Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zu gewährleisten; verfassungsrechtlich wäre dies jedoch erforderlich, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft zu unterbinden. Nach SGB II und SGB XII bestehe jedoch ein Anspruch auf eine eigene, angemessene Wohnung. Die bisherige Unterkunft sei unzumutbar. Ein Verweis auf die Wohnung in der N-Straße in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge komme nicht in Betracht, weil es einen solchen Verweis im Rechtskreis des SGB II oder SGB XII nicht gebe. Im Übrigen würde auch diese Wohnung wegen zu geringer Größe keine gleichwertigen Lebensverhältnisse schaffen. Die Katholische Pfarrgemeinde St. B habe bereits am 14.06.2016 den Standort N-Straße als ungeeignet bezeichnet. Danach sei es mit Blick auf Integrationsmöglichkeiten nicht zielführend, Flüchtlinge auf der anderen Kanalseite von jeglicher Nachbarschaft zu trennen. Eine (seinerzeit erst geplante) Bebauung an dieser Stelle sei danach nicht nur für eine Integration hinderlich, sondern auch ein falsches Signal an die Bevölkerung sowie eine politisch bedenkliche Aussage, weil sie im Kern die Botschaft vermittele, dass man mit Fremden nicht zusammenleben und sich nicht mit ihnen auseinandersetzen, sondern sie am besten auf Abstand halten wolle. Die Antragstellerinnen legen hierzu aus dem Internet-Portal der Katholischen Kirchengemeinde St. B eine Stellungnahme vom 14.06.2016 bei, welche die Gemeinde zusammen mit anderen Kirchengemeinden, dem Diakonischen Werk im Kirchenkreis, dem Sozialdienst katholischer Frauen, einem Vertreter der Ärzteschaft sowie des Arbeitskreises Asyl eines "Moderationsteams" abgegeben hatte; auf die Stellungnahme wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Die Antragstellerinnen beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2020 zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung entsprechend ihren erstinstanzlichen Anträgen zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerinnen zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine andere Bewertung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten (Streitakten Sozialgericht Gelsenkirchen S 32 AY 37/19 und S 32 AY 5/20 sowie Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin) Bezug genommen. Der Inhalt liegt der Entscheidungsfindung zugrunde.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerinnen ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich sind danach die Glaubhaftmachung (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines sog. Anordnungsanspruchs (d.h. des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruchs) sowie eines sog. Anordnungsgrundes (i.S. einer Eilbedürftigkeit für eine gerichtliche Regelung). In der Regel findet eine summarische Prüfung statt; können jedoch ohne Eilrechtsschutz schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung des Anordnungsanspruches vorzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn. 24 f.). Bleibt der Ausgang einstweilen offen, muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, welche die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG, a.a.O. Rn. 26).
In Anwendung dieser Maßstäbe haben die Antragstellerinnen bei summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten für Miete und Ausstattung einer privat angemieteten Wohnung sowie Umzugskosten; es fehlt damit bereits ein Anordnungsanspruch.
a) Die Antragstellerin zu 1 fällt - als Inhaberin einer Duldung nach § 60a AufenthG - gemäß § 1 Nr. 4 AsylbLG unter den nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personenkreis. Für die Antragstellerin zu 2 als 2018 geborene Tochter der Antragstellerin zu 1 gilt diese Leistungsberechtigung jedenfalls nach § 1 Nr. 6 AsylbLG.
b) Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift sind abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII und Teil 2 des SGB IX auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Dementsprechend erbringt die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen Leistungen nach § 2 AsylbLG.
aa) Ist deshalb nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG auf die Antragstellerinnen das SGB XII "entsprechend anzuwenden", so trifft gleichwohl § 2 Abs. 2 AsylbLG bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft eine Sonderregelung; in solchen Fällen bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände. Damit aber geht das AsylbLG für sog. Analogleistungs-Berechtigte i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst davon aus, dass bei diesen dem SGB XII (nur) "entsprechenden" Leistungen die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft gleichwohl zulässig ist.
Wenn die Antragstellerinnen insoweit ausführen, nach dem SGB II bzw. dem SGB XII bestehe ein Anspruch auf eine eigene, angemessene Wohnung, so ändert dies nichts daran, dass das Gesetz ausweislich der Regelung in § 2 Abs. 2 AsylbLG für das (vom SGB II und SGB XII zu unterscheidende) Grundleistungsregime des AsylbLG einen solchen Anspruch auch dann nicht garantiert, wenn im Übrigen - wie für die Antragstellerinnen - nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG Leistungen entsprechend dem SGB XII zu erbringen sind. Soweit die Antragstellerinnen weiter der Ansicht sind, der Gesetzgeber habe es versäumt, nach spätestens fünf Jahren einen Übergang zu regulären Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII zu gewährleisten, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und eine Diskriminierung aufgrund der Herkunft zu unterbinden, so mögen sie damit eine nachvollziehbare rechtspolitische Forderung verbinden; eine solche kann jedoch die aktuelle geltende Rechtslage nicht definieren.
bb) Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine privat angemietete Wohnung kommt deshalb nur bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall in Betracht, wenn - etwa aus gesundheitlichen Gründen oder wegen unzumutbarer Zustände in den vom Leistungsträger bereitgehaltenen Gemeinschaftsunterkünften (oder sonstigem als Sachleistung zur Verfügung gestellten Wohnraum) - die Unterbringung in einer solchen Unterkunft nicht in Betracht kommt (vgl. schon Beschlüsse des Senats vom 07.11.2006 - L 20 B 51/06 AY ER Rn. 6 m.W.N und vom 06.05.2011 - L 20 AY 48/11 B Rn. 6 f.). Solche Umstände sind im Falle der Antragstellerinnen jedoch nicht ersichtlich.
(1) Insofern kann offenbleiben, ob der Erhaltungszustand oder die tatsächliche Belegung mit sechs weiteren Familienmitgliedern die Nutzung der aktuell bewohnten, 112 m² großen Unterkunft für die Antragstellerinnen unzumutbar ist. Denn jedenfalls erscheint die ihnen ersatzweise angebotene, abgeschlossene Wohnung von 32 m² mit zwei Zimmern, Küche und Bad in der neu errichteten Unterkunft N-Straße einstweilen als zumutbare Unterkunft.
Dabei sieht der Senat durchaus, dass diese Wohnung eine recht geringe Größe hat. Es ist jedoch auch im Bereich des SGB II oder SGB XII nicht unüblich, dass Leistungsberechtigte in Wohnungen leben, die weniger als die maximal als angemessen anzusehende Wohnfläche bieten. Immerhin ist die den Antragstellerinnen von der Antragsgegnerin angebotene Wohnung in der Unterkunft N-Straße erst vor Kurzem neu gebaut worden und dürfte deshalb - anders als viele andere Wohnungen im nach Grundsicherungskriterien angemessenen Bereich - modernen Standards (z.B. bei der Heizung und der sanitären Einrichtung, bei Fenstern und bei der räumlichen Optimierung) entsprechen.
Etwa verbleibende Restzweifel können deshalb einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das gilt auch hinsichtlich des Umstandes, dass - ersichtlich noch vor Errichtung der Wohnanlage in der N-Straße - eine Initiative aus lokalen Kirchengemeinden und anderen grundsätzliche politische Bedenken zur Belegenheit dieser Unterkunft in D geäußert haben. Wenn diese (ausweislich ihrer von den Antragstellerinnen vorgelegten Stellungnahme vom 14.06.2016) insbesondere Zweifel anklingen ließen, ob die Wohnanlage angesichts ihrer Belegenheit auf der "anderen Kanalseite" die Integration von Flüchtlingen konterkariere, so dürfte die Antragstellerin zu 1 durch ihr Aufwachsen in Deutschland und ihr dementsprechend hier gewachsenes soziales Umfeld solchen Integrationshindernissen jedenfalls von vornherein nicht ausgesetzt sein. Auch für die Antragstellerin zu 2 sind bei summarischer Prüfung bei einem Wohnen "auf der anderen Seite des Kanals" Integrationshemmnisse schon deshalb nicht zu besorgen, da sie sich im sozialen Umfeld ihrer schon in Deutschland aufgewachsenen Mutter bewegt.
(2) Soweit die Antragstellerinnen meinen, es sei verfassungsrechtlich bedenklich, wenn auch in Deutschland aufgewachsene oder lange hier lebende Ausländer keine Leistungsberechtigung nach dem SGB II oder SGB XII erhielten, so muss dies im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes offen und eine Klärung auch insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Bei summarischer Prüfung teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragstellerinnen im Übrigen jedenfalls nicht in einer Weise, dass er ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens für unzumutbar hielte.
2. Ist die Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes nach allem unbegründet, so gilt dies auch für die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Denn der Rechtsverfolgung durch die Antragstellerinnen fehlte von Anfang an eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO.
3. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Beschwerde gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes (L 20 AY 27/20 B ER) auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG, hinsichtlich der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (L 20 AY 28/20 B) auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved