L 14 RJ 81/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 RJ 14/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RJ 81/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.05.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.).

Der im März 1962 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Fliesenleger absolviert und war bis August 2001 als Geselle in diesem Beruf beschäftigt. Im Jahre 1999 hatte sich der Kläger beim Fußballspielen eine Schulterfraktur links zugezogen. Hiernach kam es in der Folgezeit immer wieder zu Beschwerden, was zu einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit ab Oktober 1999 führte. Im März 2000 beantragte der Kläger die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, die in der Klinik B Orthopädisch-Rheumatologische Rehabilitationsklinik Bad T durchgeführt wurde. In dem Entlassungsbericht vom 20.07.2000 (Maßnahme 15.06. bis 06.07.2000) wurde die Diagnose "funktionelles Engpassyndrom der linken Schulter nach traumatischer Tuberculum majus-Abriss-Fraktur" gestellt. Der Kläger sei für seine letzte Tätigkeit als Fliesenleger nur noch untervollschichtig einsetzbar. Es bestehe eine Arbeitsfähigkeit für mittelschwere Tätigkeit unter Schulterhöhe, ohne Gewichtsbelastung über Schulterhöhe sowie ohne schweres Heben über Kopf sowie unter Ausschluss von Abstützbelastungen aus kniender Tätigkeit wie beim Fliesen legen. Anschließend bestand der Kläger im Rahmen einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme am 19.11.2002 die Meisterprüfung im Fliesenlegerhandwerk. Der Kläger absolvierte Teil 1 und 2 der Prüfung (Prüfung der meisterhaften Verrichtung der gebräuchlichen Arbeiten und Prüfung der fachtheoretischen Kenntnisse) mit der Note "befriedigend", Teil 3 und 4 (Prüfung der betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse sowie Prüfung der berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse) mit "gut". Insoweit hatte der Kläger einen Vorbereitungslehrgang vom 23.04. bis 27.06.2001 und 12.11.2001 bis 12.04.2002 bei der Handwerkskammer E besucht. Der Kläger bezog vom 15.06.2000 bis 26.06.2002 Übergangsgeld bzw. Zwischenübergangsgeld. Seit dem 01.07.2002 besteht Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug.

Am 27.07.2000 - also noch vor Ablegung der Meisterprüfung - beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte holte einen Befundbericht bei dem Allgemeinmediziner Dr. C vom 07.09.2000 ein und ließ den Kläger anschließend durch den Orthopäden Dr. T begutachten. Dieser Arzt ist in seinem Gutachten vom 29.11.2000 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne vollschichtig leichte Arbeiten ohne Absturzgefahr, ohne Tätigkeiten in Schulterhöhe oder über Kopf und ohne Tätigkeiten, die mit schweren Heben und Tragen verbunden seien, verrichten. Aufgrund der Folgen des Sportunfalls sei ein weiterer Einsatz als Fliesenleger nicht mehr möglich.

Mit Bescheid vom 04.01.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab, der Kläger sei mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch in der Lage, vollschichtig als Fachberater in einem Baumarkt tätig zu sein. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Arztes C vom 14.03.2001. Nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme bei Dr. T vom 29.06.2001 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2001 den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26.10.2001 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben und geltend gemacht, ihm sei weder eine Tätigkeit als Bauleiter, noch Berater in einem Baumarkt möglich. Auch im Rahmen von Bürotätigkeiten könne er nicht eingesetzt werden, da er unter einer Rechtschreibschwäche leide. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei dem Hausarzt des Klägers Brünjes vom 23.05.2003 eingeholt und anschließend eine Begutachtung bei dem Rheumatologen und Orthopäden Dr. C1 veranlasst. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 15.10.2003 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger leide an einer Periarthropathie des linken Schultergelenks nach knöchern fest verheilter Abrissfraktur des Tuberculum majus. Der sonstige äußere Untersuchungsbefund sei im übrigen nicht sehr ergiebig, die Beweglichkeit der linken Schulter sei in allen Ebenen frei, lediglich die Außenrotation sei bei anliegendem Arm leicht behindert. Wegen der Schulterveränderungen könnten Tätigkeiten, die mit hoher körperlicher Beanspruchung verbunden seien, und auch Tätigkeiten, die mit Abstützen der Arme beim Knien einhergingen, nicht mehr ausgeübt werden. Der Beruf des Fliesenleger (Meisters) und Bauleiters sei nur möglich, wenn dabei die in abstrakter Hinsicht gemachten Einschränkungen berücksichtigt werden könnten und insbesondere eine höhere körperliche Beanspruchung, vor allem aber Überkopftätigkeiten nicht verlangt würden. Im übrigen seien leichte und mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Gehen und Stehen und/oder Sitzen denkbar, jedoch nicht auf Gerüsten oder Leitern, aber durchaus auf Regalleitern; die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt. Der Kläger ist diesem Gutachten unter Vorlage eines Attestes seines Hausarztes Brünjes vom 18.11.2003 entgegengetreten. Entgegen der Einschätzung des Sachverständigen sei er nur für leichte Tätigkeiten einsetzbar. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.01.2004 hat der Sachverständige ausgeführt, bei den erhobenen Befunden halte er gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten für zumutbar, da leistungsmindernd sich lediglich die Schultererkrankung auswirke, weshalb schwere körperliche Arbeiten und Überkopftätigkeiten ausgeschlossen seien. Ausgehend von dem Leistungsbild eines Hausmeisters, der mit 60 % mittelschweren Tätigkeiten und leichten Tätigkeiten befasst sei, sei ein solcher Einsatz nicht möglich.

Mit Urteil vom 28.05.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, denn für die Zeit ab Antragstellung vom 27.07.2000 bis zum 26.06.2002 stehe einem Rentenanspruch ein gesetzlich angeordneter Rentenausschluss entgegen und für die Zeit ab dem 27.06.2002 liege beim Kläger keine Berufsunfähigkeit im Sinne des Gesetzes vor. Für den Zeitraum des Bezugs von Übergangs- bzw. Zwischenübergangsgeld sei die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente bereits nach § 301 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 116 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VI ausgeschlossen. Für die Zeit nach Ende des Übergangsgeldbezuges sei Rechtsgrundlage für die Beurteilung des streitigen Rentenanspruches die Bestimmung des § 43 SGB VI a.F ... Dies folge aus § 301 SGB VI, wonach für Leistungen zur Rehabilitation bis zum Ende der Leistung die Vorschriften weiter anzuwenden seien, die im Zeitpunkt der Antragstellung gegolten hätten. Daher finde auf eine vor Inkrafttreten des neuen Rechts beantragte und im Anschluss an eine fehlgeschlagene Rehabilitationsmaßnahme zu gewährende Rente noch das alte Recht Anwendung. Berufsunfähig seien gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen sei, umfasse alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten. Zumutbar sei stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden seien. Der Kläger könne zwar nicht mehr als Fliesenleger tätig sein. Auch könne offen bleiben, ob es auf dem Arbeitsmarkt noch Stellen für rein aufsichtsführende Handwerksmeister gebe. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen sei der im Rahmen des vom Bundessozialgerichts entwickelten Mehrstufenschemas als Facharbeiter einzustufende Kläger unter Berücksichtigung seiner Ausbildung zum Fliesenlegermeister zumutbar auf eine Tätigkeit als technisch-kaufmännischer Angestellter im Baugewerbe zu verweisen. Hierbei handele es sich um eine angelernte Tätigkeit, die nach Gehaltsgruppe A II des Rahmentarifvertrages für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes vom 04.07.2002 entlohnt werde, und um eine leichte körperliche Tätigkeit, bei der insbesondere auch die linke Schulter nicht beansprucht werde. Mit Blick auf die erfolgreich bestandene Meisterprüfung sei davon auszugehen, dass der Kläger auch Kenntnisse im Bereich Technik, Betriebs- und Personalwirtschaft erlangt habe. Unter Berücksichtigung seiner langjährigen Berufserfahrung als Fliesenlegergeselle im Baugewerbe gehe die Kammer davon aus, dass sich der Kläger innerhalb von höchstens 3 Monaten an einem entsprechenden Arbeitsplatz vollwertig einarbeiten könne. Den Vortrag des Klägers, er leide an einer nicht unerheblichen Rechtschreibschwäche, halte die Kammer in Anbetracht der erfolgreich bestandenen Meisterprüfung für wenig nachvollziehbar und unsubstantiiert.

Gegen das am 25.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.07.2004 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens macht der Kläger geltend, entgegen der Einschätzung des Sachverständigen Dr. C2 könne er nur noch leichte Tätigkeiten ausüben, was auch der im Verwaltungsverfahren tätig gewordene Dr. T festgestellt habe. Der Ablegung der Meisterpüfung dürfe kein zu hohes Gewicht beigemessen werden, da hier keine längeren schriftlichen Ausführungen zu tätigen gewesen seien. Er sei nicht in der Lage, einfachere Sekretariatstätigkeiten oder sonstige Schreibtätigkeiten auszuführen, da er an einer Lese- und Rechtschreibschwäche leide. Er habe ursprünglich vorgehabt, als aufsichtsführender Meister - ohne körperliche Beanspruchung - tätig zu sein. Nach Aufhebung der Meisterpflicht im Fliesenlegerhandwerk sei diese Tätigkeit jedoch völlig bedeutungslos geworden. Im übrigen habe er keinerlei bürotechnisch - kaufmännische Berufserfahrungen vorzuweisen.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland Pfalz vom 08.09.2003 - L 2 RI 160/02 - zu sogenannten gehobenen (Hilfs-)Bürotätigkeiten nach BAT VIII hingewiesen und außerdem die Prüfungsakten der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld über die vom Kläger absolvierte Meisterprüfung beigezogen. Außerdem hat der Senat ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. M vom 20.06.2005 angefordert (Untersuchung 16.06.2005). Der Sachverständige hat neben dem Schulterarmsyndrom links bei Impingement- bzw. Engpass-Syndrom nach knöchern fest verheilter Abrissfraktur des Tuberculum majus ein LWS-Syndrom mit rezidivierenden Ischialgien bei anamnestisch nachgewiesenem Bandscheibenvorfall L4/L5 beschrieben. Der Kläger könne nur noch noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter Berücksichtigung weiterer Einschränkungen verrichten. Die eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit des linken Arms stehe Bürotätigkeiten nicht entgegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.05.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.001 zu verurteilen, ihm aufgrund eines am 30.03.2000 gestellten Antrags und eines am 19.10.1999 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen Berufsunfähigkeit nach im Übrigen näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise die Einholung eines psychologischen Eignungsgutachtens zu der Frage, ob der Kläger den Anforderungen der Tätigkeit eines technisch kaufmännischen Angestellten oder einer gehobenen (Hilfs-)Bürotätigkeit nach BAT VIII oder BAT VII gewachsen ist, da die begabungsmäßigen Grundlagen im Hinblick auf eine Fortbildung auf Technikerniveau von dem Diplom-Psychologen M als problematisch dargestellt wurden und zumindest auch leichtere Unsicherheiten in der Rechtschreibung bestehen, sowie zu der Frage, dass sich der Kläger nicht innerhalb von drei Monaten in die vorgenannten Verweisungstätigkeiten einarbeiten kann.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es lägen keine Unterlagen vor, die gegen eine kaufmännische Tätigkeit sprächen. Hierzu hat sie ergänzend eine psychologische Stellungnahme des Dipl.-Psychologen M vom 18.01.2001, welche im Rahmen der Umschulungsmaßnahme erstellt worden war, vorgelegt. Daneben hat sie die Ablichtung eines Schreibens des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 22.01.2001 zu den Akten gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und die den Kläger betreffende Meisterprüfungsakte der Handelskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden.

Aufgrund der Antragstellung im Jahr 2000 richtet sich der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI noch nach § 43 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung - a.F. - (vgl. zum anwendbaren Recht im Rahmen der Erwerbsminderungsrenten zuletzt BSG, Urteil vom 05.10.2005, Az.: B 5 RJ 6/05 R).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. und die Einordnung der bisherigen sozialversicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit des Klägers im Rahmen des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas sind im angefochtenen Urteil zutreffend und umfassend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht den Kläger zutreffend im Hinblick auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fliesenlegergeselle als Facharbeiter angesehen. Der Umschulungsberuf des Fliesenlegermeisters erlaubt hingegen keine Einstufung in die höchste Gruppe des Mehrstufenschemas, da der Kläger diese Tätigkeit noch nicht (sozialversicherungspflichtig) ausgeübt hat. Wie das Sozialgericht zutreffend dargestellt hat, sieht das Gesetz den Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er den bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, sondern verlangt, ausgehend von diesem Beruf, einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf zu nehmen (BSG, SozR 3 - 2200, § 1246 Nr. 49). Dabei kann ein Facharbeiter sozial zumutbar nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens 3 Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder aufgrund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben, von ihm jedoch innerhalb einer bis zu 3 Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erworben werden können (BSGE 44, 288, 290 f). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind, § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI a.F ...

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Kläger - und dies haben bereits die sozialmedizinischen Feststellungen im Verwaltungsverfahren ergeben - seinen bisherigen Beruf als Fliesenleger nicht mehr ausüben. Diese Tätigkeit verlangt die Eignung für überwiegend mittelschwere Tätigkeiten mit zeitweisem schweren Heben und Tragen, eine voll funktionsfähige und normal belastbare Wirbelsäule und eine uneingeschränkte Funktion der oberen und unteren Extremitäten. Die Arbeit verlangt Zwangshaltungen wie Bücken, Knien, Hocken und Überkopfarbeit sowie beidhändige Arbeiten (vgl. berufskundliche Dokumentation in BERUFENET - infobub. arbeitsagentur.de / Berufe). Der Senat legt insoweit das Gutachten des Sachverständigen Dr. M vom 20.06.2005 zugrunde, das nachvollziehbar und schlüssig unter Auswertung der bisherigen sozialmedizinischen Befunderhebungen ein Restleistungsvermögen für nur noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und überwiegend in geschlossenen und geheizten Räumen aufzeigt. Dabei wird die Leistungsfähigkeit des Klägers in erster Linie durch die Erkrankung des linken Schultergelenkes, d.h. durch die noch bestehenden Unfallfolgen nach früherer Abrissfraktur des Tuberculum majus beeinträchtigt. Schwere körperliche Arbeiten, die mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden sind, sind dem Kläger deshalb nicht zumutbar. Aufgrund der Verschleißerscheinungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit nachgewiesenem Bandscheibenvorfall ist die Lendenwirbelsäule in ihrer Belastbarkeit ebenfalls eingeschränkt. Arbeiten, die mit dem Heben und Tragen schwerer Gegenstände sowie häufigem Bücken und Zwangshaltungen verbunden sind, können vom Kläger ebenfalls nicht mehr ausgeführt werden.

Mit dem dargestellten verbliebenen körperlichen Leistungsvermögen kann der Kläger jedoch sozial zumutbar auf sogenannte gehobene Büro-(Hilfskraft-)Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VIII BAT, Fallgruppe 1 a (mit einem Bewährungsaufstieg nach BAT VII), wie z.B. die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung einer Behörde oder auch die Tätigkeit einer Registraturkraft in der Abteilung Medizinische Rehabilitation eines Versicherungsträgers ausüben. Hinsichtlich des Tätigkeitsprofils verweist der Senat auf die Darstellungen in dem den Beteiligten übersandten Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 08.09.2003 (- Az.: L 2 RJ 160/02 - mit weiteren Nennungen). Die Tätigkeit eines Mitarbeiters beispielsweise in der Poststelle der Verwaltungsabteilung einer Behörde umfasst folgende Aufgaben:

1.Öffnen der eingegangenen Post und Eingangsstempel anbringen

2.Verteilen der Post auf die Abteilungen und Referate entsprechend dem Sachverhalt

3.Richten von abgehenden Sammelsendungen

4.Kuvertieren der abgehenden Briefpost und Verpacken der Paketsendungen

5.Bedienen des Freistemplers entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter

6.Erfassen der Einschreibesendungen entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter

7.Beförderung der Post, entsprechend der Anweisung des Bearbeiters von und zum Postamt mit anstaltseigenem Fahrzeug.

Einer Registraturkraft in der Abteilung Medizinische Rehabilitation obliegen folgende Aufgaben:

1.Posteingang den Akten beifügen und auf den Bearbeiter auszeichnen

2.ärztliche Gutachten heften und nummerieren

3.Datensichtgerät im Rahmen der übertragenen Aufgaben bedienen

4.Maßnahmebewilligungsbescheide expedieren, Durchschriften in der Akte abheften und nummerieren

5.Akten einsortieren

6.Termine überwachen

7.Mitwirkung nach Weisung des Abschnittsleiters, Hilfsreferenten, Referenten und Abteilungsleiters.

Diese Tätigkeitsbeschreibungen entsprechen auch den Erkenntnissen des Senats hinsichtlich der Tätigkeiten in einer Poststelle eines Gerichts. Bei all diesen Tätigkeiten handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten, die ein Heben und Tragen von Gegenständen von 5 kg Gewicht nicht verlangen und im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werden können, wobei die sitzende Tätigkeit überwiegt.

Auch nach Einschätzung des Sachverständigen Löffler kann der Kläger solche Tätigkeiten mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen noch ausüben. Die eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit des linken Armes steht den Bürotätigkeiten nicht entgegen. Bei der Vergütungsgruppe BAT VIII handelt es sich nach den Vergütungs- und Lohntabellen für den öffentlichen Dienst um Tätigkeiten für Angelernte und damit für Facharbeiter sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten (BSG, Urteil vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 -; BSG, SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 17).

Der Kläger hat auch die beruflichen Fähigkeiten, die es ihm erlauben, eine solche Tätigkeit innerhalb einer Anlernzeit von 3 Monaten vollwertig zu verrichten. Zwar kommen Facharbeiter, die in ihrem beruflichen Leben ausschließlich im gewerblich-handwerklichen Bereich tätig waren, für gehobene Büro-(Hilfskraft)Tätigkeiten nach BAT VIII regelmäßig nicht in Betracht, weil es diesen an den hierfür erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnissen fehlt, die es ihnen wiederum erlauben, innerhalb der genannten 3-Monatsfrist eine solche Tätigkeit vollwertig auszufüllen. Vielmehr ist hierfür erforderlich, dass der betreffende Versicherte kaufmännische Grundkenntnis in seiner Ausbildung oder im Verlaufe seines beruflichen Werdeganges und der dabei von ihm ausgeübten Tätigkeit erworben hat (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.09.2003 a.a.O. mit weiteren Nennungen).

Auf derartige kaufmännische Grundkenntnisse kann der Kläger nach Ansicht des Senats zurückgreifen. Der Kläger war zwar nach eigenem Bekunden - was der Senat zu seinen Gunsten unterstellt - im Rahmen seiner Tätigkeit als Fliesenlegergeselle nicht mit kaufmännisch-gewerblichen Arbeiten befasst. Er hat solche Kenntnisse jedoch während seines Meisterlehrgangs erworben und das Vorhandensein dieser Kenntnisse durch das erfolgreiche Absolvieren der Meisterprüfung im Fliesenlegerhandwerk dokumentiert. Die Meisterprüfung im Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk umfasst neben der Prüfung der meisterhaften Verrichtung der gebräuchlichen Arbeiten und der Prüfung der fachtheoretischen Kenntnisse (Teil I / Teil II) auch die Prüfung der betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse sowie die Prüfung der berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse (Teil III / Teil IV). Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Verordnung über die gemeinsamen Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk vom 12.12.1972 (Bundesgesetzblatt I, Seite 2381) sind die für den Handwerksmeister als Unternehmer notwendigen Kenntnisse in den folgenden 3 Prüfungsfächern nachzuweisen:

1.Rechnungswesen:
a)Buchhaltung und Bilanz, insbesondere Buchführung, Vermögensaufstellung, Inventur, Bewertung sowie Gewinn- und Verlustrechnung, Buchstellen und zentrale Datenverarbeitung im Handwerk;
b)Kostenrechnung, insbesondere Ermittlung der Einzelkosten, der Gemeinkosten sowie der kalkulatorischen Kosten in der Zuschlagskalkulation, Kalkulationsschema, Vor- und Nachkalkulation;
c)betriebswirtschaftliche Auswertung von Buchhaltung, Jahresabschluss sowie Kostenrechnung, Kennziffernberechnung, insbesondere Liquiditätsberechnung und Anlagedeckungsberechnung, Betriebsvergleiche

2.Wirtschaftslehre umfasst:
a)Grundfragen der Betriebs- und Geschäftsgründung, insbesondere Markt- und Standardanalyse, Rechtsform, Betriebsgröße;
b)Betriebs- und Arbeitsorganisation, insbesondere Arbeitsvorbereitung und Auftragsabwicklung, Materialverwendung und Lagerwesen, Formen der Rationalisierung, Verwaltung, Einfluss der Automatisierung auf die Betriebsorganisation;
c)Personalorganisation, insbesondere Besetzung, Führungsfragen und Betriebsklima;
d)Betriebswirtschaftliche Aufgaben im Handwerksbetrieb, insbesondere Einkauf, Produktion, Reparaturleistungen, Dienstleistungen, Handelstätigkeit, Absatz, Werbung, insbesondere Genossenschaftswesen;
e)Finanzwirtschafltiche Grundfragen, insbesondere betriebliche Finanzwirtschaft und ihre Funktionen, Finanzplanung, Zahlungs- und Kreditverkehr, Arten der Finanzierung, Kreditgarantiegemeinschaften u.a. Förderungsmaßnahmen;
f)Gewerbeförderungsmaßnahmen, insbesondere Betriebsberatung, überbetriebliche Unterweisungen, Fortbildungen. Darüber hinaus verlangt § 4 Abs. 1 den Nachweis von Kenntnissen im Rechts- und Sozialwesen.

Der Kläger hat diesen Teil der Prüfung nach Auskunft der Handwerkskammer Dortmund mit der Gesamtnote "gut" absolviert, wobei er in den Prüfungsbereichen Rechnungswesen die Note "gut", im Bereich Wirtschaftlehre die Note "sehr gut" und im Bereich Rechts- und Sozialwesen ebenfalls die Note "gut" erreichte; er konnte infolge dessen von der mündlichen Prüfung befreit werden. Ausweislich der beigezogenen und vom Kläger und seinem Bevollmächtigten in einer Sitzungspause eingesehenen Prüfungsakte der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld über die Prüfung der meisterhaften Verrichtung der gebräuchlichen Arbeiten und Prüfung der fachtheoretischen Kenntnisse (Teil I / II), die u.a. technische Mathematik, technisches Zeichnen, Fachtechnologie, Baustoffkunde, Kalkulation sowie Farblehre und Gestaltung umfasste, erforderte die Prüfung in nicht unerheblichem Umfang geordnete schriftliche Ausarbeitungen sowie das Anfertigen von Tabellen und Aufmaßzeichnungen, so dass der Senat insgesamt keine Zweifel hat, dass der Kläger seine im Rahmen des Meisterlehrgangs erworbenen Kenntnisse, die ihn zur Umsetzung auch schriftlicher und kalkulatorischer Arbeiten befähigen, auch der Gestalt einsetzen kann, dass es ihm möglich ist, innerhalb von 3 Monaten die oben aufgeführten gehobenen Büro-(Hilfs-)Tätigkeiten vollwertig auszuüben. Ob der Kläger daneben auch auf die vom Sozialgericht in Betracht gezogene Tätigkeit eines technisch-kaufmännischen Angestellten im Baugewerbe nach Gehaltsgruppe A 2 des Rahmentarifvertrages für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes vom 04.07.2002 verwiesen werden darf, kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob nicht doch ein Einsatz als - nicht körperlich mitarbeitender - Meister in aufsichtsführender Position in Betracht kommt. In dieser Funktion sollte der Kläger ursprünglich von seinem früheren Arbeitgeber weiter beschäftigt werden, der nach seinem Schreiben vom 22.02.2001 insoweit ausdrücklich auf die Verwertbarkeit der im Rahmen der Ausbildung zum Fliesenlegermeister erworbenen kaufmännischen Kenntnisse hingewiesen hatte. Im Hinblick auf die benannte Verweisungstätigkeit ist jedoch dem Anforderungsprofil eines aufsichtsführenden Meisters sowie der Arbeitsmarktrelevanz dieser Tätigkeit im Hinblick auf die ab 01.01.2004 weggefallene Meisterpflicht in diesem Handwerk nicht weiter nachzugehen.

Dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers ist nicht zu folgen. Der Kläger hat die Einholung eines psychologischen Eignungsgutachtens zu der Frage beantragt, ob er den Anforderungen der Tätigkeit eines technisch-kaufmännischen Angestellten oder einer gehobenen (Hilfs-)Bürotätigkeit nach BAT VIII oder BAT VII gewachsen ist, da die begabungsmäßigen Grundlagen im Hinblick auf eine Fortbildung auf Technikerniveau von dem Dipl.-Psychologen M als problematisch dargestellt worden seien und zumindest auch leichtere Unsicherheiten in der Rechtschreibung bestünden, sowie zu der Behauptung, dass er sich nicht innerhalb von 3 Monaten in die vorgenannten Verweisungstätigkeiten einarbeiten könne. Den aktenkundigen Unterlagen sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, die für eine unzureichende geistige/kognitive Leistungsfähigkeit des bei Antragstellung 38-jährigen Klägers sprechen könnten. Im Gegenteil hat er durch die überdurchschnittlichen Ergebnisse bei den Teilen der Meisterprüfung, die gerade den nicht technischen Bereich betreffen, eine geistige Beweglichkeit dokumentiert, die seine Umstellungsfähigkeit für die vom Senat in Betracht gezogene Verweisungstätigkeit der gehobenen Büro-(Hilfs-)Tätigkeit nach BAT VIII belegt. Was die vorgebrachte Rechtschreibschwäche betrifft, fallen bei Durchsicht der Prüfungsakte bei den vom Kläger handschriftlich gefertigten Schriftstücken keine gravierenden Rechtschreibmängel auf. Der Dipl.-Psychologe M hat im Rahmen seiner Begutachtung vom 18.01.2001 zu der Frage, ob aus psychologischer Sicht eine Fortbildung auf Meister- bzw. Techniker-Ebene befürwortet werden könne, lediglich die begabungsmäßigen Grundlagen im Hinblick auf eine Fortbildung auf Technikerniveau als problematisch dargestellt. Tätigkeiten auf Technikerniveau fallen jedoch im Rahmen der hier in Betracht gezogenen Verweisungstätigkeit einer gehobenen Büro-(Hilfs-)Tätigkeit nach BAT VIII nicht an.

Im Einzelnen zeigten sich bei der durch den Dipl.-Psychologen M im Januar 2001 durchgeführten Untersuchung beim Kläger eine im sicheren erwachsenen Durchschnitt liegende formal-theoretische Denkfähigkeit, eine durchschnittlich entwickelte optisch-anschauliche und in Teilbereichen eine ebenfalls durchschnittliche sprachlich-begriffliche Verarbeitungsfähigkeit. Auch zeigte sich eine rechnerische Sicherheit, die dem normalen Kenntnisstand eines Realschulabsolventen zuzuordnen war. Die leichten Unsicherheiten in der Rechtschreibung wurden nicht als ausbildungsrelevant angesehen, was sich letztlich mit den Feststellungen des Senats deckt. Auf der Grundlage dieses psychologischen Gutachtens und wegen des Fehlens jeglicher Auffälligkeiten im psychischen/kognitiven Bereich unter Berücksichtigung der Ergebnisse bei der Meisterprüfung sieht der Senat bezogen auf die von ihm benannte Verweisungstätigkeit keinen Anlass, die Eignung, Umstellungsfähigkeit oder Rechtschreibsicherheit des Klägers einer Begutachtung zuzuführen.

Aus alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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