Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 8 KR 69/02
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 123/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. August 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung vom gesetzlichen Eigenanteil bei der Versorgung mit Zahnersatz hat.
Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Auf Grund eines Kopf-Hals-Tumors (Oropharynxcarcinoms) musste sie sich im Juli 1998 einer Tumorresektion sowie einer anschließenden kombinierten Radio-Chemotherapie unterziehen. Im Jahre 1999 wurde eine Entzündung des Knochenmarks (Osteomyelitis) behandelt. Die Therapie der Krebserkrankung führte zu erheblichen Zahnschäden.
Am 3. April 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihren Eigenanteil der bereits angefallenen Behandlungskosten aus der Rechnung ihres Zahnarztes Dr. V vom 28. März 2001 sowie ihren Eigenanteil der noch ausstehenden Behandlungskosten für den Neuaufbau ihrer Zähne in voller Höhe zu übernehmen. Sie legte einen Arztbrief der Medizinischen Universität zu Lübeck, Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie, vom 3. April 2001, einen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. V vom 12. April 2001 eine Vereinbarung gemäß § 30 Abs. 3 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) sowie eine Vereinbarung über die Vergütungshöhe gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ vor.
Mit Bescheid vom 19. April 2001 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte zur Begründung aus, eine volle Kostenübernahme für die Versorgung mit Zahnersatz komme nicht in Betracht. Eine höhere Bezuschussung könne nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei Härtefällen in Frage kommen. Ein Härtefall liege nicht vor. Auch der Vortrag der Klägerin, der notwendige Zahnersatz sei auf Grund der vorausgegangenen schweren Erkrankungen notwendig geworden, könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Zu verweisen sei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Hiernach bestehe ein Anspruch auf weiter gehende Kostenübernahme auch dann nicht, wenn der Zahnersatz krankheitsbedingt notwendig werde. Mit Bescheid vom 29. Mai 2001 setzte die Beklagte den Zuschuss auf 65 % fest und bewilligte der Klägerin bezogen auf den Kostenvoranschlag vom 10. Mai 2001 insgesamt 318,54 DM für das zahnärztliche Honorar.
Am 9. August 2001 legte die Klägerin gegen die Bescheide vom 19. April und 29. Mai 2001 Widerspruch ein und trug vor, es habe sich bei der Zahnsanierung um eine für sie lebensnotwendige Behandlung gehandelt. Sie müsse sich gut verständigen können, um ihre Tätigkeit als Kundenbetreuerin bei der Sparkasse O wieder aufnehmen zu können. Außerdem legte die Klägerin Liquidationen des Dr. V vom 7. August 2001 und Rechnungen der H Zahntechnik R vom 11. Juli 2001 vor. Insgesamt hat die Beklagte auf der Grundlage der Heil- und Kostenpläne vom 15. März 2001 und 10. Mai 2001 7.929,51 DM übernommen. Auf Anforderung reichte die Klägerin im Widerspruchsverfahren noch den Heil- und Kostenplan des Dr. V vom 15. März 2001 sowie Rechnungen der H Zahntechnik vom 6. Juni 2001 und 11. Juli 2001 ein. Nach ihrem Vortrag trug die Klägerin insgesamt Behandlungskosten von 8.434,16 DM selbst.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, auf Grund welcher Ursache Zahnersatz notwendig werde, sei für die Höhe der Kostenübernahme nicht maßgeblich. Das Versicherungsrisiko von Zahnbehandlungen werde zu einem Teil den Krankenkassen und zum anderen Teil dem versicherten Mitglied zugewiesen. Es komme nicht darauf an, ob zahnmedizinische oder allgemeinmedizinische Krankheiten den Behandlungsbedarf verursacht hätten. Deshalb sei es ihr - der Beklagten - verwehrt, für Zahnersatzleistungen einen höheren Kostenanteil als die bereits gewährten 65 % zu übernehmen.
Die Klägerin hat am 27. Februar 2002 Klage erhoben und vorgetragen, die Beklagte habe ihren Verpflichtungen gemäß der §§ 10 bis 15 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) nachkommen müssen. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG gehe fehl, da seit dem 1. Juli 2001 neue Gesetze Gültigkeit hätten. Es handele sich nicht um eine einfache Zahnbehandlung. Denn die Zahnbehandlungskosten seien nur eine Folge des Grundleidens, nämlich ihrer schweren Krebserkrankung. Der Tumor sei hinter den Mandeln angesiedelt gewesen. Es seien im großen Umfange Weichteile des Unter- und Oberkiefers entfernt worden. Im Anschluss an die Tumorentfernung sei eine Krebsnachbehandlung durch Bestrahlung und Chemotherapie erfolgt. Außerdem hätten in der rechten Gesichtshälfte im Ober- und Unterkiefer beginnend von der Mitte des Kiefers an alle Zähne entfernt werden müssen, weil sich diese im Bereich des Operationsfeldes befunden hätten. Im Anschluss an die Operation sowie die Nachbehandlung habe sich herausgestellt, dass sich bei der Operation ein Keim im operierten Bereich entwickelt hatte. Auf Grund des Keimes habe das bereits durch Strahlung verbrannte Gewebe erneut operiert werden müssen. Im März 2001 seien ihr sämtliche Zähne des Unterkiefers gezogen worden. Ohne Überkronung der noch im Oberkiefer vorhandenen Zähne hätten diese nach Auskunft der Ärzte spätestens in einem Jahr ebenfalls gezogen werden müssen. Auf Grund der geschilderten Umstände sei die Zahnbehandlung als Rehabilitationsmaßnahme anzusehen. Hierfür müssten entweder die Beklagte oder ein anderer Leistungsträger die Kosten übernehmen. Denn es sei darum gegangen, ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten und ihr die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Ohne die geschilderte Maßnahme hätte sie in den Arbeitsprozess nicht wieder eingegliedert werden können.
Die Klägerin hat sinngemäß unter Aufhebung der genannten Bescheide beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr die vollen Kosten für die zahnprothetische Versorgung zu erstatten.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, sie könne nicht als Verursacher des Schadens bzw. als Beteiligte bezeichnet werden. Angesichts der klaren Rechtslage sei die Ursache der Zahnschäden nicht im Einzelnen zu prüfen. Selbst wenn die Strahlentherapie die Zahnschäden verursacht hätte, so sei sie hierfür in keiner Weise verantwortlich. Die Durchführung der Strahlentherapie sei nur mit Einwilligung der Klägerin zulässig gewesen. Sie müsse leider die unerwünschten Nebeneffekte der Erkrankung in Kauf nehmen. Sie - die Beklagte - sei nicht verpflichtet, Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu gewähren. Dies sei Aufgabe anderer Leistungsträger.
Das Sozialgericht Lübeck hat mit Urteil vom 24. August 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe nach den gesetzlichen Vorschriften Anspruch auf einen Zuschuss in Höhe von 65 %. Nach der Rechtsprechung des BSG regele § 30 SGB V als spezielle Anspruchsnorm die Ansprüche bei Versorgung mit Zahnersatz abschließend. Damit seien - in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips - die Anwendung der allgemeinen Regelungen über die Verschaffung ärztlicher bzw. zahnärztlicher Behandlung als Sach- und Dienstleistung ausgeschlossen. Diese Annahme gelte unabhängig davon, aus welchen medizinischen Gründen die Eingliederung von Zahnersatz notwendig gewesen sei. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dieser spreche allgemein und umfassend von der medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz und nehme eine Differenzierung nach medizinischen Ursachen nicht vor. Die zahnprothetische Behandlung beruhe auch nicht auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung, die sich im nachhinein als gesundheitsschädlich und damit als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Rechtsgüter dargestellt habe. Ein Sachleistungsanspruch mit der Konsequenz der vollen Kostenübernahme bestehe nicht.
Gegen die ihr am 2. September 2004 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 1. Oktober 2004 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, § 30 SGB V sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass in bestimmten Fällen ein voller Anspruch auf zahnärztliche bzw. zahntechnische Leistungen bestehe. Dies habe dann zu gelten, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, nur eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden und wenn hierdurch ursächlich die Gesundheit des Versicherten geschädigt worden sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. April 1999, Az.: S 11 KR 302/97 zur Gerichtsakte gereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. August 2004 und die Bescheide der Beklagten vom 19. April 2001 und 29. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Eigenanteile der zahnprothetischen Versorgung nach den Heil- und Kostenplänen vom 15. März 2001 und 14. Mai 2001 in voller Höhe zu erstatten,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. August 2004 zurückzuweisen.
Sie führt aus, der Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Hannover könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Denn das BSG habe sich seinem Urteil vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99 ausführlich mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auseinandergesetzt und einen höheren Kassenzuschuss verneint. Mehrere Landessozialgerichte seien der Rechtsprechung des BSG in vergleichbaren Fällen gefolgt.
Der Senat hat die Akte des Berufungsverfahrens der Klägerin gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund, Az.: L 8 RA 41/04, zu diesem Verfahren beigezogen. Erstinstanzlich ist die Klage, mit der die Klägerin den hier streitigen Betrag von dem genannten Rentenversicherungsträger als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben fordert, vom Sozialgericht Lübeck abgewiesen worden (Az:. S 20 RA 212/02). Die Klägerin hat ihre Berufung zurückgenommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren Inhalt sowie auf denjenigen der Gerichtsakten wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zu bestätigen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Denn ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme des Eigenanteils für den eingegliederten Zahnersatz besteht nicht.
Soweit die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V geltend macht, ist hierfür Voraussetzung, dass die Beklagte der Klägerin die Versorgung mit Zahnersatz als Sach- oder Dienstleistung schuldete und die Beklagte sie nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt bzw. rechtzeitig zu erfüllen abgelehnt hat. Der Klägerin hat jedoch kein über das von der Beklagten bereits bewilligte Maß hinausgehender Naturalleistungs- oder Naturalverschaffungsanspruch zugestanden. Dieser müsste sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V ergeben. Die Leistungspflicht der Beklagten wird indes durch § 30 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I Seite 3853) begrenzt. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf medizinisch notwendige Versorgung mit Zahnersatz. Der Zahnersatz umfasst auch Zahnkronen. Bei großen Brücken ist die Versorgung auf den Ersatz von bis zu vier fehlenden Zähnen je Kiefer und bis zu drei fehlenden Zähnen je Seitenzahngebiet begrenzt. Bei Kombinationsversorgungen ist die Versorgung auf zwei Verbindungselemente je Kiefer, bei Versicherten mit einem Restzahnbestand von höchstens drei Zähnen je Kiefer auf drei Verbindungselemente je Kiefer begrenzt. Für Suprakonstruktionen besteht der Anspruch in vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegenden Ausnahmefällen (§ 30 Abs. 1 SGB V). Versicherte leisten zu der Versorgung mit Zahnersatz nach Abs. 1 einen Anteil von 50 v.H. der Kosten auf der Berechnungsgrundlage des Heil- und Kostenplans an den Vertragszahnarzt. Für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne mindert sich der Anteil um 10 %Punkte. Der Anteil mindert sich um weitere 5 %Punkte, wenn Versicherte ihre Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten zehn Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung die Untersuchungen nach den Nrn. 1 und 2 ohne Unterbrechung in Anspruch genommen haben (§ 30 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 und Satz 5 SGB V).
Die Beklagte hat der Klägerin bereits mit Bescheid vom 29. Mai 2001 den nach den genannten Vorschriften höchstmöglichen Zuschuss von 65 % bewilligt. Ein weiter gehender Anspruch besteht nicht. Er kann auch nicht aus der schwerwiegenden Krebserkrankung der Klägerin und deren Folgen hergeleitet werden. Dies entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Senats, sondern auch der des BSG und der anderer Landessozialgerichte.
§ 30 SGB V regelt als Sondertatbestand die Ansprüche bei Versorgung mit Zahnersatz abschließend. Eine Begrenzung auf den "Normalfall" einer isolierten, ausschließlich aus zahnmedizinischen Gründen notwendigen zahnprothetischen Maßnahme lässt sich weder rechtsmethodisch noch medizinisch rechtfertigen. § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB V knüpft die Beschränkung der Kassenleistung an den Gegenstand (Zahnersatz) und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Im Gesetz wird deshalb von medizinisch (und nicht zahnmedizinisch) notwendiger Versorgung gesprochen. Ein Rückgriff auf den umfassenden Sachleistungs- oder Naturalverschaffungsanspruch, der sich für zahnärztliche Behandlungen aus den §§ 27, 28 Abs. 2 SGB V ergibt, verbietet sich. Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien bieten Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe des Zuschusses von der Art der Erkrankung abhängig sein soll (vgl. Urteil des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 1. Februar 1994, Az.: L 1 KR 106/93). Die Gesetzessystematik geht vielmehr von der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung einerseits und der Versorgung mit Zahnersatz einschließlich der zugehörigen Behandlungsmaßnahmen andererseits als jeweils selbstständige Leistungen aus, die nicht schon dadurch eine einheitliche Leistung mit umfassender Leistungspflicht der Krankenkasse bilden, dass sie medizinisch voneinander abhängig sind. Wegen der Häufigkeit des Zusammenhangs mit anderen ärztlich oder zahnärztlich zu behandelnden Erkrankungen hätte die Beschränkung auf den Kostenzuschuss praktisch keine Bedeutung mehr (vgl. hierzu insb. Urteile des BSG vom 29. Juni 1994, Az.: 1 RK 40/93; vom 8. März 1995, Az.: 1 RK 7/94 und vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99).
Eine weiter gehende Kostentragungspflicht der Beklagten könnte sich nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann ergeben, wenn ein der Risikosphäre der Beklagten zuzurechnender hoheitlicher Eingriff vorliegen würde, denn Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet es bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften des SGB V über die Eigenbeteiligung des Versicherten in bestimmten Fällen, dem Versicherten Heilbehandlungsmaßnahmen ohne die an sich nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften vorgesehene Eigenbeteiligung zu verschaffen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet war, eine ihm keinen Spielraum belassene Vorgabe des Leistungs- oder des Leistungserbringungsrechts des SGB V zu beachten und nur eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden (Beschluss des BVerfG vom 14. August 1998, Az.: 1 BvR 897/98). In einem solchen Fall ist es in Anwendung des richterrechtlich entwickelten Instituts der Aufopferung geboten, die Kosten des Zahnersatzes in vollem Umfang zu übernehmen und den Versicherten von dem eigentlich vorgesehenen Eigenanteil zu befreien. Denn der allgemeine Rechtsgedanke, dass der Einzelne für ein ihm durch hoheitlichen Zwang unter Verletzung des Gleichheitssatzes im öffentlichen Interesse auferlegtes Sonderopfer eine billige Entschädigung von der Allgemeinheit erhalten soll, hat nicht nur zur Schaffung zahlreicher gesetzlicher Anspruchsgrundlagen geführt. Vielmehr kann dieser Rechtsgedanke auch bei der Auslegung von Vorschriften zu beachten sein, die wie § 30 SGB V eine Risikoabgrenzung zwischen dem einzelnen und dem Gemeinwesen vornehmen (BSG vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99; Sächsisches Landessozialgericht vom 15. Januar 2003, Az.: L 1 KR 83/01 und Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. November 2002, Az.: L 16 KR 115/02 und L 16 KR 245/02).
Die genannten Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt. Denn es fehlt bereits an dem Tatbestandmerkmal des hoheitlichen Eingriffs. Der Rechtsgedanke der Aufopferung, wie er z.B. im Impfschadensrecht Anwendung findet, greift für den vorliegenden Fall nicht (vgl. hierzu BSG vom 20. Juli 2005, Az.: B 9a/9 VJ 2/04 R). Denn von der Klägerin ist im Rahmen ihrer Krebsbehandlung kein Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit verlangt worden. Sie hat vielmehr die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten. Es hat sich im Falle der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko - nämlich das Risiko des Auftretens einer Krebserkrankung - realisiert. Ein so genanntes Sonderopfer ist nicht gegeben. Im Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. April 1999, Az.: S 11 KR 302/97 ist die Rechtslage unzutreffend gewürdigt worden. Außerdem ist das Urteil durch die oben zitierten Entscheidungen der Landessozialgerichte und durch das Urteil des BSG vom 6. Oktober 1999 mittlerweile überholt.
Da bereits eine rechtskräftige Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund (bis zum 30. September 2005: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) über den Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Eigenanteile als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben vorliegt, war dieser Träger nicht beizuladen.
Die Argumentation der Klägerin, sie sei zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit als Kundenberaterin bei der Sparkasse auf eine vollständige Beseitigung der Zahnschäden angewiesen, kann ihrem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beklagte ist für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zuständig. Dieser Leistungsbereich ist in § 5 Nr. 2 SGB IX aufgeführt. Er wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, der die Krankenkassen als Rehabilitationsträger nennt, nicht genannt. Ebenso wenig finden sich in § 21 SGB I, der einen Leistungskatalog für die Gesetzliche Krankenversicherung enthält, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Dem hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin war nicht stattzugeben. Nach § 160 Abs. 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen wenn,
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 2. das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der oberen Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtssprechung und Fortentwicklung des Rechts muss berührt sein (vgl. Meyer-Ladewig, SGG-Komm., 8. Aufl., § 160 Rn 6 ff).
Keine der drei Konstellationen ist im vorliegenden Fall gegeben. Die vom Senat hier entschiedenen Rechtsfragen sind bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung behandelt und geklärt worden (Urteile des BSG vom 29. Juni 1994, Az.: 1 RK 40/93; vom 8. März 1995, Az.: 1 RK 7/94 und vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99). Neue klärungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind nicht ersichtlich. Der Senat weicht in diesem Urteil nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Insbesondere ergibt sich kein Widerspruch zum bereits zitierten Beschluss des BVerfG vom 14. August 1998, Az.: 1 BvR 897/98. Ein Verfahrensmangel ist nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Befreiung vom gesetzlichen Eigenanteil bei der Versorgung mit Zahnersatz hat.
Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Auf Grund eines Kopf-Hals-Tumors (Oropharynxcarcinoms) musste sie sich im Juli 1998 einer Tumorresektion sowie einer anschließenden kombinierten Radio-Chemotherapie unterziehen. Im Jahre 1999 wurde eine Entzündung des Knochenmarks (Osteomyelitis) behandelt. Die Therapie der Krebserkrankung führte zu erheblichen Zahnschäden.
Am 3. April 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihren Eigenanteil der bereits angefallenen Behandlungskosten aus der Rechnung ihres Zahnarztes Dr. V vom 28. März 2001 sowie ihren Eigenanteil der noch ausstehenden Behandlungskosten für den Neuaufbau ihrer Zähne in voller Höhe zu übernehmen. Sie legte einen Arztbrief der Medizinischen Universität zu Lübeck, Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie, vom 3. April 2001, einen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. V vom 12. April 2001 eine Vereinbarung gemäß § 30 Abs. 3 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) sowie eine Vereinbarung über die Vergütungshöhe gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ vor.
Mit Bescheid vom 19. April 2001 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte zur Begründung aus, eine volle Kostenübernahme für die Versorgung mit Zahnersatz komme nicht in Betracht. Eine höhere Bezuschussung könne nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei Härtefällen in Frage kommen. Ein Härtefall liege nicht vor. Auch der Vortrag der Klägerin, der notwendige Zahnersatz sei auf Grund der vorausgegangenen schweren Erkrankungen notwendig geworden, könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Zu verweisen sei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Hiernach bestehe ein Anspruch auf weiter gehende Kostenübernahme auch dann nicht, wenn der Zahnersatz krankheitsbedingt notwendig werde. Mit Bescheid vom 29. Mai 2001 setzte die Beklagte den Zuschuss auf 65 % fest und bewilligte der Klägerin bezogen auf den Kostenvoranschlag vom 10. Mai 2001 insgesamt 318,54 DM für das zahnärztliche Honorar.
Am 9. August 2001 legte die Klägerin gegen die Bescheide vom 19. April und 29. Mai 2001 Widerspruch ein und trug vor, es habe sich bei der Zahnsanierung um eine für sie lebensnotwendige Behandlung gehandelt. Sie müsse sich gut verständigen können, um ihre Tätigkeit als Kundenbetreuerin bei der Sparkasse O wieder aufnehmen zu können. Außerdem legte die Klägerin Liquidationen des Dr. V vom 7. August 2001 und Rechnungen der H Zahntechnik R vom 11. Juli 2001 vor. Insgesamt hat die Beklagte auf der Grundlage der Heil- und Kostenpläne vom 15. März 2001 und 10. Mai 2001 7.929,51 DM übernommen. Auf Anforderung reichte die Klägerin im Widerspruchsverfahren noch den Heil- und Kostenplan des Dr. V vom 15. März 2001 sowie Rechnungen der H Zahntechnik vom 6. Juni 2001 und 11. Juli 2001 ein. Nach ihrem Vortrag trug die Klägerin insgesamt Behandlungskosten von 8.434,16 DM selbst.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, auf Grund welcher Ursache Zahnersatz notwendig werde, sei für die Höhe der Kostenübernahme nicht maßgeblich. Das Versicherungsrisiko von Zahnbehandlungen werde zu einem Teil den Krankenkassen und zum anderen Teil dem versicherten Mitglied zugewiesen. Es komme nicht darauf an, ob zahnmedizinische oder allgemeinmedizinische Krankheiten den Behandlungsbedarf verursacht hätten. Deshalb sei es ihr - der Beklagten - verwehrt, für Zahnersatzleistungen einen höheren Kostenanteil als die bereits gewährten 65 % zu übernehmen.
Die Klägerin hat am 27. Februar 2002 Klage erhoben und vorgetragen, die Beklagte habe ihren Verpflichtungen gemäß der §§ 10 bis 15 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) nachkommen müssen. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG gehe fehl, da seit dem 1. Juli 2001 neue Gesetze Gültigkeit hätten. Es handele sich nicht um eine einfache Zahnbehandlung. Denn die Zahnbehandlungskosten seien nur eine Folge des Grundleidens, nämlich ihrer schweren Krebserkrankung. Der Tumor sei hinter den Mandeln angesiedelt gewesen. Es seien im großen Umfange Weichteile des Unter- und Oberkiefers entfernt worden. Im Anschluss an die Tumorentfernung sei eine Krebsnachbehandlung durch Bestrahlung und Chemotherapie erfolgt. Außerdem hätten in der rechten Gesichtshälfte im Ober- und Unterkiefer beginnend von der Mitte des Kiefers an alle Zähne entfernt werden müssen, weil sich diese im Bereich des Operationsfeldes befunden hätten. Im Anschluss an die Operation sowie die Nachbehandlung habe sich herausgestellt, dass sich bei der Operation ein Keim im operierten Bereich entwickelt hatte. Auf Grund des Keimes habe das bereits durch Strahlung verbrannte Gewebe erneut operiert werden müssen. Im März 2001 seien ihr sämtliche Zähne des Unterkiefers gezogen worden. Ohne Überkronung der noch im Oberkiefer vorhandenen Zähne hätten diese nach Auskunft der Ärzte spätestens in einem Jahr ebenfalls gezogen werden müssen. Auf Grund der geschilderten Umstände sei die Zahnbehandlung als Rehabilitationsmaßnahme anzusehen. Hierfür müssten entweder die Beklagte oder ein anderer Leistungsträger die Kosten übernehmen. Denn es sei darum gegangen, ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten und ihr die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Ohne die geschilderte Maßnahme hätte sie in den Arbeitsprozess nicht wieder eingegliedert werden können.
Die Klägerin hat sinngemäß unter Aufhebung der genannten Bescheide beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr die vollen Kosten für die zahnprothetische Versorgung zu erstatten.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, sie könne nicht als Verursacher des Schadens bzw. als Beteiligte bezeichnet werden. Angesichts der klaren Rechtslage sei die Ursache der Zahnschäden nicht im Einzelnen zu prüfen. Selbst wenn die Strahlentherapie die Zahnschäden verursacht hätte, so sei sie hierfür in keiner Weise verantwortlich. Die Durchführung der Strahlentherapie sei nur mit Einwilligung der Klägerin zulässig gewesen. Sie müsse leider die unerwünschten Nebeneffekte der Erkrankung in Kauf nehmen. Sie - die Beklagte - sei nicht verpflichtet, Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu gewähren. Dies sei Aufgabe anderer Leistungsträger.
Das Sozialgericht Lübeck hat mit Urteil vom 24. August 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe nach den gesetzlichen Vorschriften Anspruch auf einen Zuschuss in Höhe von 65 %. Nach der Rechtsprechung des BSG regele § 30 SGB V als spezielle Anspruchsnorm die Ansprüche bei Versorgung mit Zahnersatz abschließend. Damit seien - in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips - die Anwendung der allgemeinen Regelungen über die Verschaffung ärztlicher bzw. zahnärztlicher Behandlung als Sach- und Dienstleistung ausgeschlossen. Diese Annahme gelte unabhängig davon, aus welchen medizinischen Gründen die Eingliederung von Zahnersatz notwendig gewesen sei. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dieser spreche allgemein und umfassend von der medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz und nehme eine Differenzierung nach medizinischen Ursachen nicht vor. Die zahnprothetische Behandlung beruhe auch nicht auf einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Erstbehandlung, die sich im nachhinein als gesundheitsschädlich und damit als hoheitlicher Eingriff in nicht vermögenswerte Rechtsgüter dargestellt habe. Ein Sachleistungsanspruch mit der Konsequenz der vollen Kostenübernahme bestehe nicht.
Gegen die ihr am 2. September 2004 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 1. Oktober 2004 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, § 30 SGB V sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass in bestimmten Fällen ein voller Anspruch auf zahnärztliche bzw. zahntechnische Leistungen bestehe. Dies habe dann zu gelten, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet gewesen sei, nur eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden und wenn hierdurch ursächlich die Gesundheit des Versicherten geschädigt worden sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. April 1999, Az.: S 11 KR 302/97 zur Gerichtsakte gereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. August 2004 und die Bescheide der Beklagten vom 19. April 2001 und 29. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Eigenanteile der zahnprothetischen Versorgung nach den Heil- und Kostenplänen vom 15. März 2001 und 14. Mai 2001 in voller Höhe zu erstatten,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 24. August 2004 zurückzuweisen.
Sie führt aus, der Hinweis auf das Urteil des Sozialgerichts Hannover könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Denn das BSG habe sich seinem Urteil vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99 ausführlich mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auseinandergesetzt und einen höheren Kassenzuschuss verneint. Mehrere Landessozialgerichte seien der Rechtsprechung des BSG in vergleichbaren Fällen gefolgt.
Der Senat hat die Akte des Berufungsverfahrens der Klägerin gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund, Az.: L 8 RA 41/04, zu diesem Verfahren beigezogen. Erstinstanzlich ist die Klage, mit der die Klägerin den hier streitigen Betrag von dem genannten Rentenversicherungsträger als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben fordert, vom Sozialgericht Lübeck abgewiesen worden (Az:. S 20 RA 212/02). Die Klägerin hat ihre Berufung zurückgenommen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Verfahrensakten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren Inhalt sowie auf denjenigen der Gerichtsakten wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zu bestätigen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Denn ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme des Eigenanteils für den eingegliederten Zahnersatz besteht nicht.
Soweit die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V geltend macht, ist hierfür Voraussetzung, dass die Beklagte der Klägerin die Versorgung mit Zahnersatz als Sach- oder Dienstleistung schuldete und die Beklagte sie nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt bzw. rechtzeitig zu erfüllen abgelehnt hat. Der Klägerin hat jedoch kein über das von der Beklagten bereits bewilligte Maß hinausgehender Naturalleistungs- oder Naturalverschaffungsanspruch zugestanden. Dieser müsste sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V ergeben. Die Leistungspflicht der Beklagten wird indes durch § 30 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I Seite 3853) begrenzt. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf medizinisch notwendige Versorgung mit Zahnersatz. Der Zahnersatz umfasst auch Zahnkronen. Bei großen Brücken ist die Versorgung auf den Ersatz von bis zu vier fehlenden Zähnen je Kiefer und bis zu drei fehlenden Zähnen je Seitenzahngebiet begrenzt. Bei Kombinationsversorgungen ist die Versorgung auf zwei Verbindungselemente je Kiefer, bei Versicherten mit einem Restzahnbestand von höchstens drei Zähnen je Kiefer auf drei Verbindungselemente je Kiefer begrenzt. Für Suprakonstruktionen besteht der Anspruch in vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegenden Ausnahmefällen (§ 30 Abs. 1 SGB V). Versicherte leisten zu der Versorgung mit Zahnersatz nach Abs. 1 einen Anteil von 50 v.H. der Kosten auf der Berechnungsgrundlage des Heil- und Kostenplans an den Vertragszahnarzt. Für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne mindert sich der Anteil um 10 %Punkte. Der Anteil mindert sich um weitere 5 %Punkte, wenn Versicherte ihre Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten zehn Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung die Untersuchungen nach den Nrn. 1 und 2 ohne Unterbrechung in Anspruch genommen haben (§ 30 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 und Satz 5 SGB V).
Die Beklagte hat der Klägerin bereits mit Bescheid vom 29. Mai 2001 den nach den genannten Vorschriften höchstmöglichen Zuschuss von 65 % bewilligt. Ein weiter gehender Anspruch besteht nicht. Er kann auch nicht aus der schwerwiegenden Krebserkrankung der Klägerin und deren Folgen hergeleitet werden. Dies entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Senats, sondern auch der des BSG und der anderer Landessozialgerichte.
§ 30 SGB V regelt als Sondertatbestand die Ansprüche bei Versorgung mit Zahnersatz abschließend. Eine Begrenzung auf den "Normalfall" einer isolierten, ausschließlich aus zahnmedizinischen Gründen notwendigen zahnprothetischen Maßnahme lässt sich weder rechtsmethodisch noch medizinisch rechtfertigen. § 30 Abs. 1 Satz 1 SGB V knüpft die Beschränkung der Kassenleistung an den Gegenstand (Zahnersatz) und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs. Im Gesetz wird deshalb von medizinisch (und nicht zahnmedizinisch) notwendiger Versorgung gesprochen. Ein Rückgriff auf den umfassenden Sachleistungs- oder Naturalverschaffungsanspruch, der sich für zahnärztliche Behandlungen aus den §§ 27, 28 Abs. 2 SGB V ergibt, verbietet sich. Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien bieten Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe des Zuschusses von der Art der Erkrankung abhängig sein soll (vgl. Urteil des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 1. Februar 1994, Az.: L 1 KR 106/93). Die Gesetzessystematik geht vielmehr von der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung einerseits und der Versorgung mit Zahnersatz einschließlich der zugehörigen Behandlungsmaßnahmen andererseits als jeweils selbstständige Leistungen aus, die nicht schon dadurch eine einheitliche Leistung mit umfassender Leistungspflicht der Krankenkasse bilden, dass sie medizinisch voneinander abhängig sind. Wegen der Häufigkeit des Zusammenhangs mit anderen ärztlich oder zahnärztlich zu behandelnden Erkrankungen hätte die Beschränkung auf den Kostenzuschuss praktisch keine Bedeutung mehr (vgl. hierzu insb. Urteile des BSG vom 29. Juni 1994, Az.: 1 RK 40/93; vom 8. März 1995, Az.: 1 RK 7/94 und vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99).
Eine weiter gehende Kostentragungspflicht der Beklagten könnte sich nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann ergeben, wenn ein der Risikosphäre der Beklagten zuzurechnender hoheitlicher Eingriff vorliegen würde, denn Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet es bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften des SGB V über die Eigenbeteiligung des Versicherten in bestimmten Fällen, dem Versicherten Heilbehandlungsmaßnahmen ohne die an sich nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften vorgesehene Eigenbeteiligung zu verschaffen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn ein Arzt bei Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst verpflichtet war, eine ihm keinen Spielraum belassene Vorgabe des Leistungs- oder des Leistungserbringungsrechts des SGB V zu beachten und nur eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anzuwenden (Beschluss des BVerfG vom 14. August 1998, Az.: 1 BvR 897/98). In einem solchen Fall ist es in Anwendung des richterrechtlich entwickelten Instituts der Aufopferung geboten, die Kosten des Zahnersatzes in vollem Umfang zu übernehmen und den Versicherten von dem eigentlich vorgesehenen Eigenanteil zu befreien. Denn der allgemeine Rechtsgedanke, dass der Einzelne für ein ihm durch hoheitlichen Zwang unter Verletzung des Gleichheitssatzes im öffentlichen Interesse auferlegtes Sonderopfer eine billige Entschädigung von der Allgemeinheit erhalten soll, hat nicht nur zur Schaffung zahlreicher gesetzlicher Anspruchsgrundlagen geführt. Vielmehr kann dieser Rechtsgedanke auch bei der Auslegung von Vorschriften zu beachten sein, die wie § 30 SGB V eine Risikoabgrenzung zwischen dem einzelnen und dem Gemeinwesen vornehmen (BSG vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99; Sächsisches Landessozialgericht vom 15. Januar 2003, Az.: L 1 KR 83/01 und Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. November 2002, Az.: L 16 KR 115/02 und L 16 KR 245/02).
Die genannten Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt. Denn es fehlt bereits an dem Tatbestandmerkmal des hoheitlichen Eingriffs. Der Rechtsgedanke der Aufopferung, wie er z.B. im Impfschadensrecht Anwendung findet, greift für den vorliegenden Fall nicht (vgl. hierzu BSG vom 20. Juli 2005, Az.: B 9a/9 VJ 2/04 R). Denn von der Klägerin ist im Rahmen ihrer Krebsbehandlung kein Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit verlangt worden. Sie hat vielmehr die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten. Es hat sich im Falle der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko - nämlich das Risiko des Auftretens einer Krebserkrankung - realisiert. Ein so genanntes Sonderopfer ist nicht gegeben. Im Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 14. April 1999, Az.: S 11 KR 302/97 ist die Rechtslage unzutreffend gewürdigt worden. Außerdem ist das Urteil durch die oben zitierten Entscheidungen der Landessozialgerichte und durch das Urteil des BSG vom 6. Oktober 1999 mittlerweile überholt.
Da bereits eine rechtskräftige Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund (bis zum 30. September 2005: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) über den Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Eigenanteile als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben vorliegt, war dieser Träger nicht beizuladen.
Die Argumentation der Klägerin, sie sei zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit als Kundenberaterin bei der Sparkasse auf eine vollständige Beseitigung der Zahnschäden angewiesen, kann ihrem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beklagte ist für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zuständig. Dieser Leistungsbereich ist in § 5 Nr. 2 SGB IX aufgeführt. Er wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX, der die Krankenkassen als Rehabilitationsträger nennt, nicht genannt. Ebenso wenig finden sich in § 21 SGB I, der einen Leistungskatalog für die Gesetzliche Krankenversicherung enthält, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Dem hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin war nicht stattzugeben. Nach § 160 Abs. 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen wenn,
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 2. das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der oberen Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtssprechung und Fortentwicklung des Rechts muss berührt sein (vgl. Meyer-Ladewig, SGG-Komm., 8. Aufl., § 160 Rn 6 ff).
Keine der drei Konstellationen ist im vorliegenden Fall gegeben. Die vom Senat hier entschiedenen Rechtsfragen sind bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung behandelt und geklärt worden (Urteile des BSG vom 29. Juni 1994, Az.: 1 RK 40/93; vom 8. März 1995, Az.: 1 RK 7/94 und vom 6. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99). Neue klärungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind nicht ersichtlich. Der Senat weicht in diesem Urteil nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Insbesondere ergibt sich kein Widerspruch zum bereits zitierten Beschluss des BVerfG vom 14. August 1998, Az.: 1 BvR 897/98. Ein Verfahrensmangel ist nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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