Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KG 9/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 5/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein (durchsetzbarer) Anspruch auf Kindergeld für drei Kinder im Zeitraum Dezember 1992 bis einschließlich Dezember 1995.
Der im Jahre 1967 geborene Kläger und seine im Jahre 1971 geborene Ehefrau (Heirat am 22.11.1989), beide Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas, gehören zu den sog. Bürgerkriegsflüchtlingen. Sie kamen mit dem 1992 geborenen Kind E. im März 1992 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Das zweite Kind A. wurde 1993 in R./BRD geboren. Der Aufenthalt der Familie beruhte zunächst auf mehreren vom Landratsamt K. ab April 1992 befristet ausgestellten und verlängerten Duldungen.
Die vom Kläger am 12.01.1993 für das erste Kind und am 16.04.1993 für das zweite Kind gestellten Kindergeldanträge lehnte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 08.06.1993 mit folgender Begründung ab: "Nach § 1 Abs.1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) haben Personen, die weder ihren Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, keinen Anspruch auf Kindergeld und Kindergeldzuschlag. Sie sind nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und begründen daher weder Ihren Wohnsitz noch Ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die genehmigte befristete Duldung bewirkt noch keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt, so dass die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 1 Abs.1 BKGG von Ihnen nicht erfüllt werden. Ich stelle Ihnen anheim, nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erneut Antrag auf Kindergeld zu stellen. Auf die Regelung des § 9 Abs.2 BKGG wird hingewiesen".
Am 17.03.1997 stellte der Kläger für die Kinder E. , A. und den 1994 geborenen E. Antrag auf Kindergeld, wobei er eine Bescheinigung der Firma W.K. über eine versicherungspflichtige Beschäftigung und eine für die Zeit vom 26.08.1996 bis 18.04.1997 ausgestellte Aufenthaltsbefugnis vorwies. Mit Bescheid vom 19.03.1997 gewährte die Familienkasse des Arbeitsamtes R. Kindergeld für drei Kinder nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) ab 01.09.1996 in Höhe von 95,00 DM monatlich (Anmerkung: die Höhe entspricht den Kindergeldsätzen nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen über Soziale Sicherheit) und lehnte eine Bewilligung für mehr als sechs Kalendermonate vor der Antragstellung unter Bezugnahme auf § 66 Abs.3 EStG ab. Nachdem der Kläger in der Folgezeit nur mehr eine Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis bis zum September 1997 vorwies und auf Aufforderungen, weitere Belege vorzulegen, und Mahnungen nicht reagierte, setzte die Familienkasse mit (bindend gewordenem) Bescheid vom 13.11.1997 wegen fehlender Mitwirkung (§ 90 bis 95, 97 Abgabenordnung - AO) das Kindergeld ab 01.10.1997 auf 0,00 DM fest.
Den dritten Kindergeldantrag stellte der Kläger persönlich am 20.10.1999, wobei er eine Haushaltsbescheinigung für drei Kinder und nunmehr eine vom 31.08.1999 bis 30.09.2000 geltende Aufenthaltserlaubnis vorwies. Wegen Änderung der Verhältnisse seit Erteilung des Bescheids vom 13.11.1997 gewährte die Familienkasse des Arbeitsamtes R. mit Bescheid vom 19.11.1999 Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz mit Wirkung ab 01.08.1999.
Ein vierter, mit dem 01.05.2001 datierter Kindergeldantrag (in der Folgezeit manchmal unrichtig bezeichnet als Antrag vom 01.05.2000) ging bei der Familienkasse des Arbeitsamts R. ohne Unterschrift am 30.05.2001 und unterschrieben am 29.11.2001 ein, wobei der Kläger die ehemals für die Zeit ab 01.10.1997 geforderten Unterlagen beibrachte. Mit Bescheid vom 30.11.2001 wurde nachträglich unter "Aufhebung" der Kindergeldfestsetzung vom 13.11.1997 (Festsetzung mit 0,00 DM ab 01.10.1997) Kindergeld nach dem EStG rückwirkend für die Zeit von Dezember 1997 bis Juli 1999 nachgezahlt.
Mit "Widerspruch" (gemeint: Einspruch) vom 27.12.2001 gegen den Bescheid vom 30.11.2001 machte ein vom Kläger bevollmächtigter Rechtsanwalt geltend, die Gewährung des Kindergeldes ab 01.12.1997 sei willkürlich; die Familie hätte entsprechend den Urteilen des Bundessozialgerichts vom April 2000 einen Anspruch zumindest ab Juli 1997, seines Erachtens sogar ab Einreise in die BRD und Arbeitsaufnahme. Um nochmalige Überprüfung des Bescheides werde gebeten.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22.01.2002 zurückgewiesen, weil das Kindergeld erstmals im März 1997 beantragt, rückwirkend ab September 1996 bewilligt und bestandskräftig ab 01.10.1997 auf 0,00 DM festgesetzt worden sei. Eine Korrektur nach § 70 Abs.3, § 176 AO sei nur ab dem 01.12.1997 (dem Monat nach Ergehen des "Entziehungsbescheides" vom 13.11.1997) möglich.
Die hiergegen beim Finanzgericht N. eingelegte Klage - sie richtete sich zuletzt auf die rückwirkende Bewilligung des Kindergeldes ab dem 01.01.1996 - wurde mit Urteil vom 11.07.2002 - VI 43/2002 - wegen Unbegründetheit abgewiesen.
Den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10.04.2002 im finanzgerichtlichen Verfahren, mit dem ehemals die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung des Kindesgeldes für drei Kinder ab dem Zeitpunkt der Einreise des Klägers in die BRD und Arbeitsaufnahme begehrt worden war, wertete die Beklagte als Antrag auf sozialrechtliches Kindergeld. Sie erteilte - außerhalb des finanzgerichtlichen Verfahrens - den im jetzigen Prozess streitgegenständlichen Bescheid vom 20.06.2002, mit dem der Antrag auf Kindergeld nach dem BKGG für die Jahre 1992 bis 1995 wegen Verjährung der diesbezüglichen Ansprüche gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Teil I - SGB I - abgelehnt wurde.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wurde geltend gemacht, dass den Kindergeldansprüchen keine Verjährung entgegengehalten werden könne, weil das rechtzeitige Geltendmachen nicht möglich bzw. nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Der Widerspruchsführer hätte vor Ergehen des BSG-Urteils im Jahre 2000 mit Ablehnung rechnen müssen.
Der Rechtsbehelf wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2002 zurückgewiesen, weil bei erstmaliger Beantragung des Kindergeldes im Jahre 1997 - unabhängig von der Verjährungsfrist - Ansprüche (1992 bis 1995), die mehr als sechs Monate vor dem Monat der Antragstellung lägen, gemäß § 9 Abs.2 BKGG ausgeschlossen seien. Die vom Widerspruchsführer vorgebrachte Begründung könne zu keinem anderen Ergebnis führen, weil die verspätete Antragstellung nicht aufgrund einer fehlerhaften Rechtsauskunft der Familienkasse erfolgt sei.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut machte der Kläger geltend, er habe bereits im Januar 1993 Kindergeld beantragt, und der jetzigen verspäteten Beanspruchung könne aus bereits dargelegten Gründen weder Verjährung noch die Ausschlussfrist des § 9 Abs.2 BKGG a.F. entgegengehalten werden. Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.01.2004 ab, wobei es von einem erstmaligen Antrag auf Kindergeld für drei Kinder im Jahre 1997 ausging und im Übrigen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2002 Bezug nahm.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung machte der Kläger das Kindergeld auf der Grundlage des BKGG für die Zeit von 1992 bis 1995 geltend. Die Beklagte berief sich auf § 9 Abs.2 BKGG sowie § 45 SGB I und machte zusätzlich geltend, die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs.3 SGB X (gemeint wohl: § 44 Abs.4 SGB X) stehe einer Zahlung des Kindergeldes von 1992 bis 1995 entgegen, soweit sich der Kläger auf einen im Januar 1992 gestellten Antrag beziehe, der mit bestandskräftigem Bescheid vom 08.06.1993 abgelehnt worden sei.
Auf wiederholte umfassende Rechtshinweise des Senats und Aufforderungen zur Stellungnahme hat die Klagepartei nicht reagiert.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26.01.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 20.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, gegebenenfalls unter Rücknahme des Bescheides vom 08.06.1993 Kindergeld nach dem BKGG a.F. bis zum 31.12.1995 zu zahlen, und zwar für das erste Kind ab 01.12.1992 (Arbeitsaufnahme), für das zweite Kind ab 01.03.1993 und für das dritte Kind ab 01.03.1994, hilfsweise, hierüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogenen zwei Bände Kindergeldakten der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der vom Kläger gestellten vier Kindergeldanträge, wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Auch der Senat ist - mit ergänzenden Überlegungen und Begründungen - zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger Ansprüche auf Kindergeld nach dem BKGG a.F. (i.V.m. dem deutsch-jugoslawischen Abkommen über Soziale Sicherheit) für die Zeit von Dezember 1992 bis Dezember 1995 nicht mehr geltend machen kann. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts war letztlich nicht zu beanstanden, auch wenn er - wie der Widerspruchsbescheid - von einem laut Akteninhalt offensichtlich unrichtigem Sachverhalt ausging (Die erstmalige Beantragung des Kindergeldes für zwei von drei Kindern erfolgte im Januar und April 1993 und nicht erst im Jahre 1997.) und daher ein wesentlicher Teil der Urteilsbegründung fehlte. Nur der Urteilsspruch (Tenor: Die Klage wird abgewiesen) und nicht die Begründung des Gerichtsbescheides erwachsen in Rechtskraft, und der Tenor wie auch der Regelungssatz der eine rückwirkende Leistung ablehnenden Bescheide der Beklagten waren zutreffend.
1. Der Rechtsstreit ist vor dem Hintergrund folgender Rechtslage zu sehen: Gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 BKGG in der vom 01.01.1991 bis 31.12.1995 geltenden Fassung (BKGG a.F.) hat derjenige Anspruch auf das "sozialrechtliche" Kindergeld, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes (also der BRD) einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und zwar nur für Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls im Geltungsbereich des Gesetzes haben (§ 2 Abs.5 Satz 1 BKGG a.F.).
In Umsetzung der Auslegung der Begriffe "Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt" durch das Bundessozialgericht im Sinne einer berechtigten, auf Dauer angelegten Bleibe im Gegensatz zu einem ungesicherten, vorübergehenden Verweilen bestimmte der Gesetzgeber in § 1 Abs.3 BKGG in der vom 01.01.1991 bis 31.12.1993 geltenden Fassung, dass Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, einen Kindergeldanspruch nach diesem Gesetz nur haben, wenn sie nach den §§ 51, 53 und 54 des Ausländergesetzes auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt von einem Jahr. § 1 Abs.3 BKGG in der vom 01.01.1994 bis 31.12.1995 geltenden Fassung formulierte die Kindergeldberechtigung eines Ausländers dahingehend, dass dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sein müsse, womit auf die in §§ 15, 17, 27 des ab 01.01.1991 geltenden Ausländergesetzes - AuslG - umschriebenen Arten der Aufenthaltsgenehmigung im Gegensatz zur Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG) und Aufenthaltsbefugnis (Befugnis nach § 30 AuslG, u.a. möglich nach zwei Jahren der Duldung oder unter den besonderen Voraussetzungen für eine Duldung nach § 55 Abs.2 AuslG) Bezug genommen wurde. § 1 Abs.3 BKGG in der in den Jahren 1994/95 geltenden Fassung wurde im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 06.07.2004 - 1 BvL 4/97, 5/97 und 6/97 hinsichtlich Ausländer mit dem minderen Aufenthaltsstatus "Aufenthaltsbefugnis" für unvereinbar mit Art.3 Abs.1 GG erklärt mit der Maßgabe, dass die vorausgehende Fassung der Vorschrift anzuwenden sei, wenn der Gesetzgeber für noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Verfahren bis zum 01.01.2006 keine Neuregelung treffe.
Gemäß Art.28 Abs.1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974, das ipso iure, d.h. ohne Transformationsgesetz nach Art.59 Abs.2 Satz 1 GG, im Verhältnis der BRD zu Bosnien-Herzegowina weiter gelten soll, haben die in einem Vertragsstaat (hier: Deutschland) beschäftigten Personen (bzw. Bezieher von Arbeitslosen- und Krankengeld im Anschluss an diese Beschäftigung) Anspruch auf Kindergeld für ihre im Gebiet des anderen Vertragsstaates (hier: Bosnien-Herzegowina) sich gewöhnlich aufhaltenden Kinder in Höhe besonders vereinbarter Sätze (10,00 DM, 20,00 DM und 65,00 DM für das erste, zweite und dritte Kind). Nach der Rechtsprechung, zuletzt bestätigt durch die Urteile des BSG vom 19.11.1997 - 14/10 RKg 19/96 und 22.01.1998 - B 14 KG 2/97 R, hatten die in der BRD lebenden (und beschäftigten) Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, die regelmäßig nur geduldet waren und sich daher in der BRD nur auf (durch die Zeit des Krieges) bestimmte, vorübergehende Zeit aufhielten, weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD; sie sollten auch nicht aufgrund des durch das Abkommensrecht modifizierten BKGG berechtigt sein, Kindergeld in der gemäß Art.28 Abs.1 des Abkommens beschränkten Höhe zu beziehen.
Erst mit Urteilen des BSG vom 12.04.2000 - B 14 KG 2/99 und 3/99 R wurde diese Rechtsauffassung aufgegeben. Ist die Voraussetzung erfüllt, dass der Kindergeld-Antragsteller Arbeitnehmer im Sinne der deutschen Vorschriften ist (Art.2 Abs.1 Buchst.d des Abkommens - versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis -, erweitert bei Bezug von Arbeitslosen- oder Krankengeld gemäß Art.28 des Abkommens), komme es wegen der vertraglichen Gleichstellung von Staatsgebieten und Staatsangehörigen (Art.3 Abs.1 Buchst.a, Art.4 Abs.1 Satz 1 des Abkommens) nur darauf an, dass sowohl er als auch die Kinder nicht außerhalb des Gebietes beider Staaten wohnten oder sich gewöhnlich aufhielten; insoweit sei nicht auf den Wohnsitz oder den ständigen Aufenthalt im Sinne von § 1 Abs.1 Nr.1, § 2 Abs.5 BKGG abzustellen. Damit bestehe bereits ein Kindergeldanspruch. Art.28 Abs.1 des Abkommens begründe nicht, wie früher angenommen, erst einen Kindergeldanspruch, sondern regele nur je nach dem "Wohnen" (im Sinne des Vertragsrechts) des Kindes in der BRD oder in Bosnien-Herzegowina und damit unter Berücksichtigung von Kaufkraftgefälle und der unterschiedlichen Unterhalts- und Erziehungskosten die Höhe des Kindergeldes. Daher bestünde bei dem "Wohnen" von Arbeitnehmer und Kind in der BRD sogar ein Kindergeldanspruch in Höhe der deutschen Sätze und nicht in minderer Höhe nach dem Abkommensrecht.
Die Urteile des BSG vom 12.04.2000, die die Jahre bis 1995 betrafen, wurden von der Verwaltung sowohl auf dem Gebiet des "sozialrechtlichen" Kindergeldes nach dem bis 31.12.1995 geltenden BKGG a.F. als auch auf dem Gebiet des ab 01.01.1996 nach Anspruchsgrund völlig neu gestalteten Kindergelds nach dem Einkommensteuergesetz umgesetzt, soweit dies noch möglich erschien. Zahlreiche Bosnier haben vor allem im Jahr 2001 Antrag auf rückwirkende Bewilligung des Kindergeldes für die Zeit vor und ab dem 01.01.1996 gestellt, wobei rückwirkende "Korrekturen" vor allem für die Zeit ab 01.07.1997 erfolgten, weil die auf sechs Monate beschränkte Rückwirkung von Kindergeldanträgen im Steuerrecht mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben wurde.
2. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG an, muss aber betonen - dies scheinen fast alle Bosnier bei nachträglicher Geltendmachung eines Kindergeldanspruches entweder zu ignorieren oder, teils mit erheblicher Vehemenz, abzustreiten -, dass nicht nur das Bestehen eines materiell-rechtlichen Kindergeldanspruchs von Bedeutung ist, sondern alle verfahrensrechtlichen Vorschriften zur erstmaligen Verwirklichung und zur nachträglichen Durchsetzung dieses Anspruchs, wobei für das "sozialrechtliche" Kindergeld im Zeitraum bis zum 31.12.1995 andere Vorschriften gelten als für das ab 01.01.1996 zu zahlende "steuerrechtliche" Kindergeld. Im Sozialrecht sind zu beachten: Zwingend vorgeschriebene Schriftform des Antrages - § 17 BKGG a.F.; Zeitpunkt des Kindergeldantrages; Ausschlussfristen nach § 9 Abs.2 BKGG a.F. bzw. § 5 Abs.2 BKGG n.F.; Verjährung von Ansprüchen nach § 45 Abs.1 SGB I bei wirksam erhobener Einrede des Leistungsträger; Ausschlussfrist des § 44 Abs.4 SGB X bei Überprüfungsanträgen; Rücknahme rechtswidriger Entscheidungen und rückwirkende Erbringung von Leistungen innerhalb der letztgenannten Ausschlussfrist nur nach Ermessen des Leistungsträgers - § 44 Abs.1 SGB X i.V.m. § 20 Abs.5 BKGG a.F. oder § 44 Abs.2 SGB X.
2.1. Nach Ablehnung des ersten Kindergeldantrags des Klägers im Juni 1993 hat dieser bis November 2001 keinen Antrag auf Kindergeld nach dem BKGG a.F. für die Zeit von 1992 bis 1995 gestellt. Vorliegend stellt sich - wird die Verschiedenartigkeit der Kindergeldansprüche bis zum 31.12.1995 und ab 01.01.1996 hinweg- gedacht - der im März 1997 vom Kläger gestellte Antrag auf Kindergeld für drei Kinder als Neuantrag dar, der einige Zeit nach Ablehnung des ersten Antrages auf Kindergeld für zwei Kinder im Jahre 1993 erfolgte, und zwar vor dem Hintergrund eines geänderten Aufenthaltsstatus des Klägers; statt den bisherigen Duldungen (nachgewiesen nur für die Jahre 1992 und 1993) wurde erstmals eine ab 26.08.1996 geltende befristete Aufenthaltsbefugnis vorgelegt. Eine rückwirkende Bewilligung des Kindergelds hatte der Kläger weder ausdrücklich noch sinngemäß beantragt, ebenso wenig eine Überprüfung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 08.06.1993. Richtigerweise hatte die Familienkasse den im März 1997 gestellten Antrag als Neuantrag vor dem Hintergrund der aktuell geltenden Kindergeldvorschriften, d.h. der ab 01.01.1996 eingeführten §§ 31, 62 ff., 67 Abs.1 EStG gewertet und auch so verbeschieden, wobei § 66 Abs.3 EStG zur Anwendung kam, der eine rückwirkende Gewährung für mehr als sechs Monate vor dem Monat der Antragstellung (damit für August 1996) ausschloss (§ 66 Abs.3 EStG wurde erst mit Wirkung für einen späteren Zeitraum aufgehoben, vgl. § 52 Abs.62 EStG). Die Verbescheidung der Familienkasse stellt sich nach Form und Inhalt als eine Prüfung und Entscheidung über einen erstmals nach dem EStG gestellten Kindergeldantrag dar. Es wurde hier auch nicht unbeschränkt zurückwirkend und damit über ein nach dem BKGG a.F. bis zum 31.12.1995 eventuell zustehendes Kindergeld entschieden. Vielmehr beschränkte sich der das Kindergeld ab 01.09.1996 bewilligende Bescheid vom 19.03.1997 auf die für einen Neuantrag (bzw. Erstantrag nach dem EStG) übliche Frist für einen frühestmöglichen Leistungsbeginn, bezogen auf das Datum des Antrages vom 17.03.1997.
Der dritte Kindergeldantrag des Klägers vom 20.10.1999 war gleichfalls als Neuantrag nach "Entzug" des steuerrechtlichen Kindergeldes ab 01.10.1997 (Bescheid vom 13.11.1997) zu werten. Auch hier ist nicht der geringste Bezug zu einem eventuell bis Dezember 1995 zustehenden Kindergeld zu erkennen, weder nach dem Inhalt des Antrags des Klägers noch nach dem Inhalt des Bescheides vom 19.11.1999, der bei der Bewilligung des Kindergeldes ab 01.08.1999 davon ausging, dass ab dem Nachweis der Aufenthaltserlaubnis vom 31.08.1999 eine Kindergeldberechtigung wieder vorgelegen hat.
Der vierte Kindergeldantrag des Klägers vom 30.05.2001 bzw. 29.11.2001 war unter Zugrundelegung der nachträglich beigebrachten Unterlagen und der telefonischen Mahnung des Klägers vom 24.09.2001 nicht nur auf Weitergewährung des ab 01.08.1999 festgesetzten Kindergeldes, sondern auch auf rückständige Zahlungen für den Zeitraum vom 01.10.1997 bis 31.07.1999 bezogen und wurde mit Bescheid vom 30.11.2001 unter Zugrundelegung der Vorschriften der AO dahingehend verbeschieden, dass ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG nur für die Zeit vom 01.12.1997 bis 31.07.1999 gewährt werden kann. Wiederum ist nach dem Inhalt des Kindergeldantrages und dem Inhalt des bewilligenden Bescheides nicht davon auszugehen, dass ein bis Dezember 1995 eventuell nach materiell-rechtlichen Vorschriften zustehendes, aber bisher nicht gezahltes Kindergeld gemeint sein könnte.
Insoweit war eine Verbescheidung auch nicht veranlasst. Ein teilweise noch offener Kindergeldantrag, über den versehentlich nicht in vollem Umfang entschieden worden wäre, und mittels dessen unter Umständen Kindergeldansprüche für die Zeit von 1992 bis 1995 noch verwirklicht werden könnten, ist bis November 2001 nicht ersichtlich.
2.2. Erst nach November 2001 wurde vom Kläger ein Antrag gestellt, der sich auf das Kindergeld seit Einreise in die BRD (März 1992) und Arbeitsaufnahme (Dezember 1992) bezog, damit sinngemäß auf Kindergeld ab 01.12.1992 für E. , ab 01.03.1993 für A. und ab 01.03.1994 für E ... Dieser Antrag lag allerdings nicht, wie von der Beklagten und dem Sozialgericht gesehen wurde, in der Begründung der beim Finanzgericht eingelegten Klage gegen den Bescheid vom 30.11.2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.01.2002 (Schriftsatz des Klägers vom 10.04.2002), sondern bereits in dem Einspruch vom 27.12.2001 gegen den Bescheid vom 30.11.2001, mit dem - bei bereits gegebenen Kindergeldbezügen des Klägers von September 1996 bis einschließlich September 1997 und ab 01.08.1999 - Kindergeld rückwirkend für die Zeit vom 01.12.1997 bis 31.07.1999 bewilligt und sinngemäß (nur) für Oktober und November 1997 abgelehnt wurde. Die Bevollmächtigten des Klägers hatten vermutlich die Tragweite des Bescheides vom 30.11.2001 (wie auch die der späteren Einspruchsentscheidung vom 22.01.2002) nicht richtig gesehen und in Unkenntnis des gesamten Sachverhalts oder unter Fehlbewertung der Rechtslage eine umfassende Entscheidung der Familienkasse darüber für möglich gehalten, ob und inwieweit dem Kläger rückwirkend für alle Zeiträume ab 01.12.1992, in denen er bisher kein Kindergeld erhalten hat, nachträglich Leis-tungen zustehen oder nicht zustehen würden. Dementsprechend wurde auch vom Anwalt des Klägers um "Überprüfung des Bescheides" gebeten.
Der "Widerspruch" vom 27.12.2001 war nicht nur als Einspruch zu werten, sondern vorsorglich zugunsten des Klägers sowohl als Neuantrag auf Kindergeld nach dem BKGG a.F. für drei Kinder im Zeitraum von 1992 bis 1995 als auch als Überprüfungsantrag im Sinne von § 44 SGB X. Hinsichtlich des Überprüfungsantrages ging es bei richtiger Betrachtungsweise um eine ermessensgerechte Entscheidung der Beklagten im Sinne von § 44 Abs.1 SGB X i.V.m. § 20 Abs.5 BKGG a.F., ob und für welche Zeiträume in der Vergangenheit der bestandskräftige Bescheid vom 08.06.1993, mit dem die Bewilligung von Kindergeld für die zwei ältesten Kinder des Klägers abgelehnt worden ist, wegen Unrichtigkeit zurückgenommen wird und rückwirkend zu Unrecht nicht erbrachte Leistungen für zwei Kinder gezahlt werden.
Als Neuantrag auf Kindergeld für drei Kinder kann der Antrag vom 27.12.2001 nicht mehr zur Zahlung eines Kindergelds für die Jahre 1992 bis 1995 führen. Gemäß § 9 Abs.2 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F. sind Leistungen für mehr als sechs Kalendermonate vor dem Kalendermonat des Antrags nicht zu erbringen. Die genannten Vorschriften beinhalten eine absolute, von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist, so dass bei Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X nicht möglich ist (BSG vom 22.11.1979 - 8b RKg 3/79 in BSGE 49, 154), abgesehen davon, dass vorliegend auch die Voraussetzungen für die geltend gemachte Wiedereinsetzung nicht vorlägen. Das fehlende Wissen über die Rechtslage bzw. die Unkenntnis vom Bestehen von Kindergeldansprüchen stellt kein objektives Hindernis für die Einhaltung einer (mit Bescheid vom 08.06.1993 dem Kläger mitgeteilten) Antragsfrist dar (§ 27 Abs.1 SGB X), abgesehen davon, dass die Klagepartei nicht dargetan hat, dass ein Wiedereinsetzungsantrag bereits innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (Beseitigung der Unkenntnis mit Urteil des BSG vom 12.04.2000) gestellt wurde (§ 27 Abs.2 SGB X).
Eventuell gegebene Kindergeldansprüche des Klägers bis einschließlich Juni 1995 waren gemäß dem bis zum 31.12.1995 geltenden § 9 Abs.2 BKGG a.F. bereits mit Ablauf des Dezember 1995 ausgeschlossen. Entsprechendes gilt für Ansprüche für Juli bis Dezember 1995 aufgrund des den § 9 Abs.2 BKGG a.F. ab 01.01.1996 ersetzenden gleichlautenden § 5 Abs.2 BKGG n.F., weil ein Antrag auf dieses Kindergeld nicht in der Zeit von Januar bis Juni 1996 gestellt worden ist.
§ 5 Abs.2 BKGG n.F. ist erst durch Art.30 Nr.1 des Gesetzes vom 16.12.1997 (BGBl. 1997 I, 2970) mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben worden, wobei er letztmals für das Kalenderjahr 1997 anzuwenden war, so dass Kindergeld auf einen nach dem 31.12.1997 gestellten Antrag rückwirkend längstens bis einschließlich Juli 1997 gezahlt werden konnte (§ 20 Abs.2 BKGG n.F.). Für die vorausgehende Zeit blieb es jedoch bei dem - nach sechs Monaten - Monat für Monat eintretenden Ausschluss von Kindergeldansprüchen durch § 5 Abs.2 BKGG n.F. und ohnehin durch § 9 Abs.2 BKGG a.F. Mit Juli 1996 waren alle Zahlungsansprüche des Klägers aus der Zeit bis Dezember 1995 untergegangen.
Die Kindergeldansprüche für die Zeit bis Dezember 1995 konnten daher nicht mehr, wie die Beklagte meinte, in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, verjähren (§ 45 Abs.1 SGB I), weil die Verjährung entstandene, fällige und noch existente Ansprüche erfasst, nicht hingegen untergegangene (u.a. kraft Gesetzes später ausgeschlossene) Ansprüche betreffen kann. Unerheblich war daher der Mangel, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 20.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2002 nicht die nach § 45 SGB I erforderliche Ermessensausübung, gegebenenfalls die Reduzierung des Ermessensspielraums durch die in ihren Dienstanweisungen beschriebenen Gesichtspunkte, die sich auch noch als sachgerecht erweisen müssten, dargelegt hat (§ 35 Abs.1 Satz 2, § 41 Abs.1 Nr.2 SGB X).
Wird der Kindergeldantrag vom 27.12.2001 hingegen nicht als Neuantrag beurteilt, sondern unter dem Blickwinkel eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 SGB X gesehen, sind insoweit zwar § 9 Abs.2 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F. nicht anwendbar. Diese Vorschriften gelten für einen Erstantrag oder Neuantrag (Antrag nach bestandskräftiger Ablehnung oder nach Beendigung des Kindergeldrechts aus sonstigen Gründen), nicht hingegen für den Antrag auf Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte und auf nachträgliche Erbringung von Leistungen. § 44 Abs.1 SGB X setzt voraus, dass sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes (hier: Bescheid vom 08.06.1993) das Recht unrichtig angewandt worden ist (oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist) und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Eine Unrichtigkeit, d.h. damit auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, liegt auch dann vor, wenn der Verwaltungsakt bei seinem Erlass der damaligen, in der Folgezeit geänderten Rechtsprechung des BSG entsprach (BSG vom 25.10.1984 - 11 RAz 3/83 in SozR 1300 § 44 Nr.13); dies schließt den Gesetzesverstoß und die bereits anfänglich gegebene Unrichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht aus. Die Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit und das nachträgliche Erbringen von Leistungen sind jedoch nicht mehr möglich, wenn es sich bei einem diesbezüglichen Antrag um Leistungen handelt, die mehr als vier Jahre vor dem Jahr der Antragstellung liegen (§ 44 Abs.4 SGB X). Auch insoweit handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so dass es im vorliegenden Fall nicht auf eine davon zu unterscheidende Verjährung gemäß § 45 Abs.1 SGB X binnen der dort vorgesehenen Vier-Jahres-Frist ankam. Nachdem, wie oben bereits dargelegt, in den vom Kläger im März 1997 und Oktober 1999 gestellten Kindergeldanträgen nicht zugleich ein Antrag gemäß § 44 SGB X liegt, ist das nachträgliche Erbringen von Leistungen unter Zurücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 08.06.1993 aufgrund eines erst am 27.12.2001 gestellten Überprüfungsantrages nicht zu verwirklichen. Die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs.4 SGB X begann am 01.01.1997 und erfasste nicht die monatlichen Zahlungsansprüche für Dezember 1992 bis Dezember 1995.
2.3. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt dem Kläger nicht zugute. Dieses von der Rechtsprechung herausgearbeitete Institut bei unrichtigen Rechtshinweisen des Leistungsträgers an den Bürger (oder bei aus konkretem Anlass für den zuständigen Sachbearbeiter erkenntlich gebotenen, aber unterlassenen Informationen) ist subsidiär, wenn ein im Gesetz vorgesehener Fall vorliegt, in dem die Rechtsfolgen bei unrichtigen Rechtshinweisen bzw. Mitteilung von unzutreffenden rechtlichen Sachverhalten und Gründen abschließend geregelt sind. Dies ist gerade bei den von § 44 SGB X erfassten Tatbeständen der Fall (BSG vom 23.07.1986 - 1 RA 31/85 in SozR 1300 § 44 Nr.23).
Der Kläger muss es hinnehmen, dass er materiell-rechtliche Kindergeldansprüche, die in der Verwaltungspraxis und von der Rechtsprechung zu spät erkannt worden sind, nicht mehr realisieren kann. Das BSG hat keineswegs in seinen Urteilen vom 12.04.2000 (a.a.O.) ausgesprochen, dass die von Gesetzes wegen zu beachtenden Fristen unerheblich seien; vielmehr kam es in dem entschiedenen Fall nicht auf diese Fristen an, weil der dortige Kläger rechtzeitig das Kindergeld beantragt und dann gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten mit Widerspruch, Klage und Revision vorgegangen ist.
Auch die Anwendung von Fristen für die Verwirklichung und zur späteren Durchsetzung von Ansprüchen ist rechtens. Auf Art.3 des Grundgesetzes kann sich der Kläger nicht berufen. In Bezug auf vereinzelte Bürger, die den Rechtsweg beschritten haben oder deren frühzeitig gestellter Kindergeldantrag aus anderen Gründen noch nicht durch eine bestandskräftige Entscheidung verbraucht ist und die daher nachträglich Kindergeldzahlungen für die Zeit bis Dezember 1995 erhalten haben oder noch erhalten können, liegt keine willkürliche Ungleichbehandlung vor. Es handelt sich um anders gelagerte Tatbestände, die aus einem sachlichen Grund, insbesondere wegen eines noch nicht eingetretenen Rechtsfriedens, auch anders zu behandeln sind.
Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein (durchsetzbarer) Anspruch auf Kindergeld für drei Kinder im Zeitraum Dezember 1992 bis einschließlich Dezember 1995.
Der im Jahre 1967 geborene Kläger und seine im Jahre 1971 geborene Ehefrau (Heirat am 22.11.1989), beide Staatsbürger Bosnien-Herzegowinas, gehören zu den sog. Bürgerkriegsflüchtlingen. Sie kamen mit dem 1992 geborenen Kind E. im März 1992 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Das zweite Kind A. wurde 1993 in R./BRD geboren. Der Aufenthalt der Familie beruhte zunächst auf mehreren vom Landratsamt K. ab April 1992 befristet ausgestellten und verlängerten Duldungen.
Die vom Kläger am 12.01.1993 für das erste Kind und am 16.04.1993 für das zweite Kind gestellten Kindergeldanträge lehnte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 08.06.1993 mit folgender Begründung ab: "Nach § 1 Abs.1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) haben Personen, die weder ihren Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, keinen Anspruch auf Kindergeld und Kindergeldzuschlag. Sie sind nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und begründen daher weder Ihren Wohnsitz noch Ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die genehmigte befristete Duldung bewirkt noch keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt, so dass die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 1 Abs.1 BKGG von Ihnen nicht erfüllt werden. Ich stelle Ihnen anheim, nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erneut Antrag auf Kindergeld zu stellen. Auf die Regelung des § 9 Abs.2 BKGG wird hingewiesen".
Am 17.03.1997 stellte der Kläger für die Kinder E. , A. und den 1994 geborenen E. Antrag auf Kindergeld, wobei er eine Bescheinigung der Firma W.K. über eine versicherungspflichtige Beschäftigung und eine für die Zeit vom 26.08.1996 bis 18.04.1997 ausgestellte Aufenthaltsbefugnis vorwies. Mit Bescheid vom 19.03.1997 gewährte die Familienkasse des Arbeitsamtes R. Kindergeld für drei Kinder nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) ab 01.09.1996 in Höhe von 95,00 DM monatlich (Anmerkung: die Höhe entspricht den Kindergeldsätzen nach dem deutsch-jugoslawischen Abkommen über Soziale Sicherheit) und lehnte eine Bewilligung für mehr als sechs Kalendermonate vor der Antragstellung unter Bezugnahme auf § 66 Abs.3 EStG ab. Nachdem der Kläger in der Folgezeit nur mehr eine Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis bis zum September 1997 vorwies und auf Aufforderungen, weitere Belege vorzulegen, und Mahnungen nicht reagierte, setzte die Familienkasse mit (bindend gewordenem) Bescheid vom 13.11.1997 wegen fehlender Mitwirkung (§ 90 bis 95, 97 Abgabenordnung - AO) das Kindergeld ab 01.10.1997 auf 0,00 DM fest.
Den dritten Kindergeldantrag stellte der Kläger persönlich am 20.10.1999, wobei er eine Haushaltsbescheinigung für drei Kinder und nunmehr eine vom 31.08.1999 bis 30.09.2000 geltende Aufenthaltserlaubnis vorwies. Wegen Änderung der Verhältnisse seit Erteilung des Bescheids vom 13.11.1997 gewährte die Familienkasse des Arbeitsamtes R. mit Bescheid vom 19.11.1999 Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz mit Wirkung ab 01.08.1999.
Ein vierter, mit dem 01.05.2001 datierter Kindergeldantrag (in der Folgezeit manchmal unrichtig bezeichnet als Antrag vom 01.05.2000) ging bei der Familienkasse des Arbeitsamts R. ohne Unterschrift am 30.05.2001 und unterschrieben am 29.11.2001 ein, wobei der Kläger die ehemals für die Zeit ab 01.10.1997 geforderten Unterlagen beibrachte. Mit Bescheid vom 30.11.2001 wurde nachträglich unter "Aufhebung" der Kindergeldfestsetzung vom 13.11.1997 (Festsetzung mit 0,00 DM ab 01.10.1997) Kindergeld nach dem EStG rückwirkend für die Zeit von Dezember 1997 bis Juli 1999 nachgezahlt.
Mit "Widerspruch" (gemeint: Einspruch) vom 27.12.2001 gegen den Bescheid vom 30.11.2001 machte ein vom Kläger bevollmächtigter Rechtsanwalt geltend, die Gewährung des Kindergeldes ab 01.12.1997 sei willkürlich; die Familie hätte entsprechend den Urteilen des Bundessozialgerichts vom April 2000 einen Anspruch zumindest ab Juli 1997, seines Erachtens sogar ab Einreise in die BRD und Arbeitsaufnahme. Um nochmalige Überprüfung des Bescheides werde gebeten.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22.01.2002 zurückgewiesen, weil das Kindergeld erstmals im März 1997 beantragt, rückwirkend ab September 1996 bewilligt und bestandskräftig ab 01.10.1997 auf 0,00 DM festgesetzt worden sei. Eine Korrektur nach § 70 Abs.3, § 176 AO sei nur ab dem 01.12.1997 (dem Monat nach Ergehen des "Entziehungsbescheides" vom 13.11.1997) möglich.
Die hiergegen beim Finanzgericht N. eingelegte Klage - sie richtete sich zuletzt auf die rückwirkende Bewilligung des Kindergeldes ab dem 01.01.1996 - wurde mit Urteil vom 11.07.2002 - VI 43/2002 - wegen Unbegründetheit abgewiesen.
Den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 10.04.2002 im finanzgerichtlichen Verfahren, mit dem ehemals die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung des Kindesgeldes für drei Kinder ab dem Zeitpunkt der Einreise des Klägers in die BRD und Arbeitsaufnahme begehrt worden war, wertete die Beklagte als Antrag auf sozialrechtliches Kindergeld. Sie erteilte - außerhalb des finanzgerichtlichen Verfahrens - den im jetzigen Prozess streitgegenständlichen Bescheid vom 20.06.2002, mit dem der Antrag auf Kindergeld nach dem BKGG für die Jahre 1992 bis 1995 wegen Verjährung der diesbezüglichen Ansprüche gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Teil I - SGB I - abgelehnt wurde.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wurde geltend gemacht, dass den Kindergeldansprüchen keine Verjährung entgegengehalten werden könne, weil das rechtzeitige Geltendmachen nicht möglich bzw. nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Der Widerspruchsführer hätte vor Ergehen des BSG-Urteils im Jahre 2000 mit Ablehnung rechnen müssen.
Der Rechtsbehelf wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2002 zurückgewiesen, weil bei erstmaliger Beantragung des Kindergeldes im Jahre 1997 - unabhängig von der Verjährungsfrist - Ansprüche (1992 bis 1995), die mehr als sechs Monate vor dem Monat der Antragstellung lägen, gemäß § 9 Abs.2 BKGG ausgeschlossen seien. Die vom Widerspruchsführer vorgebrachte Begründung könne zu keinem anderen Ergebnis führen, weil die verspätete Antragstellung nicht aufgrund einer fehlerhaften Rechtsauskunft der Familienkasse erfolgt sei.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut machte der Kläger geltend, er habe bereits im Januar 1993 Kindergeld beantragt, und der jetzigen verspäteten Beanspruchung könne aus bereits dargelegten Gründen weder Verjährung noch die Ausschlussfrist des § 9 Abs.2 BKGG a.F. entgegengehalten werden. Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.01.2004 ab, wobei es von einem erstmaligen Antrag auf Kindergeld für drei Kinder im Jahre 1997 ausging und im Übrigen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2002 Bezug nahm.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung machte der Kläger das Kindergeld auf der Grundlage des BKGG für die Zeit von 1992 bis 1995 geltend. Die Beklagte berief sich auf § 9 Abs.2 BKGG sowie § 45 SGB I und machte zusätzlich geltend, die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs.3 SGB X (gemeint wohl: § 44 Abs.4 SGB X) stehe einer Zahlung des Kindergeldes von 1992 bis 1995 entgegen, soweit sich der Kläger auf einen im Januar 1992 gestellten Antrag beziehe, der mit bestandskräftigem Bescheid vom 08.06.1993 abgelehnt worden sei.
Auf wiederholte umfassende Rechtshinweise des Senats und Aufforderungen zur Stellungnahme hat die Klagepartei nicht reagiert.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26.01.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 20.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, gegebenenfalls unter Rücknahme des Bescheides vom 08.06.1993 Kindergeld nach dem BKGG a.F. bis zum 31.12.1995 zu zahlen, und zwar für das erste Kind ab 01.12.1992 (Arbeitsaufnahme), für das zweite Kind ab 01.03.1993 und für das dritte Kind ab 01.03.1994, hilfsweise, hierüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogenen zwei Bände Kindergeldakten der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der vom Kläger gestellten vier Kindergeldanträge, wird hierauf Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Auch der Senat ist - mit ergänzenden Überlegungen und Begründungen - zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger Ansprüche auf Kindergeld nach dem BKGG a.F. (i.V.m. dem deutsch-jugoslawischen Abkommen über Soziale Sicherheit) für die Zeit von Dezember 1992 bis Dezember 1995 nicht mehr geltend machen kann. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts war letztlich nicht zu beanstanden, auch wenn er - wie der Widerspruchsbescheid - von einem laut Akteninhalt offensichtlich unrichtigem Sachverhalt ausging (Die erstmalige Beantragung des Kindergeldes für zwei von drei Kindern erfolgte im Januar und April 1993 und nicht erst im Jahre 1997.) und daher ein wesentlicher Teil der Urteilsbegründung fehlte. Nur der Urteilsspruch (Tenor: Die Klage wird abgewiesen) und nicht die Begründung des Gerichtsbescheides erwachsen in Rechtskraft, und der Tenor wie auch der Regelungssatz der eine rückwirkende Leistung ablehnenden Bescheide der Beklagten waren zutreffend.
1. Der Rechtsstreit ist vor dem Hintergrund folgender Rechtslage zu sehen: Gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 BKGG in der vom 01.01.1991 bis 31.12.1995 geltenden Fassung (BKGG a.F.) hat derjenige Anspruch auf das "sozialrechtliche" Kindergeld, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes (also der BRD) einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und zwar nur für Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls im Geltungsbereich des Gesetzes haben (§ 2 Abs.5 Satz 1 BKGG a.F.).
In Umsetzung der Auslegung der Begriffe "Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt" durch das Bundessozialgericht im Sinne einer berechtigten, auf Dauer angelegten Bleibe im Gegensatz zu einem ungesicherten, vorübergehenden Verweilen bestimmte der Gesetzgeber in § 1 Abs.3 BKGG in der vom 01.01.1991 bis 31.12.1993 geltenden Fassung, dass Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, einen Kindergeldanspruch nach diesem Gesetz nur haben, wenn sie nach den §§ 51, 53 und 54 des Ausländergesetzes auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt von einem Jahr. § 1 Abs.3 BKGG in der vom 01.01.1994 bis 31.12.1995 geltenden Fassung formulierte die Kindergeldberechtigung eines Ausländers dahingehend, dass dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sein müsse, womit auf die in §§ 15, 17, 27 des ab 01.01.1991 geltenden Ausländergesetzes - AuslG - umschriebenen Arten der Aufenthaltsgenehmigung im Gegensatz zur Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG) und Aufenthaltsbefugnis (Befugnis nach § 30 AuslG, u.a. möglich nach zwei Jahren der Duldung oder unter den besonderen Voraussetzungen für eine Duldung nach § 55 Abs.2 AuslG) Bezug genommen wurde. § 1 Abs.3 BKGG in der in den Jahren 1994/95 geltenden Fassung wurde im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 06.07.2004 - 1 BvL 4/97, 5/97 und 6/97 hinsichtlich Ausländer mit dem minderen Aufenthaltsstatus "Aufenthaltsbefugnis" für unvereinbar mit Art.3 Abs.1 GG erklärt mit der Maßgabe, dass die vorausgehende Fassung der Vorschrift anzuwenden sei, wenn der Gesetzgeber für noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Verfahren bis zum 01.01.2006 keine Neuregelung treffe.
Gemäß Art.28 Abs.1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien vom 12.10.1968 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974, das ipso iure, d.h. ohne Transformationsgesetz nach Art.59 Abs.2 Satz 1 GG, im Verhältnis der BRD zu Bosnien-Herzegowina weiter gelten soll, haben die in einem Vertragsstaat (hier: Deutschland) beschäftigten Personen (bzw. Bezieher von Arbeitslosen- und Krankengeld im Anschluss an diese Beschäftigung) Anspruch auf Kindergeld für ihre im Gebiet des anderen Vertragsstaates (hier: Bosnien-Herzegowina) sich gewöhnlich aufhaltenden Kinder in Höhe besonders vereinbarter Sätze (10,00 DM, 20,00 DM und 65,00 DM für das erste, zweite und dritte Kind). Nach der Rechtsprechung, zuletzt bestätigt durch die Urteile des BSG vom 19.11.1997 - 14/10 RKg 19/96 und 22.01.1998 - B 14 KG 2/97 R, hatten die in der BRD lebenden (und beschäftigten) Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, die regelmäßig nur geduldet waren und sich daher in der BRD nur auf (durch die Zeit des Krieges) bestimmte, vorübergehende Zeit aufhielten, weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD; sie sollten auch nicht aufgrund des durch das Abkommensrecht modifizierten BKGG berechtigt sein, Kindergeld in der gemäß Art.28 Abs.1 des Abkommens beschränkten Höhe zu beziehen.
Erst mit Urteilen des BSG vom 12.04.2000 - B 14 KG 2/99 und 3/99 R wurde diese Rechtsauffassung aufgegeben. Ist die Voraussetzung erfüllt, dass der Kindergeld-Antragsteller Arbeitnehmer im Sinne der deutschen Vorschriften ist (Art.2 Abs.1 Buchst.d des Abkommens - versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis -, erweitert bei Bezug von Arbeitslosen- oder Krankengeld gemäß Art.28 des Abkommens), komme es wegen der vertraglichen Gleichstellung von Staatsgebieten und Staatsangehörigen (Art.3 Abs.1 Buchst.a, Art.4 Abs.1 Satz 1 des Abkommens) nur darauf an, dass sowohl er als auch die Kinder nicht außerhalb des Gebietes beider Staaten wohnten oder sich gewöhnlich aufhielten; insoweit sei nicht auf den Wohnsitz oder den ständigen Aufenthalt im Sinne von § 1 Abs.1 Nr.1, § 2 Abs.5 BKGG abzustellen. Damit bestehe bereits ein Kindergeldanspruch. Art.28 Abs.1 des Abkommens begründe nicht, wie früher angenommen, erst einen Kindergeldanspruch, sondern regele nur je nach dem "Wohnen" (im Sinne des Vertragsrechts) des Kindes in der BRD oder in Bosnien-Herzegowina und damit unter Berücksichtigung von Kaufkraftgefälle und der unterschiedlichen Unterhalts- und Erziehungskosten die Höhe des Kindergeldes. Daher bestünde bei dem "Wohnen" von Arbeitnehmer und Kind in der BRD sogar ein Kindergeldanspruch in Höhe der deutschen Sätze und nicht in minderer Höhe nach dem Abkommensrecht.
Die Urteile des BSG vom 12.04.2000, die die Jahre bis 1995 betrafen, wurden von der Verwaltung sowohl auf dem Gebiet des "sozialrechtlichen" Kindergeldes nach dem bis 31.12.1995 geltenden BKGG a.F. als auch auf dem Gebiet des ab 01.01.1996 nach Anspruchsgrund völlig neu gestalteten Kindergelds nach dem Einkommensteuergesetz umgesetzt, soweit dies noch möglich erschien. Zahlreiche Bosnier haben vor allem im Jahr 2001 Antrag auf rückwirkende Bewilligung des Kindergeldes für die Zeit vor und ab dem 01.01.1996 gestellt, wobei rückwirkende "Korrekturen" vor allem für die Zeit ab 01.07.1997 erfolgten, weil die auf sechs Monate beschränkte Rückwirkung von Kindergeldanträgen im Steuerrecht mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben wurde.
2. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG an, muss aber betonen - dies scheinen fast alle Bosnier bei nachträglicher Geltendmachung eines Kindergeldanspruches entweder zu ignorieren oder, teils mit erheblicher Vehemenz, abzustreiten -, dass nicht nur das Bestehen eines materiell-rechtlichen Kindergeldanspruchs von Bedeutung ist, sondern alle verfahrensrechtlichen Vorschriften zur erstmaligen Verwirklichung und zur nachträglichen Durchsetzung dieses Anspruchs, wobei für das "sozialrechtliche" Kindergeld im Zeitraum bis zum 31.12.1995 andere Vorschriften gelten als für das ab 01.01.1996 zu zahlende "steuerrechtliche" Kindergeld. Im Sozialrecht sind zu beachten: Zwingend vorgeschriebene Schriftform des Antrages - § 17 BKGG a.F.; Zeitpunkt des Kindergeldantrages; Ausschlussfristen nach § 9 Abs.2 BKGG a.F. bzw. § 5 Abs.2 BKGG n.F.; Verjährung von Ansprüchen nach § 45 Abs.1 SGB I bei wirksam erhobener Einrede des Leistungsträger; Ausschlussfrist des § 44 Abs.4 SGB X bei Überprüfungsanträgen; Rücknahme rechtswidriger Entscheidungen und rückwirkende Erbringung von Leistungen innerhalb der letztgenannten Ausschlussfrist nur nach Ermessen des Leistungsträgers - § 44 Abs.1 SGB X i.V.m. § 20 Abs.5 BKGG a.F. oder § 44 Abs.2 SGB X.
2.1. Nach Ablehnung des ersten Kindergeldantrags des Klägers im Juni 1993 hat dieser bis November 2001 keinen Antrag auf Kindergeld nach dem BKGG a.F. für die Zeit von 1992 bis 1995 gestellt. Vorliegend stellt sich - wird die Verschiedenartigkeit der Kindergeldansprüche bis zum 31.12.1995 und ab 01.01.1996 hinweg- gedacht - der im März 1997 vom Kläger gestellte Antrag auf Kindergeld für drei Kinder als Neuantrag dar, der einige Zeit nach Ablehnung des ersten Antrages auf Kindergeld für zwei Kinder im Jahre 1993 erfolgte, und zwar vor dem Hintergrund eines geänderten Aufenthaltsstatus des Klägers; statt den bisherigen Duldungen (nachgewiesen nur für die Jahre 1992 und 1993) wurde erstmals eine ab 26.08.1996 geltende befristete Aufenthaltsbefugnis vorgelegt. Eine rückwirkende Bewilligung des Kindergelds hatte der Kläger weder ausdrücklich noch sinngemäß beantragt, ebenso wenig eine Überprüfung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 08.06.1993. Richtigerweise hatte die Familienkasse den im März 1997 gestellten Antrag als Neuantrag vor dem Hintergrund der aktuell geltenden Kindergeldvorschriften, d.h. der ab 01.01.1996 eingeführten §§ 31, 62 ff., 67 Abs.1 EStG gewertet und auch so verbeschieden, wobei § 66 Abs.3 EStG zur Anwendung kam, der eine rückwirkende Gewährung für mehr als sechs Monate vor dem Monat der Antragstellung (damit für August 1996) ausschloss (§ 66 Abs.3 EStG wurde erst mit Wirkung für einen späteren Zeitraum aufgehoben, vgl. § 52 Abs.62 EStG). Die Verbescheidung der Familienkasse stellt sich nach Form und Inhalt als eine Prüfung und Entscheidung über einen erstmals nach dem EStG gestellten Kindergeldantrag dar. Es wurde hier auch nicht unbeschränkt zurückwirkend und damit über ein nach dem BKGG a.F. bis zum 31.12.1995 eventuell zustehendes Kindergeld entschieden. Vielmehr beschränkte sich der das Kindergeld ab 01.09.1996 bewilligende Bescheid vom 19.03.1997 auf die für einen Neuantrag (bzw. Erstantrag nach dem EStG) übliche Frist für einen frühestmöglichen Leistungsbeginn, bezogen auf das Datum des Antrages vom 17.03.1997.
Der dritte Kindergeldantrag des Klägers vom 20.10.1999 war gleichfalls als Neuantrag nach "Entzug" des steuerrechtlichen Kindergeldes ab 01.10.1997 (Bescheid vom 13.11.1997) zu werten. Auch hier ist nicht der geringste Bezug zu einem eventuell bis Dezember 1995 zustehenden Kindergeld zu erkennen, weder nach dem Inhalt des Antrags des Klägers noch nach dem Inhalt des Bescheides vom 19.11.1999, der bei der Bewilligung des Kindergeldes ab 01.08.1999 davon ausging, dass ab dem Nachweis der Aufenthaltserlaubnis vom 31.08.1999 eine Kindergeldberechtigung wieder vorgelegen hat.
Der vierte Kindergeldantrag des Klägers vom 30.05.2001 bzw. 29.11.2001 war unter Zugrundelegung der nachträglich beigebrachten Unterlagen und der telefonischen Mahnung des Klägers vom 24.09.2001 nicht nur auf Weitergewährung des ab 01.08.1999 festgesetzten Kindergeldes, sondern auch auf rückständige Zahlungen für den Zeitraum vom 01.10.1997 bis 31.07.1999 bezogen und wurde mit Bescheid vom 30.11.2001 unter Zugrundelegung der Vorschriften der AO dahingehend verbeschieden, dass ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG nur für die Zeit vom 01.12.1997 bis 31.07.1999 gewährt werden kann. Wiederum ist nach dem Inhalt des Kindergeldantrages und dem Inhalt des bewilligenden Bescheides nicht davon auszugehen, dass ein bis Dezember 1995 eventuell nach materiell-rechtlichen Vorschriften zustehendes, aber bisher nicht gezahltes Kindergeld gemeint sein könnte.
Insoweit war eine Verbescheidung auch nicht veranlasst. Ein teilweise noch offener Kindergeldantrag, über den versehentlich nicht in vollem Umfang entschieden worden wäre, und mittels dessen unter Umständen Kindergeldansprüche für die Zeit von 1992 bis 1995 noch verwirklicht werden könnten, ist bis November 2001 nicht ersichtlich.
2.2. Erst nach November 2001 wurde vom Kläger ein Antrag gestellt, der sich auf das Kindergeld seit Einreise in die BRD (März 1992) und Arbeitsaufnahme (Dezember 1992) bezog, damit sinngemäß auf Kindergeld ab 01.12.1992 für E. , ab 01.03.1993 für A. und ab 01.03.1994 für E ... Dieser Antrag lag allerdings nicht, wie von der Beklagten und dem Sozialgericht gesehen wurde, in der Begründung der beim Finanzgericht eingelegten Klage gegen den Bescheid vom 30.11.2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.01.2002 (Schriftsatz des Klägers vom 10.04.2002), sondern bereits in dem Einspruch vom 27.12.2001 gegen den Bescheid vom 30.11.2001, mit dem - bei bereits gegebenen Kindergeldbezügen des Klägers von September 1996 bis einschließlich September 1997 und ab 01.08.1999 - Kindergeld rückwirkend für die Zeit vom 01.12.1997 bis 31.07.1999 bewilligt und sinngemäß (nur) für Oktober und November 1997 abgelehnt wurde. Die Bevollmächtigten des Klägers hatten vermutlich die Tragweite des Bescheides vom 30.11.2001 (wie auch die der späteren Einspruchsentscheidung vom 22.01.2002) nicht richtig gesehen und in Unkenntnis des gesamten Sachverhalts oder unter Fehlbewertung der Rechtslage eine umfassende Entscheidung der Familienkasse darüber für möglich gehalten, ob und inwieweit dem Kläger rückwirkend für alle Zeiträume ab 01.12.1992, in denen er bisher kein Kindergeld erhalten hat, nachträglich Leis-tungen zustehen oder nicht zustehen würden. Dementsprechend wurde auch vom Anwalt des Klägers um "Überprüfung des Bescheides" gebeten.
Der "Widerspruch" vom 27.12.2001 war nicht nur als Einspruch zu werten, sondern vorsorglich zugunsten des Klägers sowohl als Neuantrag auf Kindergeld nach dem BKGG a.F. für drei Kinder im Zeitraum von 1992 bis 1995 als auch als Überprüfungsantrag im Sinne von § 44 SGB X. Hinsichtlich des Überprüfungsantrages ging es bei richtiger Betrachtungsweise um eine ermessensgerechte Entscheidung der Beklagten im Sinne von § 44 Abs.1 SGB X i.V.m. § 20 Abs.5 BKGG a.F., ob und für welche Zeiträume in der Vergangenheit der bestandskräftige Bescheid vom 08.06.1993, mit dem die Bewilligung von Kindergeld für die zwei ältesten Kinder des Klägers abgelehnt worden ist, wegen Unrichtigkeit zurückgenommen wird und rückwirkend zu Unrecht nicht erbrachte Leistungen für zwei Kinder gezahlt werden.
Als Neuantrag auf Kindergeld für drei Kinder kann der Antrag vom 27.12.2001 nicht mehr zur Zahlung eines Kindergelds für die Jahre 1992 bis 1995 führen. Gemäß § 9 Abs.2 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F. sind Leistungen für mehr als sechs Kalendermonate vor dem Kalendermonat des Antrags nicht zu erbringen. Die genannten Vorschriften beinhalten eine absolute, von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist, so dass bei Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X nicht möglich ist (BSG vom 22.11.1979 - 8b RKg 3/79 in BSGE 49, 154), abgesehen davon, dass vorliegend auch die Voraussetzungen für die geltend gemachte Wiedereinsetzung nicht vorlägen. Das fehlende Wissen über die Rechtslage bzw. die Unkenntnis vom Bestehen von Kindergeldansprüchen stellt kein objektives Hindernis für die Einhaltung einer (mit Bescheid vom 08.06.1993 dem Kläger mitgeteilten) Antragsfrist dar (§ 27 Abs.1 SGB X), abgesehen davon, dass die Klagepartei nicht dargetan hat, dass ein Wiedereinsetzungsantrag bereits innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (Beseitigung der Unkenntnis mit Urteil des BSG vom 12.04.2000) gestellt wurde (§ 27 Abs.2 SGB X).
Eventuell gegebene Kindergeldansprüche des Klägers bis einschließlich Juni 1995 waren gemäß dem bis zum 31.12.1995 geltenden § 9 Abs.2 BKGG a.F. bereits mit Ablauf des Dezember 1995 ausgeschlossen. Entsprechendes gilt für Ansprüche für Juli bis Dezember 1995 aufgrund des den § 9 Abs.2 BKGG a.F. ab 01.01.1996 ersetzenden gleichlautenden § 5 Abs.2 BKGG n.F., weil ein Antrag auf dieses Kindergeld nicht in der Zeit von Januar bis Juni 1996 gestellt worden ist.
§ 5 Abs.2 BKGG n.F. ist erst durch Art.30 Nr.1 des Gesetzes vom 16.12.1997 (BGBl. 1997 I, 2970) mit Wirkung ab 01.01.1998 aufgehoben worden, wobei er letztmals für das Kalenderjahr 1997 anzuwenden war, so dass Kindergeld auf einen nach dem 31.12.1997 gestellten Antrag rückwirkend längstens bis einschließlich Juli 1997 gezahlt werden konnte (§ 20 Abs.2 BKGG n.F.). Für die vorausgehende Zeit blieb es jedoch bei dem - nach sechs Monaten - Monat für Monat eintretenden Ausschluss von Kindergeldansprüchen durch § 5 Abs.2 BKGG n.F. und ohnehin durch § 9 Abs.2 BKGG a.F. Mit Juli 1996 waren alle Zahlungsansprüche des Klägers aus der Zeit bis Dezember 1995 untergegangen.
Die Kindergeldansprüche für die Zeit bis Dezember 1995 konnten daher nicht mehr, wie die Beklagte meinte, in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, verjähren (§ 45 Abs.1 SGB I), weil die Verjährung entstandene, fällige und noch existente Ansprüche erfasst, nicht hingegen untergegangene (u.a. kraft Gesetzes später ausgeschlossene) Ansprüche betreffen kann. Unerheblich war daher der Mangel, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid vom 20.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2002 nicht die nach § 45 SGB I erforderliche Ermessensausübung, gegebenenfalls die Reduzierung des Ermessensspielraums durch die in ihren Dienstanweisungen beschriebenen Gesichtspunkte, die sich auch noch als sachgerecht erweisen müssten, dargelegt hat (§ 35 Abs.1 Satz 2, § 41 Abs.1 Nr.2 SGB X).
Wird der Kindergeldantrag vom 27.12.2001 hingegen nicht als Neuantrag beurteilt, sondern unter dem Blickwinkel eines Überprüfungsantrags gemäß § 44 SGB X gesehen, sind insoweit zwar § 9 Abs.2 BKGG a.F., § 5 Abs.2 BKGG n.F. nicht anwendbar. Diese Vorschriften gelten für einen Erstantrag oder Neuantrag (Antrag nach bestandskräftiger Ablehnung oder nach Beendigung des Kindergeldrechts aus sonstigen Gründen), nicht hingegen für den Antrag auf Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte und auf nachträgliche Erbringung von Leistungen. § 44 Abs.1 SGB X setzt voraus, dass sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes (hier: Bescheid vom 08.06.1993) das Recht unrichtig angewandt worden ist (oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist) und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Eine Unrichtigkeit, d.h. damit auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, liegt auch dann vor, wenn der Verwaltungsakt bei seinem Erlass der damaligen, in der Folgezeit geänderten Rechtsprechung des BSG entsprach (BSG vom 25.10.1984 - 11 RAz 3/83 in SozR 1300 § 44 Nr.13); dies schließt den Gesetzesverstoß und die bereits anfänglich gegebene Unrichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht aus. Die Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit und das nachträgliche Erbringen von Leistungen sind jedoch nicht mehr möglich, wenn es sich bei einem diesbezüglichen Antrag um Leistungen handelt, die mehr als vier Jahre vor dem Jahr der Antragstellung liegen (§ 44 Abs.4 SGB X). Auch insoweit handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so dass es im vorliegenden Fall nicht auf eine davon zu unterscheidende Verjährung gemäß § 45 Abs.1 SGB X binnen der dort vorgesehenen Vier-Jahres-Frist ankam. Nachdem, wie oben bereits dargelegt, in den vom Kläger im März 1997 und Oktober 1999 gestellten Kindergeldanträgen nicht zugleich ein Antrag gemäß § 44 SGB X liegt, ist das nachträgliche Erbringen von Leistungen unter Zurücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 08.06.1993 aufgrund eines erst am 27.12.2001 gestellten Überprüfungsantrages nicht zu verwirklichen. Die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs.4 SGB X begann am 01.01.1997 und erfasste nicht die monatlichen Zahlungsansprüche für Dezember 1992 bis Dezember 1995.
2.3. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt dem Kläger nicht zugute. Dieses von der Rechtsprechung herausgearbeitete Institut bei unrichtigen Rechtshinweisen des Leistungsträgers an den Bürger (oder bei aus konkretem Anlass für den zuständigen Sachbearbeiter erkenntlich gebotenen, aber unterlassenen Informationen) ist subsidiär, wenn ein im Gesetz vorgesehener Fall vorliegt, in dem die Rechtsfolgen bei unrichtigen Rechtshinweisen bzw. Mitteilung von unzutreffenden rechtlichen Sachverhalten und Gründen abschließend geregelt sind. Dies ist gerade bei den von § 44 SGB X erfassten Tatbeständen der Fall (BSG vom 23.07.1986 - 1 RA 31/85 in SozR 1300 § 44 Nr.23).
Der Kläger muss es hinnehmen, dass er materiell-rechtliche Kindergeldansprüche, die in der Verwaltungspraxis und von der Rechtsprechung zu spät erkannt worden sind, nicht mehr realisieren kann. Das BSG hat keineswegs in seinen Urteilen vom 12.04.2000 (a.a.O.) ausgesprochen, dass die von Gesetzes wegen zu beachtenden Fristen unerheblich seien; vielmehr kam es in dem entschiedenen Fall nicht auf diese Fristen an, weil der dortige Kläger rechtzeitig das Kindergeld beantragt und dann gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten mit Widerspruch, Klage und Revision vorgegangen ist.
Auch die Anwendung von Fristen für die Verwirklichung und zur späteren Durchsetzung von Ansprüchen ist rechtens. Auf Art.3 des Grundgesetzes kann sich der Kläger nicht berufen. In Bezug auf vereinzelte Bürger, die den Rechtsweg beschritten haben oder deren frühzeitig gestellter Kindergeldantrag aus anderen Gründen noch nicht durch eine bestandskräftige Entscheidung verbraucht ist und die daher nachträglich Kindergeldzahlungen für die Zeit bis Dezember 1995 erhalten haben oder noch erhalten können, liegt keine willkürliche Ungleichbehandlung vor. Es handelt sich um anders gelagerte Tatbestände, die aus einem sachlichen Grund, insbesondere wegen eines noch nicht eingetretenen Rechtsfriedens, auch anders zu behandeln sind.
Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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