L 5 AS 623/18 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 1095/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 623/18 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. November 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer von dem Beklagten für den Zeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. Januar 2013 festgestellten Minderung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -.

Der im März 1961 geborene, erwerbsfähige Kläger, der seit 2005 (mit Unterbrechungen) im Leistungsbezug des Beklagten stand, nahm ab 16. Januar 2012 eine bis zum 30. Oktober 2012 befristete Beschäftigung auf. Auf seinen Leistungsantrag vom 25. Juni 2012 bewilligte ihm der Beklagte für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. Januar 2013 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II (für August bis einschließlich November 2012 i.H.v. 69,05 Euro und für die Monate Dezember 2012 und Januar 2013 i.H.v. 652,17 Euro monatlich) und berücksichtigte Bedarfe in Höhe der Regelleistung (374,00 Euro monatlich), für Kosten der Unterkunft und Heizung (insgesamt 278,17 Euro monatlich) und in den Monaten August bis November 2012 einsetzbares Einkommen aus Erwerbstätigkeit i.H.v. 583,12 Euro (Bescheid vom 25. Juni 2012).

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 bewilligte ihm die die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld nach dem SGB III (Alg I) für die Zeit ab 1. November 2012 für 240 Kalendertage i.H.v. 17,03 Euro täglich = 510,90 Euro als Vorschuss und stellte zugleich für die Zeit vom 1. November 2012 bis 7. November 2012 wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I Nr. 69) - SGB III aF. - eine Sperrzeit fest.

Mit Bescheid vom 15. November 2012 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger eine Minderung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2013 i.H.v. 30 v.H. des maßgebenden Regelsatzes (112,20 Euro für die Monate November und Dezember 2012 und um 114,60 Euro für den Monat Januar 2013) fest (Sanktionsbescheid). Nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II liege eine Pflichtverletzung vor, wenn beim erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe oder erloschen sei, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit nach den Vorschriften des SGB III festgestellt habe. Mit dem Bescheid vom 29. Oktober 2012 sei eine Sperrzeit wegen einer Pflichtverletzung gemäß § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB III aF. festgestellt worden, womit eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vorliege, die zu einer Sanktion führe. Der Minderungszeitraum ergebe sich aus § 31b Abs. 1 S. 3 SGB II.

Mit Aufhebung- und Rückforderungsbescheid vom 15. November 2012 hob der Beklagte unter Bezugnahme auf das Einkommen aus dem Alg I-Bezug und die festgestellte Sanktion die gewährten Leistungen für den Monat November 2012 auf und forderte einen Betrag von 69,05 Euro zur Erstattung. Für November 2012 bestehe aufgrund des Einkommens aus dem Alg I-Bezug (391,61 Euro) und aus Erwerbstätigkeit (877,52 Euro) kein Leistungsanspruch (mehr).

Mit Teilaufhebungs- und Änderungsbescheid vom 15. November 2012 stellte der Beklagte die für die Monate Dezember 2012 und Januar 2013 gewährten Leistungen unter Berufung auf die festgestellte Sanktion, die ab Januar 2013 geänderte Höhe der Regelleistung und unter Hinweis auf die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse neu unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens aus dem Alg I-Bezug in Höhe von 510,90 Euro i.H.v. 29,07 Euro für den Monat Dezember 2012 und 34,67 Euro für den Monat Januar 2013 fest. Er forderte zu Unrecht gewährte Leistungen i.H.v. 623,10 Euro bzw. 617,50 Euro zur Erstattung.

Am 23. November 2012 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 15. November 2012. Er sei immer seinen Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten nachgekommen. Im Juni habe er angegeben, dass sein befristeter Arbeitsvertrag zum 30. Oktober 2012 ende.

Mit einem weiteren Widerspruch vom 23. November 2012 wandte sich der Kläger gegen den Teilaufhebungs- und Änderungsbescheid. Er könne die Aufstellung der Berechnung nicht nachvollziehen. Er wisse nicht, wie der Abzug i.H.v. 30 v.H. ermittelt werde.

