S 2 KA 22/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 22/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Tatbestand:

Streitig ist die Absetzung des Kassenanteils für Zahnersatz, der in Italien gefertigt wurde.

Die Kläger sind als Zahnärzte in L niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Aufgrund einer "Servicevereinbarung" erbringt das in T/Italien ansässige zahntechnische Labor D J N & D1 im Auftrage der Kläger zahntechnische Leistungen. Die Fa. I & N GbR, L, übernimmt hierbei die Erfüllung aller vor Ort anfallenden Serviceleistungen.

Im Behandlungsfall der bei der O Vereinigte BKK Versicherten J1 E gliederten die Kläger am 06.04.1999 Unterkiefer-Zahnersatz ein. Zur Abrechnung der Material- und Laborkosten (Fremdlabor) fügten sie eine Rechnung des zahntechnischen Labors D J vom 26.03.1999 über 1.241,63 DM bei, die auf der Grundlage des deutschen Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnisses (BEL II) erstellt worden war.

Unter dem 26.06.1999 stellte die O Vereinigte BKK einen Antrag auf Berichtigung der ZE-Abrechnung. Die Unterkiefer-Brücke sei laut Fremdlaborrechnung in Italien angefertigt worden. Es werde um Überprüfung/Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen gebeten.

Mit Honorarberichtigungsbescheid vom 28.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2001 setzte die Beklagte den Heil- und Kostenplan in Höhe von 953,32 DM entsprechend dem Kassenanteil für die Material- und Laborkosten des in Italien gefertigten Zahnersatzes ab. Zu der Rechnung des Dentallabors D J, T, vom 26.03.1999 seien die gemäß § 3 Abs. 3 der nordrheinischen gesamtvertraglichen Regelung beizufügenden Unterlagen bisher nicht beigebracht worden. Soweit die nach dieser Bestimmung erforderlichen Unterlagen nachgereicht würden, sei diesen zusätzlich noch eine ortsübliche Preisliste des Dentallabors D J, T, beizufügen.

Hiergegen richtet sich die am 01.02.2001 erhobene Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, dass sie die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 der nordrheinischen gesamtvertraglichen Regelung erfüllten. Im Übrigen weisen sie darauf hin, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten gegen EG-Recht, nämlich gegen Art. 49 und 50 Abs. 3 des EWG-Vertrages, verstoße.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, den Honorarberichtigungsbescheid vom 28.01.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Es komme im Wesentlichen allein auf die Vorlage einer Originalrechnung nach Maßgabe der ortsüblichen Preise an. Die Regelung in § 3 Abs. 3 der nordrheinischen gesamtvertraglichen Regelung habe zum Sinn, dass die Krankenkassen bei Beauftragung eines ausländischen zahntechnischen Labors allein Kosten in tatsächlicher Höhe, wie sie ortsüblich seien, zu erstatten hätten. Die erbetene ortsübliche Preisliste des Labors hätten die Kläger nicht vorgelegt. Vielmehr hätte das italienische Labor eine Berechnung unter Verwendung der Leistungspositionen des BEL II erstellt. Damit sei nicht der Nachweis erbracht, dass hiermit die "für das Labor ortsüblichen Preise" berechnet worden seien.

Das Gericht hat eine Auskunft des italienischen "Nationalen Verbandes der Dentallabors" ANTLO zu der Frage eingeholt, ob nach dortiger Kenntnis für den Zeitraum März/April 1999 ortsübliche Preislisten für zahntechnische Leistungen gewerblicher Laboratorien in der Stadt T, in der Provinz J2, in der Region M oder im Staat Italien existierten. Der Verband ANTLO hat dazu unter dem 20.09.2002 mitgeteilt, in Italien gebe es keine gesetzlich anerkannten Tarife für die Produkte und Dienstleistungen von Dentallabors. Jedes Dentallabor verwende seine eigene Preisliste. Es existierten "Richtpreise", die vom Verband der Kieferorthopäden empfohlen würden. Sie hätten nicht die Kraft von Normen oder Gesetzen, übten aber einen Einfluss auf den Markt aus. Sie würden von den einzelnen Labors als Richtwerte für die jeweiligen Preislisten verwendet und in der Verbandszeitschrift veröffentlicht.

Unter Bezugnahme auf die von ANTLO übersandten Richtwerte für das Jahr 1999 hat die Beklagte eine Vergleichsberechnung durchgeführt und ermittelt, dass sich für die Laborleistungen im streitigen Behandlungsfall ein Preisunterschied von 73,60 EUR ergebe, da die italienische Preisliste unterhalb der deutschen Höchstpreisliste liege.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger sind durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.

Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, die die Beklagte bei der Honorarforderung der Kläger vorgenommen hat, ist § 19 lit. a) Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM). Danach obliegt es der Beklagten, die von den Zahnärzten eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Die auf dieser Grundlage vorgenommene Absetzung des Kassenanteils für den von der Fa. D J, T, gefertigten Unterkiefer-Zahnersatz ist nicht zu beanstanden.

Die Erstattung zahntechnischer Leistungen aus gewerblichen Laboratorien bestimmt sich nach Maßgabe der nordrheinischen gesamtvertraglichen Regelung vom 01.01.1981. Diese normiert in § 3 Abs. 3: "Werden zahntechnische gewerbliche Laboratorien in Anspruch genommen, die ihren Sitz außerhalb des Bundesgebietes haben, so werden die für das Labor ortsüblichen Preise in tatsächlicher Höhe erstattet, jedoch nur bis zu der Höhe, die bei Inanspruchnahme eines Labors nach Abs. 1 (gemeint: inländisches gewerbliches Labor) angefallen wäre. Die Summe der nach einem ausländischen Leistungsverzeichnis erbrachten Leistungen darf den Gesamtbetrag, der sich nach der jeweils in Nordrhein gültigen Preisliste ergeben würde, nicht übersteigen ... Im Übrigen ist der Zahnarzt zur lückenlosen Auskunft gegenüber der KZV verpflichtet über alle Bedingungen, Umstände und Tatsachen im Zusammenhang mit der Beauftragung eines ausländischen Labors".

Nach dieser Regelung hat die Beklagte von den Klägern zu Recht den Nachweis verlangt, welche Preise das zahntechnische Labor D J, T, ortsüblich seinen Leistungen zugrundelegt. Dass das Labor ortsüblich gegenüber italienischen Zahnärzten nicht die Preise nach dem deutschen BEL II in Rechnung stellt, liegt auf der Hand. Vielmehr hat der italienische Verband der Dentallabors ANTLO in seiner Auskunft vom 20.09.2002 mitgeteilt, jedes Dentallabor verwende seine eigene Preisliste, wobei sich diese an den vom Verband der Kieferorthopäden empfohlenen "Richtpreisen" orientiere. Eben diese Preisliste der Fa. D J wäre von den Klägern vorzulegen gewesen, um einen Vergleich der dort ortsüblichen Preise mit der deutschen Höchstpreisliste zu ermöglichen. Dass sich insofern Preisunterschiede ergeben können, belegt die von der Beklagten angestellte Vergleichsberechnung, die auf der Grundlage der von dem Verband ANTLO veröffentlichten Richtwerte basiert.

Europarechtlich bestehen weder Bedenken gegen die Verpflichtung zur Vorlage einer ortsüblichen italienischen Vergleichsliste noch dagegen, dass die gesamtvertragliche Regelung in Nordrhein bzw. das BEL II den Anspruch auf Erstattung der für Fremdlaborleistungen verauslagten Kosten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen auf die in Italien ortsüblichen Preise begrenzt. Namentlich scheidet eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 49 EG-Vertrag (EGV) (ex Art. 59 EGV) in Verbindung mit Art. 50 EGV (ex Art. 60 EGV) aus.

So hat der Europäische Gerichtshof im Anschluss an die Rechtssachen Kohll (Rs. C-158/96) und Decker (Rs. C-120/95) in der Rechtssache Smits-Geraets/Peerbooms ausdrücklich anerkannt, dass es in Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene den Rechtsvorschriften jedes Mitgliedsstaates obliege, das nationale System der sozialen Sicherheit auszugestalten und insbesondere die Voraussetzungen festzulegen, unter denen ein Anspruch auf Leistungen gegeben sei (C-157/99, Rn. 44, 45, 85), sofern das Gemeinschaftsrecht beachtet werde (Rn. 46). Die gesamtvertragliche Regelung in Nordrhein bzw. das BEL II schließt weder den Bezug von Zahnersatz aus Mitgliedsstaaten der EU aus noch macht es ihn von einem Genehmigungsvorbehalt abhängig, sondern verschafft nur dem nationalen Gebot der Wirtschaftlichkeit (§§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) Geltung. Hierzu hat der EuGH insbesondere entschieden, dass es grundsätzlich nicht mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei, wenn ein Mitgliedsstaat Maßnahmen ergreife, um angestrebte Kostensenkungen zu erzielen (Rs. Smits-Geraets/Peerbooms, C-157/99, Rn. 86 unter Bezugnahme auf Rs. Duphar, 238/82, Slg. 1984, 523, Rn. 17). Dem tragen die Verpflichtung zur Vorlage einer ortsüblichen italienischen Vergleichsliste und die Begrenzung auf die dort ortsüblichen Preise Rechnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG a.F. i.V.m. Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG (BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R -).

Anlass, die Berufung zuzulassen (§ 144 Abs. 2 SGG), bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
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