L 9 KR 359/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 469/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 359/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. September 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge der Klägerin ab 1. August 2017 bei einem Zusammentreffen studentischer Pflichtversicherung mit dem Bezug von Waisengeld.

Die im Jahre 1997 geborene Klägerin ist seit dem 1. Oktober 2016 als Studentin bei den Beklagten kranken- bzw. pflegeversichert. Sie bezieht seit dem 1. Dezember 2013 vom Versorgungsamt Berlin Waisengeld nach ihrem verstorbenen Vater, der in einem Beamtenverhältnis gestanden hatte. Mit Bescheid vom 24. August 2017, geändert durch Bescheid vom 21. Oktober 2017, setzten die Beklagten die Beiträge der Klägerin zur Kranken- und zur Pflegeversicherung für die Zeit ab 1. August 2017 auf insgesamt 113,04 Euro monatlich fest. Zur Berechnung ermittelten die Be-klagten zunächst den Beitrag, wie er sich, orientiert am BaföG-Bedarfssatz und einem auf 7/10 reduzierten Beitragssatz, für die studentische Krankenversicherung ergeben würde:

BaföG-Bedarfssatz Beitragssatz Beitrag Krankenversicherung 649,00 Euro 10,22 % 66,33 Euro Zusatzbeitrag 649,00 Euro 1,0 % 6,49 Euro Pflegeversicherung 649,00 Euro 1,275 % 8,27 Euro Gesamtbeitrag zur studentischen Krankenversicherung 81,09 Euro

Zugleich ermittelten die Beklagten den Beitrag, wie er sich, bezogen auf Versorgungsbezüge in Höhe von 669,89 Euro, nach dem allgemeinen Beitragssatz ergeben würde:

Versorgungsbezug Beitragssatz Beitrag Krankenversicherung 669,89 Euro 14,6 % 97,80 Euro Zusatzbeitrag 669,89 Euro 1,0 % 6,70 Euro Pflegeversicherung 669,89 Euro 1,275 % 8,54 Euro Gesamtbeitrag nach dem allgemeinen Beitragssatz 113,04 Euro

Rechnerisch erhob die Beklagte den Gesamtbeitrag zur studentischen Krankenversicherung in Höhe von 81,09 Euro zuzüglich 31,95 Euro Beiträge aus dem Versorgungsbezug, zusammen 113,04 Euro; von den Beiträgen auf den Versorgungsbezug wurde dabei nur derjenige Teil erhoben (31,95 Euro), der den Gesamtbeitrag zur studentischen Krankenversicherung überstieg. Im Ergebnis dieses Rechenweges gestalten die Beiträge der Klägerin zur Kranken- und zur Pflegeversicherung sich der Höhe nach so, als würden sie vollständig auf Basis des allgemeinen Beitragssatzes nachdem Versorgungsbezug bemessen.

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin an, sie beziehe kein BaföG, sondern nur Versorgungsbezüge. Zu viel berechnete Bei-träge seien zu erstatten.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2018 zurück und bezog sich dabei u.a. auf § 236 Abs. 1 sowie Abs. 2 Satz 2 SGB V. Aus den Versorgungsbezügen seien Beiträge zu erheben, soweit sie die für die studentische Krankenversicherung zu erhebenden Beiträge überstiegen; das sei hier der Fall in Höhe des Betrages von 31,95 Euro. Der Beitragssatz zur Krankenversicherung der versicherungspflichtigen Studenten (10,22 %) betrage nur 7/10 des allgemeinen Beitragssatzes, der für Versorgungsbezüge gelte (14,6 %).

Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen angeführt: Ihr müsse der privilegierte Studentenbeitrag zugute kommen, denn ihr Versorgungsbezug bewege sich ungefähr in der Höhe des BaföG-Bedarfssatzes. Der Zweck des Studententarifs werde gleichheitswidrig konterkariert, wenn der gesamte Versorgungsbezug mit dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 % belastet werde. § 236 Abs. 2 SGB V müsse so angewandt werden, dass nur der über den BaföG-Bedarfssatz hinausgehende Versorgungsbezug mit dem allgemeinen Beitragssatz belastet werde.

