L 2 P 32/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 P 21/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 32/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21. April 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Weitergewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II, hilfsweise nach der Pflegestufe I, über den 30.11.2002 hinaus.

Der 1991 geborene Kläger, der durch seinen Vater gesetzlich vertreten wird, leidet an einem angeborenen schweren Herzfehler. Er erhielt von der vormals zuständigen AOK U. mit Bescheid vom 24.02.1994 zur Finanzierung der häuslichen Pflege ab 01.11.1993 monatliches Pflegegeld in Höhe von 400,00 DM. Ab 01.07.1994 war er bei der AOK G. familienversichert. Mit Bescheid vom 01.03.1995 erhielt er ab 01.04.1995 Leistungen nach der Pflegestufe II (Pflegegeld in Höhe von 800,00 DM). Im Rahmen einer Nachprüfung stellte der MDK am 13.11.1998 fest, dass unverändert Leistungen in Pflegestufe II zu gewähren seien. Im Bereich der Grundpflege sei ein Mehrbedarf von 180 Minuten pro Tag anzunehmen. Mit Bescheid vom 17.11.1998 bewilligte die Beklagte weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II vorläufig bis 31.10.2002.

Der MDK stellte in einem Gutachten vom 04.11.2002 im Ergebnis fest, dass keine Pflegestufe mehr bestünde. Der Kläger besuche zur Zeit die Förderschule in T ... Der Junge habe seine Entwicklungsverzögerung mittlerweile aufgeholt. Er bewege sich frei in der Schule, im Hof und in der Wohnung. Bei den grundpflegerischen Tätigkeiten benötige er, wie auch andere Elfjährige, noch lose Aufsicht, Aufforderungen und Korrekturhilfen. Ein Mehrbedarf sei nicht mehr erkennbar. Im hauswirtschaftlichen Bereich bestehe ebenfalls kein Mehrbedarf mehr. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2002 die Leistungen der Pflegeversicherung ab 01.11.2002 ein und hob den Bescheid vom 17.11.1998 gemäß § 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) auf.

Zur Begründung des Widerspruchs wurde ausgeführt, dass der Kläger die Förderschule in T. nicht selbstständig besuchen könne. Er müsse täglich von den Eltern zum Bus gebracht und abgeholt werden. Zwei- bis dreimal pro Monat seien Arztbesuche erforderlich. Nahezu täglich würden insbesondere nachts Schmerzen auftreten. Der Kläger müsse dann von der Mutter versorgt und beruhigt werden. Medikamente müssten morgens und abends unter Aufsicht vorbereitet und eingenommen werden. Die Aufgabenbetreuung bedinge einen erheblichen Mehrbedarf gegenüber einem gesunden Jungen. Weiterhin benötige der kindliche Kläger Hilfe beim Waschen und Baden, Richten der Bekleidung, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, beim Ankleiden und beim Treppensteigen. Der Gesamt-Hilfebedarf umfasse 255 Minuten im Tagesdurchschnitt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 10.01.2003 nach Aktenlage ein, nach der ebenfalls ein Mehrhilfebedarf gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Jungen im Bereich der Körperpflege, der Nahrung und der Mobilität medizinisch nicht begründet sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 11.03.2003 Klage beim Sozialgericht Augsburg. Mit Widerspruchs- bzw. Teilabhilfebescheid vom 01.04.2003 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und gewährte Pflegegeld nach der Pflegestufe II bis 30.11.2002. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Leistungsgewährung ein Verwaltungsakt zu Grunde lag, der im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden könne.

Das Sozialgericht zog insbesondere die Akte des Versorgungsamtes A. bei und holte ein pflegerisches Gutachten der E. S. ein. Gemäß dem Gutachten vom 06.01.2004 liegt ein Zustand nach operativer Korrektur einer angeborenen Tricuspidalatresie (Verschluss der Segelklappe) im Jahr 1996 vor. Die Entwicklungsverzögerungen seien inzwischen kompensiert. Ein pflegerischer Mehrbedarf in Folge funktioneller körperlicher Einschränkungen im Vergleich zu Gleichaltrigen sei nicht feststellbar. Der Kläger bedürfe altersgemäß in der Grundpflege der losen Beaufsichtigung und gelegentlichen Anleitungen, Anregungen oder Korrektur durch die Mutter. Der Zeitaufwand hierfür überschreite einen täglichen Aufwand von über 45 Minuten nicht. Für nächtliche Begleitung auf die Toilette seien 3 Minuten, für mundgerechte Zubereitung von Essen (um Verletzungen vorzubeugen) ebenfalls 3 Minuten und für vermehrte Arztbesuche 5 Minuten, insgesamt also im Bereich der Grundpflege ein Mehrbedarf von 11 Minuten pro Tag anzusetzen. Der Kläger bedürfe altersgemäß der hauswirtschaftlichen Versorgung durch die Mutter, es bestehe aber kein höherer Bedarf als bei sonstigen gleichaltrigen Jungen. Aus anderen Faktoren ergebe sich zwar ein zeitlicher Mehraufwand für die Mutter, insbesondere durch regelmäßig durchzuführende Bluttests und die Dokumentation von ca. 10 bis 15 Minuten; außerdem ergebe sich aus der langjährigen Krankengeschichte ein erhöhter Bedarf an Fürsorglichkeit, Entlastung, persönlicher Zuwendung und Beobachtung. Hierbei handele es sich aber um behandlungspflegerische Maßnahmen und nicht um Leistungen aus dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI).

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 21.04.2004 ab, soweit sie über den Bescheid vom 12.11.2002 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11.02.2003 und 01.04.2003 hinausgeht. Die Beklagte verpflichtete es ein Zehntel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im gerichtlichen Verfahren zu erstatten. Es folgte dabei weitgehend den Stellungnahmen des MDK vom 04.11.2002 und 10.01.2003 sowie dem Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen E. S. vom 06.01.2004. Danach sei es im Vergleich zur Vorbegutachtung im November 1998 zu einer erheblichen Verringerung des Pflegebedarf gekommen. Aufgrund der schweren Herzerkrankung und der daraus resultierenden erheblichen Entwicklungsverzögerung habe der kindliche Kläger im Oktober 1998 noch drei Stunden pro Tag grundpflegerische Hilfen benötigt. Dieser Umfang sei aus heutiger Sicht nur insoweit zu korrigieren, als die Begleitung zum Schulbus mit 20 Minuten zu Unrecht berücksichtigt worden sei. Aber auch ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von (richtig) ca. 160 Minuten pro Tag habe zum damaligen Zeitpunkt zutreffend die weitere Einstufung in die Pflegestufe II bedungen. Eine ursprüngliche Fehlentscheidung im Sinne von § 45 SGB X sei nicht erkennbar. Vielmehr habe in den seither vergangenen vier Jahren die Selbstständigkeit des Klägers erheblich zugenommen. Gegenüber einem gleichaltrigen Jungen bestehe nur noch ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 11 Minuten pro Tag. Die erforderlichen Blutmessungen sowie die derzeit durchgeführte medizinisch verordnete Gesichtsmassage seien als Behandlungspflege dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen. Gleiches gelte für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten. Dass Medikamente u.a. zur Vermeidung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes eingenommen werden müssten, womit ein erhebliches Blutungsrisiko verbunden sei, sei aus medizinischer Sicht ein gravierender Gesichtspunkt, der jedoch im Rahmen des Pflegeversicherungsrechts gemäß §§ 14 und 15 SGB XI keine Berücksichtigung finde. Im Übrigen werde nicht verkannt, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers höchstens 70 % der normalen Leistungsfähigkeit eines gleichaltrigen Jungen betrage, was jedoch kaum etwas über den Pflegebedarf aussage.

