L 3 U 7/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 198/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 7/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 18.000,-EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Veranlagung des Klägers zum Gefahrtarif 2001.

Der Kläger ist der Dachverband der Landesverbände der Mietervereine in der Bundesrepublik. Er ist ein eingetragener Verein mit Sitz in B seit dem 01. März 2002. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung vom 24. August 1973 i.d.F. vom 16. Dezember 2000 erstrebt er den Zusammenschluss aller Mieter in örtlichen, den Landesverbänden angeschlossenen Mietervereinen. Sein Ziel ist die einheitliche Wahrnehmung, Förderung und Vertretung der Interessen der Mieter im weitesten Sinne. Er erstrebt den Aufbau einer sozialen Boden- und Wohnungswirtschaft.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 wurde der Kläger aufgrund des ab 01. Januar 2001 geltenden Gefahrtarifs mit Wirkung zum 01. Januar 2001 zu der Gefahrtarifstelle 20 mit der Gefahrklasse 1,34 mit der Unternehmensart "Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen" veranlagt. Der dagegen eingelegte Widerspruch richtete sich gegen die Einstufung in die Gefahrtarifstelle 20. Vielmehr sei die Gefahrtarifstelle 16 zutreffend, denn nach der Umformulierung gegenüber dem Gefahrtarif 1998 seien in die Gefahrtarifstelle 16 nach richtigem Verständnis alle Unternehmen einzugruppieren, die die Merkmale der Unternehmensart "Verband" erfüllten. Aus der jetzt geltenden Beschreibung der Unternehmensart der Gefahrtarifstelle 16 sei nicht ersichtlich, dass die dort genannten Verbände nur solche sein sollten, die für freie Berufe und gewerbliche Wirtschaft tätig seien. Vielmehr sei der Begriff des Verbandes im formulierten Kontext der Beschreibung allgemein zu verstehen und zu differenzieren von den "Organisationen der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft". Im Text heiße es nämlich ausdrücklich nicht "Verband und Organisation der freien Berufe", sondern "Verband, Organisation ". Er erfülle mit seinen satzungsgemäßen und auch praktizierten Aufgaben und Tätigkeiten sämtliche Merkmale eines klassischen Bundesverbandes. Die Einstufung nach der Unternehmensart müsse auf die konkrete Tätigkeit abstellen. Seine eigene Tätigkeit werde vorwiegend in Büroräumen und nicht im Außerdienst verrichtet. Der Schwerpunkt der Tätigkeit entspreche daher derjenigen eines Verbandes nach der Gefahrtarifstelle 16. Die in der Unternehmensart der Gefahrtarifstelle 20 zusammengefassten Unternehmen beträfen im Gegensatz dazu etwa Bürgerinitiativen, Schutzgemeinschaften, Friedensdienste oder auch Organisationen, die in größerem Maße Außenaktionen und Außenaktivitäten außerhalb eines geregelten Bürobetriebs entfalteten und die daher den klassischen Verbänden eher nicht gleichzustellen seien. Die Unternehmensart der Gefahrtarifstelle 20 bilde einen Auffangtatbestand und eine Gruppe für alle diejenigen Unternehmen, die sich als Interessenvertreter keiner der sonstigen speziell benannten Unternehmensarten zuordnen ließen und die nach ihren Tätigkeitsprofilen wegen verstärkter Aktivitäten außerhalb eines normalen Bürobetriebes eine andere Risikostruktur aufwiesen. Eine solch gesteigerte Risikostruktur habe er selbst als klassischer Bundesverband offensichtlich nicht.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Gefahrtarif sei gewerbezweig – bzw. branchenbezogen – und nicht tätigkeitsbezogen. Sinn des Gefahrtarifs sei es, möglichst jede Unternehmensart entsprechend der für sie eigentümlichen Unfallgefahr zu belasten. Hierzu würden Gefahrgemeinschaften (Gefahrtarifstellen) gebildet, in denen Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art und gleicher oder ähnlicher Gefährdungsrisiken zusammengefasst seien. Bei der Anwendung des Gefahrtarifs komme es also nicht auf die Tätigkeiten an, die die Beschäftigten in ihren Unternehmen ausübten. Entscheidend seien allein Art und Gegenstand des Unternehmens. Die Gefahrtarifstelle 16 beinhalte Unternehmen, die sich mit der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen durch selbstverwaltende Organe der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft beschäftigten. Hierzu gehörten unter anderem Innungen, Kreishandwerkerschaften und Einzelhandelsverbände. Die Bildung und Aufgaben dieser Unternehmen seien gesetzlich vorgegeben, z.B. in der Handwerksordnung. Dabei würden nicht nur gemeinsame Interessen des Handwerks gefördert, sondern auch so genannte öffentliche Aufgaben wahrgenommen. Es handele sich um überwiegend öffentlich-rechtliche Institutionen auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben. Das Unternehmen des Klägers sei als Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen veranlagt worden. Hierbei handele es sich um einen allgemeinen Oberbegriff, unter den eine Vielzahl kleinerer Unternehmensgruppen zusammengefasst werde. Gemeint seien Einrichtungen, die die Wahrnehmung und Förderung gemeinsamer Interessen ihrer Mitglieder zum Gegenstand hätten und deren Aktivitäten sich unter anderem um die Vertretung der gemeinsamen Interessen in der Öffentlichkeit und gegenüber anderen Institutionen und Organisationen erstreckten. Dies treffe auf den Kläger, wie sich aus seiner Satzung ergebe, zu.

Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Darstellung der Beklagten, alle in der Gefahrtarifstelle 16 zusammengefassten Unternehmen seien aufgrund gesetzlicher Anordnungen gebildet, sei unrichtig. Dass mit einem "Verband" nur öffentlich-rechtliche Verbände gemeint seien, mache im Übrigen der Gefahrtarif nicht deutlich. Außerdem nehme er, der Kläger, ebenfalls öffentliche Aufgaben wahr. Dies ergebe sich aus § 558 c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach Mietspiegel von der Gemeinde oder von den Interessenvertretern der Vermieter und Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt würden. Er sei auch einem Berufsverband gleichzusetzen. Schon das Rechtsberatungsgesetz formuliere in § 7, dass zur Rechtsberatung auch berufstandsähnliche Vereinigungen befugt seien. Dazu gehöre unstreitig der Deutsche Mieterbund bzw. der Haus- und Grundbesitzerverband. Verbände und Organisationen freier Berufe und der gewerblichen Wirtschaft seien nichts anderes als Verbände der jeweiligen Berufsstände, die ihre Mitgliederinteressen bündelten, um sie gegenüber Politik und Wirtschaft vertreten zu können. Deren Unternehmensbild sei identisch mit dem seinigen und stelle gleichfalls den Zusammenschluss und eine Bündelung gemeinsamer berufsständischer Interessen dar. Seine Büroorganisation sei dahin ausgerichtet, lediglich interne Büroarbeiten zu erledigen. Es würden – mit Ausnahme von politischen Kontakten durch die Verwaltungsspitze mit anderen Organisationen und Vereinen – keinerlei Außerdienste, Schulungen und Ähnliches wahrgenommen. Die Beratungstätigkeit innerhalb des Verbandes vollziehe sich telefonisch oder durch Schriftverkehr. Es sei nicht erkennbar, welche sachlichen Gründe dafür sprächen, die reine Bürotätigkeit einem anderen Risiko zuzuordnen. Hilfsweise sei er der Gefahrtarifstelle 29 mit der Unternehmensart "Gewerkschaft" zuzuordnen, da Aufgaben und Ziele der Unternehmen vergleichbar seien. Gewerkschaften hätten sich ebenfalls zur Förderung und Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftbedingungen gegründet.

Mit Beitragsbescheiden vom 24. April 2002 für das Jahr 2001 und 23. April 2003 für das Jahr 2002 hat die Beklagte den Kläger zur Entrichtung von Beiträgen verpflichtet.

Durch Urteil vom 12. Dezember 2003 hat das Sozialgericht die Klage, die sich nicht nur gegen den Veranlagungsbescheid, sondern auch gegen die Beitragsbescheide für 2001 und 2002 gerichtet hat, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei als Bundesverband der Landesverbände der örtlichen Mietervereine ein "Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen" im Sinne der Gefahrtarifstelle 20 des Gefahrtarifs 2001 und weder ein zur Gefahrtarifsstelle 16 als "Kammer, Verband, Organisation der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft" noch ein zur Gefahrtarifstelle 29 als "Gewerkschaft" zu veranlagendes Unternehmen. Es bestünden weder gegen die Subsumtion des Klägers bzw. seines Unternehmens unter die Gefahrtarifstelle 20 des Gefahrtarifs 2001 noch gegen die Bildung dieser Gefahrtarifstelle durch den von der Vertreterversammlung der Beklagten am 07. Dezember 2000 beschlossenen und von dem Bundesversicherungsamt als zuständiger Aufsichtsbehörde am 13. Dezember 2000 genehmigten Gefahrtarif 2001 rechtliche Bedenken. Eine Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 16 oder 29 komme nicht in Betracht.

Dass der Kläger von der Gefahrtarifsstelle 20 erfasst werde, stehe außer Zweifel. Als Bundesverband seien in ihm die Landesverbände der örtlichen Mietervereine und somit mittelbar auch die Mieter der Mitglieder der Mietervereine zusammengeschlossen. Das gemeinsame Ziel sei die in § 2 der Satzung beschriebene Wahrnehmung, Förderung und Vertretung der Interessen der Mieter und der Aufbau einer sozialen Boden- und Wohnungswirtschaft. Da es sich hierbei um eine Zielsetzung sowohl der örtlichen Mietervereine als auch der Landesverbände der Mietervereine und der in den örtlichen Mietervereinen zusammengeschlossenen Mieter handele, sei es für die Anwendbarkeit des Begriffs "Zusammenschluss" auf den Kläger ohne Relevanz, ob man diesen in einem engen Sinne lediglich auf die eigentlichen Mitglieder des Klägers, die Landesverbände der örtlichen Mietervereine oder in einem weiten Sinne auf die von den einzelnen Landesverbänden repräsentierten örtlichen Mietervereine und die wiederum von diesen repräsentierten Mieter als Mitglieder der Mietervereine beziehe.

Für den Kläger sei keine andere spezielle Gefahrtarifstelle des Gefahrentarifs 2001 einschlägig. Ihm sei zwar zuzustimmen, dass die Gefahrtarifstelle 20 eine Auffanggefahrtarifstelle für mitgliedschaftlich organisierte gemeinsame Interessenvertretungen sei und nur zur Anwendung komme, wenn keine andere speziellere Gefahrtarifstelle einschlägig sei. Dies sei jedoch bei dem Kläger nicht der Fall, denn insbesondere sei er kein Verband im Sinne der Gefahrtarifstelle 16. Die Formulierung dieser Gefahrtarifstelle sei grammatikalisch ungenau, wie sich aus dem Vergleich mit der sprachlichen Fassung einer Vielzahl weiterer Gefahrtarifstellen ergebe. Ob ein Verband im Sinne der Gefahrtarifstelle 16 jeder Verband sein solle oder nur ein Verband der freien Berufe und / oder der gewerblichen Wirtschaft, müsse bei nicht eindeutigem Wortlaut durch eine Auslegung nach dem Aufbau der Gefahrtarifstelle und deren Stellung im Gefahrtarif 2001 sowie nach ihrem erkennbaren Sinn und Zweck entschieden werden. Sowohl nach systematischer als auch teleologischer Auslegung unter Beachtung der grundsätzlich gewerbezweigbezogenen Ausrichtung des Gefahrtarifs führe die Auslegung zwingend zur Begrenzung auf Verbände der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft. Denn der Begriff "Verband" sei eingebettet in die Begriffspaare "Kammer" und "Organisation". Letzterer beziehe sich bereits nach dem Wortlaut eindeutig nur auf die freien Berufe und die gewerbliche Wirtschaft. Aber auch unter Kammer verstehe man allgemein die öffentlich-rechtlich strukturierten Organisationen der freien Berufe oder auch sonstiger bestimmter Berufsgruppen aus der gewerblichen Wirtschaft. Würde man unter einem Verband im Sinne der Gefahrtarifstelle 16 einschränkungslos jeden Verband verstehen, wäre der Begriff des Verbandes somit zum einen ein Fremdkörper innerhalb der Aufzählung der Gefahrtarifstelle 16, zum anderen würde es sich um einen gleichsam versteckten Auffangtatbestand zu vielen anderen Gefahrtarifstellen handeln, obwohl die Gefahrtarifstelle 16 ansonsten als spezielle Gefahrtarifstelle für Organisationen der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft formuliert sei. Als spezielle Gefahrtarifstelle unterscheide sie sich von der Gefahrtarifstelle 20 dadurch, dass die in ihr genannten Unternehmensarten typischerweise auch bestimmte Partikularinteressen verträten, daneben aber in erheblichem Umfang öffentliche, vom Gesetz- oder Verordnungsgeber vorgegebene Aufgaben wahrnähmen und insoweit auch besonderen Bindungen unterlägen, wie z.B. die Rechtsanwaltskammern im Bereich der Rechtspflege. Dass die Beklagte die Wahrnehmung öffentlich-rechtlich zugewiesener und gebundener Aufgaben nicht als Kriterium zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Gefahrtarifstelle 16 aufgenommen, sondern eine Typisierung vorgenommen habe, sei im Rahmen ihres Regelungsspielraumes als autonomer Satzungsgeber zulässig und nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass dem Kläger als besondere Interessenvertretung der Mieter nach Sinn und Zweck des Rechtsberatungsgesetzes wie einer berufsstandsähnlichen Vereinigung die Rechtsberatung für Mietstreitigkeiten erlaubt sei, bedeute jedoch nicht, dass er auch im sonstigen Rechtsverkehr berufsständischen Kammern und Vereinigungen gleichzusetzen sei. An der nach Systematik, Sinn und Zweck sowie aus historischen Gründen eindeutigen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Gefahrtarifstelle 16 auf Verbände der freien Berufe und gewerblichen Wirtschaft, zu denen der Kläger eindeutig nicht gehöre, könne seine partielle Gleichstellung bei Fragen der Rechtsberatung nichts ändern und eine Subsumtion unter die Gefahrtarifstelle 16 nicht begründen.

Es komme auch nicht darauf an, ob das Gefährdungsrisiko im Unternehmen des Klägers deutlich niedriger sei als bei den meisten anderen Unternehmen der Gefahrtarifstelle 20. Der Ausgleich unterschiedlicher Gefährdungsrisiken durch die Zusammenfassung verschiedener Unternehmensarten mit jeweils unterschiedlichen Gefährdungsrisiken unter einen Oberbegriff sei durch das gesetzlich vorgegebene Prinzip eines versicherungsmäßigen Ausgleichs der Gefährdungsrisiken und das Gebot, hinreichend große und stabile Gefahrtarifstellen zu schaffen, abgedeckt. Dass die Beklagte den ihr insoweit zustehenden weiten Gestaltungsspielraum überschritten habe, sei nicht zu erkennen. Insbesondere bestünden keine derartigen strukturellen Unterschiede zwischen den von der Gefahrtarifstelle 20 erfassten Unternehmensarten mit derart weit auseinander liegenden Gefährdungsrisiken, dass es erforderlich wäre, die Bildung der Gefahrtarifstelle im Rahmen der beschränkten gerichtlichen Überprüfung für rechtswidrig zu erklären.

Zusammenfassend sei der Kläger zutreffend in die Gefahrtarifstelle 20 und nicht in die Gefahrtarifstelle 16 eingeordnet worden. Die vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Veranlagung als Gewerkschaft zur Gefahrtarifstelle 29 sei aufgrund des eindeutigen Wortlauts dieser Gefahrtarifstelle ausgeschlossen, denn bei dem Kläger handele es sich nicht um eine Gewerkschaft im Rechtssinne.

Die Klage gegen die Beitragsbescheide für die Beitragsjahre 2001 und 2002, die gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) analog aus Gründen der Verfahrensökonomie Gegenstand des Verfahrens geworden seien, sei ebenfalls unbegründet, da der zugrunde liegende Veranlagungsbescheid rechtsmäßig sei.

Gegen das am 30. Dezember 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. Januar 2004 eingelegte Berufung, mit der der Kläger geltend macht, der Auslegung des Sozialgerichts bezüglich der Gefahrtarifstelle 20 sei nicht zu folgen, denn die in den Gefahrtarifstellen zusammengefassten Unternehmensarten seien überwiegend sehr differenziert aufgelistet. Diese müssten daher dort, wo nicht spezifizierte Sammelbegriffe verwendet worden seien, entsprechend umfassend ausgelegt und verstanden werden. Eine differenzierte Beschreibung der Unternehmensart nehme die Gefahrtarifstelle 16 jedoch nicht vor. Dies ergebe sich daraus, dass eine Kammer als berufsständische Körperschaft mit öffentlichen Aufgaben von ihrer Unternehmensart her etwas anderes sei als z. B. die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft, die als Interessenverbände und Lobbyisten der Arbeitgeber Klientelpolitik betrieben. Die Gefahrtarifstelle 16 beschreibe somit nicht einen Oberbegriff, sondern zähle unterschiedliche Unternehmensarten auf. Ein Verband in der Gefahrtarifstelle 16 sei nicht beschränkt auf Organisationsstrukturen und Aufgaben öffentlich-rechtlicher Art, sondern erfasse grundsätzlich jede Körperschaft privat-rechtlicher Art. Ein Verband sei eine Vereinigung von Personen oder Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die der Verfolgung eines gemeinsamen Zieles diene. Verbände finde man in allen Gesellschaftsbereichen, von den politischen Parteien über Wirtschafts-, Industrie-, Kultur- und Sportverbänden bis hin zu zahlreichen Berufsverbänden. Da die Gefahrtarifstelle 20 unter diesem Blickpunkt allenfalls eine Auffangvorschrift sein könne, sei in erster Linie die Zugehörigkeit zur Gefahrtarifstelle 16 zu prüfen. Da er ein Verband sei, der mit Verbänden der gewerblichen Wirtschaft vergleichbar sei, sei bereits aus diesem Grund die Einordnung in die Gefahrtarifstelle 16 zwingend.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2006 hat der Kläger die Berufung insoweit zurückgenommen, als die Beitragsbescheide vom 24. April 2002 und 23. April 2003 für die Jahre 2001 und 2002 angefochten worden sind.

Im Übrigen beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 27. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2002 zu verurteilen, ihn der Gefahrtarifstelle 16 des ab 01. Januar 2001 geltenden Gefahrtarifs zuzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, die Gefahrtarifstellen bezeichneten die einzelnen Risikogemeinschaften. Das Ziel einer individuellen Beitragsgerechtigkeit sei dabei durch die Untergliederung in Gefahrklassen nur begrenzt erreichbar. Durch Typisierung werde den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung getragen. Dabei auftretende Härten in Einzelfällen seien bei einer generalisierenden Regelung unvermeidlich und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hinzunehmen. Die Zuordnung eines Unternehmens zu einer Gefahrklasse werde durch die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensart bestimmt. Die Einstufung zu einer Unternehmensart richte sich nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Eine Legaldefinition des Begriffs "Unternehmensart" gebe es nicht. Nach ihrer Ansicht sei eine Unternehmensart als Zusammenfassung von Unternehmen anzusehen, deren Unternehmensgegenstände, –ziele und -strukturen Gemeinsamkeiten aufwiesen. Der Kläger sei seit seinem Bestehen zur Unternehmensart "Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen" veranlagt worden. Bei dieser Unternehmensart handele es sich um einen Oberbegriff, unter dem eine Vielzahl kleinerer Unternehmensgruppen zusammengefasst sei. Ohne Bedeutung für die Veranlagung zu dieser Unternehmensart sei die Rechtsform. Demgegenüber fasse die Gefahrtarifstelle 16 die Kammern der freien Berufe, des Handwerks, der Industrie und des Handels sowie Innungen, Kreishandwerkerschaften, Verbände und Organisationen der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft zusammen. Art und Gegenstand der so zu veranlagenden Unternehmen müssten somit die Wahrnehmung und Förderung gemeinsamer Interessen der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft sein. Der Zusatz "der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft" beziehe sich nicht nur auf Organisationen, sondern auch auf Kammern und Verbände. Bereits aus der Aufzählung sei erkennbar, dass die Zusammensetzung überwiegend aus Selbstverwaltungseinrichtungen bestehe, die überwiegend als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert seien. Bei den von Selbstverwaltungskörperschaften wahrgenommenen Verwaltungsfunktionen handele es sich um solche, die dem Staat zuzurechnen seien, da es keine "geborenen" Selbstverwaltungsaufgaben seien. Diese berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaften seien zum größten Teil Pflichtverbände. Die Unternehmen dieser Unternehmensart verfolgten kein eigenes Ziel, sondern durch die Institution würden die Interessen z.B. einer Berufsgruppe gebündelt und einheitlich nach außen vertreten. Eine Veranlagung des Klägers zu dieser Gefahrtarifstelle sei nicht sachgerecht. Eine Veranlagung als Kammer scheide aus, da hierunter Körperschaften des öffentlichen Rechts zu verstehen seien, in denen die Angehörigen eines bestimmten Berufs- oder Wirtschaftszweiges auf genossenschaftlicher Grundlage zur Selbstverwaltung ihrer gemeinsamen berufsständischen Angelegenheiten zusammengefasst seien. Bei dem Kläger handele es sich aber nicht um eine Kammer. Eine Veranlagung als Verband bzw. Organisation scheide aus, da der Zusatz "der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft" auf den Kläger nicht anwendbar sei. Mitglieder des Klägers seien weder Unternehmungen der freien Berufe noch der gewerblichen Wirtschaft. Mitglieder seien die hier angeschlossenen Verbände mit ihren Mitgliedern, den Mietern als eingetragene Vereine. Zusammenschlüsse von Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft würden im Unterschied zu Zusammenschlüssen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen durch den erwerbswirtschaftlichen Charakter der in ihr zusammengefassten Unternehmen bestimmt. Kennzeichen und damit Abgrenzungskriterium zu den anderen Zusammenschlüssen zur Verfolgung gemeinsamer Interessen sei die auf Gewinnmaximierung gerichtete wirtschaftliche Tätigkeit. Einer solchen erwerbswirtschaftlichen Betätigung gehe der Kläger jedoch nicht nach.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand dieses Verfahrens ist nur der Veranlagungsbescheid aufgrund des ab 01. Januar 2001 geltenden Gefahrtarifs 2001 vom 27. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2002. Die Berufung gegen die auf dem Veranlagungsbescheid beruhenden Beitragsbescheide vom 24. April 2002 und 23. April 2003 für die Jahre 2001 und 2002, die nicht – auch nicht analog – gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2006 zurückgenommen.

Der Kläger hat, wie das Sozialgericht ansonsten zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Zuordnung seines Unternehmens in die Gefahrtarifstelle 16 des ab 1. Januar 2001 geltenden Gefahrtarifs.

Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII). Danach veranlagt der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen. Der Gefahrtarif ist vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen und in ihm sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrgemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 S. 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der bezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII).

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs 2001 bestehen nicht. Dies hat der Senat bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 28. Juli 2005, Aktenzeichen L 3 U 32/03-16, entschieden. Als autonom gesetztes objektives Recht ist der Gefahrtarif nur darauf überprüfbar, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist.

Den Unfallversicherungsträgern ist als Körperschaften des öffentlichen Rechts und damit als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung ein weiter Entscheidungs- und Ermessensspielraum bei der Regelung der eigenen Angelegenheiten eingeräumt, den die Beklagte auch bei der Festsetzung des Gefahrtarifs 2001 nicht überschritten hat. Dies wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Seine Berufung bezieht sich ausschließlich darauf, in die Gefahrtarifstelle 16 anstatt der Gefahrtarifstelle 20 eingeordnet zu werden.

Zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte den Kläger auch zutreffend in die Gefahrtarifstelle 20 eingeordnet, denn es handelt sich bei dem Kläger unter Berücksichtigung der Bestimmung in § 2 Abs. 1 seiner Satzung um einen Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und bezieht sich auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung, der er folgt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Kläger hat keine Gründe vorgetragen, die es rechtfertigen, von dieser Entscheidung abzuweichen. Die zum Gefahrtarif 2001 und den Gefahrtarifstellen 20 und 16 bereits ergangene obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 10. April 2003, Az.: L 5 U 55/01 Urteil des Thüringer LSG vom 01. September 2004 zum Gefahrtarif 1998, Az.: L 1 U 453/01 [anhängig beim BSG, Az.: B 2 U 2/05 R], und des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 16. September 2004, Az.: L 5 U 94/03), der der Senat nach eigener Prüfung folgt, vertritt einheitlich die Auffassung, dass die Gefahrtarifstelle 16, deren Einordnung der Kläger begehrt, nur Unternehmen umfasst, deren Gegenstand die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen durch selbstverwaltende Organe der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft ist. Dabei handelt es sich überwiegend um Unternehmen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts fungieren (z.B. Innungen, Kreishandwerkerschaften, Industrie- und Handelskammern) und nicht nur gemeinsame Interessen fördern, sondern auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wie etwa die Regelung von Prüfungsordnungen, Abnahme von Prüfungen, Erteilung von Auskünften an Gerichte und Behörden. Oft besteht hier eine Pflichtmitgliedschaft bestimmter Unternehmen bei diesen Institutionen bzw. Körperschaften. Es handelt sich überwiegend um öffentlich-rechtliche Institutionen auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben.

Das Sozialgericht hat unter zutreffender Anwendung der Auslegungsregelungen ausführlich dargelegt, die Unternehmensbeschreibung in der Gefahrtarifstelle 16 sei nicht so zu verstehen, dass sich der Zusatz "freie Berufe und gewerbliche Wirtschaft" ausschließlich auf "Organisation" beziehe, nicht jedoch auf "Kammer" und "Verband". Zusammengefasst kann nur erneut darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der Formulierung "Kammer, Verband, Organisation der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft" um eine Aufzählung verschiedener Zusammenschlüsse handelt. Die Verbindung durch ein Komma bei einer Aufzählung zwischen gleichrangigen Wörtern und Wortgruppen ersetzt nach allgemeinen Regeln ein "und" oder "oder" (vgl. Duden, Band 1: Rechtschreibung, 21.A. 1996, S.43, R639). Damit ist eindeutig, dass sich das Tatbestandsmerkmal "der freien Berufe und der gewerblichen Wirtschaft" auf alle drei Arten von Zusammenschlüssen bezieht.

Würde man der Argumentation des Klägers folgen, müsste die Gefahrtarifstelle 16 jede Vereinigung zur Verfolgung gemeinsamer Interessen erfassen. Die Gefahrtarifstelle 20 wäre dann ohne eigenen Regelungsgehalt, weil die dort genannten Interessengruppen immer auch unter den Begriff Verband und damit unter die Gefahrtarifstelle 16 fallen würden. Bereits die Verwendung des Begriffs "Kammer" in der Gefahrtarifstelle 16 zeigt, dass hier ein berufsständisches Unternehmen eingeordnet wird. Bei dem Kläger handelt es sich zwar um einen Verband, jedoch nicht um einen solchen der freie Berufe oder der gewerblichen Wirtschaft. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Zweck, wie er in § 2 Abs. 1 der Satzung beschrieben ist, nämlich dem Zusammenschluss aller Mieter in örtlichen, dem Landesverband angeschlossenen Mietervereinen zur einheitlichen Wahrnehmung, Förderung und Vertretung der Interessen der Mieter im weitesten Sinne.

Da die Beklagte den Kläger damit zutreffend der Gefahrtarifstelle 20 zugeordnet hat, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a Abs. 1 S. 1 SGG, 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Der Streitwert, der sich gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung, die wegen der Übergangsregelung des § 72 S. 1 Nr. 1 GKG in der Fassung des ab 1. Juli 2004 geltenden Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes noch anwendbar ist, nach der Bedeutung der Sache für den Klägers richtet, beträgt das 6-fache der Differenz zwischen der Beitragslast, die sich ergeben würde, wenn der Kläger ab dem 01. Januar 2001 zur Gefahrtarifstelle 16 statt der Gefahrtarifstelle 20 veranlagt würde. Streitigkeiten wegen der Veranlagung eines Unternehmens rechtfertigen wegen der in § 157 Abs. 5 SGB VII geregelten maximalen Dauer des Gefahrtarifs von 6 Jahren einen 6-fachen Beitragssatz. Bei einem Differenzbetrag von durchschnittlich 3.000,- EUR jährlich ergibt sich damit ein Streitwert von 18.000,- EUR.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Az.: L 3 U 7/04

Az.: S 67 U 198/02

Sozialgericht Berlin

BeschlussBeschluss

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungskläger,

gegen

Verwaltungs-Berufsgenossenschaft

Bezirksverwaltung 1,

Markgrafenstr. 18, 10969 Berlin,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

hat der Vorsitzende des 3. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Dumlich, am 20. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Tenor des Urteils vom 02. Februar 2006 wird gemäß §§ 153 Abs. 1, 138 Sozialgerichtsgesetz dahingehend berichtigt, dass es statt

"Kosten sind nicht zu erstatten"

richtig

"Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen"

heißen muss.
Rechtskraft
Aus
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