Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 20/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 B 7/06 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Streitig ist das Ruhen der vertragszahnärztlichen Ermächtigung des Antragstellers für die Dauer von sechs Monaten ab dem 14.12.2005.
Der Antragsteller ist seit dem 01.04.1986 in I als Zahnarzt niedergelassen und zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung für den Bereich Kieferorthopädie ermächtigt.
Mit Beschluss vom 20.01.2005 ordnete der Disziplinarausschuss bei der Antragsgegnerin als Disziplinarmaßnahme mit Wirkung vom 01.06.2005 das Ruhen der Zulassung für die Dauer von sechs Monaten an. Hiergegen erhob der Antragsteller fristgerecht Klage zum Aktenzeichen S 0 KA 00/00. Nach Ablauf der verfügten Ruhensfrist nahm der Antragsteller mit Schriftsatz vom 05.12.2005 die Klage zurück.
Mit Schreiben vom 20.01.2006 wandte sich die Antragsgegnerin an den Antragsteller mit der Rechtsauffassung, dass die Klage gegen den Disziplinarbeschluss aufschiebende Wirkung gehabt habe, die durch die Klagerücknahme ab 14.12.2005 entfallen und damit Rechtskraft eingetreten sei. Mithin ruhe die Zulassung ab 14.12.2005 für ein halbes Jahr. Zugleich wies sie darauf hin, dass der Antragsteller bei Ruhen der Zulassung nicht zur Behandlung von Patienten im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung berechtigt sei. Eine Nichtbeachtung würde einen Verstoß gegen vertragszahnärztliche Pflichten darstellen und ggf. weitere entsprechende Ahndung nach sich ziehen. Darüber hinaus kündigte sie an, dass sie für die Dauer eines halben Jahres nach dem 13.12.2005 der Vorgabe zuwiderlaufende Behandlungen nicht vergüten werde.
Am 31.01.2006 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Er ist der Ansicht, die Untersagung vertragszahnärztlicher Tätigkeit für den streitgegenständlichen Zeitraum und die Androhung von Ahndungsmaßnahmen beeinträchtigten ihn in seinem Status als Vertragszahnarzt. Sie nähmen ihm die Möglichkeit, für die Zeit bis zum 13.06.2006, d.h. für (noch) 4 ½ Monate, entgegen seinem aus der Ermächtigung folgenden Recht gesetzlich versicherte Patienten vertragszahnärztlich (weiter) zu behandeln. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung "weitere" entsprechende Maßnahmen angedroht. Insoweit stehe zu erwarten, dass die Antragsgegnerin nicht nur disziplinarische Maßnahmen einleiten, sondern eine "Gehorsamsverweigerung" in ein z. Zt. vor dem Berufungsausschuss laufendes Verfahren zur Entziehung der Ermächtigung einbeziehen werde.
Das Recht zur vertragszahnärztlichen Versorgung für den Bereich der Kieferorthopädie stehe dem Antragsteller zu. Der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 20.01.2005 bestimme nicht nur die zeitliche Dauer des Ruhens seiner Ermächtigung, sondern regele nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auch den Zeitraum des Ruhens. So setze der Disziplinarausschuss den Beginn der Ruhensfrist "mit Wirkung vom 01.06.2005" fest. Das halbe Jahr sei mithin am 30.11.2005 abgelaufen. Durch die Klage gegen den Beschluss habe die aufschiebende Wirkung der Vollziehung entgegengestanden; sie sei in Statusangelegenheiten nach Klagerücknahme mit Wirkung ex nunc weggefallen. Die Wirkung ex nunc bleibe von den Regelungen der Disziplinarordnung unberührt und gebe der Antragsgegnerin nicht das Recht, die Ruhensfrist zu verschieben. Die "faktische Verlagerung des Ruhenszeitraums" durch die Antragsgegnerin sei mithin offensichtlich rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass seine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung für den Bereich der Kieferorthopädie nicht in der Zeit vom 14. Dezember 2005 bis 13. Juni 2006 ruht.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie geht ebenfalls davon aus, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Disziplinarbeschluss nach Klagerücknahme mit Wirkung ex nunc entfallen sei. Dies habe unweigerlich zur Folge, dass ab diesem Zeitpunkt die Anordnung des Ruhens der Zulassung (Ermächtigung) eingetreten sei. Der Disziplinarausschuss habe, um unverhältnismäßige Härten zu vermeiden, in seiner Sitzung am 20.01.2005 gemäß § 11 Abs. 2 der Disziplinarordnung den Beginn des Ruhens auf den 01.06.2005 festgelegt. Als Entgegenkommen gegenüber dem Antragsteller habe die Antragsgegnerin den frühestmöglichen Zeitpunkt gewählt, damit der Zeitraum von sechs Monaten frühestmöglich verstrichen sei. Im Übrigen spreche das Betreiben eines sozialgerichtlichen Verfahrens gegen das Vorliegen eines etwaigen Anordnungsanspruches. Der Antragsteller habe sich seit Zugang des Disziplinarbescheides auf die Situation einstellen können. Auch sei er nicht gehalten gewesen, den Rechtsstreit im Dezember 2005 zu beenden. Die selbst herbeigeführte Rechtskraft der Entscheidung habe er sich entgegenhalten zu lassen.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Hiernach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz (BGBl. I, 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86 b Rn. 12 ff.; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, Freiburg/Berlin 2003, § 86 b Rn. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteiler einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller sonach bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff.). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 2102 KA ER -).
Bei summarischer Prüfung ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben. Das Verbot gegenüber dem Antragsteller, ab 14.12.2005 für die Dauer von sechs Monaten Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln, und die Ankündigung, die Abrechnung in dieser Zeit erbrachter Leistungen zu verweigern, stellen sich nach Lage der Dinge als rechtmäßig dar.
Der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 20.01.2005 ordnet das Ruhen der Zulassung (Ermächtigung) für die Dauer von sechs Monaten mit Wirkung vom 01.06.2005 an. Die von dem Antragsteller gegen diesen Beschluss erhobene Klage hat aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 86 a Abs. 1 SGG), die nach Klagerücknahme am 13.12.2005 mit Wirkung ex nunc (vgl. BSG SozR 3-1500 § 97 SGB V Nr. 3) wieder entfallen ist. Dies allein hat indes nicht unweigerlich zur Konsequenz, dass sich damit der Ruhenszeitraum verschiebt und ab dem 14.12.2005 einsetzt.
Diese Konsequenz ergibt sich jedoch aus der Auslegung des Disziplinarbeschlusses.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält zwei allgemeine Auslegungsregeln. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung von Verwaltungsakten. Maßstab für die Inhaltsbestimmung einer getroffenen Regelung ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr. 2; BSG SozR 3-1300 § 104 Nr. 9; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr. 8; BSG, Urteil vom 24.06.1999 - B 11 AL 75/98 R -; BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VS 1/99 R -; BFH, Urteil vom 18.11.1997 - VIII R 65/95 -; FG Nürnberg, Urteil vom 03.07.2003 - VII 370/2001 -).
Formal ordnet der Disziplinarbeschluss vom 20.01.2005 zwar das Ruhen der Zulassung (Ermächtigung) mit Wirkung ab 01.06.2005 an. Für den Antragsteller als Empfänger dieses Beschlusses war aber unschwer zu erkennen, was tatsächlich gemeint war: Seine Kassenzulassung sollte nicht sogleich mit sofortiger Wirkung ruhend gestellt werden, was zur Folge gehabt hätte, dass er bereits einbestellte Patienten nicht mehr hätte behandeln dürfen und wegen Ausbleibens von Honorarzahlungen Schwierigkeiten bei der Gehaltszahlung an seine Praxisangestellten ausgesetzt wäre. Vielmehr wollte ihm der Disziplinarausschuss zur Vermeidung solcher Härten eine Auslauf- und Übergangsfrist einräumen, um ihn in die Lage zu versetzen, geordnet seinen Praxisbetrieb auf die geänderte Situation einzustellen. Nur so ist zu verstehen, dass der Bescheid eine viermonatige Frist zwischen seiner Verkündung und dem Beginn des Ruhenszeitraumes gewährt. Länger als vier Monate im Voraus werden Patienten in der Regel nicht einbestellt und innerhalb von vier Monaten lassen sich zur Not Arbeitsverhältnisse mit Bediensteten kündigen, soweit das Arbeitsverhältnis nicht länger als 10 Jahre bestanden hat (§ 622 BGB). Keinesfalls durfte der Antragsteller jedoch darauf vertrauen, dass es ihm mit Hilfe der aufschiebenden Wirkung seiner - legitimerweise erhobenen - Klage gelingen würde, sich über den Zeitraum der Ruhensanordnung zu "retten" und dadurch sowohl während des angeordneten Ruhenszeitraumes (01.06.2005 bis 30.11.2005) als auch für die Zeit danach seine vertragszahnärztliche Tätigkeit unverändert auszuüben und die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme dadurch leerlaufen zu lassen.
Angesichts dessen ist auch ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Zwar stellt die Versagung der Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit für die Dauer von (noch) 4 ½ Monaten angesichts des Umstandes, dass etwa 90 % der Patienten gesetzlich krankenversichert sind, grundsätzlich einen schweren Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Berufsfreiheit dar. Angesichts der dem Antragsteller bereits durch den Disziplinarbeschluss gewährten angemessenen Übergangsfrist von vier Monaten und einer weiteren durch die aufschiebende Wirkung seiner Klage bewirkten sechsmonatigen Übergangsfrist sind schwere Nachteile jedoch nicht mehr gegeben. Zudem überwiegen besonders gewichtige Gründe daran, den Antragsteller durch die Disziplinarmaßnahme kurzfristig zur Einhaltung seiner vertragszahnärztlichen Pflichten anzuhalten, seine Individualinteressen.
Gründe:
I.
Streitig ist das Ruhen der vertragszahnärztlichen Ermächtigung des Antragstellers für die Dauer von sechs Monaten ab dem 14.12.2005.
Der Antragsteller ist seit dem 01.04.1986 in I als Zahnarzt niedergelassen und zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung für den Bereich Kieferorthopädie ermächtigt.
Mit Beschluss vom 20.01.2005 ordnete der Disziplinarausschuss bei der Antragsgegnerin als Disziplinarmaßnahme mit Wirkung vom 01.06.2005 das Ruhen der Zulassung für die Dauer von sechs Monaten an. Hiergegen erhob der Antragsteller fristgerecht Klage zum Aktenzeichen S 0 KA 00/00. Nach Ablauf der verfügten Ruhensfrist nahm der Antragsteller mit Schriftsatz vom 05.12.2005 die Klage zurück.
Mit Schreiben vom 20.01.2006 wandte sich die Antragsgegnerin an den Antragsteller mit der Rechtsauffassung, dass die Klage gegen den Disziplinarbeschluss aufschiebende Wirkung gehabt habe, die durch die Klagerücknahme ab 14.12.2005 entfallen und damit Rechtskraft eingetreten sei. Mithin ruhe die Zulassung ab 14.12.2005 für ein halbes Jahr. Zugleich wies sie darauf hin, dass der Antragsteller bei Ruhen der Zulassung nicht zur Behandlung von Patienten im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung berechtigt sei. Eine Nichtbeachtung würde einen Verstoß gegen vertragszahnärztliche Pflichten darstellen und ggf. weitere entsprechende Ahndung nach sich ziehen. Darüber hinaus kündigte sie an, dass sie für die Dauer eines halben Jahres nach dem 13.12.2005 der Vorgabe zuwiderlaufende Behandlungen nicht vergüten werde.
Am 31.01.2006 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Er ist der Ansicht, die Untersagung vertragszahnärztlicher Tätigkeit für den streitgegenständlichen Zeitraum und die Androhung von Ahndungsmaßnahmen beeinträchtigten ihn in seinem Status als Vertragszahnarzt. Sie nähmen ihm die Möglichkeit, für die Zeit bis zum 13.06.2006, d.h. für (noch) 4 ½ Monate, entgegen seinem aus der Ermächtigung folgenden Recht gesetzlich versicherte Patienten vertragszahnärztlich (weiter) zu behandeln. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung "weitere" entsprechende Maßnahmen angedroht. Insoweit stehe zu erwarten, dass die Antragsgegnerin nicht nur disziplinarische Maßnahmen einleiten, sondern eine "Gehorsamsverweigerung" in ein z. Zt. vor dem Berufungsausschuss laufendes Verfahren zur Entziehung der Ermächtigung einbeziehen werde.
Das Recht zur vertragszahnärztlichen Versorgung für den Bereich der Kieferorthopädie stehe dem Antragsteller zu. Der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 20.01.2005 bestimme nicht nur die zeitliche Dauer des Ruhens seiner Ermächtigung, sondern regele nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auch den Zeitraum des Ruhens. So setze der Disziplinarausschuss den Beginn der Ruhensfrist "mit Wirkung vom 01.06.2005" fest. Das halbe Jahr sei mithin am 30.11.2005 abgelaufen. Durch die Klage gegen den Beschluss habe die aufschiebende Wirkung der Vollziehung entgegengestanden; sie sei in Statusangelegenheiten nach Klagerücknahme mit Wirkung ex nunc weggefallen. Die Wirkung ex nunc bleibe von den Regelungen der Disziplinarordnung unberührt und gebe der Antragsgegnerin nicht das Recht, die Ruhensfrist zu verschieben. Die "faktische Verlagerung des Ruhenszeitraums" durch die Antragsgegnerin sei mithin offensichtlich rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass seine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung für den Bereich der Kieferorthopädie nicht in der Zeit vom 14. Dezember 2005 bis 13. Juni 2006 ruht.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie geht ebenfalls davon aus, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Disziplinarbeschluss nach Klagerücknahme mit Wirkung ex nunc entfallen sei. Dies habe unweigerlich zur Folge, dass ab diesem Zeitpunkt die Anordnung des Ruhens der Zulassung (Ermächtigung) eingetreten sei. Der Disziplinarausschuss habe, um unverhältnismäßige Härten zu vermeiden, in seiner Sitzung am 20.01.2005 gemäß § 11 Abs. 2 der Disziplinarordnung den Beginn des Ruhens auf den 01.06.2005 festgelegt. Als Entgegenkommen gegenüber dem Antragsteller habe die Antragsgegnerin den frühestmöglichen Zeitpunkt gewählt, damit der Zeitraum von sechs Monaten frühestmöglich verstrichen sei. Im Übrigen spreche das Betreiben eines sozialgerichtlichen Verfahrens gegen das Vorliegen eines etwaigen Anordnungsanspruches. Der Antragsteller habe sich seit Zugang des Disziplinarbescheides auf die Situation einstellen können. Auch sei er nicht gehalten gewesen, den Rechtsstreit im Dezember 2005 zu beenden. Die selbst herbeigeführte Rechtskraft der Entscheidung habe er sich entgegenhalten zu lassen.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Anordnung ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Hiernach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-Änderungsgesetz (BGBl. I, 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86 b Rn. 12 ff.; Düring, in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, Freiburg/Berlin 2003, § 86 b Rn. 9). Danach entspricht es einer verfassungsrechtlich unbedenklichen verwaltungsgerichtlichen Praxis, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes davon abhängig zu machen, dass der Antragsteiler einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (BVerfGE 79, 69, 74). Droht dem Antragsteller sonach bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem ausnahmsweise überwiegende und besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff.). Andererseits sind die Gerichte angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nötigenfalls gehalten, Rechtsfragen nicht vertiefend zu behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung zu treffen (BVerfG NJW 1997, 479, 480; LSG NRW, Beschlüsse vom 17.04.2002 - L 11 KA 37/02 ER -, vom 16.04.2003 - L 10 B 2102 KA ER -).
Bei summarischer Prüfung ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben. Das Verbot gegenüber dem Antragsteller, ab 14.12.2005 für die Dauer von sechs Monaten Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln, und die Ankündigung, die Abrechnung in dieser Zeit erbrachter Leistungen zu verweigern, stellen sich nach Lage der Dinge als rechtmäßig dar.
Der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 20.01.2005 ordnet das Ruhen der Zulassung (Ermächtigung) für die Dauer von sechs Monaten mit Wirkung vom 01.06.2005 an. Die von dem Antragsteller gegen diesen Beschluss erhobene Klage hat aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 86 a Abs. 1 SGG), die nach Klagerücknahme am 13.12.2005 mit Wirkung ex nunc (vgl. BSG SozR 3-1500 § 97 SGB V Nr. 3) wieder entfallen ist. Dies allein hat indes nicht unweigerlich zur Konsequenz, dass sich damit der Ruhenszeitraum verschiebt und ab dem 14.12.2005 einsetzt.
Diese Konsequenz ergibt sich jedoch aus der Auslegung des Disziplinarbeschlusses.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält zwei allgemeine Auslegungsregeln. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung von Verwaltungsakten. Maßstab für die Inhaltsbestimmung einer getroffenen Regelung ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr. 2; BSG SozR 3-1300 § 104 Nr. 9; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr. 8; BSG, Urteil vom 24.06.1999 - B 11 AL 75/98 R -; BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VS 1/99 R -; BFH, Urteil vom 18.11.1997 - VIII R 65/95 -; FG Nürnberg, Urteil vom 03.07.2003 - VII 370/2001 -).
Formal ordnet der Disziplinarbeschluss vom 20.01.2005 zwar das Ruhen der Zulassung (Ermächtigung) mit Wirkung ab 01.06.2005 an. Für den Antragsteller als Empfänger dieses Beschlusses war aber unschwer zu erkennen, was tatsächlich gemeint war: Seine Kassenzulassung sollte nicht sogleich mit sofortiger Wirkung ruhend gestellt werden, was zur Folge gehabt hätte, dass er bereits einbestellte Patienten nicht mehr hätte behandeln dürfen und wegen Ausbleibens von Honorarzahlungen Schwierigkeiten bei der Gehaltszahlung an seine Praxisangestellten ausgesetzt wäre. Vielmehr wollte ihm der Disziplinarausschuss zur Vermeidung solcher Härten eine Auslauf- und Übergangsfrist einräumen, um ihn in die Lage zu versetzen, geordnet seinen Praxisbetrieb auf die geänderte Situation einzustellen. Nur so ist zu verstehen, dass der Bescheid eine viermonatige Frist zwischen seiner Verkündung und dem Beginn des Ruhenszeitraumes gewährt. Länger als vier Monate im Voraus werden Patienten in der Regel nicht einbestellt und innerhalb von vier Monaten lassen sich zur Not Arbeitsverhältnisse mit Bediensteten kündigen, soweit das Arbeitsverhältnis nicht länger als 10 Jahre bestanden hat (§ 622 BGB). Keinesfalls durfte der Antragsteller jedoch darauf vertrauen, dass es ihm mit Hilfe der aufschiebenden Wirkung seiner - legitimerweise erhobenen - Klage gelingen würde, sich über den Zeitraum der Ruhensanordnung zu "retten" und dadurch sowohl während des angeordneten Ruhenszeitraumes (01.06.2005 bis 30.11.2005) als auch für die Zeit danach seine vertragszahnärztliche Tätigkeit unverändert auszuüben und die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme dadurch leerlaufen zu lassen.
Angesichts dessen ist auch ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Zwar stellt die Versagung der Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit für die Dauer von (noch) 4 ½ Monaten angesichts des Umstandes, dass etwa 90 % der Patienten gesetzlich krankenversichert sind, grundsätzlich einen schweren Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Berufsfreiheit dar. Angesichts der dem Antragsteller bereits durch den Disziplinarbeschluss gewährten angemessenen Übergangsfrist von vier Monaten und einer weiteren durch die aufschiebende Wirkung seiner Klage bewirkten sechsmonatigen Übergangsfrist sind schwere Nachteile jedoch nicht mehr gegeben. Zudem überwiegen besonders gewichtige Gründe daran, den Antragsteller durch die Disziplinarmaßnahme kurzfristig zur Einhaltung seiner vertragszahnärztlichen Pflichten anzuhalten, seine Individualinteressen.
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