L 8/5 V 140/03

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 11 V 1565/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/5 V 140/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a V 9/05 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte und die Beigeladene haben je zur Hälfte dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, dem Kläger Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer Anrechnung seiner in seinem Heimatland gewährten Zivilopferrente nicht mehr zu gewähren.

Der 1933 geborene Kläger hat als kroatischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in der Republik Kroatien. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 19. Juni 1991 beim Kläger Schädigungsfolgen an und bewilligte dem Kläger bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. Beschädigtenversorgung ab 1. Oktober 1989.

Mit Bescheid vom 11. Januar 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1993 nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid zurück und führte zur Begründung aus, dass die Bewilligung gemäß § 7 Abs. 2 BVG rechtswidrig sei. Da der Kläger bereits wegen derselben Ursache einen Invalidenrentenanspruch gegen sein Heimatland habe, habe er keinen Anspruch auf Kriegsopferversorgung. Eine Doppelversorgung scheide aus. Anders lautende zwischenstaatliche Vereinbarungen bestünden nicht. Es stehe fest, dass der Kläger schon zum Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 1989 Kriegsopferversorgungsleistungen in seinem Heimatland bezogen habe, dies sei auch durch entsprechende Zahlungsanweisungen belegt. Die Versorgungsleistungen würden in der heutigen Republik Kroatien weitergewährt.

Mit Urteil vom 27. Januar 1995 hob das Sozialgericht Frankfurt am Main (S 11 V 3063/93) den Bescheid vom 11. Januar 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1993 auf und führte zur Begründung an, dass der Beklagte von seiner Pflicht zur Ausübung sachgemäßen Ermessens keinen Gebrauch gemacht habe. Die dagegen eingelegte Berufung wies das Hessische Landessozialgericht (HLSG) mit Urteil vom 21. November 1996 (L 5 V 331/95) zurück. Auf die Revision des Beklagten hob das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des HLSG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das HLSG zurück (L 5 V 1060/98 ZVW). Der Kläger trug vor, dass er unter Berücksichtigung der deutschen Versorgungsrente wirtschaftlich in der Lage sei, einen angemessenen Wohnraum für sich und seine Frau zu schaffen. Die Beschädigtenversorgung werde für die Beschaffung eines Rollstuhls, für Rehabilitationsmaßnahmen und zur Ausbildung des 15jährigen Sohnes benötigt. Die Ehefrau sei arbeitslos. Die Familieneinkünfte lägen unterhalb des Existenzminimums. Nach weiterer Sachverhaltsaufklärung nahm die Beklagte am 16. Februar 2000 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 1995 zurück und zahlte dem Kläger wiederum Beschädigtenversorgung gemäß Bescheid vom 6. April 2000 in Höhe des zuletzt anerkannten Zahlbetrages von monatlich 299,00 DM.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2001 teilte der Beklagte dem Kläger mit, aufgrund einer gesetzlichen Änderung zum 1. November 2000 sei die von seinem Heimatland bezogene Zivilopferrente in Höhe von 3.165,84 Kuno auf die deutsche Beschädigtenversorgung anzurechnen. Der Bescheid vom 6. April 2000 werde daher mit Wirkung vom 1. Januar 2001 insoweit geändert. Bei anzurechnenden Leistungen von umgerechnet 823,00 DM stehe dem Kläger keine Beschädigtenversorgung nach dem BVG mehr zu. Es sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2001 zurück und führte aus, aufgrund der Änderungen der Nummer 5 der Regelung für die Versorgung von Kriegesopfern in Ost- und Südosteuropa (Richtlinie Ost 1990) seien ab 1. November 2000 bei Zivilkriegsopfern, die abweichend von § 7 Abs. 2 BVG und in Anwendung des § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Leistungen nach dem BVG bezögen, Leistungen des Heimatstaates aus derselben Ursache anzurechnen.

Am 7. Mai 2001 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Änderung der "Richtlinien Ost" keine Änderung der rechtlichen Verhältnisse darstelle, da es sich um reines "Verwaltungsinnenrecht" handele. Durch solche Regelungen könne kein "neues Recht" geschaffen werden. Aus § 48 Abs. 2 SGB X ergebe sich, dass nicht einmal eine Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X darstelle. Als rechtliche Änderung könnten nur gesetzliche Regelungen anerkannt werden. Diese lägen jedoch gerade nicht vor. Die Richtlinien Ost stünden eindeutig unterhalb des Gesetzes. Insbesondere sei § 64a BVG nicht neu gefasst worden. Das Bundesarbeitsministerium (BMA) sei nicht befugt, mit Hilfe einer Richtlinie das Gesetz abzuändern. Im Übrigen sei dem Grunde nach die Anrechnung der Rente nie streitig gewesen. Wenn aber schon vor Erlass des ursprünglichen Verwaltungsaktes die im Heimatland gewährte Rente für zivile Kriegsopfer anrechenbar gewesen sei, könne eine Korrektur unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommen.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2002 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 5. Februar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2001 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht eine wesentliche Änderung im Sinne der Aufhebungsvorschriften des § 48 Abs. 1 SGB X verneint. Seit der Erstantragstellung am 12. Oktober 1989 habe sich in den tatsächlichen Verhältnissen nichts wesentlich geändert. Damals wie heute beziehe der Kläger Kriegesopferversorgung auch in seinem Heimatland wegen derselben Ursache. Eben so wenig habe sich in den rechtlichen Verhältnissen etwas geändert. Insbesondere sei eine solche Änderung nicht durch die Richtlinien Ost (RLO 1990), geändert mit Wirkung vom 1. November 2000, eingetreten. Insoweit könne dahinstehen, ob diese Richtlinien bloß "interne Verwaltungsvorschriften" darstellten. Denn entscheidend sei, dass der BMA nicht berechtigt gewesen sei, eine Regelung wie unter Nr. 5 Satz 2 zuzulassen. Denn ihr Inhalt ("Wird Teilversorgung abweichend von § 7 Abs. 2 BVG an Zivilopfer (§ 5 BVG) in Anwendung des § 48 Abs. 3 SGB X gewährt, gilt die Zustimmung mit der Maßgabe, dass die ausländische Rentenleistung aus derselben Ursache auf die Teilversorgung angerechnet wird") werde nicht von der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage in § 64 Abs. 2 BVG gedeckt. § 64 Abs. 2 BVG ermächtige das BMA nicht nur zur grundsätzlichen Zulassung der Auslandsversorgung trotz Ruhens, sondern ebenso zur Gewährung von Versorgungsleistungen "angemessenen Umfangs" und die Versorgung aus "besonderen Gründen", die weder eingeschränkt noch entzogen werden könne. Das BMA dürfe nur im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens unter Abwägung besonderer Umstände, der Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes und der gesetzlichen Grenzen, das ihm durch die Ermächtigungsnorm eingeräumte Ermessen ausüben. Das BMA habe eine Überschreitung der in § 64 Abs. 2 BVG eingeräumten Ermächtigung bei der Neuregelung der Nr. 5 vorgenommen. Nach § 7 Abs. 2 BVG gäbe es keinen Spielraum für eine Anrechnung, die deutsche Kriegsopferversorgung sei ausgeschlossen. Der eindeutige Wortlaut in § 7 Abs. 2 BVG spreche schon dafür, dass die Neuregelung rechtswidrig sei. Zu einer solchen Bewertung sei das BSG bereits hinsichtlich der Richtlinien Ost 1980 und 1988 bzw. 1967 und 1971 gekommen. Auch hinsichtlich der Änderung Nr. 5 der Richtlinien Ost zum 1. November 2000 liege eine Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung vor. Hier solle eine Korrektur der fehlerhaften Verwaltungsentscheidung vorgenommen werden, die zuvor im Verwaltungsverfahren nach dem SGB X nicht gelungen sei, weil sie der sozialgerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten habe. Denn nach der schriftlichen Überprüfung habe "abweichend von § 7 Abs. 2 BVG" die fehlerhaft und rechtswidrig gewährte Teilversorgung nicht mehr entzogen werden dürfen, da die Entziehung nicht ordnungsgemäß innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgt sei und zu beachtende Vertrauenstatbestände unberücksichtigt geblieben seien. Gerade auf eine Korrektur dieses Ergebnisses ziele die geänderte Richtlinie Ost, so dass der Zweck des § 48 Abs. 3 SGB X, der einen Ausfluss des vom Gesetz anerkannten Vertrauensschutzes darstelle, letztlich vereitelt werde. Das BMA dürfe nicht die ihm zur Verfügung stehende Möglichkeit nutzen und Korrekturen von Fehlentscheidungen vornehmen. Die Anrechnungsregelung weiche damit von den speziellen gesetzlichen Vorschriften in § 7 Abs. 2 BVG und § 48 SGB X ab. Sie sei nicht vertretbar mit den allgemeinen Vorschriften für die Gewährung von Versorgungsleistungen an Berechtigte im Ausland gemäß § 64e BVG. Da die angefochtenen Bescheide sich allein auf die Neuregelung in Nr. 5 Satz 2 der Richtlinien Ost begründeten, seien sie rechtswidrig.

Gegen das am 21. Januar 2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. Februar 2003 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 24. März 2003 hat der Senat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherheit, beigeladen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten sei, weil mit Wirkung vom 1. November 2000 die Richtlinien Ost (Nr. 5) geändert worden seien. Diese Richtlinien Ost stellten zwar keine gesetzliche Regelung dar, wirkten aber wie eine Norm. Der von den Richtlinien betroffene Personenkreis erhalte erst durch die Zustimmung nach Nr. 3 ff. Richtlinie Ost eine bestimmte Versorgung. Die Zustimmung könne folglich auch wieder eingeschränkt werden. Die Neuregelung entspreche gerade dem Zweck des § 7 Abs. 2 BVG, wonach eine Doppelversorgung ausgeschlossen sein solle. Die Neuregelung greife ein, wenn der gesetzliche Ausschlusstatbestand, insbesondere wegen Verfahrensfehlern und Verfahrensproblemen nicht greife und der Zweck des § 7 Abs. 2 BVG nicht anders erreicht werden könne.

Die Beigeladene ist der Ansicht, entscheidend sei der Grundsatz, dass gemäß § 7 Abs. 2 BVG jede Doppelversorgung ausgeschlossen sein solle. Die Neuregelung der Nr. 5 Satz 2 Richtlinien Ost entspreche genau diesem Zweck, deshalb könne sie nicht rechtswidrig sein. Es sei ein Widerspruch in sich, aufgrund der Nichtanwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 2 BVG zugleich eine (weniger weitgehende) Anrechnungsmöglichkeit ebenfalls als unzulässig auszuschließen. Das BSG habe in seinem Urteil vom 15. Februar 1989 – 9/4 RV 27/87 – nicht über den vorliegenden Personenkreis, sondern über den Fall eines deutschen Kriegsbeschädigten in Polen entschieden. Die Neuregelung sei auch nicht willkürlich oder ein Verstoß gegen das Übermaßverbot. Von der Ermächtigung des § 64 Abs. 2 BVG habe das zuständige Bundesministerium Gebrauch gemacht und der Versorgung der genannten Personen bestimmten Umfang zugestimmt. Die Neuregelung stelle nur eine Modifizierung des § 64 Abs. 2 BVG dar. Die Modifizierung sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht ermessensfehlerhaft. Es stünden auch Billigkeitserwägungen unter dem Gesichtspunkt eines schutzwürdigen Vertrauens nicht entgegen, da die Neuregelung nur für die Zukunft greife. Es bestehe kein Vertrauensschutz hinsichtlich eines unveränderten Fortbestandes der Richtlinien Ost. Die Regelung der Nr. 5 Satz 2 Richtlinien Ost stehe auch nicht im Widerspruch zu § 48 SGB X. Die Änderung sei im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB X zu sehen. Die Richtlinien Ost seien zwar keine gesetzliche Regelung, sie hätten aber normähnliche Qualität. Die Änderung der Richtlinien stelle auch eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen dar. Es liege auch keine Unvereinbarkeit der Nr. 5 Satz 2 mit § 64e Abs. 2 Satz 3 BVG vor, denn § 64e gelte nur für Deutsche und deutsche Volkszugehörige.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beigeladene nicht die materielle Rechtsgrundlage für die Leistungsgewährung durch eine Verwaltungsvorschrift im Nachhinein ändern könne. Dies verstoße gegen Artikel 20 Grundgesetz (GG) und den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts gemäß § 31 SGB I. Das BVG ermächtigte das BMA nicht dazu, bestandskräftig festgestellte Ansprüche von Versorgungsempfängern abzuändern. § 64 Abs. 2 BVG rechtfertige keinen Leistungsentzug, denn die Richtlinien Ost fassten die Zustimmung nach § 64 Abs. 2 BVG zusammen und könnten nicht gleichsam negativ bestandskräftig gewordene Ansprüche im Nachhinein beseitigen. Die Neuregelung der Nr. 5 Satz 2 der Richtlinien Ost sei willkürlich und verstoße gegen das Übermaßverbot. Die Neuregelung stelle auch keine wesentliche Änderung der "rechtlichen Verhältnisse" im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Es liege vielmehr eine interne Verwaltungsvorschrift vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung des Beklagten ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat den Bescheid vom 5. Februar 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2001 zu Recht mit Urteil vom 13. Dezember 2001 aufgehoben, denn diese sind rechtswidrig. Der Beklagte konnte den Bescheid vom 6. April 2000 nicht gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) mit Wirkung vom 1. Januar 2001 insoweit abändern, dass die dem Kläger zustehenden Versorgungsbezüge sich nunmehr auf Null belaufen.

Die Entscheidung des Beklagten ist unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten rechtswidrig.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Es liegt weder eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen vor. Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen erfordert eine Veränderung der Sachlage, und zwar auf Tatbestandsebene. In tatsächlicher Hinsicht hat sich aber seit der Antragstellung des Klägers am 10. Oktober 1989 keine Änderung ergeben. Der Kläger bezieht damals wie heute als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatland wegen derselben Ursache Versorgung. Dies war seit 1989 bekannt. Trotzdem hat die Beklagte Versorgungsleistungen mit Bescheid vom 19. Juni 1991 gewährt. In den tatsächlichen Verhältnissen hat sich bei dem Kläger seither nichts geändert.

Es liegt auch keine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen vor. Eine solche wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse kann nicht in der Neuregelung der Nr. 5 Satz 2 (Richtlinie Ost) gesehen werden. Dagegen spricht, dass es sich bei der Richtlinie Ost um interne Verwaltungsvorschriften ohne Normqualität im Sinne des § 48 SGB X handelt (vgl. BSG, Urteil vom 27. November 1991 – 9a RV 11/90 und BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 – 9/9a RVs 1/91). Die Richtlinien Ost sollen praktisch nur in allgemeiner Form die Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (jetzt: Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherheit), die gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 BVG für die Auslandsversorgung notwendig ist, ersetzen. Diese Richtlinien Ost sind deshalb auch nicht mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz zu vergleichen. Die Rechtsprechung des BSG zu den Anhaltspunkten (vgl. BSGE 75, 176) kann hier keine Anwendung finden. Die Richtlinie Ost stellt eine verwaltungsinterne Richtlinie dar.

Die Richtlinien Ost mit der Neuregelung des Nr. 5 Satz 2, die mit Wirkung vom 1. November 2000 in Kraft getreten sind (Rundschreiben des BMA vom 29. November 2000 – VIa 3 – 53340 – 4-8 -), sind insoweit rechtswidrig und damit nicht anzuwenden. Das BVG regelt die Auslandsversorgung in den §§ 7, 8 BVG (Anwendungsbereich des Gesetzes) und in den §§ 64 bis 64f BVG (Rechtsnatur, Umfang der Versorgung und Abweichungen von den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes). Als Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Richtlinien Ost kommt nur § 64 Abs. 2 BVG in Betracht. Das BSG (vgl. Urteil vom 25. Mai 1971 – 10 RV 579/69, Urteil vom 29. März 1977 – 9 RV 20/76 und Urteil vom 15. Februar 1989 – 9/4b RV 27/87) hat Teile der Richtlinien Ost 1980 und 1988 bzw. 1967 und 1971 als gesetzeswidrig angesehen, da sie nicht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Auslandsversorgung standen. Der eingeräumte Ermessenspielraum wurde überschritten. Die Richtlinien Ost müssen sich jedoch immer im Rahmen des Normgefüges der §§ 64 ff. BVG halten.

Nach § 64 Abs. 2 BVG ruht der Anspruch auf Versorgung von Kriegsopfern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich des BVG haben oder in den Anwendungsbereich des § 64 Abs. 1 BVG fallen. Ihnen kann mit Zustimmung des BMA Versorgung in angemessenem Umfang gewährt werden und diese aus besonderen Gründen, insbesondere unter den in Abs. 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen wieder eingeschränkt oder entzogen werden. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 BVG können Leistungen ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, wenn der Leistungszweck nicht erreicht werden kann, insbesondere der fremde Staat Renten nach diesem Gesetz auf eigene Renten ganz oder teilweise anrechnet oder in der Person des Berechtigten ein von ihm zu vertretender wichtiger Grund vorliegt, insbesondere eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Handlung des Berechtigten. Die Entziehung oder die Einschränkung in § 64 Abs. 2 Satz 4 BVG knüpft also zunächst an die Gewährung der Vorsorgung in Satz 2 an. Damit kann aber nur das, was gewährt wurde, wieder unter den Voraussetzungen des Satzes 4 entzogen werden. Dies entspricht der allgemeinen Gesetzessystematik, wonach jede nachfolgende Regelung innerhalb einer Norm Ausnahmen, Erweiterungen oder Einschränkungen zu vorherigen der gleichen Norm enthält. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut in § 64 Abs. 2 Satz 4, in dem es heißt, nur Leistungen nach Satz 2 können nach Satz 4 "wieder" eingeschränkt oder entzogen werden. Das Gesetz rechtfertigt an keiner Stelle, dass die Verwaltung Leistungen, auf die kein Anspruch besteht, zu- oder absprechen kann. Eine Leistung, die unter "Abweichung", d.h. unter Missachtung des § 7 Abs. 2 BVG doch von der Verwaltung gewährt wurde, kann also keine Versorgung nach Satz 2 sein, die "wieder" entzogen werden kann. Der Wortlaut des § 7 Abs. 2 BVG ist eindeutig.

Im Übrigen bestehen auch inhaltliche Zweifel, ob § 64 Abs. 2 Satz 4 BVG eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Neuregelung der Nr. 5 Satz 2 Richtlinien Ost darstellt. Denn das Bundesministerium kann bei der Wahrnehmung der gesetzlichen Ermächtigung nicht willkürlich verfahren, es kann nur im Rahmen der Gesetze und des pflichtgemäßen Ermessens und unter Abwägung besonderer Umstände unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes seine Richtlinien erlassen. Nach § 64 Abs. 2 Satz 4 BVG kann die Beschränkung oder der Entzug aus "besonderen Gründen" erfolgen. Der Begriff ist als unbestimmter Rechtsbegriff auslegungsfähig. Mit dem weiteren Gesetzestext hat der Gesetzgeber bereits richtungsweisend die Auslegung bestimmt. Denn es heißt hier, "insbesondere unter den in Abs. 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen können Versorgung eingeschränkt oder entzogen werden." Ein ähnlicher "besonderer Grund" im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 4 BVG müsste die Neuregelung der Nr. 5 Satz 2 Richtlinien Ost beinhalten. Dies ist aber nicht der Fall und auch eine vergleichbare Fallkonstellation liegt nicht vor. Vielmehr sollen mit der Neuregelung allein die Rechtsfolgen aus der fehlerhaften Rücknahme der rechtswidrigen Gewährung von Versorgung an den Kläger und viele vergleichbare Fälle erfasst und dann abgeändert werden. Aber die Rechtsfolge aus den §§ 45, 48 Abs. 3 SGB X als Ausfluss bundesrechtlich geregelten Vertrauensschutzes kann nicht durch eine Verwaltungsrichtlinie umgangen werden. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved