L 15 V 23/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 V 17/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 23/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a V 33/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.04.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1940 in P. in der früheren Sowjetunion geborenen Klägerin übersiedelte 1987 nach ihrer Scheidung in die Bundesrepublik Deutschland; aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen; bis 1981 war sie in der Sowjetunion in S. als Deutschlehrerin berufstätig; seit dieser Zeit übt sie keinen Beruf mehr aus; sie bezieht seit 1987 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Mit ihrem ersten Antrag auf Versorgung vom 17.08.1995 machte sie geltend, durch das Erleben der Evakuierung 1943 aus der Ukraine in den Raum P. , durch die Flucht im Januar 1945, insbesondere aufgrund der Kriegsereignisse bei B. , Kreis W. , und vor allem durch die dort stattgefundenen Beschüsse schwerer russischer Geschütze und die Überflüge amerikanischer und englischer Flugzeuge, die zum Bombadieren nach P. geflogen seien, seien bei ihr Angstzustände entstanden, die ihr ganzes Leben belastet hätten; man habe jedes Mal in den Keller flüchten müssen; als kleines Kind habe sie alles miterleben müssen.

Nach Angaben ihrer Verwandten, insbesondere der älteren Schwes- tern, sei sie von Anfang an ein ängstliches Kind gewesen, andererseits aber auch wieder ein ruhiger Typ, sie habe immer wieder viel geschlafen; ihre Krankheit sei erst richtig ausgebrochen in der Zeit, als sie die Schule beendet habe und nicht zur Prüfung zugelassen worden sei bzw. in der Pubertät; damals sei sie erstmals in eine psychiatrische Klinik wegen Essstörungen und eines Nervenzusammenbruches eingewiesen worden; sie habe dann jedoch noch studiert und sei Deutschlehrerin geworden; aufgrund der Scheidung 1987 sei sie dann nach Deutschland gekommen, da sie in der Sowjetunion nichts mehr gehalten habe.

Nach Auswertung der beigezogenen ärztlichen Unterlagen und gestützt auf ein Gutachten des Nervenarztes Dr.W. vom 02.05.1997, in dem die Klägerin u.a. angab, bis 1987 sei es ihr ganz gut gegangen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22.05. 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.04.1998 den Antrag ab. Die anschließende Klage wies das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 30.03.2000 ab; mit Beschluss vom 05.09.1999 hatte es den Antag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt; das Bayer. Landessozialgericht wies die hiergegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 11.10.1999 mit im Wesentlichen gleicher Begründung zurück. Am 16.01.2001 nahm die Klägerin ihre Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 30.03.2000 zurück.

Zur Begründung ihres erneuten Versorgungsantrages vom 07.03. 2002 trug die Klägerin vor, wegen chronischer endoreaktiver Depression, chronisch-asthmoider Bronchitis und häufiger Infekte sowie Neurodermitis habe sie als Säugling und Kleinkind häufig respiratorische Infekte gehabt und durch schwierige Lebensumstände in Kindheit und Jugend schwere psychische Schädigungen erlitten; seit der Kindheit habe sie Neurodermitis.

Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahm der Dr.E. vom 24.04.2002 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2002 eine Versorgung der Klägerin ab; bezüglich der Depression verwies er mangels neuer Beweismittel auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 22.05.1997; hinsichtlich der Bronchitis sei kein schädigendes Ereignis angegeben worden, es sei aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht ersichtlich; im Schwerbehindertenverfahren sei eine Bronchitis erstmals im Februar 2002 angegeben worden; Brückensymptome ab der Kriegszeit bis zum Auftreten der Bronchitis fehlten, so dass die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht gegeben sei.

Den Widerspruch der Klägerin, dem sie eine schriftliche Erklärung ihrer Schwester H. H. vom 05.08.2002 beilegte, wies der Beklagte mit im Wesentlichen gleicher Begründung mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2002 zurück; ergänzend stellte er fest, die im Schwerbehindertenverfahren beigezogenen Befunde enthielten erstmals 1998 einen Hinweis auf eine bestehende Atemnot.

