B 6 KA 13/19 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 305/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 93/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 13/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Allein die Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer und die Gewährleistung der telefonischen Erreichbarkeit des Vertragsarztes für seine Patienten steht der "unvorhergesehenen" Inanspruchnahme und damit dem Ansatz der Gebührenordnungsposition 01100 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (juris: EBM-Ä 2008) nicht entgegen.

 

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Oktober 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarabrechnung der Klägerin für die Quartale 2/2008 bis 2/2011 bezogen auf die sog Unzeitgebühr nach Gebührenordnungsposition (GOP) 01100 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä).

2

Die Klägerin ist eine aus Ärzten für Anästhesiologie bestehende überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, die sich auf Leistungen im Zusammenhang mit ambulanten Operationen und mit belegärztlichen Leistungen spezialisiert hat. Sie gewährleistet für den Fall, dass nach Operationen Komplikationen auftreten, ihre telefonische Erreichbarkeit rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche sowohl für die operierten Patienten als auch für die beteiligten Operateure. Wegen auffälliger Tagesarbeitszeiten führte die Beklagte eine Plausibilitätsprüfung durch und berichtigte die Honorarabrechnungen der Klägerin für die Quartale 2/2008 bis 4/2010 mit zwei Bescheiden vom 13.3.2012. Die Berichtigungen bezogen sich auf die GOP 01100 (unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 19:00 und 22:00 Uhr sowie an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und am 31.12. zwischen 07:00 und 19:00 Uhr), 01414 (Visite auf der Belegstation) und 05230 EBM-Ä (Aufwandserstattung für das Aufsuchen eines Kranken in der Praxis eines anderen Arztes oder Zahnarztes zur Durchführung von Anästhesien/Narkosen ). Mit zwei weiteren Bescheiden vom 24.9.2012 nahm die Beklagte sachlich-rechnerische Richtigstellung in den Quartalen 1/2011 und 2/2011 vor, die allein die GOP 01100 EBM-Ä zum Gegenstand hatten. Die gegen diese Richtigstellungsbescheide gerichteten Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit vier Widerspruchsbescheiden vom 25.2.2015 zurück.

3

Die dagegen erhobenen Klagen (Az: S 38 KA 305/15, S 38 KA 306/15, S 38 KA 307/15, S 38 KA 308/15) hat das SG unter dem Az: S 38 KA 305/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin erklärt, dass sie sich gegen die angefochtenen Bescheide nur noch insoweit wende, als sich die sachlich-rechnerische Richtigstellung auf die GOP 01100 EBM-Ä beziehe.

4

Das SG hat den Klagen stattgegeben und die angefochtenen Bescheide nach dem Inhalt des Tenors "aufgehoben" (Urteil vom 15.5.2017). Die Klägerin habe die GOP 01100 EBM-Ä zu Recht in Ansatz gebracht. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung sei insoweit zu Unrecht erfolgt. Die vorliegende instanzgerichtliche Rechtsprechung (LSG Hamburg Urteil vom 25.4.2013 - L 1 KA 5/12; SG München Urteil vom 24.9.2014 - S 21 KA 1354/12) gehe davon aus, dass die Inanspruchnahme nicht "unvorhergesehen" und dass deshalb die GOP 01100 EBM-Ä nicht ansetzbar sei, wenn vom Arzt Leistungen bewusst, geplant und organisiert außerhalb der Sprechstunden angeboten würden. Die Klägerin bewerbe zwar ihre "24-Stunden fachärztliche Rufbereitschaft für Patienten". Die Besonderheit bestehe vorliegend aber darin, dass es sich bei der Klägerin um eine überörtliche anästhesistische Gemeinschaftspraxis handele, die - wie die meisten anästhesistischen Praxen - keine Sprechstunden abhalte und damit auch keine Möglichkeit habe, die Patienten auf eine Inanspruchnahme zu normalen Sprechstunden zu verweisen. Die bisher von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze könnten daher nur bedingt herangezogen werden. Eine Dienstsituation, die mit der eines normalen Bereitschaftsdienstes vergleichbar wäre, habe nicht vorgelegen. Vielmehr handele es sich um ein bloßes Serviceangebot der Klägerin und um eine Selbstverständlichkeit in unmittelbarem und engem Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit, die den operierten Patienten zugutekomme, falls es nach dem Eingriff zu Komplikationen komme. In diesem Lichte sei der Begriff "unvorhergesehene Inanspruchnahme" zu interpretieren und deshalb hier weiter auszulegen. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dass dem Angebot der Klägerin eine Absprache mit dem Operateur zugrunde liege, handele es sich um eine bloße Vermutung, für deren Richtigkeit es keinerlei Anhaltspunkte gebe.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG München aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 31.10.2018). Das SG hätte die angefochtenen Bescheide schon deshalb nicht in vollem Umfang aufheben dürfen, weil die Klägerin ihre Klage allein bezogen auf die Richtigstellung der GOP 01100 EBM-Ä aufrechterhalten, jedoch bezogen auf die weiteren streitigen GOP 05230 und 01410 EBM-Ä zurückgenommen habe. Im Umfang der Rücknahme der Klage seien die angefochtenen Bescheide bestandskräftig geworden. Auch soweit sich die Richtigstellung auf die GOP 01100 EBM-Ä beziehe, seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä setze die "unvorhergesehene Inanspruchnahme" des Vertragsarztes voraus. Unvorhergesehen sei die Inanspruchnahme des Vertragsarztes nur, wenn dieser zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht damit gerechnet habe, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen, er also nicht in einer Dienstsituation in Anspruch genommen worden sei. Diese Dienstsituation könne zB aufgrund einer Sprechstunde oder aufgrund eines angebotenen Notdienstes bestehen oder deshalb, weil der Patient für die Behandlung in den genannten Zeiten bestellt worden sei. Vorliegend habe die Klägerin zwar weder Sprechstunden angeboten noch Patienten für die Behandlung in den genannten Zeiten bestellt. Sie habe aber einen Bereitschaftsdienst organisiert, indem sie sowohl den Patienten als auch den behandelnden Ärzten gegenüber eine Mobil-Notfallnummer benannt habe, unter der jederzeit einer ihrer Ärzte erreichbar gewesen sei. Das Vorliegen einer dem Notdienst vergleichbaren Dienstsituation werde auch durch die Bezahlung der angestellten Ärzte während ihrer Einteilung zum Bereitschaftsdienst deutlich. Die Inanspruchnahme erfolge damit nicht wider Erwarten. Mit der Angabe der Telefonnummer trete die Klägerin aktiv an die Patienten heran und biete ihnen an, bei Beschwerden auch abends und nachts zur Verfügung zu stehen. Dadurch beeinflusse und veranlasse sie die Inanspruchnahme zu Uhrzeiten ab 19:00 Uhr bzw an Wochenenden und an Feiertagen, was die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ausschließe. Der Umstand, dass die Klägerin aufgrund ihrer besonderen Situation als Anästhesiepraxis keine regulären Sprechstunden anbiete, führe entgegen der Auffassung des SG zu keinem anderen Ergebnis. Maßgeblich sei allein der Wortlaut der Leistungslegende und damit das Erfordernis der unvorhergesehenen Inanspruchnahme. Zudem werde die gehäufte Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä neben der GOP 05230 EBM-Ä von der Klägerin nicht schlüssig dargelegt.

6

Zur Begründung ihrer dagegen eingelegten Revision macht die Klägerin geltend, dass das LSG den in der Leistungslegende zur GOP 01100 EBM-Ä enthaltenen Begriff "unvorhergesehen" unzutreffend ausgelegt habe. Entgegen der Auffassung des LSG könne das Vorhalten einer Erreichbarkeit über ein Mobiltelefon nicht einer Notfallsprechstunde und damit einer Inanspruchnahme im Rahmen von Dienstsituationen gleichgestellt werden. Nur eine "organisierte Dienstsituation" stehe der Vergütung nach GOP 01100 EBM-Ä entgegen. Die Klägerin betreibe keine Notfallstation und nehme durch das Serviceangebot auch nicht am Notdienst teil. Der zuständige Anästhesist halte sich auch während der Erreichbarkeit über das Mobiltelefon nicht in der Arztpraxis auf. Die Patienten würden keinesfalls beeinflusst oder veranlasst, außerhalb von Notfällen den Anästhesisten in Anspruch zu nehmen. Die Situation sei mit der eines Hausarztes vergleichbar, der von Patienten außerhalb der Sprechzeiten ohne Terminvereinbarung zur Unzeit telefonisch privat kontaktiert oder persönlich aufgesucht werde. Auch hier sei dem Patienten die Telefonnummer des Hausarztes bekannt. Mit der GOP 01100 EBM-Ä solle die Inanspruchnahme eines Vertragsarztes zur "Unzeit" abgegolten werden, soweit dieser nicht in den aufgeführten Zeiträumen Sprechstunden abhalte oder am organisierten Notdienst teilnehme. Vor dem Hintergrund dieses Zwecks sei der Ansatz der GOP hier auch gerechtfertigt. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass sie - die Klägerin - die Notfallpauschale nach GOP 01210 EBM-Ä oder die Notfallkonsultationspauschalen nach GOP 01214, 01216, 01218 EBM-Ä nicht abrechnen könne, weil sie nicht am organisierten Notfalldienst teilnehme. Insofern bliebe sie vollkommen entschädigungslos, wenn man ihr die Abrechnungsmöglichkeit der GOP 01100 EBM-Ä verweigern würde. Auch im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Abrechnung der genannten GOP vor. Die Tätigkeit in einer anderen Praxis spreche nicht gegen die Plausibilität der Abrechnung. Grundsätzlich sei die GOP 01100 EBM-Ä allgemein neben der GOP 05230 EBM-Ä abrechenbar. Ergänzend nimmt die Klägerin auf eine Stellungnahme des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten vom 13.6.2019 Bezug.

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen LSG vom 31. Oktober 2018 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 15. Mai 2017 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Bescheide vom 13. März 2012 und vom 24. September 2012 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. Februar 2015 insoweit aufgehoben werden, als sie die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Leistungen nach GOP 01100 EBM-Ä zum Gegenstand haben.

8

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Die Honorarabrechnung sei zu Recht berichtigt worden. Die Voraussetzungen für die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä hätten nicht vorgelegen, weil es an der vorauszusetzenden "unvorhergesehenen" Inanspruchnahme gefehlt habe. Unvorhergesehen sei die Inanspruchnahme eines Vertragsarztes nur, wenn dieser zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht damit gerechnet habe, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen, er also nicht in einer Dienstsituation in Anspruch genommen worden sei. Nach den dazu in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen könne die Inanspruchnahme der Klägerin im Rahmen des von ihr vorgehaltenen "Bereitschaftsdienstes" nicht mehr als "unvorhergesehen" gelten. Bei dem von der Klägerin angebotenen Bereitschaftsdienst handele es sich um einen eigens organisierten und den Patienten gegenüber aktiv angebotenen Notdienst. Die Klägerin selbst habe die Einrichtung dieses Dienstes damit begründet, dass nach einem Eingriff auch an den folgenden Tagen mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sei. Sie habe die Patienten ausdrücklich auf ihr Angebot hingewiesen und den Patienten eine Informationsmappe ausgehändigt, die auch die Mobilfunknummer des angebotenen 24-Stunden-Bereitschaftsdienstes enthalte. Damit habe sie die Inanspruchnahme zu Uhrzeiten ab 19:00 Uhr bzw an Wochenenden und Feiertagen beeinflusst und veranlasst. Dies schließe eine Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä aus. Der von der Klägerin zum Bereitschaftsdienst eingeteilte Arzt halte sich zur Erbringung einer ärztlichen Leistung bereit und befinde sich deshalb in einer Dienstsituation. Für die Erreichbarkeit über das Mobiltelefon erhalte der diensthabende Arzt eine Vergütung. Infolge der 24-stündigen Dauerbereitschaft habe sich die abrechnende Klägerin insgesamt in einer Art Dauerdienstsituation befunden. Bei der Beurteilung, ob eine Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch den Patienten "unvorhergesehen" gewesen sei, sei mit dem LSG zwischen der Initiierung der Notfallbehandlung durch den Patienten, der unvorhergesehen ärztlicher Leistung bedarf, und der Frage, ob diese Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung durch den Patienten für den Arzt zu einer Zeit, in der er an einem unter seiner Mitwirkung bereitgestellten Bereitschaftsdienst teilnimmt, unvorhergesehen sei, zu unterscheiden. Der Behandlungsbedarf des jeweiligen Patienten könne dabei unvorhergesehen sein, die daraufhin erfolgte Inanspruchnahme des Arztes jedoch nicht. Ferner habe das LSG die gehäufte Nebeneinanderabrechnung der GOP 01100 und 05230 EBM-Ä zu Recht als nicht schlüssig angesehen. Soweit die Klägerin geltend mache, am Tag nach der Operation vom Operateur hinzugezogen worden zu sein, handele es sich um eine postoperative Behandlung und damit eine geplante und routinemäßige Untersuchung. Dass diese zwischen 19:00 und 22:00 Uhr stattgefunden haben soll, erscheine realitätsfremd. Unabhängig davon sei die Klägerin jedenfalls nicht durch den Patienten, sondern durch den Operateur in Anspruch genommen worden, sodass die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ausgeschlossen sei. Ferner sei nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grund der Anästhesist am Tag nach dem Eingriff noch einmal die Praxis des Operateurs aufsuche, wenn der Operateur an diesem Tag die postoperative Behandlung durchführe. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Einleitung und/oder Kontrolle einer medikamentösen Therapie regelmäßig (fakultativer) Leistungsinhalt der postoperativen Behandlungskomplexe im Zusammenhang mit der Durchführung ambulanter Operationen sei. Die GOP des Kapitels 31.2 umfassten nach Ziffer 5 der Präambel auch einen postoperativen Arzt-Patienten-Kontakt ab dem ersten Tag nach der Operation.

II

10

Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet.

11

A. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen ist § 106a Abs 2 SGB V (hier noch idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190, im Folgenden: aF; heute § 106d Abs 2 SGB V). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest. Die Prüfung der Abrechnungen des Vertragsarztes bzw des MVZ auf sachlich-rechnerische Richtigkeit zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (vgl BSG Urteil vom 29.11.2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 17 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 19 RdNr 10, zur Veröffentlichung auch für BSGE vorgesehen, jeweils mwN). Dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes (§ 106a Abs 2 Satz 2 SGB V aF). Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zugrunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zugrunde gelegt werden (§ 106a Abs 2 Satz 3 SGB V aF). Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zugrunde zu legen (§ 106a Abs 2 Satz 4 SGB V aF).

12

Die näheren Einzelheiten des Plausibilitätsprüfungsverfahrens ergeben sich aus den auf der Grundlage von § 106a Abs 6 SGB V aF (heute: § 106d Abs 6 SGB V) vereinbarten "Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen" (AbrPr-RL) in der hier grundsätzlich für das Quartal 2/2008 noch maßgebenden bis zum 30.6.2008 geltenden (DÄ 2004, A-2555, A-3135; im Folgenden AbrPr-RL 2004) und der für die Quartale 3/2008 bis 2/2011 ab dem 1.7.2008 geltenden Fassung (DÄ 2008, 1925; im Folgenden AbrPr-RL 2008). Allerdings ist § 8 AbrPr-RL vom 7.3.2018 (DÄ 2018, A 600; im Folgenden: AbrPr-RL 2018) nach der Übergangsregelung in § 22 Abs 3 AbrPr-RL 2018 auf Verfahren anzuwenden, die - wie das vorliegende - am 31.12.2014 noch nicht abgeschlossen waren. § 8 Abs 2 AbrPr-RL 2018 sieht ebenso wie die zuvor geltenden Fassungen (AbrPr-RL 2004 und AbrPr-RL 2008) gleichrangig die Ermittlung eines Tageszeit- und eines Quartalszeitprofils vor (vgl BSG Beschluss vom 17.8.2011 - B 6 KA 27/11 B - juris RdNr 6). Eine weitere Überprüfung nach § 12 AbrPr-RL erfolgt gemäß § 8 Abs 3 Satz 1 AbrPr-RL 2004 und § 8 Abs 3 Satz 1 AbrPr-RL 2008 bzw § 8 Abs 4 Satz 1 AbrPr-RL 2018, wenn die auf der Grundlage von Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden beträgt (vgl BSG Urteil vom 30.10.2019 - B 6 KA 9/18 R - juris RdNr 13 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

B. Anlass für die sachlich-rechnerische Richtigstellung war vorliegend eine Überschreitung der auf der Grundlage von Prüfzeiten ermittelten Arbeitszeiten von 12 Stunden an mehr als drei Tagen eines Quartals. Die durchgeführte Prüfung hat aus Sicht der Beklagten ergeben, dass die Klägerin in den Quartalen 2/2008 bis 4/2010 Leistungen nach den GOP 01100, 01414 und 05230 EBM-Ä fehlerhaft abgerechnet habe. Die daraufhin ergangenen beiden Richtigstellungsbescheide für die Quartale 2/2008 bis 3/2009 und 4/2009 bis 4/2010 sind bestandskräftig geworden, soweit sie Korrekturen bezogen auf die GOP 05230 EBM-Ä und die GOP 01414 EBM-Ä zum Gegenstand haben, weil die Klägerin ihre Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG beschränkt und die beiden Bescheide vom 13.3.2012 in der Fassung der beiden Widerspruchsbescheide vom 25.2.2015 nur noch insoweit angegriffen hat, als der Honorarkürzung sachlich-rechnerische Richtigstellungen der GOP 01100 EBM-Ä zugrunde lagen. In der Sache handelt es sich dabei um eine Klagerücknahme bezogen auf einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstands (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 102 RdNr 7b). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind außerdem die beiden die Quartale 1/2011 und 2/2011 betreffenden Bescheide vom 24.9.2012 in der Fassung der beiden weiteren Widerspruchsbescheide vom 25.2.2015, in denen die Beklagte die Abrechnung der Klägerin allein bezogen auf die GOP 01100 EBM-Ä berichtigt hat.

14

Der Umstand, dass Anhang 3 zum EBM-Ä keine Kalkulationszeit für die GOP 01100 EBM-Ä vorgibt, sodass kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Überschreitung der Arbeitszeiten im Tageszeitprofil und der Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä besteht, steht der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht entgegen. Die KÄV ist bei einer Plausibilitätsprüfung nicht auf die Prüfung von GOP beschränkt, denen Prüfzeiten zugeordnet sind. Nach § 12 Abs 1 AbrPr-RL führt die KÄV weitere Prüfungen durch, wenn Plausibilitätsprüfungen - wie hier - Abrechnungsauffälligkeiten ergeben. Diese weiteren Prüfungen sind nicht auf solche Abrechnungsziffern beschränkt, die zu der Überschreitung der Arbeitszeiten im Tages- oder Quartalszeitprofil beigetragen haben und die Prüfung kann sich auch auf Quartale erstrecken, in denen keine Überschreitung aufgetreten ist (vgl BSG Urteil vom 24.10.2018 - B 6 KA 44/17 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 21 RdNr 16 ff). Für eine Prüfung "außerhalb der regulären Prüfung" genügt nach § 20 Abs 1 AbrPr-RL bereits, dass ausreichende und konkrete Hinweise auf Abrechnungsauffälligkeiten bestehen. "Konkrete" Hinweise in diesem Sinne können sich aus dem Ergebnis einer "regulären" Prüfung eines Quartals ergeben (BSG Urteil vom 15.5.2019 - B 6 KA 63/17 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 23 RdNr 23).

15

C. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG steht einer Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Patienten eine Mobiltelefonnummer zur Kenntnis gegeben hat, unter der ein dafür von der Klägerin eingeteilter Arzt jederzeit erreichbar ist.

16

1. Allein der Umstand, dass bei der Klägerin tätige Ärzte für die operierten Patienten über eine Mobiltelefonnummer rund um die Uhr erreichbar waren, hat nicht zur Folge, dass die Inanspruchnahme der Ärzte der Klägerin durch die Patienten generell nicht mehr als "unvorhergesehen" iS der Leistungslegende der GOP 01100 EBM-Ä anzusehen wäre (nachfolgend 2. bis 4.). Ferner kommt es für die Erfüllung des Merkmals der unvorhergesehenen Inanspruchnahme grundsätzlich nicht darauf an, ob ein Anästhesist von dem Patienten in einem Zeitraum in Anspruch genommen worden ist, der - falls es sich um einen angestellten Arzt handelt - arbeitszeitrechtlich als Arbeitszeit zu bewerten und zu vergüten ist (nachfolgend 5.). Auch gelten die für den Operateur in einem Zeitraum von drei Tagen beginnend mit dem Operationstag im EBM-Ä ua bezogen auf die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä geregelten Beschränkungen nicht für die bei der Klägerin tätigen Anästhesisten (nachfolgend 6.). Die Auslegung des Begriffs "unvorhergesehene Inanspruchnahme" kann ferner nicht davon abhängen, wie häufig die GOP 01100 EBM-Ä von einem Arzt oder einer BAG in Ansatz gebracht wird (nachfolgend 7.). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine außergewöhnlich hohe Ansatzhäufigkeit auf ein Fehlverständnis der Leistungslegende durch den Arzt hinweist, weil sie mit medizinischen Gründen nicht zu erklären ist (dazu nachfolgend unter D.).

17

2. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 16.5.2001 - B 6 KA 20/00 R - BSGE 88, 126, 127 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 146; zuletzt: BSG Urteil vom 11.9.2019 - B 6 KA 22/18 R - SozR 4-5531 Nr 01210 Nr 1 RdNr 13, jeweils mwN) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Die Leistungslegende zu der im maßgebenden Zeitraum mit 555 Punkten bewerteten GOP 01100 EBM-Ä hat folgenden Wortlaut:

18

"Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten - zwischen 19:00 und 22:00 Uhr - an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. zwischen 07:00 und 19:00 Uhr Die Gebührenordnungsposition 01100 ist nicht berechnungsfähig, wenn Sprechstunden vor 07:00 Uhr oder nach 19:00 Uhr stattfinden oder Patienten zu diesen Zeiten bestellt werden. Im Rahmen der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes ist die Gebührenordnungsposition 01100 auch dann nur einmal berechnungsfähig, wenn es sich um eine Gruppenbehandlung handelt. Die Gebührenordnungsposition 01100 ist ausschließlich bei kurativer Behandlung berechnungsfähig."

19

Weitere Teile der Leistungslegende betreffen den Ausschluss der Nebeneinanderabrechnung mit anderen GOP, auf die es im vorliegenden Zusammenhang nicht ankommt.

20

3. Die in der Leistungslegende enthaltene Wendung "unvorhergesehene Inanspruchnahme" wird im EBM-Ä nicht näher definiert. Die im Übrigen weitgehend identische, vor Inkrafttreten des EBM 2000plus zum Quartal 2/2005 geltende Regelung der GOP 5 EBM-Ä (im Folgenden: EBM-Ä aF) enthielt diesen Begriff noch nicht, schloss die Abrechenbarkeit der sog "Unzeitgebühr" aber bereits - ähnlich wie heute GOP 01100 EBM-Ä - aus, wenn Sprechstunden vor 08:00 und nach 20:00 Uhr stattfanden oder wenn der Patient zu diesen Zeiten einbestellt worden war. Diese Regelung hatte der Senat in ständiger Rechtsprechung (BSG Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 44/02 R - GesR 2004, 144 = juris RdNr 24; BSG Urteil vom 6.9.2006 - B 6 KA 40/05 R - BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 = juris RdNr 21; BSG Beschluss vom 29.8.2007 - B 6 KA 31/07 B - unveröffentlicht) dahin ausgelegt, dass eine Berechnung der GOP 5 EBM-Ä aF ausgeschlossen ist, wenn ein Arzt routinemäßig Dauerpatienten auch vor 08:00 Uhr oder nach 20:00 Uhr behandelt ("faktische Sprechstunde"). Vor diesem Hintergrund kann die Einführung des Begriffs "unvorhergesehene Inanspruchnahme" im Wesentlichen als Bestätigung der bereits unter Geltung der GOP 5 EBM-Ä aF in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe verstanden werden (so auch LSG Hamburg Urteil vom 25.4.2013 - L 1 KA 5/12 - juris RdNr 22; aA jedoch LSG Hamburg Urteil vom 7.6.2012 - L 1 KA 59/09 - juris RdNr 26: GOP "01100 verengt die Voraussetzungen"). Danach setzt die Unzeitgebühr nicht nur voraus, dass die Behandlung außerhalb von Sprechstunden stattgefunden hat. Von der Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä sind vielmehr alle Behandlungen ausgeschlossen, die im Rahmen der regulären Behandlungstätigkeit des Arztes stattfinden. Das ist zwar in der Regel die Behandlung von Patienten im Rahmen der Sprechstunde oder auch nach besonderer Vereinbarung. Aber auch zB die Tätigkeit des Arztes in einer Notfallambulanz (vgl dazu BSG Urteil vom 2.7.2014 - B 6 KA 30/13 R - SozR 4-2500 § 76 Nr 2 RdNr 12) ist - ähnlich einer Sprechstunde - reguläre Dienstzeit des Arztes, der sich dort gerade aufhält, um Patienten außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten zu behandeln, sodass es - abgesehen davon, dass die GOP 01100 EBM-Ä nach der Leistungslegende nicht neben der Notfallpauschale nach GOP 01210 EBM-Ä oder den Notfallkonsultationspauschalen nach GOP 01214, 01216, 01218 EBM-Ä abrechenbar ist - an der unvorhergesehenen Inanspruchnahme fehlt. Damit übereinstimmend hat das LSG Hamburg die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä auch bei der Behandlung von Versicherten innerhalb der festen Öffnungszeiten einer eigenverantwortlich von einem Ärzteverbund betriebenen Notfallambulanz (LSG Hamburg Urteil vom 7.6.2012 - L 1 KA 59/09 - juris; vgl LSG Hamburg Urteil vom 25.2.2015 - L 5 KA 29/11 - juris RdNr 53, nachgehend: BSG Beschluss vom 9.12.2015 - B 6 KA 23/15 B - juris) oder bei der Behandlung an Feiertagen durch ein Krankenhaus, das gerade für die an sprechstundenfreien Tagen notwendige Überwachung von Schwangeren mit Terminüberschreitung ermächtigt worden war (LSG Hamburg Urteil vom 25.4.2013 - L 1 KA 5/12 - juris), ausgeschlossen. Darüber hinaus fehlt es an der geforderten "unvorhergesehenen Inanspruchnahme" nicht nur, wenn der Arzt den Versicherten einbestellt, sondern bereits, wenn die Initiative für die Inanspruchnahme in erster Linie vom Arzt und nicht vom Patienten ausgeht. Deshalb berechtigt eine telefonische Inanspruchnahme in Fällen, in denen der Arzt den Patienten angerufen hat, nicht zur Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä.

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Davon abzugrenzen ist die bloße Erreichbarkeit des Arztes für den Patienten. Mit einem Arzt, der außerhalb der Sprechstunden nicht erreichbar ist, kann ein Versicherter nicht unter den in der Leistungslegende der GOP 01100 EBM-Ä beschriebenen Umständen in Kontakt treten, sodass eine Abrechnung dieser GOP von vornherein nicht in Betracht kommt. Wenn bereits die Bekanntgabe der Telefonnummer der Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä entgegenstünde, würde sich der Anwendungsbereich auf Fälle begrenzen, in denen dem Versicherten entweder die Adresse bzw die Telefonnummer eines Arztes aus anderen, zB privaten Zusammenhängen bekannt ist oder in denen es ihm durch eigene Initiative gelingt, diese in Erfahrung zu bringen. Auch ein Hausarzt, der besonders schwer erkrankten Versicherten "für den Notfall" seine private Telefonnummer mitteilt, wäre von der Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä ausgeschlossen, weil "der medizinische Fall" unvorhergesehen sein mag, die "Inanspruchnahme des Arztes" jedoch nicht (zu dieser Differenzierung vgl LSG Hamburg Urteil vom 7.6.2012 - L 1 KA 59/09 - juris).

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Eine so enge Begrenzung auf ganz besondere und sehr selten anzutreffende Ausnahmekonstellationen vermag der Senat dem Wortlaut der Leistungslegende der GOP 01100 EBM-Ä und dem darin enthaltenen Begriff der unvorhergesehenen Inanspruchnahme jedoch nicht zu entnehmen. Wie oben dargelegt, interpretiert der Senat die Einführung des Begriffs der unvorhergesehenen Inanspruchnahme als Bestätigung seiner zur Vorgängerregelung (GOP 5 EBM-Ä aF) ergangenen Rechtsprechung, nach der nicht allein die Inanspruchnahme im Rahmen einer Sprechstunde der Abrechnung der "Unzeitgebühr" entgegensteht, sondern nach der es genügt, wenn der Arzt Leistungen bewusst, geplant und organisiert außerhalb von Sprechstunden anbietet. Das dabei vorauszusetzende Maß an Organisation und Planung wird nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein Arzt seine telefonische Erreichbarkeit für operierte Patienten durch die Mitteilung einer Mobiltelefonnummer gewährleistet. Deshalb kann auch ein Operateur (unter Beachtung der sich aus Abschnitt 31.2.1 (Präambel) Nr 8 EBM-Ä ergebenden Beschränkungen) oder ein Anästhesist, der den operierten Patienten für den Fall auftretender Komplikationen eine Telefonnummer mitteilt, unter der er ständig erreichbar ist, grundsätzlich die GOP 01100 EBM-Ä abrechnen, wenn der Patient zwischen 19:00 und 22:00 Uhr oder an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen zwischen 07:00 und 19:00 Uhr von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Voraussetzung ist auch hier, dass die Inanspruchnahme außerhalb seiner Sprechstunden und auch außerhalb seiner "Dienstzeiten" erfolgt und dass die Initiative dafür von dem Patienten und nicht von dem Arzt ausgeht. Die Vorgabe in § 6 Abs 2 der hier noch maßgebenden "Vereinbarung von Qualitätssicherungsmaßnahmen bei ambulanten Operationen und stationsersetzenden Eingriffen einschließlich der notwendigen Anästhesien gemäß § 115b Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V" (DÄ 2006, A 2652; vgl auch die damit übereinstimmende Nachfolgeregelung in § 4 Abs 1 "Qualitätssicherungsvereinbarung ambulantes Operieren nach § 132 Abs. 2 SGB V", DÄ 2011, A 2678), nach der die Einrichtung oder der Operateur bzw der behandelnde Arzt für den Patienten ständig erreichbar sein müssen, schließt die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä nicht generell aus.

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4. Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe hat der Umstand, dass die Klägerin den ambulant zu operierenden Patienten eine Mobiltelefonnummer mitgeteilt hat, unter der "rund um die Uhr" (24/7) einer der bei ihr tätigen Ärzte erreichbar ist, noch nicht zur Folge, dass eine Inanspruchnahme durch die Patienten generell nicht mehr "unvorhergesehen" wäre. Zwar trifft es zu, dass die Sicherstellung der Erreichbarkeit gerade in einer großen überörtlichen BAG wie der Klägerin ein gewisses Maß an Organisation voraussetzt, und die Beklagte weist auch zutreffend darauf hin, dass die Klägerin dieses Angebot in einer ersten Stellungnahme (L 12 KA 93/17, Bl 33 = Ordner 1 Bl 184 VA) im Verwaltungsverfahren und auch in ihrem Internetauftritt als "Bereitschaftsdienst" bezeichnet hat. Ferner ist das LSG grundsätzlich zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilnahme eines Arztes an einem Bereitschaftsdienst dessen "unvorhergesehener Inanspruchnahme" entgegenstehen kann. Ausschlaggebend ist indes nicht die (möglicherweise arbeitszeitrechtlich zutreffende, vgl nachfolgend 5.) Bezeichnung als "Bereitschaftsdienst", sondern die tatsächliche Ausgestaltung, die die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten näher erläutert und nachvollziehbar als "interne Maßnahme der Praxisorganisation" bezeichnet hat, mit der die Erreichbarkeit sichergestellt werden soll (vgl Ordner 1 Bl 197 VA-Hauptakte). Danach waren die getroffenen organisatorischen Maßnahmen der Klägerin nicht darauf ausgerichtet, "rund um die Uhr" ärztliche Behandlungen anzubieten. Vielmehr beschränkte sich der "Bereitschaftsdienst" auf die Gewährleistung einer telefonischen Erreichbarkeit für die ambulant operierten Patienten und auch für die Operateure beim Auftreten von Komplikationen. Anders als beim Angebot eines Notdienstes, der sich an eine nicht bestimmbare Vielzahl von Versicherten richtet, ging es der Klägerin allein um die Erreichbarkeit durch die Patienten, die zuvor unter ihrer Mitwirkung operiert worden waren und die deshalb gerade nicht auf die Inanspruchnahme des allgemeinen Bereitschaftsdienstes verwiesen werden sollten. Das ist im Übrigen zweifellos sinnvoll, weil die bei der Klägerin tätigen Ärzte - anders als Ärzte, die im Rahmen des von der KÄV organisierten Not- bzw Bereitschaftsdienstes tätig werden - regelmäßig über besondere Erfahrung mit möglichen, das anästhesistische Gebiet betreffenden Komplikationen nach ambulanten Operationen verfügen werden. Zudem ist davon auszugehen, dass sie bei Bedarf Zugriff auf die Patientenakten einschließlich der Dokumentation zum Operationsverlauf nehmen können.

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Besondere Bedeutung misst der fachkundig mit zwei Ärzten bzw Psychotherapeuten besetzte Senat zudem der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten vom 13.6.2019 (Bl 57 BSG-Akte) zu, nach der kein Anästhesist mit ernsthaften Komplikationen im Anschluss an seine Tätigkeit rechnet, sodass die Herausgabe einer Notfalltelefonnummer an den Patienten nur dazu diene, "das letzte Restrisiko auszuschließen". Diese Notfalltelefonnummer müsse "in der Regel nur sehr selten benutzt" werden. Vor diesem Hintergrund kann die Gewährleistung der telefonischen Erreichbarkeit eines bei der Klägerin tätigen Arztes nicht mit der Abhaltung einer Sprechstunde oder einer anderen geplanten und organisierten ärztlichen Tätigkeit gleichgesetzt werden.

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Etwas anderes folgt auch nicht aus der Angabe der Telefonnummer auf der Internetseite der Praxis. Dabei übersieht der Senat nicht, dass die Praxis nach den im Urteil des LSG getroffenen Feststellungen mit ihrer Erreichbarkeit auch außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten "geworben" hat. Ausschlaggebend ist jedoch, dass die Klägerin die Patienten auch über ihre Internetseite nicht zu einer Inanspruchnahme außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten aufgefordert hat. Vielmehr sollte den Patienten und auch den mit der Klägerin zusammenarbeitenden Operateuren ersichtlich die Sicherheit vermittelt werden, dass sie die Klägerin beim Auftreten von Komplikationen erreichen können. Allein dies steht einer "unvorhergesehenen Inanspruchnahme" iS der GOP 01100 EBM-Ä noch nicht entgegen.

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5. Entgegen der Auffassung des LSG, kommt es für die Abrechenbarkeit der GOP 01100 EBM-Ä nicht darauf an, ob der Arzt von dem Patienten in einem Zeitraum in Anspruch genommen worden ist, der arbeitszeitrechtlich als Arbeitszeit zu bewerten war. Der Bereitschaftsdienst wird heute allgemein als Arbeitszeit iS von § 2 Abs 1 ArbZG angesehen (vgl BAG Urteil vom 16.3.2004 - 9 AZR 93/03 - BAGE 110, 60 = juris RdNr 87, 91 ff). Bereitschaftsdienst wird in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung als die Zeitspanne definiert, in der sich der Arbeitnehmer - ohne unmittelbar am Arbeitsplatz anwesend sein zu müssen - für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufhalten muss, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit sofort oder zeitnah aufnehmen kann (BAG Beschluss vom 18.2.2003 - 1 ABR 2/02 - BAGE 105, 32 = juris RdNr 54 ff; BAG Urteil vom 24.9.2008 - 10 AZR 770/07 - BAGE 128, 42 = juris RdNr 29). Vor der Änderung des ArbZG durch Art 4b des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 3002) mWv 1.1.2004 war der Bereitschaftsdienst idR nicht als Arbeitszeit angesehen worden. Das hat sich geändert, nachdem der EuGH diese arbeitszeitrechtliche Bewertung nicht als europarechtskonform bewertet hat (vgl BAG Urteil vom 18.2.2003 - 1 ABR 2/02 - BAGE 105, 32 = juris RdNr 56 ff mwN; vgl Schliemann, NZA 2006, 1009). Die arbeitszeitrechtliche Definition des Bereitschaftsdienstes und die - auch von der individual- und der tarifvertraglichen Ausgestaltung abhängige - Frage, ob ein solcher Bereitschaftsdienst ebenso wie Vollarbeit oder nur mit einem reduzierten Stundensatz zu vergüten ist (vgl BAG Urteil vom 12.12.2012 - 5 AZR 918/11 - juris RdNr 23 mwN; BAG Urteil vom 11.10.2017 - 5 AZR 591/16 - NJW 2018, 489 = juris RdNr 18), hat jedoch keinen unmittelbaren Bezug zu der hier maßgebenden Auslegung der GOP 01100 EBM-Ä und dabei insbesondere des Begriffs der unvorhergesehen Inanspruchnahme. Auch arbeitsrechtlich ist es für die Einordnung als Bereitschaftsdienst im Übrigen unerheblich, ob in dieser Zeit Arbeiten "unvorhergesehen" anfallen (vgl BAG Urteil vom 12.12.2012 - 5 AZR 918/11 - juris RdNr 21 mwN). Zudem wären von einem Ausschluss der Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä während der Arbeitszeit ausschließlich angestellte Ärzte, nicht jedoch Vertragsärzte betroffen. Für eine Differenzierung des Vergütungsanspruchs danach, ob zB der Anruf eines Patienten von einem angestellten Arzt oder von einem Vertragsarzt entgegengenommen wird, gibt es - auch nach Auffassung der Beklagten - keine sachlichen Gründe.

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6. Der Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä steht auch nicht Abschnitt 31.2.1 (Präambel) Nr 8 EBM-Ä entgegen. Nach dieser Vorschrift kann ua die GOP 01100 EBM-Ä in einem Zeitraum von drei Tagen, beginnend mit dem Operationstag, vom Operateur neben der ambulanten Operation nur in Verbindung mit der GOP 01414 EBM-Ä (Visite auf der Belegstation) abgerechnet werden. Abgesehen davon, dass die Klägerin in einigen Fällen die GOP 01414 EBM-Ä abgerechnet hat (zur Möglichkeit der Zuziehung ua von Anästhesisten durch Belegärzte vgl § 41 Abs 6 BMV-Ä), gilt diese Beschränkung nach ihrem eindeutigen Wortlaut allein für den Operateur und nicht für den hinzugezogenen Anästhesisten. Die grundsätzlichen Bindung an den Wortlaut (oben RdNr 17 f), ist auch auf die den Vergütungsbestimmungen vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen zu beziehen (vgl BSG Urteil vom 11.9.2019 - B 6 KA 22/18 R - SozR 4-5531 Nr 01210 Nr 1 RdNr 13 mwN). Im Übrigen steht einer entsprechenden Anwendung von Abschnitt 31.2.1 (Präambel) Nr 8 EBM-Ä auf Anästhesisten entgegen, dass sich nach Nr 5.3 der Allgemeinen Bestimmungen die "Nebeneinanderberechnungsausschlüsse" der GOP des Abschnitts 31.2 neben den GOP des Abschnitts 31.5.3 (Anästhesien im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen des Abschnitts 31.2) nur auf die Erbringung der operativen Leistungen und der Anästhesie durch denselben an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt beziehen (hierzu sowie zum Begriff des Operateurs vgl auch BSG Urteil vom 13.5.2020 - B 6 KA 24/18 R - juris RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) sowie dass andere Regelungen in dieser Präambel (vgl Nr 4 und Nr 6) ausdrücklich auch auf den an der Operation beteiligten Anästhesisten erstreckt worden sind. Unter diesen Umständen kann in der Beschränkung auf den Operateur in Nr 8 der Präambel keine Regelungslücke gesehen werden, und es gibt auch keine Anhaltspunkte für ein Versehen des Bewertungsausschusses als Normgeber.

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7. Nicht mit den normativen Vorgaben zu vereinbaren ist auch die Annahme der Beklagten, dass der Begriff der "unvorhergesehenen Inanspruchnahme" in Abhängigkeit von der Häufigkeit des Ansatzes der GOP 01100 EBM-Ä ausgelegt werden könne. Nach ihren Darlegungen in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die in Ansatz gebrachte GOP 01100 EBM-Ä wegen der Häufigkeit der Abrechnung fast vollständig gestrichen und nur in wenigen Einzelfällen vergütet, während die nur sehr selten in Ansatz gebrachte GOP 01101 EBM-Ä ("Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 22:00 und 07:00 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen zwischen 19:00 und 07:00 Uhr ") ohne Einschränkungen vergütet worden ist. Diese Differenzierung ist mit dem Wortlaut der Leistungslegende nicht zu vereinbaren: Wenn die Herausgabe der Mobiltelefonnummer in Verbindung mit der Sicherstellung der Erreichbarkeit eine "unvorhergesehene Inanspruchnahme" ausschließen würde, hätte sowohl die von der Klägerin in Ansatz gebrachte GOP 01100 EBM-Ä als auch die GOP 01101 EBM-Ä vollständig gestrichen werden müssen. Davon ist aber auch die Beklagte offenbar nicht ausgegangen. Mit der Streichung in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Abrechnung einer GOP vermischt die Beklagte Fragen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung mit solchen der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung, deren Beurteilung allein den Prüfgremien vorbehalten ist (vgl BSG Urteil vom 27.4.2005 - B 6 KA 39/04 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 13; zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 6 KA 23/18 R - RdNr 23 f mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Richtig ist allerdings, dass eine medizinisch nicht nachvollziehbare Ansatzfrequenz einer GOP auf ein Fehlverständnis der Leistungslegende durch den abrechnenden Arzt bzw die abrechnende BAG hinweisen kann. Allein ein solcher Hinweis rechtfertigt grundsätzlich aber noch nicht eine Richtigstellung (vgl dazu unten D. 3.).

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D. 1. Allerdings setzt die Leistungslegende zu GOP 01100 EBM-Ä die Inanspruchnahme des Vertragsarztes "durch einen Patienten" voraus. Daran fehlt es auch, wenn die Initiative für die Inanspruchnahme nicht unmittelbar vom Patienten, sondern vom Operateur ausgeht, etwa indem sich der Operateur an den Anästhesisten mit der Bitte wendet, seine Praxis aufzusuchen. In einer solchen Konstellation darf der Anästhesist auch dann nicht die GOP 01100 EBM-Ä abrechnen, wenn sich in der Praxis des Operateurs ein Patient an ihn wendet. Zwar bietet die Klägerin - wie viele auf Leistungen im Zusammenhang mit ambulanten Operationen spezialisierte Anästhesisten - keine "Sprechstunde" im üblichen Sinne an. Das kann eine Abgrenzung der Zeit, in der die Inanspruchnahme durch Patienten die Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä auslöst, von den "Dienstzeiten", in denen die Inanspruchnahme nicht "unvorhergesehen" ist, erschweren. Als "Dienstzeiten" des Anästhesisten sind aber jedenfalls solche Zeiten anzusehen, in denen er in Kooperation mit dem Operateur geplante Leistungen im Zusammenhang mit der Operation in der Praxis des Operateurs erbringt. Dazu gehört neben der Durchführung von Anästhesien/Narkosen insbesondere die geplante Vorbereitung der Operation und die postoperative Überwachung. Für den in der Praxis des Operateurs anwesenden Anästhesisten ist die Inanspruchnahme durch einen dort ebenfalls anwesenden Patienten in aller Regel nicht unvorhergesehen. Davon ist auch das LSG zutreffend ausgegangen.

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2. Der Senat stimmt dem LSG auch insofern zu, als die Klägerin die Abläufe, die die Inanspruchnahme als "unvorhergesehen" erscheinen lassen, bisher nicht nachvollziehbar dargelegt hat. Im Klageverfahren hat die Klägerin zwar einerseits geltend gemacht, die GOP 01100 EBM-Ä nur abgerechnet zu haben, wenn einer ihrer Ärzte nach der Operation am späten Abend oder in der Nacht von einem Patienten zB aufgrund plötzlich auftretender Schmerzen angerufen worden sei (Gerichtsakte zum Verfahren S 38 KA 305/15, Bl 64 f). Andererseits hat sie die Auffassung vertreten, dass es für die Abrechenbarkeit der GOP 01100 EBM-Ä nicht darauf ankomme, von welcher konkreten Person der Anästhesist zum Besuch der Praxis des Operateurs aufgefordert worden sei. Es sei auch nicht darauf abzustellen, dass es für den Anästhesisten vorhersehbar sei, einen Patienten in der Praxis des Operateurs vorzufinden (Gerichtsakte zum Verfahren S 38 KA 305/15, Bl 45 f). In der Berufungsbegründung hat sie daran im Grundsatz festgehalten, aber diese Konstellation als "Ausnahmefall" bezeichnet und formuliert: "Soweit es in Ausnahmefällen zur Abrechnung der Ziffer im Zusammenhang mit der Nachbehandlung durch den Operateur kam, so geschah dies nur, wenn der Operateur einen bei der Berufungsbeklagten beschäftigten Anästhesisten unvorhergesehen hinzuzog" (L 12 KA 93/17, Bl 53). Auch die Formulierung in der Revisionsbegründung (Schriftsatz vom 12.6.2019, S 15), nach der "die bereits dargestellten Grundsätze, dass für die Klägerin keine Dienstsituation vorlag und die Inanspruchnahme unvorhergesehen" gewesen sei, auch gelten sollen, soweit die Klägerin "zu einschlägigen Zeiten im Anwendungsbereich der GOP 01100 EBM-Ä vom Operateur unter Inanspruchnahme der Notfall-Mobilfunknummer hinzugezogen wurde", spricht dafür, dass die Klägerin die GOP in Konstellationen in Ansatz gebracht hat, in denen sie vom Operateur hinzugezogen wurde, bevor einer ihrer Ärzte in der Praxis des Operateurs durch einen dort anwesenden Patienten "in Anspruch genommen" wurde. Dem läge ersichtlich ein Fehlverständnis der Leistungslegende der GOP 01100 EBM-Ä zugrunde. Denn diese setzt eine Inanspruchnahme "durch einen Patienten" und nicht die Konsultation durch einen anderen Vertragsarzt voraus. Soweit Ärzte der Klägerin vom Operateur hinzugezogen wurden, erfolgte die daran anschließende Inanspruchnahme durch den Patienten - wie oben ausgeführt - nicht mehr unvorhergesehen, sodass ein Ansatz der entsprechenden GOP in dieser Konstellation ausgeschlossen ist.

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3. Das LSG wird daher der Frage nachzugehen haben, ob und ggf in welchem Umfang der Abrechnung der GOP 01100 EBM-Ä eine Inanspruchnahme "durch einen Patienten" zugrunde lag, die nach den oben dargestellten Kriterien als "unvorhergesehen" anzusehen ist. Zweifel daran, dass der Tatbestand der GOP in allen von der Klägerin abgerechneten Fällen erfüllt ist, werden besonders durch die - medizinisch nicht ohne Weiteres erklärbare - außerordentlich hohe Ansatzfrequenz der GOP 01100 EBM-Ä von in einigen Quartalen ca 20 % der ambulanten Behandlungsfälle bei gleichzeitig sehr viel niedrigerer Ansatzfrequenz der GOP 01101 EBM-Ä von idR weniger als 1 % begründet. Komplikationen und eine daraus folgende Inanspruchnahme müssten - wenn die Abrechnung richtig wäre - häufig gerade in der Zeit zwischen 19:00 und 22:00 Uhr (am Wochenende und an Feiertagen zwischen 07:00 und 19:00 Uhr), jedoch nur sehr selten in der Nacht zwischen 22:00 Uhr und 07:00 Uhr morgens (am Wochenende und an Feiertagen zwischen 19:00 und 07:00 Uhr) aufgetreten sein.

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Bezogen auf den Umfang der Ermittlungspflichten des LSG wird zu berücksichtigen sein, dass es in erster Linie Sache des Arztes ist, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auszuräumen. Diese Obliegenheit ist umso ausgeprägter, je gravierender die Hinweise auf Abrechnungsfehler sind. Als Anspruchsteller trifft den Arzt grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch (BSG Beschluss vom 6.9.2000 - B 6 KA 17/00 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 17.3.2016 - B 6 KA 60/15 B - BeckRS 2016, 68302 RdNr 11; BSG Urteil vom 13.5.2020 - B 6 KA 6/19 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Das gilt vor allem, wenn sich der Arzt auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG Beschluss vom 17.3.2016 - B 6 KA 60/15 B - aaO RdNr 11; BSG Urteil vom 13.5.2020 - B 6 KA 6/19 R - juris RdNr 27, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; vgl zur Wirtschaftlichkeitsprüfung BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 mwN; zur Versagung des Vergütungsanspruchs eines Krankenhauses wegen fehlender Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts vgl BSG Urteil vom 22.4.2009 - B 3 KR 24/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 18 RdNr 30 ff). Die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen muss der Vertragsarzt in diesen Fällen so genau wie möglich angeben und belegen (BSG Urteil vom 13.8.2014 - B 6 KA 41/13 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 46 RdNr 22; BSG Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 17/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40).

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Die Klägerin wird zur Erfüllung der ihr obliegenden Darlegungsanforderungen insbesondere auf den Inhalt der Patientenakte und der darin enthaltenen Dokumentation zurückgreifen können. Nach § 57 Abs 1 BMV-Ä (vgl auch § 10 Abs 1 Satz 1 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns, § 630f Abs 1 und 2 BGB) hat der Vertragsarzt die Befunde, die Behandlungsmaßnahmen sowie die veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung "in geeigneter Weise zu dokumentieren". Wenn dazu - wie hier bezogen auf die GOP 01100 EBM-Ä - keine weitergehenden Anforderungen zB in der Leistungslegende formuliert werden, richten sich Inhalt und Umfang der erforderlichen Dokumentation grundsätzlich nach den medizinischen Erfordernissen (ebenso zu § 630f BGB in der seit dem 26.2.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.2.2013, BGBl I 277: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl 2014, Abschn B RdNr 203 mwN; Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl 2020, § 630f RdNr 8 mwN). Auftretende Komplikationen sind grundsätzlich zu dokumentieren (BGH Urteil vom 7.5.1985 - VI ZR 224/83 - NJW 1985, 2193 = juris RdNr 12). Gerade wenn ein durch Komplikationen ausgelöster Telefonanruf eines Patienten bei der Klägerin - zur Gewährleistung der Erreichbarkeit "rund um die Uhr" - nicht notwendig von dem Arzt entgegengenommen wird, der die Anästhesie durchgeführt hat oder der mit der postoperativen Behandlung des Patienten befasst ist, werden in der Dokumentation nicht nur die Person des Anrufers und die Zeit des Anrufs, sondern auch der Grund des Anrufs und die daraufhin ergriffenen Maßnahmen zu bezeichnen sein. Eine fehlende oder unvollständige Dokumentation könnte im Falle der Fortführung der Behandlung durch einen anderen Arzt nämlich zur Folge haben, dass gebotene diagnostische oder therapeutische Maßnahmen unterbleiben (vgl Geiß/Greiner, aaO). Die danach aus medizinischen Gründen erforderliche Dokumentation wird auch Schlüsse darauf zulassen, ob der bei der Klägerin tätige Arzt tatsächlich "unvorhergesehen" von einem Patienten in Anspruch genommen worden ist. Soweit die Dokumentation bezogen auf einen Teil der streitgegenständlichen Quartale wegen des Ablaufs der mindestens zehnjährigen Aufbewahrungsfrist (vgl § 57 Abs 2 BMV-Ä, § 630f Abs 3 BGB, § 10 Abs 3 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns) nicht mehr vorliegt, ist es im Übrigen grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn bei erkennbar gleichbleibendem Abrechnungs- und Behandlungsverhalten aus den noch vorliegenden Daten auf die Verhältnisse auch in vorangehenden Zeiträumen geschlossen wird (zur Zulässigkeit einer Hochrechnung vgl zuletzt das Urteil des Senats vom 13.5.2020 - B 6 KA 6/19 R - juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

34

V. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG im Rahmen seiner erneuten Entscheidung im wiedereröffneten Berufungsverfahren vorbehalten.

Rechtskraft
Aus
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