S 33 AL 169/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 169/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 238/04
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Berufung durch Zurücknahme erledigt.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2004 und in Abänderung des Bescheides vom 18.02.2004 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2004 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.02.2004 ohne Anrechnung eines Mindestbetrages gem. § 140 SGB 3 zu zahlen.Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruchs auf Zahlung von Arbeitslosengeld um 210,00 EUR, welche die Beklagte mit einer verspäteten Arbeitslosmeldung begründet.

Der 1982 geborene Kläger arbeitete zuletzt vom 21.07.2003 bis 31.01.2004 als Weber für die Firma U GmbH. Das Arbeitsverhältnis war bei Abschluss des Arbeitsvertrages bis zum 31.01.2004 befristet.

Am 15.01.2004 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 16.02.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich sein Leistungsanspruch gemäß § 140 SGB III in Höhe von 210,00 EUR mindere, da er sich um 75 Tage zu spät arbeitsuchend gemeldet habe. Die Minderung erfolge, indem dieser Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde. Die Anrechnung beginne am 01.02.2004 und ende voraussichtlich mit Ablauf des 27.02.2004.

Mit Bescheid vom 18.01.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.02.2004 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 240,00 EUR in der Leistungsgruppe A allgemeiner Leistungssatz in Höhe von 111,02 EUR wöchentlich. Noch im Februar wurde der Minderungsbetrag von 210,00 EUR einbehalten.

Den hiergegen binnen Monatsfrist eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass ihm nicht klar gewesen sei, dass er sich am 02.11.2003 bei der Beklagten habe melden müssen. Er sei seinen Pflichten nachgekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe sich unverzüglich nach Kenntnis vom Ende des Versicherungsverhältnisses, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, arbeitssuchend zu melden gehabt. Bei Arbeitsverträgen, bei denen zwischen Abschluss des Arbeitsvertrages und dem vereinbarten Ende der Befristung ein Zeitraum von mehr als 3 Monaten liege, entstehe die Meldepflicht 3 Monate vor dem Ende der Befristung. Der Kläger habe sich mithin spätestens am 02.11.2003 persönlich arbeitssuchend melden müssen. Dies sei jedoch erst am 15.01.2004 geschehen. Es bestünden somit 74 Verspätungstage, welche gemäß § 140 Satz 3 SGB III auf maximal 30 Tage zu begrenzen seien. Die Minderungshöhe betrage im Falle des Klägers 7,00 EUR je Verspätungstag.

Am 27.04.2004 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, dass er mit Arbeitsvertrag vom 21.07.2003 bis zum 31.01.2004 eingestellt worden sei. Es sei darüber hinaus Teil des Arbeitsvertrages gewesen, dass die Einstellung zunächst befristet auf die Dauer von 4 Monaten auf Probe erfolgen würde. Unter Punkt 6 des Arbeitsvertrages sei aufgeführt, dass mit Ablauf der Probezeit (hier: 22.11.2003) das Arbeitsverhältnis ende, sofern nicht eine Fortsetzung vereinbart wäre. Tatsächlich habe er im Einverständnis des Arbeitgebers weiter arbeiten dürfen. Er habe dann am 14.01.2004 eine schriftliche Kündigung zum 31.01.2004 erhalten. Dies sei Ausdruck dafür, dass auch der Arbeitgeber nicht von einem von vornherein befristeten Arbeitsverhältnis ausgegangen sei. Aufgrund des Verhalten seines Arbeitgebers und des inhaltlich widersprüchlichen Arbeitsvertrages sei er davon ausgegangen, dass er nach der Probezeit von 4 Monaten weiter angestellt sei. Er sei von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ausgegangen. Folglich habe er sich rechtzeitig nach Erhalt der Kündigung, am 15.01.2004, arbeitslos gemeldet.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 18.02.2004 unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2004 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2004 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.02.2004 Arbeitslosengeld ohne Anrechnung eines Minderungsbetrages gemäß § 140 SGB III zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden waren.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist durch die Bescheide vom 16. und 18.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2004 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn diese Bescheide sind rechtswidrig. Die Beklagten hat den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitslosengeld zu Unrecht gemäß § 140 SGB III um 210,00 EUR gemindert, denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitssuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt 1. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400,00 EUR 7,00 EUR, 2. bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 EUR 35,00 EUR und 3. bei einem Bemessungsentgelt über 700,00 EUR 50,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Arbeitslosengeld angerechnet wird. Gemäß § 37 b SGB III in der ab dem 01.07.2003 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht wird. Die Pflicht zu Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis. Unverzüglich bedeutet " ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. Gagel: SGB III, § 37 b, Rdnr. 5). Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37 b SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden kann, wenn die verspätete Meldung schuldhaft, also zumindest fahrlässig herbeigeführt wurde.

Ein derartiges Verschulden kann in Fällen der Arbeitsuchendmeldung nach befristeten Arbeitsverhältnissen schon deshalb nicht festgestellt werden, weil sich aus dem Gesetz in keiner Weise ergibt, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung zu erfolgen hat. Während § 37 b Satz 1 für Personen, deren Versicherungspflichtverhältnisse (durch Kündigung) enden noch klar regelt, dass die Meldung beim Arbeitsamt "unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts" zu erfolgen habe, legt § 37 b Satz 2 für befristete Arbeitsverhältnisses lediglich fest, dass die Meldung frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen habe. Bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung spätestens zu erfolgen hat, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die seitens der Beklagten vertretene Auffassung, die Meldung habe in diesen Fällen binnen 7 Tagen nach dem in § 37 b Satz 2 SGB III genannten frühesten Zeitpunkt zu erfolgen, findet im Gesetz keinerlei Stütze. Kann dem § 37 b SGB III aber aufgrund der insofern unklaren Formulierung nicht entnommen werden, bis wann die Arbeitsuchendmeldung im Falle befristeter Arbeitsverhältnisses spätestens zu erfolgen hat, so kann dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden, wenn dieser sich erst relativ kurz vor Ablauf der Befristung arbeitssuchend meldet. Denn die Obliegenheiten für die betroffenen Arbeitnehmer sind in diesen Fällen gesetzlich nicht hinreichend deutlich definiert. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Sanktionsfolge des § 140 SGB III aufgrund der unbestimmten Regelung in Fällen der Arbeitsuchendmeldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen in § 37 b Satz 2 SGB III generell nicht eintreten kann. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber die Obliegenheiten der Betroffenen in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse konkreter geregelt hätte.

Insofern konnte es auch dahinstehen, ob – wofür zur Überzeugung des Gerichts vieles spricht – bereits aufgrund der unklaren Formulierung in dem Arbeitsvertrag vom 21.07.2003 ein Verschulden des Klägers zu verneinen ist.

Das Gericht hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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