S 26 KA 19/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
26
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KA 19/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honoraranspruchs des Klägers im Quartal 2/00.

Der Kläger ist als fachärztlicher Internist mit Schwerpunkt Nephrologie in N niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Den ohne Begründung eingelegten Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal 2/00 vom 13.10.2000 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2001 als unbegründet zurück.

Gegen den am 07.02.2001 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 27.02.2001 erhobene Klage. Zur Begründung führt der Kläger an, die Modulierung fachärztlicher Internisten durch den Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten sei unzulässig und verstoße gegen höherrangiges Recht, da die hoch spezialisierte Arztgruppe der fachärztlichen Internisten mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie nach den allgemeinen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) nicht der Budegetierung unterliege. Der Bewertungsausschuss habe für hochspezialisierte Internisten mangels ausreichender Daten die Bildung von Praxisbudgets im EBM abgelehnt. Eine Budgetierung für bisher nicht EBM-budgetierte Ärzte könne nur bundeseinheitlich durch den Bewertungsausschuss geregelt werden. Ein HVM, der sich in Widerspruch zu den verbindlichen Vergütungsvorgaben des EBM setze, sei rechtswidrig und nichtig. Der auf der nichtigen HVM-Regelung beruhende Honorarbescheid sei aufzuheben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Honorarbescheides vom 13.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2001 zu verurteilen, sämtliche für das Quartal 2/00 abgerechneten Leistungen zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an der Rechtmäßigkeit der mengenbegrenzten Module des HVM für nephrologisch tätige Internisten fest. Sie habe als Ausgangslage zu berücksichtigen, dass EBM-Regelungen zu Praxisbudgets den Gesamtvergütungsanteil für die budgetierten Arztgruppen und damit als Restmenge auch den Gesamtvergütungsanteil für die nichtbudgetierten Arztgruppen verbindlich definierten. Aus dem daraus abgeleiteten Gesamtvergütungsanteil für fachärztliche Internisten habe sich in Folge unkontrollierten Fallzahlzuwachses und unkontrollierter Leistungsmenge ein rapide nach unten floatender Punktwert ergeben. Auf dem Tiefpunkt habe der Punktwert für sämtliche fachärztliche internistische Leistungen 5,9 Pfennig betragen, so dass der betriebswirtschaftliche Fortbestand der Praxen in Gefahr gewesen sei. Diesen aus dem Punktwertverfall folgenden Risiken für die Sicherstellung der fachärztlichen internistischen Versorgung habe die Beklagte mit mengenbegrenzenden Honorarverteilungsmaßnahmen begegnen müssen. Die Vertreterversammlung habe daher zur Punktwertstabilisierung Module für fachärztliche Internisten, differenziert nach Untergruppen und Subspezialitäten, mit Wirkung ab dem Quartal 1/99 beschlossen. In Folge dieser Regelung seien die Punktwerte für nephrologische Leistungen dauerhaft auf 8 bzw. 8,8 Pfennig stabilisiert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der von ihm im Quartal 2/00 er brachten ärztlichen Leistungen unter Außerachtlassung der Bildung fallzahlabhängiger Grund- und Zusatzmodule für fachärztlich tätige Internisten.

Nach § 3 Abs. 1 HVM unterliegen die im EBM enthaltenen vertragsärztlichen Leistungen je Praxis und Abrechnungsquartal für die in den Anlagen 1 und 4 aufgeführten Arztgruppen einer fallzahlabhängigen Begrenzung (Praxisbudgets bzw. Grundmodule). Die in den Praxisbudgets bzw. Grundmodulen enthaltenen Leistungen sind je Praxis und Abrechnungsquartal jeweils nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig. Sie ergibt sich aus dem Produkt der Fallpunktzahl und der Fallzahl der budget- bzw. modulrelevanten Fälle. Budget- bzw. modulrelevante Fälle sind Behandlungsfälle gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BMV-Ä, ausgenommen Notfälle im organisierten Notfalldienst und Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Proben und Untersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen und Behandlungsfällen, in denen ausschließlich Kostenerstattungen des Kapitels U abgerechnet werden, sowie stationäre belegärztliche Behandlungsfälle. Die Fallpunktzahlen für die Grundmodule ergeben sich nach § 3 Abs. 2 HVM aus Anlage 4. Nach § 5 HVM sind die in den Zusatzmodulen enthaltenen Leistungen je Praxis und Abrechnungsquartal jeweils nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig. Die Höhe der Zusatzmodule ergibt sich aus dem Produkt der Fallpunktzahl und der Zahl der modulrelevanten Fälle. Nach § 6 HVM kann der Vorstand der Beklagten auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets bzw. der Grund- und/oder Zusatzmodule nach Anlage 4 gewähren. Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt insbesondere dann vor, wenn besonders schwerwiegende Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen.

Die Fallpunktzahlen für Nephrologen ergeben sich aus Anlage 4 Ziffer 1.4 zum HVM.

Diese Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.

Honorarverteilungsregelungen der Beklagten sind an dem gesetzlichen Vorhaben des § 85 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) i. V. m. dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Artikel 12 i. V. m. Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergibt, zu messen. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zugrunde zu legen sind. Dieser Vorschrift kann jedoch nicht entnommen werden, dass die Leistungen nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig honoriert werden müssten (BSG, Urteil vom 03.03.1999 Az.: B 6 KA 15/98 R). Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen ihrer Satzungsautonomie mit geeigneten Mitteln eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes zu verhüten (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). So ist es mit dem Gebot zur leistungsproportionalen Honorarverteilung vereinbar, dass zur Stabilisierung der Punktwerte in HVM Honorarbegrenzungsregelungen enthalten sind. Dies gilt unter den Bedingungen der Praxis- und Zusatzbudgets für die Fallzahlzuwachsbegrenzung (vgl. LSG NRW, Urteil vom 14.02.2001, Az.: L 11 KA 154/00), für die Vergütungsbegrenzung bei Notdienstfällen durch Pauschalenbildung (SG Dortmund, Urteil vom 10.07.2001, Az.: S 26 KA 95/00) und auch für die hier streitige Mengenbegrenzung durch Grund- und Zusatzmodule für fachärztlich tätige Internisten.

Die Behauptung des Klägers, die Beklagte unterlaufe mit der Modulierung die Regelungen des EBM zur Einführung von Praxisbudgets, ist unzutreffend. Zwar heißt es in Kapitel A I Teil B Ziffer 1.1 EBM, dass die in Nummer 1.5 nicht aufgeführten Arztgruppen der Budgetierung nicht unterliegen. Dementsprechend handelt es sich bei der Modulierung für fachärztliche Internisten nach dem HVM der Beklagten auch nicht um die Anwendung der EBM-Regelungen zu den Praxis- und Zusatzbudgets, sondern um eine eigenständige Maßnahme im Rahmen der Honorarverteilung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die betroffene Arztgruppe faktisch in die auf Fallpunktzahlen aufbauende Honorarverteilung der budgetierten Arztgruppen integriert worden ist.

Die Beklagte hat diese Honorarverteilungsregelung getroffen, um die Leistungsanforderungen fachärztlicher Internisten je Fall zu begrenzen, eine Stabilisierung der Punktwerte auf höherem Niveau zu erreichen und um die bestehende Konzeption der Honorarverteilung zu vereinheitlichen. Die Beklagte verfolgt damit Steuerungszwecke, die im Gesetz bzw. im vertragsärztlichen Vergütungssystem selbst angelegt sind und die zu verfolgen zu ihren legitimen Aufgaben im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages gehört (vgl. BSG, Urteil vom 09.09.1998, SozR 3 - 2500 § 85 Nr. 26). Der Kläger verkennt, dass die verbindlichen EBM-Regelungen zu den Praxis- und Zusatzbudgets grundsätzlich nichts daran geändert haben, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen kraft ihrer Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Honorarverteilung ergänzende mengen steuernde Regelungen treffen dürfen und müssen, um ihrer Verantwortung für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs. 1 SGB V) gerecht zu werden. Durch die Einführung von Praxisbudgets im EBM zum 01.07.1997 hat sich nichts an der insgesamt begrenzten Gesamtvergütung für alle vertragsärztlichen Leistungen im Sinne des § 85 Abs. 1 SGB V geändert und es ist deswegen auch nach dem 01.07.1997 Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen, im Rahmen der Honorarverteilung das Notwendige und Mögliche zur Gewährleistung ausreichender Punktwerte zu tun und auf regionaler Ebene eintretende unerwünschte Verwerfungen zwischen einzelnen Arztgruppen und auch innerhalb einer Arztgruppe zu verhindern. Dementsprechend ist die Beklagte weiterhin berechtigt, die gesetzliche Budgetierung der Gesamtvergütung im Rahmen der Honorarverteilung an die Vertragsärzte weiter zu geben und die abrechnungsfähigen Punkte in einzelnen Leistungsbereichen zu begrenzen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.06.2001, Az.: L 5 KA 442/99).

Entgegen der Auffassung des Klägers steht auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Rechtmäßigkeit der EBM-Regelungen über die Praxisbudgets ab dem Quartal 3/97 (BSG, Urteil vom 08.03.2000, BSGE 86, 16 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 23) der Einführung von Grund- und Zusatzmodulen im HVM der Beklagten nicht entgegen. Das BSG betont zwar entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung, dass ein HVM, der sich in Widerspruch zu verbindlichen Vergütungsvorgaben des EBM setze, deshalb rechtswidrig und als Rechtsnorm nichtig sei. Die Budgetierungsregelungen des EBM seien vorgreiflich und verbindlich gegenüber Maßnahmen der Honorarverteilung. Unmittelbar anschließend an diese Feststellungen führt das BSG jedoch aus, dass die Existenz verbindlicher Honorierungsvorgaben wie der Praxisbudgets im EBM grundsätzlich nichts daran ändere, dass die KÄV kraft ihrer Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Honorarverteilung mengensteuernde Regelungen weiterhin treffen dürfe. Allein der Umstand, dass einzelne Arztgruppen von den Praxisbudgets nicht erfasst würden und Ärzte aller Arztgruppen in mehr oder weniger großem Umfang unbudgetierte Leistungen erbrächten, schließe die Annahme aus, mit der Einführung der Praxisbudgets im EBM sei die Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen für eine den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V genügende Honorarverteilung aufgehoben oder verdrängt worden. Kassenärztliche Vereinigungen mussten im Rahmen der Honorarverteilung weiterhin das Notwendige und Mögliche zur Gewährleistung ausreichender Punktwerte tun und auf regionaler Ebene eintretende unerwünschte Verwerfungen verhindern. Daher stünden den Kassenärztlichen Vereinigungen auch nach dem 01.07.1997 im Grundsatz alle diejenigen Honorarverteilungsregelungen zur Verfügung, die das BSG bisher für zulässig gehalten habe, soweit die Regelungen über die Praxisbudgets im EBM keine abweichenden Vorgaben beinhalteten.

Unter Berücksichtigung dieser obergerichtlichen Vorgaben war die Beklagte nicht gehindert, auch für die von der Einführung der Praxisbudgets nicht er fassten Arztgruppen mengenbegrenzende Honorarverteilungsmaßnahmen zu schaffen, um dem Punktwertverfall in Folge unkontrollierten Fallzuwachses und unkontrollierter Leistungsmenge pro Fall wirksam zu begegnen. Die Bildung von Grund- und Zusatzmodulen für fachärztliche Internisten ist nicht allein deshalb zu beanstanden, weil sie sich an der Ausgestaltung und der Wirkungsweise der vom EBM vorgegebenen Praxisbudgets orientieren. Diese Vorgehensweise er scheint vielmehr im Hinblick auf die Überschaubarkeit und Handhabbarkeit der Honorarverteilungsregelungen als sinnvoll. Eine Deckungsgleichheit mit den EBM-Regelungen über die Praxisbudgets besteht jedoch nicht, da die Beklagte für die Gruppe der fachärztlich tätigen Internisten eine weitergehende Ausdifferenzierung nach den Schwerpunkten Kardiologie, Gastroenterologie, Pulmologie, Nephrologie, Onkologie, Rheumatologie und den übrigen fachärztlich tätigen Internisten vorgenommen hat (vgl. Anlage 4 zum HVM). Damit genügt die Beklagte der Differenzierungspflicht bei einer inhomogenen Fachgruppe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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