L 7 VS 31/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (7) V 3/92
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 VS 31/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VS 8/00 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11.04.1997 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Ausgleich wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls gemäß § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) streitig.

Der 1969 geborene Kläger leistete seit Juli 1990 in der Rettberg-Kaserne in E den Grundwehrdienst ab. Ab 01. Oktober 1990 sollte der Kläger nach eigenen Angaben auf den Flugplatz "Hungriger Wolf" in Hohenlockstedt versetzt werden. Am Freitag, dem 14. September 1990 fuhr der Kläger nach Dienstende zur Wohnung seines Vaters in P , V Straße. Der Wochenendausgang dauerte bis Montag, den 17. September 1990, 1.00 Uhr.

Am Samstag, dem 15.9.1990, nahm der Kläger an der Verlobungsparty der Zeugen K (K.) und V (V.) in der straße, P , teil. Am Sonntag, dem 16. September 1990 erlitt der Kläger gegen ca 3.00 Uhr mit dem PKW MI-NN 29 auf der Straße in Fahrtrichtung zur elterlichen Wohnung, in Höhe des Kilometers 0,6 in P einen Unfall. Er geriet ohne feststellbare Fremdbeteiligung eines anderen Kraftfahrzeugs von der geraden Strecke nach rechts auf den unbefestigten Grünstreifen und prallte mit der rechten Frontseite des Fahrzeuges gegen einen Baum, der nach polizeilichen Ermittlungen ca. 1,2 m vom Straßenrand entfernt stand. Er erlitt u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma, das eine mehrmonatige stationäre Behandlung erforderte. Als Folge dieser Verletzung bestehen beim Kläger eine rechtsseitige beinbetonte spastische Parese, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine posttraumatische Epilepsie sowie ein beeinträchtigten Erinnerungsvermögen.

Im Dezember 1990 beantragte der Vater des Klägers, der Zeuge N (N.), beim Wehrbereichs-Gebührnisamt III die Anerkennung der Unfallfolgen als Wehrdienstbeschädigung. Er trug vor, sein Sohn sei gegen 2.45 Uhr morgens nach E aufgebrochen. Er habe beabsichtigt, sich nach seiner Ankunft in der Kaserne auszuruhen und anschließend den Weg zu seinem neuen Stationierungsort zu erkunden. Sein Sohn könne keine verwertbaren Angaben über den Unfallhergang machen. Er vermute, daß sein Sohn nach kurzer Fahrt umgekehrt sei. Denn nach dem Unfall habe er im Schrank seines Sohnes dessen Geldbörse und Dienstausweis gefunden. Ohne seinen Dienstausweis wäre sein Sohn, der dienstliche Weisung und Befehle ernstgenommen habe, nicht zu seiner Einheit gefahren. Des weiteren habe sein Sohn den Dienstausweis für die geplante Besichtigung des neuen Stationie rungsortes benötigt. Die Beklagte zog u.a. die Akte der Bußgeld stelle Minden bei und lehnte mit Bescheid vom 19. April 1991 die Gewährung eines Ausgleiches nach § 85 SVG ab. Es sei nicht erwiesen, daß sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf einer versorgungsrechtlich geschützten Fahrt befunden habe.

Dagegen legte der Kläger Beschwerde ein. Er gab an, er habe auf der Fahrt nach Eutin bemerkt, dass er seine Geldbörse und seinen Truppenausweis zu Hause vergessen habe. Aus diesem Grunde habe er gewendet und sei wieder in Richtung P gefahren. Sein Grünzeug habe sich in dem Unfallwagen befunden. Bei dieser Sachverhaltsdarstellung handele es sich nicht um eine Mutmaßung seines Vaters, sondern um Angaben aufgrund eigener Erinnerung.

Daraufhin holte das Wehrbereichs-Gebührnisamt III eine Auskunft von dem Zeugen B (B.) und dem Neurologischen Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche Geesthacht ein.

Am 20. Januar 1992 wies die Beklagte die Beschwerde zurück. Die Voraussetzungen einer Familienfahrt i.S.v. § 81 Abs. 4 S.1 Nr. 2, S. 3 SVG seien nicht erwiesen. Der Unfall habe sich nicht in Fahrtrichtung Eutin, sondern in umgekehrter Fahrtrichtung nach Hause ereignet. Soweit der Zeuge N. vortrage, der Kläger sei auf dem Weg zu seiner Einheit gewesen und deshalb umgekehrt, um seinen zu Hause vergessenen Dienstausweis und seine Geldbörse zu holen, könne dieser Vortrag, der von den Zeugen ausdrücklich auch nur als "Vermutung" bezeichnet werde, nicht als notwendiger Vollbeweis gewertet werden. Auch die eigenen, später gegenüber den Schwestern im Reha-Zentrum und dem Zeugen B. gemachten Angaben des Klägers zum Unfallhergang seien nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 SVG zu beweisen. Diese späten Aussagen seien nach ärztlicher Auffassung hinsichtlich ihres Erinnerungswertes nicht einzuordnen. Der Kläger habe diese Angaben erst gemacht, nachdem über einen längeren Zeitraum hinweg bereits Kontakt mit seinen Familienangehörigen bestanden habe und über die Umstände der Fahrt mehrfach gesprochen worden sei. Eine - wenn auch unbewußte - Beeinflussung im Hinblick auf einen positiven Ausgang des Wehrdienstbeschädigtenverfahrens könne deshalb nicht ausgeschlossen werden. Mithin sei nicht geklärt, ob der Kläger sich zum Unfallzeitpunkt auf dem versorgungsrechtlich geschützten Weg zu seiner Einheit befunden habe.

Im Juni 1991 beantragte der Kläger beim Beigeladenen zu 1) die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach § 88 SVG. Mit Bescheid vom 05. September 1997 beschied der Beigeladene zu 1) den Antrag abschlägig. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Am 19. Februar 1992 hat er Klage vor dem Sozialgericht (SG) Detmold erhoben mit dem Begehren, ihm Ausgleich zu gewähren. Er hat dargelegt, er habe mit seinem Vater verabredet, daß er am Sonntag, dem 16. September 1990, gegen 3.00 Uhr morgens, nach Eutin zu seiner Bundeswehreinheit fahren werde. Zu diesem Zweck habe er seinen Kampfanzug, seine Arbeitsstiefel und auch alles andere, was er bei der Bundeswehr benötige, in sein Privatfahrzeug geladen. Bei seiner Abfahrt sei niemand zugegen gewesen. Aus der Tatsache, daß sein Vater seine Geldbörse und den Dienstausweis in der Familienwohnung gefunden habe, müsse zwingend geschlossen werden, daß er, nachdem er einige 100 Meter von zu Hause entfernt gewesen sei, gemerkt habe, daß er den Dienstausweis und das Geld zu Hause vergessen habe, mit der Konsequenz, daß er gewendet habe und sodann 800 Meter von der elterlichen Wohnung entfernt verunfallt sei.

Das SG hat eine Auskunft der Dritten Panzeraufklärungs-Ausbildungskompanie 6 sowie einen Befundbericht von Dr. Dreckmann eingeholt. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat es Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen N., L (L.), M (M.), M (Mö.) sowie der Zeugen P (P.), S (S.) und B. im Wege der Rechtshilfe. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 26. April 1993, 28. Juli 1994, 07. Februar und 27. September 1996 verwiesen.

Mit Urteil vom 11. April 1997 hat das SG Detmold die Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, es liege keine versorgungsrechtlich geschützte Familienheimfahrt i.S. d. SVG vor, auch wenn unterstellt werde, daß der Kläger den Unfall auf der beabsichtigten Fahrt zum Truppenstandort erlitten habe. Denn ein wesentlicher innerer Zusammenhang bei der Zurücklegung des Weges mit dem Wehrdienst sei allein schon aus dem fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen Antritt der Fahrt und Dienstbeginn nicht gegeben. Die Handlungstendenz des Klägers sei nicht von der Absicht, den Wehrdienst aufzunehmen, sondern im wesentlichen von privaten Zwecken - Besichtigung des künftigen Stationierungsortes, Inanspruchnahme einer preiswerten Übernachtungsmöglichkeit in der Kaserne - geprägt gewesen.

Gegen das am 20. Mai 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Mai 1997 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, seine Handlungstendenz zur Fahrt nach Eutin sei in erster Linie davon geprägt gewesen, seinen Truppenstandort zu rreichen, um am nächsten Tag den Dienst zu beginnen. Untergeordnetes Nebenziel sei eine relativ kurze Fahrt nach Hohenlockstedt von Eutin aus gewesen, die mit der Ausübung des Wehrdienstes im Zusammenhang stehe. Er habe sich auch nicht auf einem Abweg befunden, als er kurz zur Familienwohnung zurückgefahren sei.

Das Verlassen der Zielrichtung sei einzig dadurch bestimmt gewesen, die vergessenen Unterlagen mitzunehmen, die, insbesondere der Truppenausweis, zur Dienstausübung gedient hätten. Aufgrund der Gegebenheiten des Unfallortes könne nicht angenommen werden, daß er nach dem Verlassen der Verlobungsparty verunfallt sei. Diese Unfallstelle werde nur dann passiert, wenn er auf der Strecke zwischen dem Ort der Verlobungsparty und der elterlichen Wohnung einen Umweg gefahren wäre. Da die Straße an der Unfallstelle nach rechts abfalle, sei nicht auszuschließen, daß er durch ein entgegenkommendes Fahrzeug geblendet, von der Straße abgekommen und gegen den nahe am Straßenrand stehenden Baum geprallt sei. Insoweit verweist der Kläger auf die dem Senat vorgelegten Fotografien über die Unfallstelle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 11. April 1997 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19. April 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 1992 zu verurteilen, bei ihm als Schädigungsfolgen eine rechtsseitige beinbetonte spastische Parese, ein hirnorganisches Psychosyndrom und eine posttraumatische Epilepsie anzuerkennen und ihm einen Ausgleich nach einer MdE um 100% nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt u.a. vor, nach Durchführung der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß der Kläger auf der Fahrt von der Verlobungsparty nach Hause verunglückt sei. Da der Kläger von seinem Vater als erfahrener, geübter und besonner Kraftfahrer geschildert werde und er auf gerader, trockener Strecke am Sonntagmorgen um 3.00 Uhr ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer bei guter Sicht und bei guten Witterungsverhältnissen nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum gefahren sei, spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der Kläger als Kraftfahrer total übermüdet gewesen sei. Die Übermüdung rühre von der Teilnahme an der Verlobungsparty her. Für die Verlobungsparty habe der Kläger auch weder Geld noch den Truppenausweis benötigt. Der Vortrag des Klägers über seine geplanten Vorhaben am Sonntag sei dagegen nicht nachvollziehbar.

Der Beigeladene legt dar, es bleibe nach dem bisherigen Beweisergebnis offen, weshalb der Kläger am Sonntag, dem 16. September 1990, gegen 3.00 Uhr morgens die M Straße in P in Fahrtrichtung nach Hause gefahren habe, als er den Unfall erlitten habe. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen seien mehrere Versionen denkbar, so z.B. die kurzfristige Rückkehr nach Hause wegen eines vergessenen Dienstausweises und Geldbörse im Zuge einer Fahrt nach Eutin, aber auch komme z.B. ein Zusammenhang mit der Teilnahme an der Verlobungsfeier am Abend des 15. September 1990 bzw. einer weiteren privaten Unternehmung im Anschluß an diese Verlobungsfeier in Betracht.

Der Senat hat Auskünfte von dem Dritten Panzeraufklärungsbataillon 6, dem Bundesministerium für Verteidigung, dem ADAC, der Deutschen Bundesbahn, dem Straßenverkehrsamt Minden-Lübbecke, der Neurologischen Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche Geesthacht, der Stadt P , von Herrn S und Herrn R eingeholt sowie die Akte der LVM-Versicherung, die Akte des Kreiswehrersatzamtes Herford, die Krankenunterlagen des Klinikums Minden, die Akte des SG Detmold 13 (2) P 108/96, beigezogen. Desweiteren hat der Senat die Zeugen E (E.), V., K., N., L. und K (Ko.) vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 19. März und 07. Mai 1998 verwiesen.

Anschließend hat der Senat den Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie der Universität zu K , Prof. Dr. H , den Leiter des Funktionsbereiches Klinische und Experimentelle Psychopathologie der Universität zu K , Prof. Dr. S , sowie den Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie und Psychiatrie der Universität zu K , Prof. Dr. K , mit der Erstellunng von Gutachten beauftragt.

Auf den Inhalt der Gutachten vom 15.12.1998, 07.04.1999 und aus Herbst 1999 wird verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen sowie der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Nach § 85 SVG erhält ein Soldat wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) während des Dienstes Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach §§ 30 Abs. 1 und 31 Bundesversorgungsgesetz. Eine WDB ist gemäß § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen in dem Dienst erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Dabei müssen die geschützte Tätigkeit, die Schädigung und die Schädigungsfolgen voll, d.h. mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999, B 9 VS 2/98 R).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der volle Nachweis eines Unfalles auf einem versorgungsrechtlich geschützten Weg nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht. Der Kläger kann auf einer versorgungsrechtlich geschützten Fahrt wie auch auf einer Privatfahrt, d.h. auf der Rückfahrt von der Verlobungsparty zum elterlichen Haus, verunfallt sein. Welche dieser Möglichkeiten zutrifft, steht auch nach den umfassenden Beweiserhebungen des SG und des Senates nicht fest.

Entgegen der Auffassung des SG sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Unfalles während einer Familienfahrt i.V. v. § 81 Abs. 4 S. 3 SVG erfüllt, wenn der Sachvortrag des Klägers als wahr unterstellt wird. Beim Zurücklegen des Weges von oder nach der ständigen Familienwohnung bedarf es nicht eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhanges mit dem Dienstende oder -beginn (vgl. Nr. 8 zu § 81 Abs. 4 SVG-VwV). Auch steht die Tatsache, daß der Kläger wegen einer privaten Angelegenheit - Besichtigung seines neuen Einsatzortes - früher von dem ständigen Familienwohnsitz zur Kaserne zurückkehren und von dort vor Dienstbeginn eine private Tätigkeit unternehmen wollte, nicht der Annahme einer versorgungsrechtlich geschützten Familienfahrt entgegen (vgl. BSG, Urteile vom 19. September 1986, 9 a RV 7/84, SozR 3200 § 81 SVG Nr. 23; vom 07. Mai 1986, 9 RV 18/85, SozR 3200 § 81 SVG Nr. 24).

Nach Auffassung des Senates ist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen, daß der Kläger in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Unfall vom elterlichen Haus in Richtung Stationierungsort abgefahren ist, also eine Familienfahrt angetreten hat.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht aufgrund der übereinstimmenden Angaben der Zeugen V., K., L. und Ko. fest, daß der Kläger am Samstag, dem 15. September 1990 die Verlobungsparty der Zeugen V. und K. besucht hat. Er ist zusammen mit der Zeugin L. vor 10.00 abends auf der Verlobungsparty eingetroffen, der Zeitpunkt des Verlassens der Feier ist nicht feststellbar. Die Zeugen können keine konkreten Angaben darüber machen, zu welchem Zeitpunkt der Kläger die Feier verlassen hat. Die Einlassung der Zeugin Ko., der Schwester des Klägers, bei der erstinstanzlichen Vernehmung, daß sie den Kläger zum Zeitpunkt ihres Aufbruches zwischen 22.00 Uhr bis 22.30 Uhr nicht mehr gesehen habe und sie deshalb aufgrund der nicht "sehr großen" Gesellschaft davon ausgehe, daß er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auf der Party gewesen sei, ist nicht geeignet, den Nachweis dafür zu führen, daß der Kläger vor ihr die Feier verlassen hat. Denn nach Angaben der Zeugen V. und K. haben an der Verlobungsparty, die in und vor einer Garage in der Hermannstraße in Holzhausen stattgefunden hat, ca. 100 Personen teilgenommen. Dies hat auch die Zeugin Ko. in der zweitinstanzlichen Vernehmung eingeräumt. Aufgrund der Personenanzahl und der Tatsache, daß die Zeugin nach eigenen Angaben vor dem Verlassen der Feier nicht gezielt nach dem Kläger gesucht hat, um sich zu verabschieden, ist nicht auszuschließen, daß die Zeugin den Kläger beim Aufbruch von der Feier übersehen hat. Des weiteren hat auch die Zeugin L. vor dem Verlassen der Feier gegen 1.00 Uhr morgens nicht versucht, sich von dem Zeugen zu verabschieden. Angaben über die Tätigkeiten des Klägers im Zeitraum zwischen dem Eintreffen auf der Verlobungsparty und dem Unfall gegen ca. 3.00 Uhr morgens auf der M Straße in Fahrtrichtung elterliches Haus haben die Zeugen nicht bekunden können. Die übereinstimmenden Angaben der Z., N., K. und E., der Verwandten des Klägers, daß die Großmutter des Klägers im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Nachricht über den Unfall des Klägers gegenüber den Familienangehörigen erklärt hat, daß sie dem Kläger alles zurecht gelegt, ihm Brot und Kaffee gemacht hat, sind nicht geeignet, den vollen Nachweis zu führen, daß der Kläger von der Feier zurückgekehrt ist, die Großmutter unmittelbar vor der Abfahrt die Verpflegung für den Kläger vorbereitet und den Kläger verabschiedet hat. Zwar ziehen die 3 Zeugen als Familienangehörige aus dieser Einlassung unter Berücksichtigung des Charakters der 1991 verstorbenen Großmutter als fürsorgliche, sich um das Wohl der Familienangehörigen sorgenden Person die Schlußfolgerung, daß die Großmutter in der Nacht aufgestanden ist, die Verpflegung vorbereitet und den Kläger verabschiedet hat. Diese Schlußfolgerung ist plausibel, ebenso aber auch die Schlußfolgerung, daß die Großmutter die Verpflegung vor dem Zubettgehen vorbereitet hat und erst bei der Benachrichtigung über den Unfall ihres Enkels durch die Polizei wieder aufgestanden ist. Die Großmutter des Klägers ist weder von der Polizei vernommen noch von der Beklagten befragt worden. Weitere Familienangehörige haben sich in der Nacht vom 15. September auf den 16. September nicht im elterlichen Haus des Klägers aufgehalten, so daß unmittelbare Zeugen für die Abfahrt des Klägers vom ständigen Wohnsitz in Richtung Kaserne vor dem Unfall und dem Unfallhergang nicht vorhanden sind.

Zugunsten des Klägers greift auch nicht die Beweiserleichterung des § 15 VfG/KOV ein, wonach bei Fehlen von Urkunden und Zeugen auf die nach den Umständen glaubhaften Angaben des Antragstellers abzustellen ist. Beim Kläger bestehen Gedächtnislücken hinsichtlich des Geschehnisablaufes am 15./16. September 1990, insbesondere kann er sich nicht an die Geschehnisse am Samstag, dem 15. September 1990 abends sowie den konkreten Unfallhergang erinnern. Als Folge des Schädelhirntraumas lag beim Kläger nach den Feststellungen der beiden Sachverständigen Prof. Dr. H und Prof. Dr. K eine retrograde, kongrade und posttraumatisch anterograde Amnesie vor, die rückbildungsfähig ist. Eine Einordnung, ob es sich bei den bruchstückhaften Erinnerungen des Klägers um rückgebildete Erinnerungen als Folge einer bruchstückhaften Aufhellung der Anamnesie handelt oder die Erinnerungen auf gedankliche Konstruktionen oder suggestive Einwirkungen Dritter beruhen, ist nach den Ausführungen der beiden Sachverständigen nicht möglich: Beide Wertungen sind möglich, so daß auf die Angaben des Klägers nicht abgestellt werden kann. Dem Kläger kann auch keine Beweiserleichterung wegen eines unverschuldeten Beweisnotstandes eingeräumt werden. Nach der Rechtsprechung im Unfallversicherungsrecht können zwar Eigentümlichkeiten eines Sachverhaltes in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass dafür sein, eine beweisvermindernde Anforderung zu stellen. Das bedeutet, daß der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon aufgrund weniger Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehnisablauf überzeugt sein können, also einzelne Beweisanzeichen für die Feststellung einer Tatsache und die daraus abgeleitete Bejahung eines versicherten Wegeunfalles ausreichen lassen. Ein solcher Ausnahmefall wird bei einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten als Fall des unverschuldeten Beweisnotstandes angenommen. Diese Grundsätze beziehen sich nur auf die zu würdigenden Tatsachen. Sie schließen nicht die Befugnis ein, Beweismaßstäbe (hier: Vollbeweis) zu verringern, insbesondere bereits die Wahrscheinlichkeit oder sogar die bloße Möglichkeit genügen zu lassen, damit eine Tatsache als festgetellt angesehen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juni 1990 2 RU 58/89; Urteil vom 27. Mai 1997, 2 RU 38/96; Urteil vom 04. Mai 1999 B 2 U 18/98 R; Urteil vom 31. Mai 1996, 2 RU 24/95). Die im Unfallversicherungsrecht entwickelten Beweisgrundsätze bei unverschuldetem Beweisnotstand des Verletzten sind auf das SVG ertragbar, insbesondere im Hinblick darauf, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Schutz auf Wegen für das Versorgungsgrecht und die gesetzliche Unfallversicherung einheitlich zu beurteilen ist (vgl. BSG, Urteil vom 07. Mai 1986, a.a.O.).

Die durchgehenden Bekundungen des Zeugen N. im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie auch die Erklärungen der Großmutter des Klägers, die von drei Zeugen vom Hörensagen bekundet werden, sind zwar geeignet den Nachweis zu führen, daß der Kläger - abweichend von der üblichen Gepflogenheit mit der Bahn zu fahren - an dem in Rede stehenden Wochenende beabsichtigte, die Familienfahrt in Richtung zur Kaserne am 16. September 1999 mit dem Kraftfahrzeug anzutreten. Gegen die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen N. bestehen keine Bedenken. Dieser hat im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren wie auch gegenüber dem Sozialberater Herrn R als Kerngeschehen durchgehend bekundet, daß der Kläger ausnahmsweise mit dem Kraftfahrzeug zur Kaserne in Eutin zurückfahren wollte, um die Möglichkeit zu haben, seinen evtl. neuen Einsatzort - den Flugplatz "Hungriger Wolf" in Hohenlockstedt, an den der Kläger versetzt werden wollte, vor Dienstbeginn am Montag, dem 17. September 1990 zu erkunden. Deshalb habe er dem Kläger einen größeren Geldbetrag als üblich, zirka 300,-- DM, am Wochenende ausgehändigt und mit ihm verabredet, daß dieser wegen der freien Fahrstrecke am Sonntag frühmorgens losfahre.

Die Angaben des Zeugen N. lassen nicht den sicheren Schluß zu, daß der Unfall des Klägers nach Abfahrt des Klägers vom elterlichen Haus zum Stationierungsort geschehen ist. Ebenso ist möglich, daß der Kläger sich zum Unfallzeitpunkt auf der Rückfahrt von der Verlobungsparty zum elterlichen Haus befunden hat, um nach einer Ruhepause am frühen Morgen die Reise nach Eutin anzutreten. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß nach Auskunft des ADAC und des Computerprogrammes "Map and Guide" die Fahrtdauer zwischen Porta Westfalica und Eutin mit einer Fahrtstrecke von ca. 300 km etwa 3 Stunden dauert, gibt der Unfallzeitpunkt, gegen 3 Uhr morgens, Anlass zu zweifeln, daß der Kläger sich auf einem Abweg von einer Familienfahrt befunden hat. Denn bei einer solchen Annahme müßte der Kläger um 2.00 Uhr morgens vom elterlichen Haus abgefahren sein um gegen 6.00 Uhr morgens in E einzutreffen. Der Zeuge N. hat bei der Vernehmung selbst eingeräumt, davon ausgegangen zu sein, daß der Kläger erst gegen 4/5.00 Uhr morgens losfährt. Von einer Abfahrt 2/3.00 Uhr morgens sei zwischen ihm und dem Kläger nicht gesprochen worden. Dieses Verhalten des Klägers war für den Zeugen N. nicht nachvollziehbar. Der Unfallzeitpunkt ist vereinbar mit den Angaben der Zeugen K. über das Ende der Verlotungsparty zwischen 2 - 4.00 Uhr morgens. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß der Kläger erst gegen das sich abzeichnende Ende die Verlobungsparty, also am frühen Sonntagmorgen, verlassen hat. Nach Angaben der Zeugen L. hat sich der Kläger an Wochenenden bis zur Sperrstunde in der Discothek aufgehalten und sich auf der Verlobungsparty der Zeugen K. und V. derjenige Personenkreis getroffen, mit dem der Kläger ansonsten in der Diskothek zusammengetroffen ist. Aus dem Unfallort, M Straße in Höhe des Kilometers 0,6 in P , läßt sich ebenfalls kein Rückschluß daraus ziehen, auf welcher Fahrt sich der Kläger befunden hat. Die M Straße stellt, ausgehend von dem elterlichen Haus Straße die kürzeste Verbindung zur Autobahnauffahrt P /V der A2 dar, deren Benutzung nach Angaben des ADAC und des Computerprogrammes "Made und Guide" die kürzeste Fahrtstrecke zwischen P und E ist. Die Straße kann aber ebenfalls als Verbindung zwischen dem Ort der Verlobungsparty, straße, und dem elterlichen Haus benutzt werden. Der Einwand des Klägers, daß die Benutzung der Straße bei einer Fahrt zwischen der Verlobungsparty und dem elterlichen Haus nicht auf der Hand gelegen habe, da sie die längste Fahrtstrecke zwischen diesen beiden Punkten darstelle, spricht nicht gegen diese Möglichkeit. Denn eine Fahrtstrecke, deren Benutzung offensichtlich auf der Hand gelegen hat und die Benutzung anderer Fahrtstrecken als unwahrscheinlich erscheinen lasse, ist nicht erkennbar. Zum einen ist nicht mehr feststellbar, an welchem Ort und in welche Fahrtrichtung ggf. mit welcher Wendemöglichkeit der Kläger sein Kraftfahrzeug am Ort der Verlobungsparty geparkt hatte, insbesondere unter Berücksichtigung der Örtlichkeiten - kleinere Straße, eine Feier mit ca. 100 Personen, so daß die Verhältnisse am Abfahrtsort und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten nicht mehr aufklärbar sind. Zum anderen bestehen bei Benutzung eines PKW keine bedeutenden Unterschiede hinsichtlich der vom Kläger aufgezeigten Wegstrecken zwischen 1,1 km bis 2,5 km. Die sich aus der Aussage des Zeugen N. weiter ergebenden Beweisanzeichen - Auffinden der Uniform des Klägers im Kofferraum des verunfallten Kraftfahrzeuges, Auffinden der Brieftasche mit Truppenausweis und Geldbetrag, den der Zeuge N. dem Kläger zuvor ausgehändigt hatte, nach dem Unfall im Zimmer des Klägers sowie der Einstellung des Radioweckers auf 2.00 Uhr - lassen ebenfalls keinen eindeutigen Rückschluss zu. Der Kläger kann die Uniform schon vor der Abfahrt zur Verlobungsparty in den Kofferraum des Kraftfahrzeuges gelegt haben, um am nächsten Morgen ohne größere Vorbereitungshandlungen nach Eutin aufbrechen zu können. Desweiteren hat der Kläger bei dem geplanten Besuch einer Verlobungsparty kein Geld benötigt, so dass das die Mitnahme der Geldbörse, in dem sich ein größerer Geldbetrag ca. 300,-- DM, befand, nicht sinnvoll war.

Aus der Weckeinstellung des Radioweckers auf 2.00 Uhr ist weder ersichtlich, wann der Radiowecker eingestellt worden ist noch an welchem Tag das Wecksignal ertönen sollte.

Der Kläger trägt die objektive Beweislast dafür, daß der Unfall auf einem versorgungsrechtlich geschützten Weg geschah.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.

Anlass, die Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehe nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved