L 14 AS 1531/20 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 123 AS 7285/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1531/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, können einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Überbrückungsleistungen) nach § 23 Abs 3 S 6 HS 2 SGB XII haben (Anschluss an Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2019 - L 15 SO 181/18 - und Beschluss vom 25. September 2020 - L 15 SO 124/20 B ER -, juris).
2. Zur Folgenabwägung bei rechtlich streitigen existenzsichernden Leistungen.
Die Verfahren L 14 AS 1531/20 B ER und L 14 AS 1530/20 B ER PKH werden zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 14 AS 1531/20 B ER verbunden.

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2020 geändert.

Der Beigeladene wird vorläufig verpflichtet,

a) für die Antragstellerin zu 1 - bezüglich des Monats Oktober 2020 die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in der zweiten Monatshälfte abzüglich eines Betrags von 92.- EUR zu übernehmen , - bezüglich des Zeitraums November 2020 bis März 2021 monatlich 191.- EUR zu zahlen und zusätzlich die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen,

b) für die Antragsteller zu 2 und 3 - bezüglich des Monats Oktober 2020 je 52,50 EUR zu zahlen sowie die tat-sächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in der zweiten Monatshälfte zu übernehmen, - bezüglich des Zeitraums November 2020 bis März 2021 die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung abzüglich eines Betrags von je 99.- EUR monatlich zu übernehmen.

Den Antragstellern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht und vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Zahlung von Raten oder Beträgen aus dem Vermögen gewährt und Rechtsanwalt E A, K-M-Straße, B, beigeordnet.

Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen. Der Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge zu ¾.

Gründe:

A. Die im März 2002 geborene, erwerbslose Antragstellerin zu 1 (im Folgenden: die Antragstellerin), Mutter der 2018 und 2019 geborenen Antragsteller zu 2 und 3 – alle drei sind rumänische Staatsangehörige –, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2016 mit ihren Eltern nach Deutschland ein. Ihr bzw. ihren Kindern wurde bereits in der Vergangenheit, in der Regel aufgrund gerichtlicher Entscheidungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gezahlt, zuletzt bis zum 15. Oktober 2020. Seit Juli 2020 nutzten die Antragsteller Einrichtungen für Wohnungslose, seit dem 30. September 2020 leben die Antragsteller in einem Wohnheim unter ihrer derzeitigen Anschrift; zuletzt hat das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin eine Unterbringungsmöglichkeit für die Antragsteller in dieser Einrichtung für die Zeit bis zum 17. Dezember 2020 (bei einem Tagessatz von 25.- EUR pro Person) nachgewiesen. Die Antragsteller zu 2 und 3, deren Vaterschaft (noch) ungeklärt ist, beziehen Kindergeld i.H.v. jeweils 204.- EUR monatlich. Der Antragsteller zu 3 leidet an Erkrankungen des Harnsystems. Bis zum 12. November 2020 bezog die Antragstellerin für ihr jüngeres Kind Erziehungsgeld i.H.v. 375 EUR monatlich , welches ihr jeweils nach dem 15. eines Monats ausgezahlt wurde.

Mit (noch nicht bestandskräftigem) Bescheid vom 16. Oktober 2020 lehnte der Antragsgegner es ab, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab diesem Tag zu gewähren, weil sie als Ausländer von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Einen entsprechenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht Berlin nach Beiladung des Sozialhilfeträgers ebenso abgelehnt wie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (Beschluss vom 4. November 2020). Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragsteller vom 6. November 2020.

B. Die zulässigen Beschwerden haben überwiegend Erfolg. Das Sozialgericht hätte den Antrag der Antragsteller auf vorläufige Zahlung von Leistungen nicht insgesamt ablehnen dürfen. Denn der Beigeladene hat den Antragstellern einstweilen Leistungen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu zahlen. Außerdem ist den Antragstellern Prozesskostenhilfe für beide Rechtszüge zu gewähren. Im Übrigen sind die Beschwerden zurückzuweisen.

I. Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind. Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung, bzw. wenn diese wegen notwendiger Ermittlungen im Eilrechtsschutzverfahren nicht durchführbar ist, eine Folgenabwägung erforderlich, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 23. März 2020 – 2 BvR 2051/19 –, juris, m.w.N.). Auch bei Vornahmesachen ist einstweiliger Rechtsschutz jedenfalls dann zu gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 –, juris, m.w.N.).

II. Hieran gemessen können die Antragsteller auf der Grundlage einer Folgenabwägung vom Beigeladenen Leistungen vorläufig verlangen.

1. Zwar ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, weil sie über kein von ihrem Vater abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU mehr verfügt und sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Auch für die Antragsteller zu 2 und 3 ist kein weiterreichendes Aufenthaltsrecht erkennbar. Insoweit verweist der Senat gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss. Allerdings stellen sich die Fragen, ob § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht ausreisepflichtige Unionsbürger – wie die Antragsteller – ohne über den Zweck der Arbeitsuche hinausreichendes Aufenthaltsrecht in verfassungskonformer Weise von Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII ausschließt bzw. ob solche Unionsbürger (Überbrückungs-)Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 23 Abs. 3 S. 6 Halbs. 2 SGB XII (in der ab dem 29. Dezember 2016 geltenden Fassung) in Anspruch nehmen können, nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts als schwierig und ungeklärt dar (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 1 BvR 1246/19 –, juris, mit Nachweisen zum Meinungsstand). Der Senat hält daher eine Folgenabwägung für erforderlich.

2. Die Folgenabwägung fällt zugunsten der Antragsteller aus. Denn die streitigen Leistungen der Sicherung des Existenzminimums betreffen in Gestalt der Menschenwürde i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) ein absolut wirkendes Grund- und zugleich Menschenrecht, welches unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsstatus eines Menschen über den Erhalt der physischen Existenz auf ein Mindestmaß an Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gerichtet ist (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 u.a. –, juris). Niemand hat sich deshalb dafür zu rechtfertigen, dass er das ihm von Gesetzes wegen zustehende Existenzminimum "wirklich" benötigt (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2020 – L 15 SO 124/20 B ER –, juris, m.w.N.).

3. Die Dauer der Verpflichtung folgt aus dem vorläufigen Charakter des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Höhe der vom Beigeladenen vorläufig zu zahlende Geldleistung errechnet sich wie folgt, wobei für den – halben – Monat Oktober 2020 im Interesse einer möglichst einfachen Durchführung des Beschlusses auf die Hälfte der auf den gesamten Monat entfallenden Beträge abgestellt wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 29):

a. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB XII umfassen die Überbrückungsleistungen 1. Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege, 2. Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe, einschließlich der Bedarfe nach § 35 Abs. 4 und § 30 Abs. 7 SGB XII, 3. die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und 4. Leistungen nach § 50 Nr. 1 bis 3 SGB XII.

Leistungen nach Nr. 3 haben die Antragsteller nicht geltend gemacht, ebenso wenig die nach Nr. 4 i.V.m. § 50 Nr. 1 bis 3 SGB XII vorgesehenen Sachleistungen.

b. Bei der Ermittlung der Bedarfe nach § 23 Abs. 3 Satz 5 Nr. 1 SGB XII (Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege) ist im Hinblick auf § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 2 und 3 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) zu beachten, dass § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 RBEG regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben für Körperpflege nicht gesondert ausweist, diese vielmehr in den Verbrauchsausgaben der Abteilung 12 enthalten sind und deshalb insoweit auf die Gesetzesmaterialien zurückgegriffen werden muss (BT-Dr. 18/9884, 49).

aa. Auf dieser Grundlage sind mit dem Jahr 2013 als Ausgangsbasis für die Antragstellerin zu berücksichtigen - als Bedarfe für die Ernährung diejenigen der Abteilungen 1 und 2 nach § 5 Abs. 1 RBEG, entsprechend 137,66 EUR, - als Bedarfe für die Gesundheitspflege diejenigen der Abteilung 6 nach § 5 Abs. 1 RBEG, entsprechend 15,- EUR, und - als Bedarfe für die Körperpflege aus den Bedarfen der Abteilung 12 nach § 5 Abs. 1 RBEG die hiermit in Zusammenhang zu bringenden Positionen der Aufstellung gemäß BT-Dr. 18/9984, 49 mit den laufenden Nummern - 73 (andere Dienstleistungen für die Körperpflege), entsprechend 2,45 EUR, - 75 (Friseurdienstleistungen für Damen einschließlich Trinkgelder), entsprechend 5,85 EUR, - 76 (elektrische Geräte für die Körperpflege, einschließlich Reparaturen), entsprechend 0,53 EUR, - 77 (nichtelektrische Gebrauchsgüter für die Körperpflege), entsprechend 1,26 EUR, - 78 (Toilettenpapier, Papiertaschentücher und ähnliche Hygieneartikel), entsprechend 4,20 EUR und - 79 (Körperpflegemittel, Duft- und Schönheitserzeugnisse), entsprechend 8,23 EUR, insgesamt 22,52 EUR. Die Gesamtsumme von 175,18 EUR ist zunächst nach § 7 Abs. 2 RBEG analog für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des RBEG am 1. Januar 2017 um 3,46 % zu erhöhen, daraus ergibt sich ein Betrag von 181,24 EUR. Sodann sind die Fortschreibungen durch die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnungen 2018 (1,63 %), 2019 (2,02 %) und 2020 (1,88 %) zu berücksichtigen, die zu einem Betrag von 191,45 EUR führen, der gemäß § 28 Abs. 5 Satz 3 SGB XII auf 191 EUR zu runden ist.

bb. Für die Antragsteller zu 2 und 3 sind zu berücksichtigen - als Bedarfe für die Ernährung diejenigen der Abteilungen 1 und 2 nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 RBEG, entsprechend 79,95 EUR, - als Bedarfe für die Gesundheitspflege diejenigen der Abteilung 6 nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 RBEG, entsprechend 7,21 EUR, und - als Bedarfe für die Körperpflege aus den Bedarfen der Abteilung 12 nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 RBEG die hiermit in Zusammenhang zu bringenden Positionen der Aufstellung gemäß BT-Dr. 18/9984, 60 mit den laufenden Nummern - 69 (andere Dienstleistungen für die Körperpflege), entsprechend 0,58 EUR, - 70 (Friseurdienstleistungen für Kinder), entsprechend 0,67 EUR, - 72 (nichtelektrische Gebrauchsgüter für die Körperpflege), entsprechend 0,37 EUR, - 73 (Toilettenpapier, Papiertaschentücher und ähnliche Hygieneartikel), entsprechend 3,87 EUR und - 74 (Körperpflegemittel, Duft- und Schönheitserzeugnisse), entsprechend 3,26 EUR, insgesamt 8,75 EUR. Die Gesamtsumme von 95,91 EUR ist zunächst in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 RBEG für den Zeitpunkt des Inkrafttretens des RBEG am 1. Januar 2017 um 3,46 % zu erhöhen, daraus ergibt sich ein Betrag von 99,23 EUR. Sodann sind die Fortschreibungen durch die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnungen 2018 (1,63 %), 2019 (2,02 %) und 2020 (1,88 %) zu berücksichtigen, die zu einem Betrag von 104,82 EUR führen, der gemäß § 28 Abs. 5 Satz 3 SGB XII auf 105 EUR zu runden ist.

c. Die Höhe der Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 SGB XII (Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe) orientieren sich, wie schon die vergleichbare Wortwahl belegt, an der Höhe der Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Da den Antragstellern ohne Übernahme der Kosten für die derzeit unter Vermittlung des Bezirksamts genutzte Unterkunft die Wohnungslosigkeit droht, haben sie Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten. Der Senat hält es allerdings nicht für sachgerecht, eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Übernahme der Kosten in einer bestimmten Höhe festzuschreiben. Auf diese Weise wird das Interesse des Beigeladenen gewahrt, den Antragstellern ggf. auch eine andere geeignete, aber preisgünstigere Unterkunft zuzuweisen bzw. zu vermitteln, aber auch das Interesse der Antragsteller an der Übernahme der tatsächlichen Kosten, die sich auch erhöhen könnten, falls der Vermieter der aktuell genutzten Räumlichkeiten diese nicht mehr oder nur zu höheren Kosten anbietet.

d. Somit ergibt sich für die Antragstellerin ein monatlicher Gesamtbedarf von (191.- EUR * ½ =) 95,50 EUR bezüglich des (halben) Monats Oktober 2020 und 191.- EUR bezüglich der Monate November 2020 bis März 2021, jeweils zuzüglich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Für die Antragsteller zu 2 und 3 errechnet sich jeweils ein monatlicher Bedarf von (105.- EUR * ½ =) 52,50 EUR bezüglich des (halben) Monats Oktober 2020 und 105.- EUR bezüglich der Monate November 2020 bis März 2021.

e. Die Antragsteller sind nach Lage der Akten lediglich teilweise hilfebedürftig im Sinne des § 19 Abs. 1 SGB XII, so dass sich der zu leistende Betrag durch anrechenbares Einkommen oder Vermögen mindert.

Bei der Antragstellerin ist gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 Bundeselternzeit- und -erziehungsgeldgesetz (BEEG) das Elterngeld zu berücksichtigen, das sie für den Antragsteller zu 3 bis einschließlich 12. November 2020 erhalten hat. Diese Leistung ist ihr letztmalig nach dem 15. Oktober 2020 zugeflossen, weil Elterngeld nach § 6 BEEG im Laufe des (Lebens-)Monats (des Kindes) gezahlt wird, für den es bestimmt ist (Wiegand, in: Wiegand, BEEG - Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 01/19, § 6 Rn. 2). Das Elterngeld ist daher für den Leistungsmonat Oktober 2020 bei der Antragstellerin grundsätzlich anzurechnen, hinsichtlich der Höhe jedoch nur insoweit, als dieses Einkommen noch nicht im Rahmen der vorläufigen Leistungsbewilligung durch den Antragsgegner für die Zeit vom 1. bis 15. Oktober 2020 (Bescheid vom 7. August 2020) als Einkommen berücksichtigt wurde, d.h. nur in Höhe von 187,50 EUR. Sonstige Einkünfte der Antragstellerin sind nicht ersichtlich.

Bei den Antragstellern zu 2 und 3 ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 4 SGB II das Kindergeld i.H.v. jeweils 204.- EUR monatlich anzurechnen, sodass dass ab November 2020 ihre Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege (je 105.- EUR) vollständig durch das Kindergeld abgedeckt werden und der übersteigende Betrag (99.- EUR) von den tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Abzug zu bringen ist. Dies gilt allerdings nicht für den Monat Oktober 2020, weil das Kindergeld insofern bereits in voller Höhe für die bis zum 15. Oktober 2020 gewährten Leistungen berücksichtigt wurde.

f. Daraus ergibt sich im Einzelnen folgende Leistungshöhe:

aa. Für die Antragstellerin übersteigt bezüglich des Monats Oktober 2020 das noch anzurechnende Elterngeld (187,50 EUR) die Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege (95,50 EUR) um 92.- EUR. Dieser Betrag ist auf die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in der zweiten Monatshälfte anzurechnen. Nur der daraus resultierende Differenzbetrag ist für die Antragstellerin bezüglich des (halben) Monats 2020 zu erbringen. Bezüglich des Zeitraums November 2020 bis März 2021 hat der Beigeladene für sie monatlich 191.- EUR zu erbringen, jeweils zuzüglich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung.

bb. Für die Antragsteller zu 2 und 3 hat der Beigeladene bezüglich des Monats Oktober je 52,50 EUR zuzüglich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in der zweiten Monatshälfte zu erbringen

und bezüglich des Zeitraums November 2020 bis März 2021 monatlich je 105.- EUR zu erbringen, für den gesamten Zeitraum zuzüglich der jeweiligen tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung.

4. Die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungserbringung an die Antragsteller trifft nicht den Antragsgegner, sondern den Beigeladenen. Denn nach dem o.G. erscheint ein Anspruch auf Leistungen allenfalls nach sozialhilferechtlichen Vorschriften denkbar, sodass der für deren Anwendung primär zuständige Träger der Sozialhilfe (hier: der Beigeladene) in Anwendung von § 75 Abs. 5 SGG zu verpflichten war.

5. Hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung geht der Senat insoweit davon aus, dass den Antragstellern zur Vermeidung von Obdachlosigkeit weiterhin Wohnraum zur Verfügung zu stellen ist. Sollten die Antragsteller künftig andere Räumlichkeiten nutzen, die mit geringeren Kosten verbunden sind, beschränkt sich die Verpflichtung des Beigeladenen auf diese Kosten. Sollten künftig keine Kosten für Unterkunft und Heizung mehr anfallen – etwa, weil die Antragsteller wieder mit den Eltern der Antragstellerin in deren Wohnung zusammenleben –, entfällt die diesbezügliche Zahlungsverpflichtung des Beigeladenen insgesamt.

Der Senat hat davon abgesehen, in den Tenor seiner Entscheidung auflösende Bedingungen für den Anspruch der Antragsteller auf vorläufige Leistungen aufzunehmen. Er hält dies nicht für erforderlich, weil Umstände, die den Anspruch der Antragsteller aus § 23 Abs. 3 Sätze 5 und 6 SGB XII entfallen ließen – etwa eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung –, dem Beigeladenen Anlass geben können, eine Änderung dieser Entscheidung gemäß § 86b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13.A., § 86b Rn. 45 m.w.N.) zu beantragen.

III. Das Sozialgericht hätte auch den Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht ablehnen dürfen. Die insoweit gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht ist nach dem o.G. gegeben. Die Antragsteller können außerdem die voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreits nicht selbst aufbringen. Aus diesen Gründen ist den Antragstellern auch Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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