Nachdem der Beklagte das dem Kläger aus der Erwerbstätigkeit zugeflossene Einkommen nach Vorlage der Kontoauszüge im Dezember 2012 festgestellt hatte (6. November 2012 910,70 Euro, 30. November 2012 437,23 Euro, 3. Dezember 2012 100,00 Euro) und ihm der Bescheid über die Bewilligung von Alg I für die Zeit ab 1. November 2012 (unter Beibehaltung der Sperrzeit), mit dem ein täglicher Leistungsbetrag in Höhe von 19,01 Euro und ein monatlicher Leistungsbetrag in Höhe von 570,30 Euro zuerkannt worden war, vorgelegen hatte, hörte er den Kläger mit Schreiben vom 19. April 2013 zu der beabsichtigten Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 25. Juni 2012 (geändert durch Bescheid vom 15. November 2012) für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 31. Januar 2013 und einer teilweisen Aufhebung der Leistungsbewilligung für Februar 2013 an. Dem Kläger sei mit Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit vom 6. November 2012 Arbeitslosengeld in einer anderen Höhe als der bisher der Berechnung des Leistungsanspruchs zugrunde gelegten bewilligt worden. Für den Monat November 2012 ergäbe sich keine Änderung. Es bestehe weiterhin kein Leistungsanspruch. Für die Monate Dezember 2012 bis Februar 2013 seien die zu viel gezahlten Leistungen zurückzuzahlen. Bei der beigefügten Berechnung wurden die Sanktionsbeträge berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2013 hob der Beklagte den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Fassung des Bescheides vom 15. November 2012 für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 31. Januar 2013 auf und forderte Leistungen i.H.v. 63,74 Euro zur Erstattung. Weiterhin hob er einen Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2012 für Februar 2013 in Höhe von 59,40 Euro auf und forderte diesen Betrag zu Erstattung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Das beim Sozialgericht daraufhin anhängige gewordene Klageverfahren ruht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2013 wies der Beklagte den gegen den Sanktionsbescheid vom 15. November 2012 gerichteten Widerspruch zurück. Eine Sanktion sei auszusprechen gewesen, da die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit erlassen habe.

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 12. April 2013 hat der Kläger am 13. Mai 2013 (Montag) Klage beim Sozialgericht Neuruppin erhoben.

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, die grundsätzliche Minderungsdauer erscheine im vorliegenden Falle rechtlich problematisch. § 31b Abs. 1 S. 2 SGB II ziele darauf ab, die Dauer der dreimonatigen Sperrzeit und den Minderungszeitraum gleichlaufen zu lassen. Ausgehend von einer Regelungslücke im Gesetz solle diese Vorschrift erweiternd so ausgelegt werden, dass sowohl der Beginn als auch das Ende der Minderungsdauer sich in den Fällen des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II nach der Dauer der Sperrzeit richte. Die vorgenommene Minderung sei daher für den Zeitraum vom 11. November 2012 bis 31. Januar 2013 unangemessen.

Der Beklagte ist erstinstanzlich bei der mit dem Widerspruchsbescheid vertretene Rechtsauffassung verblieben. Nach dem Gesetzeswortlaut komme es auf den Grund für die durch den SGB III-Leistungsträger verhängte Sperrzeit nicht an. Es sei ausreichend, dass die Agentur für Arbeit das Eintreten eine Sperrzeit festgestellt habe. Die Dauer und die Höhe der Sanktion ergebe sich aus dem SGB II. Es bestünden auch keine Bedenken gegen den möglicherweise im Vergleich zu einer Sperrzeit längeren Absenkungszeitraum. Eine Sperrzeit nach dem SGB III betreffe Versicherungsleistungen. Für den Bereich staatlicher Fürsorgeleistungen sei der Gesetzgeber in der Gestaltung wesentlich freier und könne unterschiedliche Rechtsfolgen vorsehen. Aufgrund der Art der Leistungen sei kein gleichgelagerter Sachverhalt gegeben, der eine Gleichbehandlung erforderlich mache.

Mit Urteil vom 27. November 2015 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Sanktionsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Zwar lägen die Voraussetzungen der §§ 31a und 31b SGB II für eine Minderung des Arbeitslosengeldes II i.H.v. 30 v.H. des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2013 vor.

Die Vorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sei jedoch bei einer von der Agentur für Arbeit festgestellten Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung nicht anzuwenden. Der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er sich auf die Nr. 1 bis 5 des § 159 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB III sowie auf § 161 SGB III beschränke. Eine Anwendung des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der von einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung Betroffene werde insbesondere gegenüber Leistungsberechtigten, denen ein Meldeversäumnis im Rahmen des SGB II vorgeworfen werde, ungleich behandelt. Während sich das Arbeitslosengeld II bei Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II für drei Monate um (nur) 10 v.H. des maßgebenden Regelsatzes mindere, mindere sich das Arbeitslosengeld II bei einer von der Agentur für Arbeit festgestellten Sperrzeit für drei Monate um 30 v.H ... Damit werde dieser Personenkreis wie Leistungsempfänger behandelt, die Pflichtverletzungstatbestände im Zusammenhang mit unzureichenden Bemühungen um eine Integration in Arbeit oder die Fortführung einer Beschäftigung verwirklichten, obwohl dieser Personenkreis den Leistungsberechtigten, denen ein Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II vorgeworfen werde, vergleichbar sei. Die Meldeversäumnisse nach dem SGB II und dem SGB III seien auch vergleichbar. Nach § 159 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 7 SGB III aF. trete eine Sperrzeit ein, wenn die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III aF. nicht nachgekommen sei. Mit der Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung nach § 38 Abs. 1 SGB III aF. werde das Ziel verfolgt, die Eingliederung von Arbeitsuchenden zu beschleunigen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen zu vermeiden oder wenigstens zu verkürzen. Damit die Arbeitsagentur möglichst früh mit der Vermittlung beginnen könne, sollten sich Personen, die den Zeitpunkt der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses kennen würden, rechtzeitig bei der Arbeitsagentur melden. Damit vergleichbar solle nach § 32 SGB II der Grundsatz "Fördern und Fordern" verwirklicht werden, indem diese Vorschrift sicherstelle, dass das Auslassen von Meldeterminen zur Klärung von Leistungsangelegenheiten sowie zur Feststellung des Leistungsvermögens nicht sanktionslos bleibe. Auch hier solle die Zusammenarbeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit der und die Kontaktaufnahme zur zuständigen Behörde abgesichert werden. Es gehe bei den Meldeverpflichtungen jeweils darum, flankierend zu gewährleisten, dass der absehbar Arbeitsuchende bzw. der erwerbsfähige Hilfebedürftige erste Schritte zur Behebung seiner Arbeitslosigkeit bzw. Hilfebedürftigkeit unternehme, indem er mit dem zuständigen Träger Kontakt aufnehme. Von der sehr allgemeinen Meldeobliegenheit abzugrenzen seien sowohl die übrigen Sanktionstatbestände des § 31 SGB II als auch die übrigen sperrzeitbedrohten Tatbestände des § 159 SGB III. Dementsprechend seien bei Meldeversäumnissen gemäß § 32 SGB II geringere Minderungen vorgesehen als bei den übrigen Sanktionstatbeständen.

Durch die Anwendung der Rechtsfolgenvorschriften der §§ 31a und 31b SGB II auf Meldeversäumnisse nach dem SGB III würden diese jedoch im SGB II geahndet wie die übrigen Sanktionstatbestände des § 31 SGB II und die übrigen sperrzeitbedrohten Tatbestände des § 159 SGB III. Ein Grund, der diese Gleichbehandlung von Ungleichem (Meldeversäumnisse/übrige Sanktionstatbestände) bzw. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem im Bereich der grundrechtsrelevanten Existenzsicherung rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich. Einziger Differenzierungsgrund könne eine größere Nähe der Personen, die unter das SGB III fielen, zum Arbeitsmarkt sein. Dies dürfe jedoch gerade im Blick auf die so genannten Aufstocker empirisch kaum in dieser Pauschalität zu belegen sein. Zudem würde dieser Differenzierungsgrund den gesetzlichen Auftrag ignorieren, erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem SGB II in eben solcher Weise zum Wiedereinstieg in den Grunderwerb anzuhalten und zu befähigen, wie nach dem SGB III Berechtigte. Die im Wege der verfassungskonformen Auslegung gewonnene Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II werde durch die Genese der Vorschrift gestützt. Der Gesetzgeber habe ursprünglich bei der Schaffung des Sanktionssystems des SGB II eine Abstufung der Sanktionen entsprechend der Bedeutung der Pflichtverletzungen vorgesehen. Der Gesetzgeber habe bei der Reform des SGB II im Jahr 2011 planwidrig einen zu weiten Anwendungsbereich der hier streitigen Sanktionsregelung geschaffen.

Nach Zustellung des Urteils am 30. März 2016 hat der Beklagte am 20. April 2016 die vom Sozialgericht mit dem Urteil zugelassene Berufung eingelegt.

Fraglich sei bereits, ob die isolierte Anfechtung des Sanktionsbescheides zulässig sei, denn das Bundessozialgericht habe darauf verwiesen, dass von einer rechtlichen Einheit der am gleichen Tag erlassenen Feststellung und Umsetzung einer Sanktion auszugehen sei.

Im Übrigen hat der Beklagte im Wesentlichen auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen. Die Sanktion sei gesetzeskonform festgestellt worden, Ermessen sei dabei nicht auszuüben gewesen. Zu einer Prüfung der Rechtsmäßigkeit der festgestellten Sperrzeit sei er, der Beklagte, nicht befugt. Auch sei er als "kommunaler Träger" nicht an die fachlichen Hinweise der Agentur für Arbeit für den Bereich des SGB II gebunden. Eine Grundrechtsverletzung werde nicht gesehen. Mit der anzuwendenden Vorschrift solle verhindert werden, dass eine Leistungskürzung im Bereich des SGB III vollständig durch Leistungen nach dem SGB II kompensiert werde. Ohne Ahndung einer Pflichtverletzung im Bereich des SGB II könne aber das gesetzgeberisch gesetzte Ziel nicht durchgesetzt werden. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit trotz Neuregelung der Sperrzeiten im SGB III und Änderungen im Bereich des § 31 SGB II die geregelten Meldeversäumnisse vom Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II nicht ausgenommen habe. Die Frage, ob die §§ 31, 31a und 31b SGB II verfassungswidrig seien, habe das Bundesverfassungsgericht zu beantworten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere sei die isolierte Anfechtung des Sanktionsbescheides zulässig. Die von dem Beklagten festgesetzte Sanktion und Minderung des Arbeitslosengeldes II um 30 v.H. des Regelbedarfs sei unangemessen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Erklärungen vom 12. Juni 2018 und vom 22. Juni 2018).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ).

Die im Urteil des Sozialgerichts zugelassene Berufung ist von dem Beklagten fristgemäß eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig (§ 151 Abs. 1, 3 SGG).

Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Verwaltungsentscheidung des Beklagten aufgehoben.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Sanktionsbescheid des Beklagten vom 15. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013, mit dem der Beklagte den Eintritt einer Sanktion gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (idF. Art. 1a des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 [BGBl. I S. 3057]) – SGB II aF. – festgestellt hat. Regelungsgegenstand des Bescheides ist allein die Feststellung des Eintritts einer Minderung des mit Bescheid vom 25. Juni 2012 zuerkannten Leistungsanspruchs nach dem SGB II wegen einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II aF. für die Zeit ab 1. November 2012 bis zum 31. Januar 2013 und der sich daraus ergebende Minderungsbetrag. Nicht Regelungsgegenstandstand des Sanktionsbescheides ist die Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB II für die Zeit ab Eintritt der Minderung. Der Regelungsgehalt beschränkt sich auf die Feststellung, dass ein Minderungstatbestand von dem Kläger erfüllt worden ist und daraus eine Minderung des Leistungsanspruchs für einen bestimmten Leistungszeitraum folgt.

Den Sanktionsbescheid vom 15. November 2012 kann der Kläger zulässig (isoliert) mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG anfechten, da der Beklagte von einer Umsetzung der festgestellten Minderung in demselben Bescheid abgesehen hat (BSG v. 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – juris). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beklagte vorliegend am selben Tag mit Aufhebungs- und Änderungsbescheiden über den Leistungsanspruch des Klägers im Minderungszeitraum ab November 2012 bis Januar 2013 entschieden hat und mit den Bescheiden auch die mit dem Sanktionsbescheid festgestellte Minderung berücksichtigt hat. Zwar mag eine isolierte Anfechtung des die Minderung feststellenden Verwaltungsaktes dann ausgeschlossen sein, wenn mit im engen zeitlichen Zusammenhang erlassenen Absenkungsbescheiden die gesondert festgestellte Minderung (lediglich) umgesetzt wird und die Bescheide korrespondierende Verfügungssätze haben und eine rechtliche Einheit bilden (vgl. BSG v. 22. März 2010 – B 4 AS 68/09 R – juris; B 7a AL 4/05 R – juris). Dies wird in Fallgestaltungen angenommen, in denen in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem die Minderung feststellenden Verwaltungsakt mit reinen Umsetzungsbescheiden die Höhe der Leistungen wegen des Eintritts des Minderungstatbestandes geregelt werden.

Vorliegend hat der Beklagte jedoch mit den Aufhebungs- und Änderungsbescheiden vom selben Tag und dem Änderungsbescheid vom 23. Mai 2013 nicht reine Umsetzungsbescheides erlassen, sondern wegen der Veränderung der Einkommensverhältnisse des Klägers ab November 2012 – Hinzutreten des Alg I-Bezuges zum Erwerbseinkommen im November 2012 und Alg I-Bezug in den Monaten Dezember 2012 und Januar 2013 und Wegfall des zuvor berücksichtigten Erwerbseinkommens – die Höhe des Leistungsanspruchs unter bedarfsseitiger Berücksichtigung der festgestellten Minderung neu geregelt. Eine rechtliche Einheit bei korrespondierenden Verfügungssätzen ist jedenfalls vorliegend deshalb nicht anzunehmen, so dass die den Zahlungsanspruch regelnden Bescheide vom 15. November 2012 und 23. Mai 2013 vorliegend nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Sanktionsbescheid bzw. Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens (§§ 86, 96 SGG) geworden sind und von dem anwaltlich vertretenen Kläger jeweils gesondert mit Widerspruch und Klage angefochten worden sind.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 ist rechtmäßig.

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II um 30 v.H. des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II. Nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ist eine Pflichtverletzung anzunehmen, wenn der Anspruch auf Alg I ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit festgestellt hat.

Die Regelung war von dem Beklagten auch anzuwenden. Zwar bestimmen die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu den §§ 31 ff. SGB II, dass bei durch die Agentur für Arbeit festgestellten Sperrzeiten wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach § 159 Abs. 1 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I Nr. 69) - SGB III aF. - eine Minderung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II – wie sie von dem Beklagten festgestellt worden ist – nicht vorzunehmen ist. Unabhängig davon, ob durch eine Weisung überhaupt eine Rechtsanwendung der Behörde, die sich aus dem Gesetz ergibt, untersagt werden kann, ist der Beklagte als zugelassener kommunaler Träger (§ 6a SGB II) nicht an Weisungen der Bundesagentur für Arbeit gebunden. Eine solche Bindung ergibt sich nicht aus dem SGB II oder anderen Vorschriften. Vielmehr bestimmt § 6b Abs. 1 SGB II, dass die kommunalen Träger anstelle der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit Träger der Aufgaben nach dem SGB II – mit Ausnahme einiger hier nicht relevanter Aufgaben - anstelle der Bundesagentur für Arbeit sind. Sie haben die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit (§ 6b Abs. 1 Satz 2 SGB II), was eine Bindung an Weisungen der Bundesagentur für Arbeit für die Durchführung der Aufgaben ausschließt (das beim BSG zum Aktenzeichen B 14 AS 47/18 R anhängige Revisionsverfahren betrifft ein Klageverfahren eines kommunalen Trägers im Sinne von § 6 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, der mit dem Träger nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung gebildet hat [Vorinstanz LSG Nds.-Br. v. 26. September 2018 – L 11 AS 1124/15 – juris]). Der Kläger kann sich damit schon aus diesem Grund nicht auf eine (Selbst-)Bindung des Beklagten als Träger der Leistungen nach dem SGB II berufen.

Die Voraussetzungen für die mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. November 2012 festgestellte Minderung des Leistungsanspruchs für die Zeit vom 1. November 2012 bis zum 31. Januar 2013 liegen vor.

Der Sanktionsbescheid ist formell rechtmäßig. Zwar hat der Beklagte den Kläger nicht vor Erlass des belastenden Feststellungsbescheids nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - angehört, ohne dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB X erfüllt sind. Die Verletzung der Anhörungspflicht ist vorliegend jedoch unbeachtlich und der Anhörungsmangel geheilt, da die erforderliche Anhörung mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Der Bescheid vom 15. November 2012 nennt alle wesentlichen Tatsachen, die der Beklagte bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat und zu berücksichtigen hatte (Feststellung einer Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit durch Bescheid vom 29. Oktober 2012). Der Kläger hatte damit Gelegenheit, sich hierzu zu äußern (BSG v. 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R, Rn. 15, m.w.N.; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2013, § 41, Rn. 15).

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Mit der von der Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 festgestellten Sperrzeit hat der Kläger den Sanktionstatbestand des § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm. § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II erfüllt. Durch die festgestellte Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III aF. ruhte der Alg I-Anspruch ab dem 1. November 2012 (§ 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF.). Die Höhe des von dem Beklagten zutreffend festgestellten Minderungsbetrages ergibt sich aus § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm. der Höhe des Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2, Abs. 5 SGB II iVm. § 28a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – iVm. mit der Verordnung nach § 40 SGB XII (hier Regelbedarfs-Fortschreibungsverordnung 2012 – RBSFV 2012 – v. 17. Oktober 2011, BGBl. I Nr. 53, S. 2090). Auch der Minderungszeitraum vom 1. November 2012 bis zum 31. Januar 2013 ist von dem Beklagten nach § 31b Abs. 1 Satz 2, Satz 3 SGB II zutreffend festgestellt worden.

Dem Beklagten stand nach Feststellung der Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit kein eigenes Prüfungsrecht hinsichtlich der Voraussetzungen für den Eintritt der Sperrzeit zu (Sonnhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 31, Rdn. 150). Der Beklagte hatte auch weder hinsichtlich des Eintritts der Sanktion nach dem SGB II noch hinsichtlich des Minderungszeitraums oder des Minderungsbetrages Ermessen auszuüben.

Der Senat hat – anders als das Sozialgericht – keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm. § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II aF. und hält eine verfassungskonforme Auslegung nicht für geboten.

Die Verfassung schließt eine Minderung der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II nicht aus. Der Gesetzgeber konnte Mitwirkungspflichten im Grundsicherungsrecht vorsehen und diese mit Sanktionen durchsetzen. Dem Grunde nach ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil ein legitimes Ziel, nämlich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Beseitigung von Hilfebedürftigkeit durch Einforderung von Mitwirkungshandlungen, verfolgt wird (BVerfG v. 05. November 2019 – 1 BvL 7/16 – juris, Rn. 155). Das Grundgesetz untersagt es dem Gesetzgeber nicht, die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur Sicherung existenzsichernder Leistungen nachrangig auszugestalten und davon abhängig zu machen, dass die Betroffenen ihren existenzsichernden Bedarf nicht selbst sichern können (BVerfG 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 – juris, Rn. 39). Begrenzt ist dies durch die Pflicht, jedem Menschen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, wobei von denjenigen, die staatliche Fürsorgeleistungen in Anspruch nehmen, gefordert werden kann, an der Überwindung der eingetretenen Hilfebedürftigkeit bzw. bereits an der Vermeidung derselben mitzuwirken (BVerfG v. 05. November 2019, a.a.O., Rn. 126). Wird eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch eine Minderung des Leistungsanspruchs sanktioniert, gelten strenge Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit (BVerfG, a.a.O., Rn. 132). Leistungsminderungen sind nur verhältnismäßig, wenn die beim Betroffenen eintretenden Belastungen in einem rechten Verhältnis zur tatsächlichen Erreichung des Ziels stehen, die Bedürftigkeit durch eigenständige Erwerbsarbeit (BVerfG, a.a.O., Rn. 133) oder Inanspruchnahme anderer das Erwerbseinkommen ersetzender Leistungen zu sichern. Verfassungsrechtlich unbedenklich sind einer Sanktion zugrundeliegende Mitwirkungspflichten, die unmittelbar auf die Erzielung eigener Einkünfte gerichtet sind (BVerfG, a.a.O., Rn. 141).

Die vorliegend zur Minderung führende Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II knüpft an Sperrzeittatbestände des SGB III an, die wiederum an Verhaltensweisen eines Arbeitslosen im Zusammenhang mit der Aufgabe einer Beschäftigung, der Bemühungen zur Erlangung einer besseren Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt, der Feststellung der subjektiven Verfügbarkeit und der frühzeitigen Zurverfügungstellung der Arbeitsvermittlung anknüpfen und bei Verstößen ein "versicherungswidriges" Verhalten mit dem Eintritt einer Sperrzeit belegen (vgl. § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 7 SGB III a.F. (nunmehr § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 9 SGB III). Mithin setzt auch der Tatbestand des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II an Pflichten des arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Erzielung eigener Einkünfte sowie an dem Umstand an, dass mit dem Eintritt der Sperrzeit eine vorrangig zum Lebensunterhalt einzusetzende Einnahme aus einer Versicherungsleistung des Hilfebedürftigen zum Ruhen gelangt. Die Sanktionierung entspricht folglich auch dem Nachranggrundsatz.

Das BVerfG hat bereits zu den in § 31 Abs. 1 SGB II geregelten Mitwirkungspflichten, die vergleichbare Verhaltensweisen wie die Sperrzeittatbestände in Bezug nehmen, entschieden, dass diese geeignet sind, das Ziel der Rückkehr in Erwerbsarbeit zu erreichen. Dies gilt zur Überzeugung des Senats auch für die Umstände, die Grundlage für Sperrzeiten nach dem SGB III sind. Soweit das BVerfG (a.a.O.) zu den Sanktionstatbeständen des § 31 Abs. 1 SGB II angenommen hat, dass der Gesetzgeber von deren Erforderlichkeit ausgehen durfte, gilt dies für den hier streitigen Sanktionstatbestand ebenfalls, denn auch die mit einer Sperrzeit sanktionierten Verhaltensweisen zielen auf die Eingliederung des arbeitslosen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben, und es ist gleichfalls nicht evident, dass weniger belastende Mitwirkungshandlungen als die im Rahmen des SGB III geforderten - die im Übrigen in ihrer Qualität nicht über die nach § 31 Abs. 1 SGB II hinausgehen - dasselbe bewirken könnten.

Das BVerfG hat auch die Höhe der vorgesehenen Sanktion von 30 v.H. nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Grunde nach verfassungsrechtlich nicht beanstandet. Zwar ist die Entscheidung vom 5. November 2019 zu Sanktionen nach § 31 Abs. 1 SGB II ergangen, indes ergibt sich kein Anhalt dafür, dass eine Sanktionierung in Höhe von 30 v.H. des maßgebenden Regelbedarfs bei einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II nicht ebenso dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist. Denn auch wenn sich der Gesetzgeber bei der Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 SGB II für eine "harte Belastung" der Betroffenen entschieden hat, folgt daraus keine Ungeeignetheit (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 159 ff.). Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass mit Leistungsminderungen tatsächlich in einem größeren Umfang erreicht wird, dass Menschen, die die in § 31 Abs. 1 SGB II angeführten Pflichten erfüllen, Arbeit suchen und finden, ist von dessen Gestaltungsspielraum gedeckt.

Zwar hat das BVerfG angenommen, dass der Träger nach dem SGB II von Amts wegen prüfen muss, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der die Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II begründet (BVerfG, a.a.O., Rn. 173). Indes ist eine solche Prüfung bei dem Sanktionstatbestand des § 31a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bereits von der Bundesagentur für Arbeit nach § 159 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 SGB III aF. erfolgt, so dass eine solche Kontrolle durch den SGB II-Träger unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht erneut gefordert ist.

Soweit das BVerfG den zwingenden Eintritt einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II für unzumutbar erachtet hat, da erkennbaren Ausnahmekonstellationen Rechnung getragen werden muss (BVerfG, a.a.O., Rn. 184), hat der Kläger trotz Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG keine Umstände vorgetragen, die eine "Ausnahmekonstellation", eine Abweichung vom Regelfall – hier Eintritt der Minderung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II wegen festgestellter Sperrzeit nach dem SGB II – begründen könnte. Der Kläger verfügte im Monat November 2012 über Einkünfte aus Erwerbstätigkeit (im Vormonat) in Höhe von 910,70 Euro und aus dem Alg I-Bezug in Höhe von 437,23 Euro, die unter Berücksichtigung von Freibeträgen angerechnet wurden, so dass bereits die Minderung des Regelbedarfs nicht dazu geführt hat, dass dem Kläger nur Mittel unterhalb des Regelbedarfs zzgl. des Bedarfs für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II (539,97 Euro) verblieben sind. Vielmehr bestand auch bei Nichtberücksichtigung des sich aus der Sanktion ergebenden Minderungsbetrages im November 2012 keine Hilfebedürftigkeit. In den Monaten Dezember und Januar 2013 hätte sich nach Anrechnung des Alg I in Höhe von 570,30 Euro ein monatlicher Leistungsanspruch in Höhe von 81,87 Euro (tatsächliche Minderung damit 12,56 v.H.) ergeben, wobei im Dezember 2012 noch monatliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit von 100,00 Euro anrechnungsfrei (§ 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II aF.) waren. Anhaltspunkte für eine Ausnahmekonstellation hinsichtlich der Höhe und der Dauer der verfügten Sanktion, etwa eine Mitbetroffenheit Dritter, Gefährdung der Unterkunft, besondere Bedarfslagen) sind bei dem damals nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger auch nicht ersichtlich. Da der Kläger im Minderungszeitraum im Monat November 2012 noch über bedarfsdeckendes Einkommen verfügt hat und ihm im Dezember 2012 noch anrechnungsfreies Einkommen neben dem (geminderten) Anspruch nach dem SGB II zur Verfügung stand, ist er auch von der Sanktion nicht "regelhaft" betroffen gewesen.

Eine Unangemessenheit der Wirkung der Sanktion nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II in den Fällen des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II – mangelnde Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne – ist entgegen der Ansicht des Klägers, der eine Unangemessenheit im Übrigen nur für die Zeit ab dem 11. November 2012 geltend macht, auch nicht darin zu sehen, dass die Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Fall einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II über das Maß der Belastung einer Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III aF. wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung (weit) hinausgeht.

Dem Gesetzgeber steht – wie bereits dargelegt – bei der Ausgestaltung der Leistungen nach dem SGB II ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihm war es unbenommen, für die steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II weitreichendere Leistungsabsenkungen bei Pflichtverletzungen vorzusehen, als er es im Rahmen von Versicherungsleistungen nach dem SGB III für angemessen erachtet hat (LSG Nds.-Br. V. 03. April 2017 – L 11 AL 19/17 – juris; Sonnhoff, a.a.O., Rn. 152). Ein verfassungsrechtliches Gebot dahin, dass der Minderungszeitraum in den Fällen des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II der Dauer der Sperrzeit entsprechen müsste, ist nicht ersichtlich (LSG Nds.-Br., a.a.O., Rn. 29). Unabhängig davon, dass der Senat der Regelung des § 31b Abs. 1 Satz 2 SGB II ("In den Fällen des § 31 Abs. 2 Nr. 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein") nicht das gesetzgeberische Ziel entnehmen kann, die Dauer der Sperrzeit und den Minderungszeitraum gleichlaufen zu lassen (so aber Lauterbach in Gagel, SGB II, 75- Lfg., Std. 09/2019, § 31b SGB II), da nach dem Wortlaut allein der Beginn des Sanktionszeitraums im Rahmen des Leistungsbezuges nach dem SGB II – nach der allgemeinen Regelung in Satz 1 -geregelt ist und die Dauer der Sanktionen nach dem SGB II erst nachfolgend in Satz 3 (einheitlich für den Bereich des SGB II) normiert ist, ergäbe sich hieraus auch keine Ermächtigung zur einschränkenden Auslegung (so aber Lauterbach, ebd.). Differenzierte Regelungen zur Dauer der Sperrzeit, wie sie im SGB III geregelt sind, sind mit den an die Sperrzeit anknüpfenden Minderungstatbestände nicht in das SGB II übernommen worden (Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 31, Rn. 57; Sonnhoff, a.a.O., Rn. 176). Da der Sanktionstatbestand nach dem SGB II eine Absenkung des Leistungsanspruchs und nicht einen Entzug der gesamten Leistung bewirkt, während der Eintritt der Sperrzeit zu einem Entfallen der Leistung führt, die unterschiedlichen Rechtsfolgen also nicht in jedem Fall zu einer Schlechterstellung des SGB II-Leistungsberechtigten führen (Sonnhoff, a.a.O., Rn. 172), ergibt sich ein erforderliches "Gleichziehen" des Minderungszeitraums nach dem SGB II mit der Sperrzeit nach dem SGB III auch nicht aus der Systematik. Der Gesetzgeber hat auch mit dem Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch &8210; Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (vom 26. Juli 2016, BGBl. I., S. 1824) zum 1. August 2016 nicht die Weisungslage der Bundesagentur für Arbeit zur einschränkenden Anwendung der Regelung des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II zum Anlass genommen, den Minderungstatbestand in Sperrzeitfällen nach dem SGB II zu korrigieren, etwa den Minderungszeitraum an die Sperrzeitdauer anzupassen oder die Höhe der Minderung zu ändern. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ergibt sich auch aus Art. 3 GG keine Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung der Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Anwendungsbereich einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Untersagt ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung dem einen Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird. Dabei ist ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter Prüfungsmaßstab anzulegen, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG v. 07. November 2016 1 BvR 1089/12 u.a. – juris, Rn. 65 m.w.N.).

Zwar betrifft die Sanktion des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB nur "Aufstocker" (da eine Person, die bedarfsdeckendes Arbeitslosengeld bezieht, wegen einer einwöchigen Sperrzeit kaum ergänzendes Arbeitslosengeld II beanspruch dürfte). Eine nicht zu rechtfertigendes Benachteiligung liegt darin indes nicht (a. A. die Bundesagentur für Arbeit in ihren Durchführungshinweisen für die Anwendung des SGB II).