Mit Bescheid vom 9. August 2019, von dem das Sozialgericht keine Kenntnis erhielt, haben die Beklagten die Beiträge der Klägerin für die Zeit ab 1. Oktober 2019 auf monatlich insgesamt 117,49 Euro festgesetzt, ausgehend von einem BaföG-Bedarfssatz von nunmehr 744,00 Euro und einem monatlichen Versorgungsbezug von 691,33 Euro; die Berechnung entspricht der bislang von den Beklagten praktizierten und oben dargestellten Methode; auf Bl. 70 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. September 2019 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar bemesse sich der Beitrag zur studentischen Pflichtversicherung gemäß § 236 Abs. 1 SGB V nach dem BaföG-Bedarfssatz, verbunden mit dem auf 7/10 reduzierten Beitragssatz nach § 245 SGB V. Waisengeld sei dagegen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 wie ein Versorgungsbezug zu behandeln und unterfalle nach §§ 241, 248 SGB V dem all-gemeinen Beitragssatz. Entscheidend sei aber § 236 Abs. 2 Satz 2 SGB V: Danach seien die nach dem Waisengeld zu bemessenden (höheren) Beiträge nur zu zahlen, soweit sie die nach § 236 Abs. 1 zu bemessenden (niedrigeren) Beiträge überstiegen. Hiervon hätten die Beklagten zutreffend Gebrauch gemacht. Die Beitragsberechnung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht.

Hiergegen hat die Klägerin am 3. Oktober 2019 Berufung eingelegt, die nicht weiter begründet worden ist.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. September 2019 so-wie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2017 in der Fassung des Bescheides vom 21. Oktober 2017, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2018 sowie den Bescheid vom 9. August 2019 da-hingehend abzuändern, dass Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung ab 1. August 2017 auf das von der Klägerin bezogene Waisengeld mit einem Beitragssatz von 14,6 % nur insoweit erhoben werden, als das Waisengeld betragsmäßig die gemäß § 236 Abs. 1 SGB V relevanten fiktiven beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe eines Dreißigstels des Betrages, der als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 des BaföG für Studenten gilt, übersteigt,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2020 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entschieden, weil das Sozialgericht über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 8. Mai 2020 die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen hat.

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil die Prozessordnung dies im Falle eines entsprechenden Hinweises in der Ladung vorsieht (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Verfahrens ist nach § 96 Abs. 1 SGG auch der Bescheid vom 9. August 2019, denn er ersetzt den vorangegangenen Beitragsbescheid.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zu ergänzen bleibt: Die Beitragsberechnung der Beklagten entspricht dem gelten-den Recht, insbesondere dem entscheidenden § 236 Abs. 2 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach sind die auf Versorgungsbezüge entfallenden (höheren) Beiträge "nur zu entrichten, soweit sie die nach Abs. 1 zu bemessenden (niedrigeren) Beiträge übersteigen" (vgl. dazu Peters in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Rdnr. 40 zu § 236 SGB V). Genau so sind die Beklagten rechnerisch verfahren.

Der Klägerin ist zuzugestehen, dass im gesetzgeberischen Modell auf den ersten Blick eine beanstandenswerte Ungleichbehandlung liegt, weil bei in etwa gleichen "Einkommensverhältnissen" nach § 236 Abs. 1 SGB V zu bemessende Studenten einerseits und Waisengeld beziehende Studenten andererseits ungleich behandelt werden, obwohl ihre wirtschaftliche Situation sich ähnelt. Gleichwohl liegt hierin keine willkürliche Ungleichbehandlung, denn schon im Ansatz sind die Sachverhalte unterschiedlich, weil Bezieherinnen und Bezieher von Waisengeld oder Waisenrente anders dastehen als Studentinnen und Studenten, die eine solche Leistung nicht erhalten. Studierende erhalten die BAföG-Leistungen als staatliche Unterstützung im Regelfall zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als zinsloses, rück-zahlbares staatliches Darlehen. Demgegenüber sind Waisengeld oder Waisenrente eine nicht rückzahlbare Dauerzahlung der gesetzlichen Sozialversicherung (gesetzliche Rentenversicherung, Unfallversicherung) oder im Versorgungsrecht, die im Falle des Todes des Rentenberechtigten an dessen Kinder gezahlt wird. Sie dient als Ausgleich der ausgefallenen Unterhaltsbei-träge des Verstorbenen. BaföG einerseits und Waisengeld bzw. -rente wurzeln also in völlig verschiedenen Regelungsbereichen, was es rechtfertigt, sie beitragsrechtlich als unterschiedliche Sachverhalte anzusehen. Keinen Anlass für Beanstandungen hat insoweit auch das Bundessozialgericht gesehen, das in seinem Urteil vom 19. Dezember 1995 (12 RK 74/94, juris) die Anwendung der Vorläuferregelung in § 381 Abs. 2a RVO auf die Bezieher einer Waisenrente ausgedehnt hat (a.a.O., Rdnr. 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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