L 4 RA 137/99 KO

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 11 RA 710/97
Datum
-
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 137/99 KO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Erstattung des Befundberichtes am 12.07.2000 wird auf 57,50 DM (Siebenundfünfzig Deutsche Mark, Fünfzig Pfennig) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (Ast.) macht eine höhere Entschädigung geltend.

Auf Grund einer Verfügung der Berichterstatterin des 4. Senates des LSG hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Ast. unter dem 27.06.2000 "gebeten, einen schriftlichen Befundbericht durch Beantwortung der in der Anlage beigefügten Fragen zu erstatten". Die beigefügte Anlage, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 78a LSG-Akte), enthält insgesamt neun Fragen, darunter die Frage: "9. Ist nach den bei Ihnen erhobenen Befunden die Klägerin in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes eine Tätigkeit als Bürokauffrau vollschichtig zu verrichten? Soweit diese Frage verneint wird, wird um Mitteilung gebeten, in welchem zeitlichem Umfang unter Zugrundelegung des Restleistungsvermögens eine berufl. Tätigkeit möglich ist".

Daraufhin hat die Ast. unter dem 12.07.2000 einen Befundbericht im Umfang von zweieinhalb Seiten nebst sechs Blatt beigefügter Arztbriefe erstattet, in dem unter anderem die auf Grund früherer Untersuchungen erhobenen Befunde dargelegt sind. Die zu Nr. 9 gestellte Frage hat der Ast. nach kurzer Erläuterung der von ihr als wichtig erachteten beigefügten Anlagen wie folgt beantwortet:

"9 ... Es ist aus allgemeinmedizinischer Sicht momentan außerordentlich schwierig, diese Frage schlüssig zu beantworten. Es liegen eine Reihe doch ernstzunehmender Erkrankungen vor (wird dargestellt). Insgesamt komme ich zu der Einschätzung, dass die Patientin derzeit nicht beruflich tätig sein kann und sehe sie nach wie vor als arbeitsunfähig an".

Das Entschädigungsersuchen der Ast. beläuft sich auf insgesamt 121,56 DM. Darin sind als Positionen unter anderem "Gutachten 2 Std. á 57 DM", "Schreibgebühr á Seite" und "Portokosten" enthalten.

Die Kostenbeamtin hat die Entschädigung mit Schreiben vom 18.07.2000 unter Berücksichtigung der Entschädigung für Auskunft (32 DM) und des Ersatzes für Portokosten (3,30 DM) angesetzt und den Gesamtbetrag in Höhe von 35,30 DM festgesetzt und angewiesen.

Mit am 21.07.2000 eingegangenen Schreiben ersucht die Ast. die Festsetzung der Entschädigung im Wege der richterlichen Entscheidung. Sie hält den zu Grunde gelegten Stundensatz für "nicht akzeptabel", weil sie die Sichtung der umfangreichen Patientenakte nach mehr als achtjähriger Behandlungsdauer drei Stunden Bearbeitungszeit gekostet habe. Auch leide die Klägerin an einer Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen.

Der Kostensenat hat die Berufungsakte beigezogen.

II.

Der Antrag auf richterliche Festsetzung ist zulässig (§ 16 Abs. 1 ZSEG) und nach Maßgabe der nachfolgenden entschädigungsrechtlichen Erwägungen begründet.

Der Entschädigungsanspruch ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Sachverständigenentschädigung zu beurteilen.

Die Kostenbeamtin hat die Entschädigung der von der Ast. geltend gemachten Entschädigungspositionen ("Gutachten" und "Schreibgebühr") mit Recht nicht gesondert abgegolten. Anspruch auf diese Positionen hat nur der vom Auftraggeber bestellte "Sachverständige" (vgl. § 3 und § 8 ZSEG). Von einer Tätigkeit der Ast. als "Sachverständige" ist hier jedoch weder nach dem gerichtlichen Auftrag noch nach der tatsächlichen Tätigkeit der Ast. auszugehen. Im dem ihrem Tätigwerden zu Grunde liegenden gerichtlichen Schreiben vom 27.06.2000 hat die Berichterstatterin des 4. Senats die Ast. allein um die Erstattung eines Befundberichtes ersucht. Darauf deutet bereits die Wortwahl "einen schriftlichen Befundbericht durch Beantwortung der in der Anlage beigefügten Fragen zu erstatten", unmissverständlich hin. Nur insoweit durfte sich die Ast. vom Gericht beauftragt sehen (vgl. BSG SozR 1925 § 5 Nr. 1 m.w.N. = Breith. 1988, 696; BSG Meso B 20b/56; SächsLSG [Kostensenat], Beschluss vom 18.01.2001, L 4 RA 14/00 [zur Veröffentlichung vorgesehen]).

Unabhängig davon hat die Ast. auch in der Sache selbst weder ein Gutachten erstattet noch ein Gutachten erstatten wollen. Davon wäre nur auszugehen, wenn sie besondere medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen auf einen Einzelfall im Hinblick auf eine bestimmte, zumeist aus rechtlichen Gründen gebotene Fragestellung beantwortet hätte. Anders ausgedrückt: Im Rahmen eines Sachverständigengutachtens hat der beauftragte Arzt aus Tatsachen und Sachverhalten, die sich aus den eigenen Untersuchungen oder den Akten einschließlich der Voruntersuchungen ergeben, mit Hilfe seiner besonderen Befähigung wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich - wovon auch die Ast. selbst ausgeht - nicht erfüllt. Sie hat sich vielmehr in erster Linie mit der bloßen Wiedergabe der - vom gerichtlichen Auftrag nicht erfassten - früheren Untersuchungen beschränkt. Die zu Frage Nr. 9 getroffene, oben im Wortlaut zitierte Feststellung erfüllt die Merkmale einer Begutachtung im vorstehend dargelegten Sinne ebenfalls - wiederum ersichtlich - nicht.

Der geltend gemachte Anspruch findet seine Grundlage vielmehr darin, dass die Ast. vom Gericht als sachverständige Zeugin herangezogen worden ist. Insoweit legt § 5 Abs. 1 ZSEG fest, dass sich die Entschädigung des Sachverständigen und des sachverständigen Zeugen, soweit dieser in der Anlage bezeichnete Leistungen erbringt, nach der dort näher festgelegten Entschädigung bestimmt.

Das Gericht hat den Ast. als sachverständigen Zeugen herangezogen. Dies belegt die Beauftragung im gerichtlichen Schreiben vom 27.06.2000. Darin wird von der Ast. die Bekundung von Tatsachen abverlangt, die auf ihrer als Ärztin gegebenen besonderen Sachkunde beruhen. Dies zeigt gerade der zwischen den verschiedenen Beweismitteln gegebene inhaltliche Unterschied. Der Zeuge bekundet dem Gericht sein - oftmals zufällig erlangtes - Wissen über bestimmte Tatsachen, die allein in seiner eigenen Wahrnehmung liegen. Im Unterschied dazu gibt der Sachverständige dem Richter auf Grund seiner besonderen Qualifikation und der Nutzung seines Wissens, seiner Erfahrungen und der Fachliteratur eine wissenschaftlich fundierte Bewertung der ihm vorliegenden "Tatsachen", sei es durch eigene Untersuchungen, sei es unter Berücksichtigung der Aktenlage, kraft deren dem Richter die Rechtsanwendung ermöglicht wird. Der sachverständige Zeuge schließlich bekundet dem Gericht seine ohne einen Zusammenhang mit einem gerichtlichen Auftrag aus früheren Untersuchungen bereits gezogenen Wahrnehmungen; dazu ist er gerade auf Grund seiner besonderen Fachkunde befähigt. Typischer Anwendungsfall ist - wie auch der vorliegende Fall deutlich macht - die Übermittlung der bei dem jeweiligen Patienten bestehenden Befunde im Rahmen der Erstellung eines Befundberichts.

Der Anspruch auf Entschädigung richtet sich nicht nur nach Nr. 3, sondern vielmehr nach Nr. 4 dieser Anlage. Entgegen der Ansicht der Kostenbeamtin hat die Ast. eine Verrichtung i.S.d. Nr. 4 der Anlage zu § 5 Satz 1 Halbsatz 1 ZSEG (i.d.F. des Begleitgesetzes zum Telekommunikationsgesetz vom 17.12.1997 [BGBl. I 3108]) erbracht.