Denn die Leistungssysteme des SGB III und SGB II sind wesentlich ungleich. Das Leistungssystem des SGB II ist steuerfinanziert, die Leistungsempfänger erhalten existenzsichernde Leistungen, die unabhängig von einer Beitragsleistung gewährt werden, während das System der Arbeitsförderungsleistungen nach dem SGB III durch Beiträge der Versicherten (mit-)finanziert ist. Die damit nicht gleichen Leistungsbezieher der beiden Systeme können daher auch ungleich im Hinblick auf Verletzung von Pflichten im Rahmen des Leistungsbezuges behandelt werden. Aus Art. 3 GG folgt nicht ein Gebot, den Minderungszeitraum nach dem SGB II entsprechend der Sperrzeitdauer auszugestalten, zumal die unterschiedliche Ausgestaltung der Sanktionen "Ruhen bei Sperrzeit" und "Anspruchsminderung" im SGB III und SGB II nicht dazu führt, dass es zwangsläufig zu einer Schlechterstellung der von einer Minderung nach dem SGB II Betroffenen kommt (Sonnhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 31).

Auch vermag der Senat einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht darin zu sehen, dass durch die Anwendung des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II mit der Rechtsfolge des § 31a Abs. 1 Satz 1, § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II Personen bei festgestellter Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III aF. mit derselben Sanktion betroffen werden wie Leistungsberechtigte mit Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 1 SGB II (unzureichende Bemühungen um eine Integration in Arbeit). Wie bereits dargelegt liegen den Sperrzeittatbeständen des § 159 Satz 2 Nr. 1 bis 7 SGB III aF. Verletzungen von Mitwirkungen im Zusammenhang mit der Vermittlung in Arbeit zugrunde, so dass gerade auch Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Integration in Arbeit zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit betroffen sind. Soweit das Sozialgericht im Hinblick auf den vorliegend verwirklichten Sperrzeittatbestand der verspäteten Arbeitsuchendmeldung nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III aF. iVm. mit § 38 SGB III aF. anknüpft und ein solches Meldeversäumnis mit Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II gleich setzt, greift dies nicht durch. Meldeversäumnisse nach § 32 SGB II betreffen Termine zur Klärung (allgemeiner) Leistungsangelegenheiten und zur Feststellung des Leistungsvermögens und nicht direkt ein in § 31 Abs. 1 SGB II gefordertes Verhalten zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit (§ 31 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 SGB II), Verbesserung der Vermittlungschancen durch Befolgen von Verpflichtungen aus einer Eingliederungsvereinbarung (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II Eigenbemühungen um Erwerbsarbeit) oder die Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen zur Integration in das Erwerbsleben (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Wie bereits dargelegt sanktionieren die Sperrzeittatbestände den Mitwirkungshandlungen in § 31 Abs.1 SGB II vergleichbare Anforderungen an den Arbeitslosen und potentiell Arbeitsuchenden im Rahmen des SGB III. Auch die Obliegenheit der frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung nach § 38 SGB III aF. dient der Möglichkeit, der Agentur für Arbeit bereits zu einem Zeitpunkt die Möglichkeit zur Vermittlung in Arbeit zu geben, zu dem noch keine Arbeitslosigkeit eingetreten ist, um den Versicherungsfall mit der Folge des Anspruchs auf die Einkommensersatzleistung abzuwenden (Harks in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 38, Rn. 22), so dass gerade ein enger Zusammenhang zwischen der "Meldung" nach § 38 Abs. 1 SGB III mit einer vom Gesetzgeber für erforderlich angesehenen Integration in Arbeit gegeben ist. Die Verletzung der Obliegenheit nach § 38 SGB II ist also nicht mit einem "einfachen" Meldeversäumnis" nach § 32 SGB II vergleichbar. Dass der Gesetzgeber mithin Pflichtverstöße nach § 31 Abs. 2 SGB II mit den gleichen Rechtsfolgen versieht wie bei Pflichtverstößen nach § 31 Abs. 1 SGB II ist systematisch konsequent und berücksichtigt gerade die vergleichbaren Sanktionstatbestände.

Soweit das Sozialgericht meint, der Gesetzgeber habe "planwidrig" einen zu weiten Anwendungsbereich der §§ 31 Abs. 2 Nr. 3, 31a, 31b SGB II geschaffen, da nach § 31 Abs. 4 SGB II aF. (Fassung bis 01. April 2011) bei SGB III-Sperrzeiten bei Meldeversäumnissen die Möglichkeit der Anwendung des § 31 Abs. 2 SGB II aF. mit entsprechend weniger gravierenden Rechtsfolgen bestand habe (so auch Berlit, LPK-SGB II, § 31, Rn. 130), so ändert dies an der eindeutigen gesetzlichen Regelung nichts. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, die vom Sozialgericht angenommene Planwidrigkeit zu beseitigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht
Rechtskraft
Aus
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