L 17 U 487/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 5/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 487/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 4/21 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Urteil des BSG v. 08. 12.2021).  

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.06.2019 geändert und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der am 00.00.1968 geborene Kläger ist seit Juni 2007 bei der Firma S GmbH & Co. KG als Gebietsverkaufsleiter im Außendienst versicherungspflichtig beschäftigt. In der Unfallanzeige vom 20.09.2018 gab seine Arbeitgeberin an, der Kläger sei am 17.09.2018, einem Montag, um 07:10 Uhr im Homeoffice aus den Wohnräumen in die Büroräume die Treppe abwärts gestürzt und habe sich dabei einen Brustwirbeltrümmerbruch zugezogen. Am 21.09.2018 berichtete der Durchgangsarzt Dr. H, X, der Kläger sei angabegemäß bei Beginn der Arbeitszeit um 7:00 Uhr im Homeoffice - er arbeite von zu Hause aus - verunfallt. Und zwar sei er auf dem Weg in sein Homeoffice von der vierten in die dritte Etage gewesen. Dabei habe er eine Stufe verfehlt und sei daraufhin die Wendeltreppe hinuntergestürzt. Seine Ehefrau habe ihn bewusstlos gefunden und den RTW verständigt. Der Kläger sei mit dem RTW direkt zu ihm, Dr. H, verbracht und am Unfalltag sowie aufgrund erneuter Vorstellung am 21.09.2018 untersucht worden. Dr. H diagnostizierte eine instabile Berstungsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers (BWK 12).

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.09.2018 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls vom 17.09.2018 ab. Es liege schon kein Arbeitsunfall vor, weil sich der Sturz im häuslichen Wirkungskreis und damit nicht auf einem versicherten Weg ereignet habe. Hiergegen legte der Kläger am 05.08.2018 fristgerecht Widerspruch ein. Der Unfall habe sich auf direktem Wege von den Wohnräumen in den Arbeitsbereich ereignet und stelle deshalb einen Arbeitsunfall dar.

Am 27.08.2018 stellte sich der Kläger bei Dr. A, I, gemäß dessen ärztlicher Unfallmeldung vom selben Tag vor und schilderte dort den Unfall in gleicher Weise wie gegenüber dem Unfallarzt Dr. H1. Dr. A diagnostizierte eine Wirbelkörperfraktur.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2018, dem Kläger zugestellt am 12.12.2018, als unbegründet zurück. Ein Versicherungsfall liege nicht vor. Denn auf einem Weg von den Privaträumen in den betrieblichen Bereich zum Zweck der Arbeitsaufnahme beginne der Unfallversicherungsschutz grundsätzlich erst mit dem Erreichen der Betriebsräume.

Hiergegen hat sich die am 11.01.2019 erhobene Klage gerichtet, mit der der Kläger dargelegt hat, er habe am 17.09.2018 morgens seine Arbeit aufnehmen wollen, sodass der Sturz auf der Treppe sich im Rahmen seiner Tätigkeit für seine Arbeitgeberin ereignet habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 25.09.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2018 abzuändern und festzustellen, dass sein Sturz vom 17.09.2018 einen Arbeitsunfall darstellt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten.

Das Sozialgericht (SG) hat den Kläger im Rahmen seiner öffentlichen Sitzung vom 14.06.2019, zu der der Kläger eine Fotodokumentation über die räumlichen Verhältnissein dem von ihm bewohnten Mehrfamilienhaus überreicht hat, zu den räumlichen Gegebenheiten in der von ihm bewohnten Wohnung sowie zum konkreten Hergang des Sturzes angehört. Der Kläger hat im Wesentlichen ausgeführt: Er arbeite je nach Bedarf zu Hause. Dies sei in seinem Anstellungsvertrag schriftlich niedergelegt. Er sei Gebietsverkaufsleiter. In dieser Funktion werde von ihm erwartet, dass er ein Büro zur Verfügung stelle. Er erhalte von seinem Arbeitgeber auch eine Pauschale dafür, dass er im Homeoffice arbeite. Dies sei auch im Anstellungsvertrag so vorgesehen. In der vierten Etage, die auf dem ersten Bild der überreichten Aufnahmen zu sehen sei, befänden sich drei Räume, ein Ankleidezimmer, ein Bad und ein Schlafzimmer. Er sei am Unfalltag aus dem Badezimmer gekommen und habe zum Arbeitszimmer in der dritten Etage gehen wollen. Er frühstücke morgens eigentlich nie. Gelegentlich trinke er im Homeoffice einen Kaffee. Am 17.09.2018 sei er aber auf dem Weg vom Bad zum Arbeitsplatz gewesen. Er habe nicht etwa frühstücken oder sich Kaffee holen wollen. Er habe vielmehr zu arbeiten anfangen wollen. Über die EDV müsse sich auch dokumentieren lassen, dass er in der Regel um diese Uhrzeit - gegen 7:00 Uhr - morgens anfange zu arbeiten.

Das SG hat mit Urteil vom 14.06.2019 der Klage stattgegeben. Der vom Kläger am 17.09.2018 erlittene Sturz stelle einen Arbeitsunfall dar. Es stehe zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass das Hinabsteigen der Treppe in seinem Wohnhaus in einem sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter gestanden habe. Denn der Kläger habe zum Zeitpunkt des Sturzes einen versicherten Betriebsweg im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) zurückgelegt. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gezogene Grenze zwischen einer unversicherten Tätigkeit im häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Zurücklegen eines Betriebsweges gelte grundsätzlich auch in den Fällen der Tätigkeit im sogenannten Homeoffice. Allerdings seien "Arbeitsstätten" im häuslichen Bereich nur solche Arbeitsräume, in denen Arbeitsplätze aufgrund arbeitsvertraglicher (Individual-)Vereinbarungen innerhalb von Gebäuden dauerhaft eingerichtet seien und in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit regelmäßig tätig würden. Im vorliegenden Fall handele es sich bei dem Arbeitszimmer des Klägers, das in dessen privatem Haus liege, um eine Arbeitsstätte im genannten Sinne. Denn wie der Kläger im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, würden Einrichtung und Nutzung seines privaten Raumes als Arbeitsort von seiner Arbeitgeberin erwartet und die Tätigkeit im Homeoffice durch eine Pauschale, die Bestandteil des Arbeitslohns sei, zusätzlich vergütet. In der bisherigen Rechtsprechung sei bei Unfällen, die sich in Räumen oder auf Treppen ereignet hätten, die weder eindeutig der Privatwohnung noch der Betriebsstätte zugeordnet werden könnten, darauf abgestellt worden, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignete, auch Betriebszwecken (wesentlich) diene, ob der rein persönliche Lebensbereich schon verlassen worden sei oder wie sich der Nutzungszweck zum Unfallzeitpunkt darstelle. Auch eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke sei als Abgrenzungskriterium herangezogen worden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R -, juris Rn. 21). Mittlerweile indessen habe sich die höchstrichterliche Rechtsprechung von der "Widmung" der Privaträume bzw. der Häufigkeit der betrieblichen oder privaten Nutzung des konkreten Unfallorts als Abgrenzungskriterien gelöst und stelle in erster Linie darauf ab, ob zum Zeitpunkt des Unfallereignisses eine Handlungstendenz vorgelegen habe, die eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen, die allerdings durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt werden müsse (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.11.2018 - B 2 U 28/17 R -, juris Rn. 17). Nach diesen nunmehr geltenden Abgrenzungskriterien habe sich der Kläger zum Zeitpunkt des Sturzes auf der Treppe auf einem versicherten Betriebsweg befunden. Denn seine Handlungstendenz sei darauf gerichtet gewesen, eine seiner Arbeitgeberin dienende Tätigkeit auszuüben. Wie der Kläger nämlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert habe, sei er zum Zeitpunkt des Sturzes allein auf dem Weg in seinen Arbeitsraum in der dritten Etage gewesen, um morgens seine Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter aufzunehmen und nicht auf dem Weg in die gleichfalls in der dritten Etage befindliche Küche. Die betriebsbezogene Handlungstendenz des Klägers sei damit auch durch objektive Umstände belegt, zumal der Kläger versichert habe, dass er in der Regel um jene Zeit morgens mit seiner Tätigkeit für seine Arbeitgeberin beginne.

Gegen das ihr am 14.08.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.09.2019 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie geltend macht, die hier allein in Betracht kommende Annahme eines versicherten Weges zur Arbeit scheide im Homeoffice mangels Durchschreitens der Haustür des Wohnhauses aus. Innerhalb des Hauses sei ein Betriebsweg im Übrigen nur versichert, wenn dieser die versicherte Tätigkeit selbst darstelle, was hier aber zu verneinen sei. Nicht versichert sei hingegen der innerhäusige Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme im Homeoffice. Auch habe das SG nicht geprüft, ob objektive Umstände die Annahme rechtfertigten, der Kläger habe sich aus dem Bad unmittelbar ins Arbeitszimmer begeben, um dort, ohne vorheriges Frühstück und/oder vorherigen Kaffee, sofort mit der Arbeit zu beginnen. Zu arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und Berechtigungen zum Homeoffice fehlten ebenso Ermittlungen wie zur Auffindesituation des Klägers oder dazu, dass der Kläger gegen 07:10 Uhr verunfallt sein wolle, er im Klinikum in X aber erst um 08:39 Uhr aufgenommen worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.06.2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Auf entsprechendes Befragen mit Senatsschreiben vom 11.11.2019 hat der Kläger vorgetragen, aufgrund der Schwere der Verletzungen und der Auffindesituation im dritten Stock habe ihn der RTW erst gegen 8:20 Uhr ins Krankenhaus fahren können, wo er gegen 8:40 Uhr eingetroffen sei. Die Login-Zeiten würden beim Arbeitgeber aus Datenschutzgründen nur für 14 Tage aufgezeichnet. Normalerweise sei der Montag sein Homeoffice-Tag. Der Kläger hat ferner ein Schreiben seiner Arbeitgeberin vom 31.10.2019 vorgelegt. Der Geschäftsführer seiner Arbeitgeberin, Herr T, hat hierin unter dem Adressbriefkopf M C ausgeführt, Außendienstmitarbeiter würden für die Pflege des Kontakts zu Bestandskunden und die Akquise neuer Kunden bezahlt. Um diese mit Reisetätigkeit verbundene Kernaufgabe herum ergäben sich administrative Aufgaben. Als Arbeitsmittel erhalte der Kläger ein Firmenfahrzeug sowie die Kommunikations- und IT-Technik. Der Kläger arbeite vom Homeoffice aus. An den Reisetagen ergäben sich vorher und nachher im Homeoffice kurze administrative Tätigkeiten. In der Arbeitswoche würden zur Abarbeitung der administrativen Aufgaben ein bis maximal zwei Tage im Homeoffice verbracht. Beim Kläger sei die Vor- und Nachbereitung des Außendiensttages durch Anmeldezeiten im System zwischen 7:00 Uhr und 7:30 Uhr bestätigt und durch gleichlautende Tätigkeitsberichte nachvollziehbar. Insofern sei zu bestätigen, dass die wiederholte morgendliche Nutzung des Homeoffice zum regelmäßigen Arbeitsrhythmus des Klägers gehöre.

Ferner hat der Kläger seinen am 08.05.2007 geschlossenen Arbeitsvertrag mit der S GmbH & Co. KG vorgelegt. Vorgelegt hat der Kläger weiterhin Wohnungsgrundrisse, Fotos der Wohnung einschließlich seines dortigen Arbeitsplatzes, eine Röntgenaufnahme der operierten Wirbelverletzung und ein Foto, das ihn nach dem Unfall auf der Trage der RTW-Besatzung liegend in legerer Kleidung zeigt.

Die Beklagte weist demgegenüber auf die aus den vorgelegten Unterlagen hervorgehende Befristung des Arbeitsvertrages bis zum 30.05.2009 hin und hält die Vorlage eines aktuellen Arbeitsvertrags für erforderlich, zumal der vorgelegte Vertrag keine Homeoffice- Vereinbarung enthalte. Zudem seien das Einsatzprotokoll des RTW und genauere Zeiterfassungsdaten des Arbeitgebers vorzulegen. Zu dokumentierten Auffindesituation hat die Beklagte in der nichtöffentlichen Sitzung des Senats vom 21.09.2020 ausgeführt, die dort vom Kläger getragene legere Kleidung deute nicht auf seine Absicht zur Arbeitsaufnahme hin, woran sie ausweislich ihres Vorbringens in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 09.11.2020 nicht mehr festhält. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass der erstmalige Weg zur innerhäusigen Arbeitsaufnahme nicht versichert sei.

Der Kläger hat eine Bescheinigung seines Arbeitgebers (Herrn T) vom 18.03.2016 vorgelegt, wonach er als Außendienstmitarbeiter von seinem Wohnort aus arbeite und ihm im Unternehmen kein räumlicher Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde. Gemäß dem Arbeitsvertrag erhalte der Kläger hiernach für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Einrichtung des Arbeitsplatzes an seiner Privatadresse von seinem Arbeitgeber einen Bürokostenzuschuss, der als Steuer- und sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt in der monatlichen Gehaltsabrechnung berücksichtigt werde. Der Zuschuss beträgt laut einer weiteren vom Kläger vorgelegten Bescheinigung Herrn T vom 03.05.2018 monatlich 200,00 EUR pauschal für die Einrichtung und Unterhaltung des Arbeitszimmers und 50,00 EUR monatlich pauschal für die Einrichtung von ortsfesten Kommunikationseinrichtungen. Zudem hat der Kläger den Zuzahlungsbescheid der AOK vom 29.01.2019 für den RTW-Einsatz vom 17.09.2018 vorgelegt und vorgetragen, er führe seit seiner Geburt den Rufnahmen M. Eine schriftliche Homeoffice-Vereinbarung bestehe nicht. Das Bestehen dieser Vereinbarung werde aber durch die vorgelegten Arbeitgeberbescheinigungen bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Im Gegensatz zur Auffassung des SG ist der Kläger durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz/SGG). Denn die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zutreffend die Feststellung des streitigen Ereignisses als Arbeitsunfall abgelehnt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 17.09.2018 als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb Versicherter ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG, Urteil vom 27.11.2018 - B 2 U 28/17 R -, juris Rn. 14 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg von und nach dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) und er hat den Unfall auch nicht infolge einer seinen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründenden Tätigkeit erlitten.

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt zwar gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kraft Gesetzes Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung, weil er als Gebietsverkaufsleiter im Außendienst nichtselbständige Arbeit für die S GmbH verrichtete und deshalb zum Kreis der originär Beschäftigten (§ 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch/SGB IV) zählte. Er war zum Unfallzeitpunkt insbesondere kein Heimarbeiter, weil er nicht in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung u.a. von Gewerbetreibenden erwerbsmäßig arbeitete. Vielmehr besteht ein Anstellungsvertrag zur Arbeitgeberin, in dem auch - etwa in § 1 Nr. 1 des Anstellungsvertrages - deren Weisungsrecht geregelt ist. Der Kläger ist deshalb abhängig Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und war dies auch im Zeitpunkt des Unfalls.

Der Kläger hat auch einen Unfall erlitten, als er beim Hinabsteigen der häuslichen Treppe auf dem Weg zu seinem Homeoffice auf einer Stufe abrutschte, stürzte und sich dabei einen Bruch des 12. Brustwirbelkörpers zuzog.

Ein Unfallversicherungsschutz des Klägers im Zeitpunkt des Treppensturzes scheitert jedoch daran, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, also das Hinabsteigen der Treppe von der vierten in die dritte Etage seiner Wohnung, weder als Zurücklegen eines unmittelbaren Weges von und nach der Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII anzusehen ist noch in einem sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter stand.

Ebenso wie das SG hat der Senat dabei allerdings ebenfalls keinen Zweifel daran, dass der Kläger sich in dem Zeitpunkt, als er auf der innerhäusigen Treppe, die von der vierten in die dritte Etage seiner Wohnung führt, stürzte, auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme an diesem Tag in seinem Homeoffice befand.

Der Kläger verfügt in einem Zimmer der dritten Etage seines Wohnhauses über einen vollausgestatten Heimarbeitsplatz (Homeoffice), wie seine eigenen Angaben, die hierzu vom Kläger überreichten Fotos und die Bescheinigungen seines Arbeitgebers vom 18.03.2016 und vom 03.05.2018 bestätigen. Überdies hat sein Arbeitgeber mit Schreiben vom 31.10.2019 den Vortrag des Klägers bestätigt, dass er üblicherweise zwischen 7:00 Uhr und 7:30 Uhr die Arbeit im Homeoffice aufnimmt. Der Kläger hat auch durchgängig vorgetragen, dass er sich auf dem unmittelbaren Weg in sein Homeoffice befunden hat, ohne vorher zu frühstücken oder sich vorher einen Kaffee zu holen. Auch von der Richtigkeit dieses konsistenten Vortrages des Klägers ist der Senat überzeugt. Versicherungsschutz scheidet daher nicht bereits deshalb aus, weil der Kläger den unfallbringenden Weg in eigenwirtschaftlichem Interesse, nämlich zwecks Nahrungs- und/oder Flüssigkeitsaufnahme zurückgelegt hätte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R -, juris Leitsatz 1 und Rn. 22 ff.).

Dieser vom Kläger zurückgelegte Weg ist allerdings weder als Weg nach dem Ort der Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (wege)unfallversichert, noch als versicherter Betriebsweg anzusehen.

Es handelt sich nicht um einen Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Weg nach dem Ort der Tätigkeit, weil der Kläger hierbei die Haustür nicht durchschritten hat. Sowohl bei Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit als auch bei einem direkt von der Wohnung aus angetretenen Betriebsweg (Dienstweg oder Dienstreise) beginnt die versicherte Tätigkeit erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes (Mehr- oder Einfamilienhaus), in dem sich die Wohnung des Versicherten befindet. Diese vom BSG stets beibehaltene Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Zurücklegen eines Weges ist im Interesse der Rechtssicherheit bewusst starr gezogen, weil sie an objektive Merkmale anknüpft, die im Allgemeinen leicht feststellbar sind. Damit wird zugleich der die gesetzliche Unfallversicherung kennzeichnenden Freistellung des Unternehmers von der Haftung für Betriebsgefahren Rechnung getragen. Das BSG hat im Interesse der Rechtssicherheit insbesondere auch deshalb keine Veranlassung gesehen, die bisherige Rechtsprechung zur Außentür als der Grenze zwischen häuslichem Bereich und versichertem Weg aufzugeben oder zu modifizieren, weil mit der verbreiteten Einführung von Telearbeit am PC eine Verlagerung vieler den Unternehmen dienenden Verrichtungen in den häuslichen Bereich einhergeht (BSG, Urteil vom 27.11.2018, - B 2 U 28/17 R-Juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R-, juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R -, juris Rn. 18). Mithin kann nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ein im Homeoffice Beschäftigter niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sein (so auch Spellbrink, Arbeitswelt 4.0: Arbeiten in der digitalen Welt - juristische Fragen, in MedSach 114, Heft 4/18, S. 164 (167)).

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Kläger zum Unfallzeitpunkt auch keinen versicherten Betriebsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zurückgelegt, als er die Treppe von der vierten in die dritte Etage hinabstieg, um an seinem heimischen Arbeitsplatz die Arbeit aufzunehmen.

Zwar greift für Betriebswege die für Wegeunfälle gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII aufgezeigte Grenzziehung, nämlich dass der Versicherte die Außentür des Wohngebäudes durchschritten haben muss, um überhaupt unter Unfallversicherungsschutz stehen zu können, gerade nicht, wenn sich sowohl die Wohnung des Versicherten als auch seine Arbeitsstätte im selben Haus befinden und wenn der Betriebsweg in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 27.11.2018 - B 2 U 28/17 R -, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 31.08.2017 - B 2 U 9/16 R -, juris Rn. 11).

Die Annahme eines Betriebsweges scheidet aber deswegen aus, weil sich der Kläger zum Zeitpunkt des Treppensturzes auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befand.

Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen (BSG, Urteil vom 31.08.2017 - B 2 U 9/16 R -, juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R -, juris Rn. 13). Betriebswege werden in unmittelbarem Betriebsinteresse unternommen und unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R -, juris Rn. 13). Im Gegensatz zu Wegen im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII liegt deshalb ein Betriebsweg vor, wenn dieser Weg die versicherte Tätigkeit selbst darstellt und nicht, wie der Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, eine Vor- und Nachbereitungshandlung der eigentlich versicherten Arbeitsleistung ist (Spellbrink, a.a.O., S. 167).

Danach hat der Kläger im Zeitpunkt des Treppensturzes keinen versicherten Betriebsweg zurückgelegt. Schon nach seinem eigenen Vorbringen, von dessen Richtigkeit der Senat überzeugt ist, hat er diesen Weg am Unfalltag, einem Montagmorgen, gegen 7:00 Uhr ausschließlich zurückgelegt, um seine versicherungspflichtige Tätigkeit im Homeoffice an diesem Tag erstmalig aufzunehmen. Weitere betriebliche Zwecke waren mit dieser Tätigkeit nicht verbunden. Der Kläger hat damit eine auch im Homeoffice gerade nicht unfallversicherte Vorbereitungshandlung zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit in seinem Arbeitszimmer vorgenommen, woran ein Versicherungsschutz im Zeitpunkt des Treppensturzes und damit dessen Anerkennung als Arbeitsunfall gemäß § 8 SGB VII scheitert.

Anders als das SG meint, vermag in der vorliegenden Konstellation auch das Abstellen auf die auf Aufnahme der versicherten Tätigkeit gerichtete Handlungstendenz des Klägers "als eine seiner Arbeitgeberin dienende Tätigkeit" nicht zur Annahme eines Betriebsweges zu führen. Anderenfalls käme es im Ergebnis auch zu einer aus Sicht des Senats nicht gerechtfertigten Besserstellung von Beschäftigten im Homeoffice im Vergleich zu Beschäftigten, die außerhalb ihrer eigenen Räumlichkeiten arbeiten. Bei Letzteren ist der betriebsbezogene Weg nach dem Ort der Tätigkeit nicht als Betriebsweg anzusehen, sondern kann allenfalls über § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII als Wegeunfall versichert sein. Der Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung beginnt aber, wie dargelegt, erst nach Durchschreiten der Haustür (BSG, Urteil vom 27.11.2018, - B 2 U 28/17 R -, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R -, juris Rn. 21; BSG, Urteil vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R -, juris Rn. 14). Für den Senat sind keine Gründe ersichtlich, aus denen ein Beschäftigter im Homeoffice auf einem Weg ins Arbeitszimmer - der nicht mit einer dem Unternehmen zu dienenden objektiven Handlungstendenz vorgenommen wird, die über die bloße Arbeitsaufnahme hinausgeht - über die Bejahung eines Betriebsweges insoweit bessergestellt werden sollte, als ein nicht im Homeoffice Beschäftigter. Letzterer wäre bei einem entsprechenden Sturz im häuslichen Bereich ebenfalls nicht versichert. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschäftigung im Homeoffice zu einer zunehmenden Verlagerung von dem Unternehmen dienenden Verrichtungen in den häuslichen Bereich führt, besteht für eine solche Einbeziehung des von der bisherigen Rechtsprechung bis zum Durchschreiten der Haustür stets dem privaten Risikobereich zugeordneten "Anfahrtsrisikos" in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung für im Homeoffice Beschäftigte kein Raum.

Etwas anderes ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 31.08.2017 (B 2 U 9/16 R). Dort hatte das BSG bei einer selbständigen Friseurmeisterin, bei der sich ihr Friseursalon (im Erdgeschoss) und ihre Wohnung (im ersten Obergeschoss) in demselben Gebäude befanden, Unfallversicherungsschutz wegen der Zurücklegung eines versicherten Betriebsweges bejaht. Die dortige Klägerin wusch sowohl ihre Privat- als auch ihre Geschäftswäsche getrennt, aber in derselben Waschmaschine, im Waschraum ihrer Privatwohnung. Auf dem Weg zum Waschraum knickte sie im dahin führenden privaten Wohnflur um, als sie am späten Abend Geschäftswäsche aus der Waschmaschine holen und zum Trocknen aufhängen wollte. Anders als im Fall des Klägers war bei der dortigen Klägerin ihre versicherte Tätigkeit als selbständige Friseurmeisterin bis zum Aufhängen der Geschäftswäsche zum Trocknen gerade noch nicht beendet, sodass bei ihr weder bloß eine innerhäusig auch nicht als Betriebsweg versicherte Nachbereitungshandlung nach Beendigung der versicherten Tätigkeit noch eine Vorbereitungshandlung zur erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit vorlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Frage, ob der Weg zur erstmaligen Aufnahme der versicherten Tätigkeit im Homeoffice unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Rechtskraft
Aus
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