Zur Begründung der Berufung brachte der Kläger vor, eine Änderung seines Gesundheitszustandes sei nicht erkennbar. Er sei in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt, da er statt normalerweise zwei Herzkammern nur eine einzige habe. Von daher sei es nicht vorstellbar, dass eine Reduzierung des Pflegebedarfes von der Stufe II auf null eingetreten sei. Noch im Jahr 1998 sei in einem Gutachten festgestellt worden, dass er ca. 180 Minuten grundpflegerische Hilfen benötigte und somit die Voraussetzungen der Pflegestufe II vorlägen. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Überprüfung vom 01.08.2002 nun keinen Hilfebedarf mehr ergeben haben soll. Auf exemplarische Aufzeichnungen der Hilfe für den Kläger an Hand eines durchschnittlichen Tagesablaufes wurde verwiesen. Hieraus ergibt sich ein Hilfebedarf von insgesamt 156 Minuten pro Tag.

Gemäß klägerischem Antrag auf Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das Gericht ein Gutachten der Kinder- und Jugendärztin Dr. S. V. nach ambulanter Untersuchungen in der Praxis vom 23.05.2005 ein. Danach ergebe sich im Bereich der Grundpflege gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind ein Mehrbedarf an Hilfe von mindestens 94 Minuten pro Tag. Hiervon entfielen auf: - Waschen: 15 Minuten, - Duschen und Baden: 15 Minuten, - Zahnpflege dreimal 5 Minuten, - Kämmen: 15 Minuten, - Darm- und Blasenentleerung: 14 Minuten, - Ernährung: zweimal Minuten sowie - An-/Auskleiden: 15 Minuten.

Die hauswirtschaftliche Versorgung werde komplett von der Mutter übernommen; dies sei jedoch bei einem 13-jährigen Jungen der Regelfall. Aufgrund des starken nächtlichen Schwitzens bestehe mehrfach wöchentlich ein Hilfebedarf beim Wechsel des Schlafanzugs und/oder der Bettwäsche, die dann auch zu waschen sei. Eine Fehlentscheidung bei Einstufung in die Pflegestufe II bis Ende 2002 sei nicht zu erkennen. Im Anschluss sei die Einstufung in die Pflegestufe I gerechtfertigt.

Die Beklagte lehnte mit Schriftsatz vom 20.06.2005 die Anerkennung der Pflegestufe I beim Kläger ab. Es fehlten vollständig Feststellungen über die tatsächlichen Fertigkeiten des Pflegebedürftigen. Darüber hinaus sei der Kläger nicht im häuslichen Umfeld begutachtet worden. Der Untersuchungsbefund beziehe sich auf die medizinischen Diagnosen. Welche Fertigkeiten der Kläger entwickelt habe und wie intensiv die pflegerische Betreuung tatsächlich sein müsse, sei in keiner Weise reflektiert worden. Die Gutachterin beziehe sich ausschließlich auf die Aussagen der Mutter sowie das von ihr geführte Tagebuch. Damit lasse sich jedoch der Hilfebedarf nicht konkret feststellen. Soweit ein Mehrbedarf gegenüber einem gesunden gleichartigen Kind festgestellt werde, werde dieser nicht entsprechend der gesetzlichen Vorgaben geschätzt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21.04.2004 sowie den Bescheid vom 12.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003 aufzuheben, den Widerspruchs-/Abhilfebescheid vom 01.04.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 30.11.2002 hinaus Leistungen nach der Pflegestufe II, hilfsweise nach der Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.

Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB XI Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 Satz 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt.

Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfes bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der in diesen Bestimmungen aufgeführte Katalog der Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen, eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI muss zudem der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung in der Pflegestufe II täglich mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen. In der Pflegestufe I muss der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung täglich mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Unter Grundpflege ist die Hilfe bei gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 3 bis 4 SGB XI), unter hauswirtschaftlicher Versorgung die Hilfe bei der Nahrungsbesorgung und -zubereitung, bei der Kleidungspflege sowie bei der Wohnungsreinigung und -beheizung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) zu verstehen.

Zur Grundpflege zählen:

1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung;

2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung; 3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Bei Kindern ist ferner gemäß § 15 Abs. 2 SGB XI für die Zuordnung nur der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

1. Eine Aufhebung des Bescheides vom 17.11.1998 durch die Beklagte gemäß § 48 SGB X hätte es vorliegend nicht bedurft, da dieser Bescheid nur eine befristete Gewährung von Pflegegeld in der Pflegestufe II bis 31.10.2002 enthielt. Auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X, insbesondere auf eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vom 17.11.1998 vorgelegen haben, kommt es deshalb nicht an.

2. Entscheidend ist allein, ob seit 01.12.2002 die Voraussetzungen der Pflegestufe II, hilfsweise der Pflegestufe I vorliegen. Für das Vorliegen der Pflegestufe II ergeben sich auch aufgrund des Gutachtens der Dr. S. V. vom 23.05.2005 keine Anhaltspunkte. Die Gutachterin sieht lediglich einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 94 Minuten pro Tag, so dass gemäß § 15 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB XI allenfalls eine Einstufung in die Pflegestufe I in Betracht käme.

3. Eine Verurteilung der Beklagten gemäß dem Hilfsantrag auf Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I scheidet jedoch ebenfalls aus. Das Gutachten der Frau Dr. V. , die anders als die Vorgutachterin Frau S. vom Vorliegen der Pflegestufe I ausgeht, vermag nicht zu überzeugen. Die Sachverständige orientiert sich gemäß Anlage 2 des Gutachtens stark an dem Tagebuch der Mutter des Klägers. Demgegenüber machte sich die vom Sozialgericht eingeschaltete Gutachterin bei einem Hausbesuch vor Ort ein Bild von der Pflegesituation und stützte ihr Gutachten somit neben den Angaben der Mutter auch auf einen eigenen Eindruck sowie eine eigene medizinische Bewertung. Hieraus erklären sich die zeitlichen Abweichungen bei der Beurteilung des Hilfebedarfs. Wie bereits vom Sozialgericht ausgeführt, sind die Angaben der medizinischen Sachverständigen S. nachvollziehbar und überzeugend, zumal sie sich auch mit den Stellungnahmen des MDK decken. Die Pflegesituation des Klägers ist dabei, worauf auch das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, im Vergleich zu den Bedürfnissen eines gleichaltrigen Jungen zu sehen. Dementsprechend ist zutreffend nur von einem Mehrbedarf für nächtliches Begleiten auf die Toilette, für mundgerechtes Zubereiten des Essens (jeweils 3 Minuten) sowie für vermehrte Arztbesuche (5 Minuten) auszugehen. Einen Mehrbedarf von 15 Minuten für Waschen, von 15 Minuten für Duschen, von dreimal 5 Minuten für Zahnpflege, von 15 Minuten für Kämmen, von 14 Minuten für Darm- und Blasenentleerung sowie von zweimal 5 Minuten für mundgerechte Essenszubereitung vermag der Senat nicht zu erkennen. Ein kausaler Zusammenhang mit dem angeborenen schweren Herzfehler und der damit unstreitig verbundenen Leistungsverminderung sowie der zunächst gegebenen, in der Zwischenzeit jedoch weitgehend aufgeholten Entwicklungsverzögerung ist nicht zu begründen. Die Gutachterin Dr. V. macht hierzu auch keine näheren Angaben, sondern bezieht sich ausdrücklich auf die Angaben der Mutter bzw. deren Tagebuch. Danach sei der Kläger nicht in der Lage, die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens ohne Hilfe selbstständig auszuführen. Dies stellt aber ein altersbedingtes Problem dar und kein Problem, das aufgrund der Herzerkrankung des Klägers einen besonderen Mehrbedarf bei der Grundpflege hervorruft.

Nach alledem ist die Klage sowohl im Haupt- als auch Hilfsantrag abzuweisen und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21.04.2004 zurückzuweisen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved