L 1 SO 71/19

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 21 SO 69/17
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 SO 71/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Funktionsnachfolge im Bereich der Eingliederungshilfe

Durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) wurde die Eingliederungshilfe strukturell geändert. Dies schließt die Annahme einer Funktionsnachfolge auf Trägerseite aus.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 14.02.2019 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren die Verpflichtung der beklagten Stadt (Beklagte zu 1.) zum Abschluss einer näher spezifizierten Leistungsvereinbarung seit dem 19.04.2017 nach § 75 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung vom 18.04.2019 (im Folgenden: a.F.)/§ 125 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung vom 23.12.2016, hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte zu 1. oder das beklagte Land (Beklagter zu 2.) zu dem Abschluss dieser Vereinbarung verpflichtet ist.
Der Kläger ist Träger der seit dem Jahr 2012 bestehenden inklusiven Wohngemeinschaft "IGLU", in welcher vier Personen mit – zum Teil mehrfacher – körperlicher und/oder geistiger Behinderung und sechs Personen ohne Behinderung zusammenleben. Die Bewohner ohne Behinderung decken im Gegenzug zu vergünstigt gewährtem Wohnraum und einem geringfügigen finanziellen Ausgleich einen Teil des behinderungsbedingten Unterstützungs- und Betreuungs-bedarfs (z.B. ggf. Wecken, Frühstücksdienst, nächtliche "Bereitschaft" via "Babyfon", Organisation von Aktivitäten und Ausflügen am Wochenende). Im Übrigen wird eine Person mit Behinderung durch eine persönliche Assistenz unterstützt. Darüber hinaus sind in der Wohngemeinschaft zwei Vollzeitkräfte tätig, die für den reibungslosen Ablauf innerhalb der Wohngemeinschaft verantwortlich sind und nach Angaben des Klägers insbesondere Einzel- und Gruppengespräche mit allen Bewohnern führen, regelmäßige Treffen der Wohngemeinschaft einberufen, koordinieren und moderieren, Kontakt zu den Eltern/Angehörigen/rechtlichen Betreuern herstellen, Hilfen bei der alltäglichen Lebensführung, zur Kommunikation und Orientierung leisten, Assistenz in Behördenangelegenheiten, soweit nicht von dem Aufgabenbereich einer rechtlichen Betreuung umfasst, gewähren und Unterstützung bei Aktivitäten im lokalen Sozialraum und der Krisenintervention bieten sollen. Durch die Einrichtung wird Eingliederungshilfe erbracht. Die Wohngemeinschaft ist als Einrichtung mit besonderer konzeptioneller Ausrichtung im Sinne von § 5 Satz 1 Nr. 6 Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe anerkannt (Schreiben des Beklagten zu 2., Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung vom 16.01.2013).
Im Oktober 2013 wandte sich der Kläger an die Beklagte zu 1. mit der Bitte um Abschluss einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. Im Rahmen der in der Folgezeit stattgefundenen Verhandlungen einigten sich der Kläger und die Beklagte zu 1. auf die wesentlichen Punkte, streitig blieb jedoch die Frage nach der notwendigen fachlichen Qualifikation der zwei Vollzeitkräfte. Während der Kläger die Notwendigkeit sieht, dass eine Vollzeitkraft im Sinne einer Hauptkraft über die Qualifikation eines Diplom-Sozialpädagogen, eines Diplom-Pädagogen, eines Heilpädagogen oder einen vergleichbaren Studienabschluss verfügt und eine weitere Vollzeitkraft im Sinne einer Hilfskraft eine Ausbildung zu einem Heilerziehungspfleger oder eine vergleichbare Ausbildung absolvieren müsse, sind die Beklagten der Auffassung, dass für die Tätigkeit als Hauptkraft eine Ausbildung als Erzieher/Erzieherin ausreichend sei und als Hilfskraft im vorgenannten Sinne eine Person in Betracht komme, die einen Freiwilligendienst (Bundesfreiwilligendienst, freiwilliges soziales Jahr) absolviere.
Am 30.01.2017 hat der Kläger einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, gerichtet auf die vorläufige Verpflichtung der Beklagten zu 1. zum Abschluss einer spezifizierten – vorgelegten – Leistungsvereinbarung, gestellt (S 18 SO 17/17 ER). Der Antrag blieb ebenso wie die Beschwerde ohne Erfolg (Beschluss des Sozialgerichts vom 10.02.2017, Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29.05.2017 – L 1 SO 33/17 B ER).
Am 19.04.2017 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Speyer gerichtet auf Verpflichtung der Beklagten zu 1. zu dem Abschluss der in dem Verfahren S 18 SO 17/17 ER/L 1 SO 33/17 ER spezifizierten Leistungsvereinbarung erhoben. Er, der Kläger, habe einen Anspruch auf Abschluss der vorgelegten Leistungsvereinbarung. Der den Einrichtungsträgern grundsätzlich zukommende Rechtsanspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Sozialhilfeträgers über den Abschluss der Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 – 3 SGB XII a.F. verdichte sich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 12 Abs. 1 GG zu einem Rechtsanspruch auf Abschluss der entsprechenden Vereinbarung, wenn die Einrichtung die normativen Voraussetzungen für den Abschluss erfülle, sie also gemäß § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII a.F. einerseits leistungsfähig sei, andererseits dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit genüge. Dies sei vorliegend der Fall. Nur der Einsatz einer akademisch ausgebildeten Fachkraft stelle, was durch Prof. Dr. G , Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen der Hochschule L , in einer Stellungnahme vom 18.09.2015 bestätigt worden sei, die Leistungsfähigkeit des verhandelten Angebots und seiner unangreifbaren konzeptionellen Ziele sicher und sei damit zwangsläufig wirtschaftlich. In Bezug auf die Hilfskraft sei der Verweis der Beklagten auf eine Person im freiwilligen sozialen Jahr schon deshalb rechtswidrig, da die Freiwilligen keine hauptamtlichen Kräfte ersetzen dürften; der Einsatz einer solchen Kraft würde einen Verstoß gegen den Grundsatz der Arbeitsmarktneutralität darstellen. Im Übrigen bedeute die Achtung der Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung der Aufgaben der freien Träger (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SGB XII), dass in inhaltlicher Hinsicht keine Vorgaben gemacht werden dürften; die Qualifikation des eingesetzten Fachpersonals sei daher seinem Gestaltungsrecht zuzuordnen und stehe nicht zur Disposition. Darüber hinaus begründe sich die Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf das konzeptionelle Angebot aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 14.02.2019 abgewiesen. Die Kammer sei nicht davon überzeugt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für den Abschluss der begehrten Leistungsvereinbarung vorlägen, überdies sei ein Fall der Ermessensreduktion auf Null nicht gegeben. Nach Abzug der zusätzlichen wissenschaftlichen Bewertungs- und Beurteilungskompetenzen, auf welche Prof. Dr. G sich in seiner Stellungnahme vom 18.09.2015 gestützt habe, verblieben Kompetenzen, die in einer entsprechenden Ausbildung (Erzieher, Heilerziehungspfleger etc.) in hinreichendem Maße verwirklicht würden. Eine Verletzung von Art. 12 GG liege nicht vor. Jedenfalls gebiete das Grundrecht aus Art. 12 GG keine Finanzierung von Konzeptionen ohne Rückkopplung an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
In Folge des Urteils haben der Kläger und die Beklagte zu 1. Ende Februar 2019 eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. geschlossen, welche in § 7 Buchst. a) Nr. 2) vorsieht, dass für pädagogische Leistungen ein Vollzeitkräfteäquivalent (hauptamtlicher Mitarbeiter) mit folgenden Qualifikationen eingesetzt wird: Mitarbeiter mit einer dreijährigen Ausbildung im sozialen/pflegerischen Bereich, z.B. staatlich anerkannter Erzieher, Heilerziehungspfleger, Pflegefachkräfte; zusätzlich wird nach vorgenannter Regelung ein Freiwilliger im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes oder des Freiwilligen Sozialen Jahres eingesetzt.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 21.03.2019 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 18.04.2019 Berufung eingelegt und an seiner Argumentation festgehalten. Zudem hat der Kläger ausgeführt, dass die Zuständigkeit für Angebote der Eingliederungshilfe seit 01.01.2020 nach § 94 Abs. 1 SGB IX in der seit dem 01.01.2018 bzw. 01.01.2020 geltenden Fassung vom 23.12.2016 in Verbindung mit § 1 Abs. 2, 5 Landesgesetz zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (AGSGB IX) Rheinland-Pfalz (AGSGB IX Rheinland-Pfalz) in der seit dem 28.12.2018 geltenden Fassung vom 19.12.2018 auf den Beklagten zu 2., vertreten durch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, als Träger der Eingliederungshilfe übergegangen sei. Eine Verurteilung der Beklagten zu 1. könne auf der Grundlage der damit aktuell geltenden gesetzlichen Regelungen für die Zukunft zwar nicht mehr erfolgen, er begehre aber die Verpflichtung der Beklagten zu 1. zu dem Abschluss der spezifizierten Leistungsvereinbarung seit Klageerhebung am 19.04.2017 und damit eine Verpflichtung zu einem entsprechenden Vertragsabschluss mit Rückwirkung ab diesem Zeitpunkt, hilfsweise eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung einer der Beklagten zum Abschluss der spezifizierten Leistungsvereinbarung.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28.01.2021 hat der Kläger ergänzend ausgeführt, dass die vorliegend streitigen Stellen bis dato nicht auf dem höherwertigen Niveau (z.B. Heilpädagoge) tatsächlich besetzt worden seien, das fehlende Niveau sei durch eine unentgeltliche Tätigkeit der Vorstandsmitglieder ausgeglichen worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu 1. unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Speyer vom 14.02.2019 zu dem Abschluss der mit Klageerhebung benannten Leistungsvereinbarung, die den Einsatz einer pädagogischen Fachkraft mit der Qualifikation eines Diplom-Sozialpädagogen, Diplom-Pädagogen, Heilpädagogen oder eines vergleichbaren Studienabschlusses und den Einsatz einer Hilfskraft in Ausbildung zum Heilerziehungspfleger oder einer fachlich vergleichbaren Qualifikation beinhaltet, mit Wirkung ab dem 19.04.2017 zu verpflichten,
hilfsweise,
festzustellen, dass einer der Beklagten zum Abschluss der vorgenannten Vereinbarung verpflichtet ist.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen bzw. die Klage abzuweisen.
Sie halten das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Im Übrigen hat der Beklagte zu 2. mitgeteilt, noch mit den Vereinigungen der Leistungserbringer auf Rahmenvertragsebene in Verhandlungen über eine neue Leistungs- und Vergütungssystematik für den Bereich der Sozialen Teilhabe zu sein. Sobald hierüber Einigung bestehe, würden sämtliche Angebote in Rheinland-Pfalz, mithin auch das des Klägers, neu verhandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Prozessakte sowie die beigezogene Prozessakte L 1 SO 33/17 B ER und die Verwaltungsakte der Beklagten zu 1., deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 f., 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist sowohl in ihrem Haupt- als auch in dem Hilfsantrag unbegründet (hierzu unter I.). Die (hilfsweise) erhobene Klage gegen den Beklagten zu 2. ist unzulässig (hierzu unter II).
I. Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Berufung ist unbegründet.
Soweit der Kläger eine Verpflichtung der Beklagten zu 1. zu dem Abschluss der spezifizierten Leistungsvereinbarung ab dem 19.04.2017 und damit für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begehrt, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis hat nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechts-schutzwürdiges Interesse verfolgt und einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat. Als allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung wird das Rechtsschutzbedürfnis aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handeln hergeleitet (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, Vorbemerkung vor § 51 Rn. 16a).
Der Kläger begehrt in seinem Hauptantrag die Verpflichtung der Beklagten zu 1. zum Abschluss der spezifizierten Leistungsvereinbarung seit dem 19.04.2017. Einem entsprechenden Begehren steht zwar nicht entgegen, dass gemäß § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII in der bis 31.12.2019 (im Folgenden: a.F.) geltenden Fassung ein zurückwirkendes Vereinbaren oder Festsetzen von Vergütungen vor die genannten Zeitpunkte nicht zulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sollte durch die Regelung (nur) verhindert werden, dass Vergütungen nachträglich nach den bereits entstandenen Kosten abgerechnet werden, also ein Gewinn- oder Verlustausgleich ohne Rücksicht auf die im Leistungszeitpunkt gültigen Vereinbarungen durchgeführt werden kann; die Regelung konkretisiere damit lediglich die Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII a.F., wonach nachträgliche Ausgleiche, d. h. Ausgleiche für Zeiträume vor dem eigentlichen Verhandlungszeitraum, unzulässig sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 2/13 R, juris Rn. 16). Vorliegend haben der Kläger und die Beklagte zu 1. die Verhandlungen indes bereits vor dem 19.04.2017 unter Wahrung des Grundsatzes der Prospektivität auch der Leistungsvereinbarung aufgenommen. Eine etwaig auf diesen Zeitpunkt zurückgehende Leistungsvereinbarung mit der Folge einer im Nachgang zu schließenden und hierauf aufbauenden Vergütungsvereinbarung ab diesem Zeitpunkt verstieße mithin nicht gegen den Grundsatz der Prospektivität.
Allerdings hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 28.01.2021 ausdrücklich mitgeteilt, dass die streitigen Stellen bis dato nicht auf dem höherwertigen Niveau (z.B. Heilpädagoge) tatsächlich besetzt wurden; das fehlende Niveau sei durch eine unentgeltliche Tätigkeit der Vorstandsmitglieder ausgeglichen worden. Dies hat zur Folge, dass der Kläger aus dem Abschluss der spezifizierten Leistungsvereinbarung ab dem 19.04.2017 letztlich keinen Vorteil mehr erlangen könnte, insbesondere wäre eine auf der Grundlage einer solchen Vereinbarung zu schließende Vergütungsvereinbarung für den Kläger nicht vorteilhaft. Die Zahlung einer höheren Vergütung durch die Beklagte zu 1. auf Grundlage einer solchen Vergütungsvereinbarung setzt voraus, dass auch tatsächlich eine höhere Vergütung angefallen ist, was vorliegend nach den Ausführungen des Klägers gerade nicht der Fall war.
Soweit der Hauptantrag darüber hinaus auf die Zukunft gerichtet ist, ist die Klage ebenfalls unbegründet, da die Beklagte zu 1. seit dem 01.01.2020 nicht mehr passivlegitimiert ist. Aufgrund des mit Wirkung vom 01.01.2020 erfolgten Herauslösens der Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgerecht des SGB XII und seiner Überführung in das SGB IX und der damit erfolgten Änderungen der Zuständigkeiten ist es auch vorliegend zu einer Änderung der sachlichen Zuständigkeit gekommen. Das Eingliederungshilferecht findet sich nunmehr in §§ 90 ff. SGB IX. Gemäß § 94 Abs. 1 SGB IX bestimmen die Länder die für die Durchführung dieses Teils zuständigen Träger der Eingliederungshilfe. Gemäß § 1 Abs. 2 AGSGB IX Rheinland-Pfalz vom 19.12.2018 ist Träger der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX für Menschen mit Behinderungen ab der Vollendung des 18. Lebensjahres mit Ausnahme der dem Absatz 1 Satz 2 unterfallenden Leistungsberechtigten das Land; die Aufgaben des Landes als Träger der Eingliederungshilfe werden vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung wahrgenommen. Mit der Überführung der Eingliederungshilfe in das SGB IX wurde auch - bereits zum 01.01.2018, um bereits im Vorfeld des Inkrafttretens von Artikel 1 Teil 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) Regelungen auf vertraglicher Basis mit Wirkung zum 01.01.2020 treffen zu können (vgl. BT-Drucksache 18/9522, S. 363) - das Vertragsrecht aus dem SGB XII in das SGB IX überführt. Grundlage einer die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe betreffenden Vereinbarung sind seither die §§ 123 ff. SGB IX; namentlich findet sich die Regelung zu dem notwendigen Inhalt der schriftlichen Vereinbarung in § 125 SGB IX, der im Hinblick auf die genannten Mindestmerkmale weit-gehend § 76 SGB XII a.F. entspricht. Soweit die §§ 75 ff. SGB XII in der seit dem 01.01.2020 geltenden Fassung weiterhin Regelungen zum Vertragsrecht vorsehen, betrifft dies gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII grundsätzlich die Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel des SGB XII, mithin die Hilfe zur Pflege, die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und die Hilfe in anderen Lebenslagen. Leistungen aus diesen Kapiteln des SGB XII sind vorliegend indes nicht betroffen, vielmehr erbringt die Einrichtung des Klägers - unstreitig - Leistungen der Eingliederungshilfe. Dies folgt sowohl aus der durch den Kläger mit Klageerhebung vorgelegten Leistungsvereinbarung als auch aus der Ende Februar 2019 schließlich abgeschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung; jeweils in § 1 Abs. 3 der Vereinbarungen ist ausdrücklich angeführt, dass durch die Einrichtung Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nrn. 3, 6 und 7 SGB IX (in der am 31.12.2017 geltenden Fassung) erbracht wird und dies Gegenstand der Vereinbarung ist. Sachlich zuständig für den Abschluss der damit begehrten Vereinbarung nach § 125 Abs. 1 SGB IX ist daher seit dem 01.01.2020 der Beklagte zu 2., vertreten durch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, mit der Folge, dass die Beklagte zu 1. nicht mehr passiv-legitimiert ist soweit der Hauptantrag in die Zukunft gerichtet ist.
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ist auch der gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Hilfsantrag unbegründet; es fehlt im Hinblick auf den (allein) in die Zukunft gerichteten Antrag an der Passivlegitimation der Beklagten zu 1. Nur ergänzend sei daher angemerkt, dass auch ein in die Vergangenheit gerichteter Feststellungsantrag keinen Erfolg hätte. Zwar können auch vergangene Rechtsverhältnisse grundsätzlich Gegenstand der Feststellungsklage sein (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Auch insoweit fehlte es vorliegend indes an dem notwendigen Feststellungsinteresse. Eine Wiederholungsgefahr, die grundsätzlich ein Feststellungsinteresse bei vergangenem Rechtsverhältnis begründen kann (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, Rn. 15b mit weiteren Nachweisen), besteht schon angesichts der geänderten Zuständigkeiten auf Trägerseite gerade nicht.
II. Die hilfsweise erhobene Klage gegen den Beklagten zu 2. ist unzulässig.
Die Erweiterung der/Änderung des Beklagten stellt eine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG dar. Entgegen der im Berufungsverfahren geäußerten Ansicht der Beteiligten ist der Beklagte zu 2. nicht im Wege eines kraft Gesetzes eingetretenen Beteiligtenwechsels (Funktionsnachfolge) neuer Beklagter geworden. Ein solcher hätte zur Folge, dass das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 14/10 R, juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen) und eine Klageänderung zu verneinen wäre (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R, juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, Rn. 6a).
Voraussetzung einer Funktionsnachfolge in dem vorgenannten Sinne ist, dass aufgrund einer Änderung der Verwaltungsorganisation Aufgaben von einer Behörde auf eine andere oder einen anderen Rechtsträger übergehen (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteile vom 11.01.1989 - 10 RAr 11/87, juris Rn. 11 und vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R, juris Rn. 9). Eine solche "schlichte" Aufgabenübertragung ist vorliegend zu verneinen; die nunmehr zuständigen Eingliederungshilfeträger sind nicht allein in die Stellung der zuvor sachlich zuständigen Träger bei gleichbleibender Leistung eingetreten. Deutlich wird zunächst anhand der Gesetzesbegründung zum BTHG, wonach gerade eine "Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung" (BT-Drucksache 18/9522, S. 2) beabsichtigt war, dass die Eingliederungshilfe mit der Herauslösung aus dem SGB XII auch reformiert werden sollte (BT- Drucksache 18/9522, S. 4). Zur Erreichung dieses Ziels wurde insbesondere die zuvor nur begonnene Trennung von Fachleistungen und von Leistungen zum Lebensunterhalt zum Abschluss gebracht. Insoweit konzentriert sich die Eingliederungshilfe nur noch auf die reinen Fachleistungen, die Leistungen zum Lebensunterhalt einschließlich Wohnen werden sowohl bei Menschen mit als auch bei Menschen ohne Behinderungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII bzw. nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht. Die Gliederung nach ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen wurde deshalb für erwachsene Menschen mit Behinderungen aufgegeben. Infolgedessen sind nunmehr grundsätzlich Beiträge - statt einer Einkommensanrechnung - zu den (Fach)Leistungen der Eingliederungshilfe (vgl. § 92 SGB IX) zu erbringen. Weiter wurde für die Träger der Eingliederungshilfe eine bundesweit vergleichbare Gesamtplanung (§§ 117 ff. SGB IX) normiert, die das für alle Rehabilitationsträger verbindlich geltende Teilhabeplanverfahren ergänzt. Deutlich wird vor diesem Hintergrund, dass die Annahme einer reinen Aufgabenübertragung als Voraussetzung einer Funktionsnachfolge weder im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers noch im Einklang mit den tatsächlich nunmehr in Teil 2 des SGB IX zu findenden Regelungen des Eingliederungshilferechts stünde. Vielmehr wird insoweit deutlich, dass die Eingliederungshilfe mit der Überführung in das SGB IX strukturell geändert wurde und sich infolgedessen seit dem 01.01.2020 als neue Leistung mit neuer Struktur unter neuer Leistungsträgerschaft darstellt (vgl. auch Eicher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020, Stand der Kommentierung: 11.01.2021, Anhang zu § 19 SGB XII, Rn. 2; vgl. in diesem Zusammenhang auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.11.2020 - L 8 SO 84/20 ER, juris Rn. 10 ff.; Frage nur aufgeworfen in Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.06.2020 - B 8 SO 36/20 B, juris Rn. 9). Hieran vermag der Umstand, dass Besitzstandsregelungen (vgl. § 149 SGB IX) getroffen wurden und auch verschiedene sozialhilferechtliche Strukturprinzipien weiter gelten (z.B. der Nachranggrundsatz gemäß § 91 Abs. 1 SGB IX) nichts zu ändern (so aber Groth, jurisPR-SozR 19/2020 Anm. 5). Gerade im Falle der Neugestaltung eines "Leistungszweigs" sind, ohne die konkrete Besitzstandregelung hier im Einzelfall bewerten zu wollen, Besitzstandsregelungen häufig schon verfassungsrechtlich geboten, so dass die Existenz solcher Regelungen für sich keinen Rückschluss darauf zulässt, dass eine Neustrukturierung des Eingliederungshilferechts nicht stattgefunden hätte. Gleiches gilt im Ergebnis im Hinblick auf die Weitergeltung von auch in der Sozialhilfe zu findenden Strukturprinzipien, die - wie etwa der Nachranggrundsatz - Teile des Sozialrechts mit Ausnahme des Sozialversicherungsrechts besonders prägen und diesen immanent sind mit der Folge, dass auch aus deren Beibehaltung kein Rückschluss auf die Neustrukturierung der Aufgaben und der Leistungen getroffen werden kann. Nur ergänzend, ohne, dass dies eine rechtliche Bewertung zuließe, sei angemerkt, dass offenbar auch der Beklagte zu 2. von einer strukturellen Änderung ausgeht, hat er doch mitgeteilt, aktuell den bestehenden Rahmenvertrag und sodann die einzelnen Angebote neu zu verhandeln. Insoweit ist zu betonen, dass es auch vorliegend nicht um Rechte aus der bereits geschlossenen Vereinbarung, sondern um den Abschluss einer neuen Vereinbarung geht.
Selbst wenn im Hinblick auf die erfolgte Einbeziehung des Beklagten zu 2. in die Anträge des Klägers eine zulässige Klageänderung im Sinne von § 99 SGG angenommen würde, wäre die Klage unzulässig. Eine zulässige Klageänderung entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen. Diese ist vorliegend zu verneinen. Gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat der Leistungserbringer oder der Träger der Eingliederungshilfe die jeweils andere Partei schriftlich zu Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 125 SGB IX aufzufordern. Kommt es nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem eine Partei zu Verhandlungen aufgefordert wurde, zu einer schriftlichen Vereinbarung, so kann jede Partei gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 hinsichtlich der strittigen Punkte die Schiedsstelle nach § 133 SGB IX anrufen. Durch die Formulierung "die Vereinbarung gemäß § 125" ist sowohl die Leistungs- als auch die Vergütungsvereinbarung nach § 125 Abs. 1 Nrn. 1, 2 SGB IX erfasst. Darin liegt eine erhebliche Änderung gegenüber der bis Ende 2019 bestehenden Rechtslage, wonach gemäß §§ 77 Abs. 1 Satz 3, 76 Abs. 2 SGB XII a.F. nur hinsichtlich einer Vergütungsvereinbarung, nicht aber für den streitigen Inhalt einer Leistungsvereinbarung, ein Schiedsstellenverfahren vorgesehen war (vgl. hierzu auch Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Auflage 2020, § 126 SGB IX Rn. 1, 9). Vorliegend wurde der Beklagte zu 2. schon nicht zu den einem Schiedsverfahren vorangehenden Verhandlungen aufgefordert mit der Folge, dass bereits aus diesem Grund die Zulässigkeit der Klage zu verneinen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
IV. Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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