Mit ihrer Klage vom 08.11.2002 übersandte die Klägerin als Erinnerungen gekennzeichnete Abschriften von Erklärungen und Briefen verschiedener Verwandter, danach eine Bescheinigung des Sozialpsychiatrischen Dienstes N. vom 19.11.2002, ein Attest des Nervenarztes Dr.S. vom 04.12.2000 und eine eigene E-Mail vom 21.04.2003.

Mit Urteil vom 28.04.2003 wies das Sozialgericht Regensburg die Klage ab; nach wie vor scheitere ein Versorgungsanspruch daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den jetzt bei ihr bestehenden Erkrankungen mit den Erlebnissen als Kleinkind im Zusammenhang mit Kriegseinwirkungen, die als solche niemand anzweifle, nicht wenigstens wahrscheinlich sei, weil Beweise dafür fehlten, dass diese Erkrankungen wenigstens in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesen Erlebnissen aufgetreten seien und dann durchgehend bestanden hätten; es sei nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte hinsichtlich der psychischen Erkrankung auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 22.05.1997 berufe; hinsichtlich der jetzt zusätzlich geltend gemachten Erkrankungen (chronische Bronchitis und Neurodermitis) bestehe dasselbe Beweisdefizit; eine chronische Bronchitis tauche erstmals für das Jahr 1998 in ärztlichen Diagnosen auf (Befundbericht Frau Dr.L. vom 07.02.2002), von einer noch bestehenden Neurodermitis sei ärztlicherseits nirgends die Rede; die von der Klägerin nachträglich per E-Mail übersandte "Bescheinigung aus Tadschikistan über die Folgen des Krieges" in russischer Sprache hätte nicht mehr ausgewertet werden können, weil das gerichtliche Verfahren mit Verkündung des Urteils vom 28.04.2003 abgeschlossen gewesen sei.

Diese von der Klägerin am 06.10. 2003 an das Sozialgericht gesandten Unterlagen wurden dem Bayer. Landessozialgericht am 10.10.2003 vorgelegt.

Mit einer E-Mail vom 21.10.2003 teilte die Klägerin unter Beifügung der Bescheinigung aus Tadschikistan (ohne Datum, Stempel unleserlich) mit, sie übersende ihre Anfechtung des Urteils vom 28.04. diesen Jahres; in dieser Bescheinigung werde klar und deutlich dokumentiert, dass sie seit den verhängnisvollen Kriegstagen an gesundheitlichen Störungen ihrer Nerven gelitten habe; seit 1947 habe sie in Tadschikistan gelebt und sei sowohl ambulant als auch stationär in der Psychiatrie behandelt worden; ebenso werde dokumentiert, dass sie schon seit dieser Zeit an chronischer Bronchitis und immer wieder auf- flackender Neurodermitis leide. Dieser "Auszug aus der Geschichte der Krankheit des ambulanten Patienten ..." mit der in deutscher und lateinischer Schrift eingefügten Eintragung ihrer Adresse in der Bundesrepublik Deutschland ließ das Bayer. Landessozialgericht von der Übersetzerin S. M. übersetzen; dieser Auszug enthielt keine Eintragungen über Behandlungen.

In einem Erörterungstermin am 13.01.2004 wurde die Klägerin u.a. darauf hingewiesen, dass die von ihr vorgelegten Unterlagen nicht geeignet seien, die von ihr angegebene chronisch endoreaktive Depression als Folge von Kriegseinwirkungen zu begründen; nach wie vor fehle es an entsprechenden Brückensymptomen; ohne entsprechende Nachweise durch Behandlungsunterlagen, Gutachten, ärztliche Befunde, zumindest aus der Zeit bis 1958 erscheine ihre Berufung als völlig aussichtslos. Auf die Frage, ob sie die Anhörung eines Gutachters ihres Vertrauens wünsche, erklärte sie, das nicht zu verstehen, sie wünsche, dass der Senat entscheide.

Der Beklagte legte versorgungsärztliche Stellungnahmen vom 19.12.2003 und 08.01.2004 vor, wonach als Ursache der psychotischen Symptomatik nicht die Erlebnisse der Kindheit angesehen werden könnten, auch wenn hier eine erhebliche Belastung angegeben werde; dabei handle es sich vor allem um eine anlagebedingte psychische Krankheit; auch eine reaktive schizophreniforme Reaktion könne nicht angenommen werden, da diese in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer schweren psychischen Belastung auftrete und nach einiger Zeit wieder abklinge, aber keinen phasenhaften Verlauf nehme; auch wenn im vorgelegten Schreiben der UdSSR eine psychische Symptomatik als Folge von Erlebnissen in der Kindheit angenommen werde, lasse sich diese Vermutung durch die spätere psychische Symptomatik und den Verlauf der Krankheit nicht bestätigen; ein Anerkenntnis der Diagnosen "Neurodermitis" und "chronischer Bronchitis" als Schädigungsfolgen lasse sich aus dem vorgelegten Auszug aus der Sowjetunion nicht ableiten, da dieses Schreiben keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang dieser Erkrankungen mit den Kriegseinwirkungen belege.

Am 19.01.2004 und am 17.01.2004 übersandte die Klägerin weitere E-Mails, die Schilderungen der Flucht bzw. der Nachkriegszeit enthielten.

Der Beklagte ließ diese beiden E-Mails durch seinen versorgungsärztlichen Dienst auswerten; er hielt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den geschilderten Belastungen und insbesondere der geltend gemachten Neurodermitis nicht für wahrscheinlich, weil es sich um eine genetisch bedingte Hautkrankheit handle; sofern heute diese Krankheit bei Aufregung aufträte, könne dies nicht auf Kriegserlebnisse zurückgeführt werden.

In der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin, die Bescheinigung des tadschikischen Gesundheitsministeriums habe sie etwa 2002 oder 2003 per E-Mail dort beantragt und auch per E-Mail erhalten; dass der Übersetzer den Stempel als nicht leserlich bezeichnet habe, liege möglicherweise daran, dass dieser in tadschikischer Sprache verfasst sei.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 28.04.2003 und des Bescheides vom 28.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2002 zu verurteilen, bei ihr als Schädigungsfolgen anzuerkennen: "Psychische Erkrankung, Atemwegserkrankung, Neurodermitis" und ihr deshalb Versorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.04.2003 zurückzuweisen.

Beigezogen worden sind die Beschädigtenversorgungsakten der Klägerin beim Versorgungsamt Regensburg, Az.: 16/32/B 53359, die Akten des Sozialgericht Regensburg, Az.: S 3 V 19/98 und S 3 V 17/02 sowie die Akten des Bayer. Landessozialgerichts, Az.: L 15 B 232/99 V PKH und L 15 V 19/00.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren der Versorgungsverwaltung und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 543 Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 28.04.2003, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 143 ff., 151 SGG) ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.04.2003 und der ihm zugrundeliegende Bescheid des Beklagten vom 28.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2002 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 44 SGB X auf Rücknahme der durch Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 30.03.2000 (Az.: S 3 V 19/98) bestätigten Bescheide vom 22.05.1997 und 16.04.1998 (Ablehnung einer psychischen Erkrankung als Schädigungsfolge); sie hat auch keinen Anspruch darauf, dass diese "psychische Erkrankung" sowie eine "Atemwegserkrankung und Neurodermitis" als Schädigungsfolgen nach § 1 ff. BVG anerkannt werden und ihr danach Versorgung gewährt wird.

In Bezug auf die psychische Erkrankung sind keine neuen Tatsachen oder konkrete Anhaltspunkte erwiesen, welche die Erteilung eines neuen, die Klägerin begünstigenden Bescheides rechtfertigen könnten. Bei dieser Prüfung muss zwar nicht die zweifelsfreie Unrichtigkeit der früheren Entscheidungen festgestellt werden, sondern es genügt, die gleichen Beweisanforderungen zu stellen, wie bei einer erstmaligen Prüfung (vgl. z.B. BSG vom 28.01.1981, 9 RV 29/80 in SozR 3900 Nr.15 zu § 40 KOV-Vfg i.V.m. BSG vom 22.09.1977, 10 RV 15/77 in SozR 3900 Nr.9 zu § 40 KOV-Vfg). Allerdings ist in diesem Rahmen dann keine erneute Sachprüfung geboten, wenn das Vorbringen des Berechtigen unschlüssig oder unsubstantiiert ist, damit keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass die frühere Entscheidung unzutreffend sein könnte und deshalb die Unterlassung einer erneuten Sachprüfung mit dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit unvereinbar erscheint (vgl. BSG vom 22.09.1977, 10 RV 15/77, a.a.O.; BSG 03.02.1988, SozR 1300 § 44 Nr.33). Maßgeblich für die Anerkennungsfähigkeit von Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen ist damit im Ergebnis die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 1 Abs.3 Satz 1 BVG zwischen den geltend gemachten Gesundheitsstörungen und einem schädigenden Ereignis im Sinne des BVG oder einer bereits anerkannten Schädigungsfolge. Wahrscheinlichkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechen muss.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist es nach wie vor unwahrscheinlich, dass das psychische Trauma (Beschießung, Fliegeralarm mit Zuflucht suchen im Keller) in den letzten Kriegstagen Ende April 1945 (Klägerin war damals fünf Jahre alt) ohne Brückensymptome 13 Jahre später (1958) zum Ausbruch einer endogenen Psychose geführt hat, die von Dr.S. im Attest vom 04.12.2000 als psychische Erkrankung im Sinne einer Residualsymptomatik in Verbindung mit einer floriden paranoiden Psychose beschrieben wurde; das gleiche gilt für die erstmals im Jahr 1998 beschriebene Diagnose einer chronischen Bronchitis (Befundbericht Frau Dr.L. vom 07.02.2002) und einer ärztlicherseits nicht dokumentierten bestehenden Neurodermitis. Weder die Bronchitis noch die Neurodermitis finden in dem nervenärztlichen Gutachten des Dr.W. vom 02.05.1997, das die wesentliche Grundlage der früheren Ablehnungen war, eine Erwähnung. Auch der nach Angaben der Klägerin im Jahr 2002 oder 2003 von ihr beantragte "Auszug aus der Geschichte der Krankheit des ambulanten Patienten ..." des Gesundheitsministeriums der UdSSR (Datum unlesbar) ändert an diesem Ergebnis nichts. Zwar enthält dieser Auszug die Ziffer 6. als "komplette Diagnose: Depression - panische Angst, Folgen des Erlebten in der Kindheit (in den Kriegsjahren 1940 bis 1945), Neurodermitis, chronische Bronchitis", gleichzeitig fehlen jedoch entsprechende Eintragungen unter Punkt 5) über ambulante Behandlung, Überweisungen und stationäre Behandlung bzw. Entlassungen. Diese Bescheinigung, die im Original die Eintragung der Anschrift der Klägerin in deutscher Schrift enthält (die übrigen Eintragungen sind in Kyrillisch von derselben Hand geschrieben und der Schrift im Erstantrag vom 10.08.1995 auch für den Laien erkennbar ähnlich), bestätigt zwar im Wesentlichen den jetzigen Vortrag der Klägerin über die Krankheiten/Krankheitsverläufe, liefert jedoch keine Beweise dafür, dass diese Erkrankungen wenigstens in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Kriegserlebnissen aufgetreten sind und dann durchgehend bestanden haben. Jedenfalls war die Klägerin in der Lage, eine Familie zu gründen, zwei Kinder zu erziehen und den Beruf einer Deutschlehrerin zu erlernen und bis zum Jahre 1981 auszuüben, ohne dass sie insbesondere durch eine dauernd vorhandene psychische Erkrankung daran gehindert worden wäre. Im Übrigen weist Dr.K. als Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin (Ärztlicher Dienst des Beklagten) in seiner Stellungnahme vom 15.07.2004 darauf hin, dass es sich bei der Neurodermitis um eine genetisch-bedingte Hautkrankheit handelt, bei der in der Regel konstitutionellen Faktoren eine überwiegende Bedeutung beizumessen ist; außergewöhnliche seelische Belastungen können dabei jedoch ebenfalls Bedeutung erlangen; im Entlassungsbericht der Psychiatrischen Klinik N. vom 21.07.1993 werde bei der schizoaffektiven Störung mit gegenwärtig depressiver Symptomatik ein körperlicher Untersuchungsbefund ohne wesentliche pathologische Auffälligkeiten beschrieben; auch aus den Berichten der behandelnden Ärzte und den nervenärztlichen versorgungsärztlichen Gutachten vom 02.05. 1997 gingen keine Hautveränderungen hervor; im übersetzten Auszug aus der Geschichte der Krankheit des Gesundheitsministeriums werde zwar die Diagnose "Neurodermitis" aufgeführt, weitere Angaben zur Anamnese, zum Untersuchungsbefund, zur Behandlung und den genauen Krankheitsverlauf gingen jedoch aus diesen medizinischen Unterlagen nicht hervor, so dass sich ein kausaler Zusammenhang mit den geschilderten Belastungen deshalb nicht nachweisen lasse. Diese medizinische Beurteilung deckt sich mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", Ausgabe 1996, 2004 (AP) und gilt auch für die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen. Nach Nr.38 Abs.3 der AP lässt vielfach "allein der große zeitliche Abstand ohne Brückensymptome den ursächlichen Zusammenhang unwahrscheinlich erscheinen, die angemessene zeitliche Verbindung bildet in der Regel eine Voraussetzung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs". Berücksichtigt man, dass die Klägerin frühestens seit dem Jahr 1998 wegen einer chronischen Bronchitis in ärztlicher Behandlung war und eine Neurodermitis befundmäßig nicht gesichert ist, so ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Klägerin seit 1945 bis 1998 wegen dieser Krankheiten in ärztlicher Behandlung war. Dieser unmittelbare zeitliche Zusammenhang läßt sich auch nicht mit der (an sich etwas zweifelhaften) Bescheinigung aus Tadschikistan belegen. Im Übrigen gab die Klägerin bezüglich der seelischen Erkrankung, die sie nicht daran hinderte, sich in der früheren Sowjetunion zur Deutschlehrerin ausbilden zu lassen, bei der Anamneseerhebung im nervenärztlichen Gutachten des Dr.W. vom 02.05.1997 selbst an, dass es ihr bis 1987 seelisch ganz gut gegangen sei. Insgesamt könnte es demnach zwar möglich sein, dass die von der Klägerin geschilderten Kriegserlebnisse wenigstens teilweise die von ihr angegebenen Gesundheitsstörungen mitverursacht haben, wahrscheinlich ist dies jedoch keinesfalls.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der Senat auch nicht gehalten, die Klägerin ärztlich untersuchen und begutachten zu lassen; eine derartige Begutachtung könnte den Mangel der geschilderten Brückensymptome nicht beseitigen. Nachdem die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung aus Tadschikistan an diesem Ergebnis nichts ändert, war der Senat auch nicht gehalten, die Authentizität dieser Bescheinigung gegebenenfalls durch ein graphologisches Gutachten beurteilen zu lassen. Damit sind unter Berücksichtigung des speziellen Falles der Klägerin alle derzeit in Betracht kommenden Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, so dass die mangelnde Wahrscheinlichkeit des Urachenzusammenhanges nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin geht (vgl. z.B. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Komm., 8.Aufl. Rdnr.19a zu § 103 mit weiteren Nachweisen).

Bei dieser Sachlage scheidet auch eine sog. "Kannversorgung" der Klägerin aus. Für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen kommt eine derartige Versorgung nicht in Betracht. Sie können abweichend von dem bisher Gesagten nicht nach § 1 Abs.3 Satz 2 BVG als Schädigungsfolgen anerkannt werden, weil die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursachen des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Bei den von der Klägerin angegebenen Gesundheitsstörungen besteht keine Ungewissheit über deren Ursachen in der medizinischen Wissenschaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (vgl. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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