Nach Nr. 4 der Anlage erhält der Arzt "für das Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit kurzer gutachtlicher Äußerung" eine Entschädigung, die sich unter Berücksichtigung des im Beitrittsgebiet festgelegten Absenkungssatzes auf 54 DM beläuft. Die Ast. durfte nach dem genannten gerichtlichen Auftragsschreiben davon ausgehen, auch mit der Abgabe einer kurzen gutachtlichen Stellungnahme beauftragt worden zu sein. Die im Auftrag gestellte Frage, "9. Ist nach den bei Ihnen erhobenen Befunden die Klägerin in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes eine Tätigkeit als Bürokauffrau vollschichtig zu verrichten? Soweit diese Frage verneint wird, wird um Mitteilung gebeten, in welchem zeitlichem Umfang unter Zugrundelegung des Restleistungsvermögens eine berufl. Tätigkeit möglich ist.", beinhaltet den Auftrag, nicht nur die bloßen maßgeblichen medizinischen Tatsachen anzugeben, sondern diese besonders zu bewerten und daraus zu ziehende Schlussfolgerungen - hier das Bestehen einer Erwerbsminderung - zu vermitteln.

Die Erinnerung macht zutreffend geltend, dass die Ast. im Rahmen des dem Gericht erstatteten Befundberichts eine "kurze gutachtliche Äußerung" abgegeben hat. Davon ist auszugehen, wenn die für eine - noch so kurze - "gutachtliche Äußerung" notwendigen Mindestanforderungen erfüllt sind. Dazu gehören, damit die Anforderungen der Nr. 4 der Anlage zu § 5 ZSEG erfüllt sind, die Angabe von Tatsachen, die Bewertung derselben und die Vermittlung der Schlussfolgerung, die aufgrund der spezifischen Erfahrungen, hier der medizinisch-ärztlichen, zu ziehen ist (vgl. nur BSG, Meso B 20b/58 m.w.N.; SächsLSG [Kostensenat], a.a.O. m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt der von der Ast. erstattete Befundbericht. Die Beantwortung der gestellten Frage gründet sich ersichtlich auf die Heranziehung und Verwertung der aus früheren Untersuchungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens erhobenen Befunde. Die Benennung der für die Beantwortung der der Ast. zu Nr. 9 gestellten Frage maßgeblichen Erkrankungen und die sich anschließende "Einschätzung, dass die Patientin derzeit nicht beruflich tätig sein kann ..." ist bereits als substantiierte Darlegung anzusehen, aus welchen näheren Gründen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit gegeben sein soll. Darin liegt nicht nur eine nicht näher dargelegte bloße Meinungsäußerung, die für sich gesehen noch nicht den an eine "kurze gutachtliche Äußerung" i.S.d. Nr. 4 der Anlage zu § 5 ZSEG genügen würde. Vielmehr macht die Beantwortung deutlich, dass die Ast. ihre Schlussfolgerung gerade auf der Grundlage ihrer als Ärztin zugänglichen besonderen medizinischen Kenntnisse dem Gericht vermittelt hat.

Damit ist der von der Kostenbeamtin angenommene Ansatz nach Nr. 4 der Anlage unzutreffend. Unter wertender Betrachtung ist von einer "außergewöhnlich umfangreichen Tätigkeit" i.S.d. Nr. 4 der Anlage nicht auszugehen. Daher ist die Entschädigung nach Maßgabe von Nr. 4 der Anlage insoweit auf 57,50 DM festzusetzen.

Anspruch auf eine weiter gehende Entschädigung hat die Ast. indessen nicht. Andere Entschädigungsgrundlagen sind nicht zu ersehen. Namentlich die Heranziehung des § 11 ZSEG, der auch dem sachverständigen Zeugen die Abgeltung sonstiger Aufwendungen zubilligt, scheidet mangels Nachweises aus (dazu wiederum BSG, MesoB 20b/58). Der Ansatz der Portokosten war nicht streitig.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 16 Abs. 2 Satz 3 ZSEG).
Rechtskraft
Aus
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