L 7 AS 43/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 186/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 43/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Mietkaution durch die Beklagte in Höhe von 846,00 Euro streitig.

Der 1978 geborene ledige Kläger beantragte am 04.08.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bezog damals Leistungen nach dem BSHG und wohnte zusammen mit seinen Eltern und zwei Brüdern in einer ca. 100 m² großen Wohnung. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 20.12.2004 für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2005 Leistungen in Höhe von monatliche 436,85 Euro, wobei sie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 91,85 Euro berücksichtigte.

Mit Schreiben vom 08.02.2005 beantragte der Kläger die Übernahme einer Mietkaution in Höhe von 846,00 Euro. Er legte einen Vertrag über die Anmietung einer 39,7 m² großen Wohnung ab 14.02.2005 mit einer Grundmiete von 282,00 Euro und Heiz- und Betriebskosten von 111,20 Euro vor und gab an, seit zweieinhalb Jahren eine eigene Wohnung zu suchen, was trotz intensiver Bemühungen nicht erfolgreich gewesen sei.

Mit Bescheid vom 09.02.2005 lehnte die Beklagte die Übernahme der Mietkaution ab. Voraussetzung sei, dass der Wohnungswechsel objektiv notwendig sei und die Mietkosten angemessen seien. Als angemessener Mietpreis gelte derzeit für einen Ein-Personen-Haushalt eine Warmmiete bis maximal 323,00 Euro; die angemietete Wohnung überschreite diese Angemessenheitsgrenze. Bei unangemesen hohen Unterkunftskosten könne eine Zustimmung nur erfolgen, wenn in ausreichendem Maße plausibel sei, dass künftige Mietzahlungen neben der Bestreitung des sonstigen Lebensunterhaltes gewährleistet seien; der Kläger verfüge jedoch über keine Einkünfte.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, 1-Zimmer-Wohnungen würden günstigstenfalls zu einem Mietpreis angeboten, wie er in seinem Mietvertrag vereinbart worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Umzug in eine eigene Wohnung werde zwar für erforderlich erachtet, jedoch seien die Aufwendungen für die neue Wohnung unangemessen; eine vorherige Zusicherung sei nicht erteilt worden.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, die vorherige Zustimmung der Beklagten zur Übernahme der Kaution einzuholen, da dann die Wohnung anderweitig vermietet worden wäre.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 13.09.2005 ihre Bereitschaft erklärt, als monatliche Kosten der Unterkunft 335,64 Euro zu erstatten.

Mit Urteil vom 13.09.2005 hat das SG die Beklagte verurteilt, für die Zeit vom 01.05. bis 30.11.2005 monatlich 335,64 Euro statt 323,00 Euro Leistungen nach § 22 SGB II zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Lage und Ausstattung seien Wohnungen maßgeblich, die im unteren Bereich der marktüblichen Wohnungsmieten lägen. Der Leistungsträger müsse nicht einen Wohnungsnachweis für den Einzelfall erbringen, sondern nachvollziehbar die gewonnenen regionalen Erfahrungswerte darlegen. Die Beklagte habe dargelegt, dass die von ihr angesetzten Werte die Erfahrungswerte aus dem bisherigen Vollzug des SGB II seien. Es handele sich auch um wesentlich günstigere Werte als sie von der Rechtsprechung für den Vollzug des BSHG anerkannt gewesen seien. Insbesondere kleinere 1-Zimmer-Appartements würden in dem von der Beklagten gesetzten Rahmen auf dem regionalen Markt angeboten, wie sich z.B. aus den Vermietungsanzeigen der regionalen Tageszeitungen ergebe. Die Übernahme einer Mietkaution komme nur für eine angemessene Unterkunft in Betracht. Im Falle des Klägers handele es sich nicht um eine angemesse Unterkunft.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung macht der Kläger erneut geltend, erst nach zweieinhalbjähriger erfolgloser Suche diese Wohnung gefunden zu haben. Er habe in dieser Zeit immer nur Absagen bekommen, weder das Wohnungsamt der Stadt A. noch die bekannten Wohnungsbaugesellschaften hätten eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Eine Kaltmiete von 7,00 Euro pro Quadratmeter sei bei 1-Zimmer-Appartements in A. durchaus angemessen.

Zu dem Hinweis der Beklagten auf eine dem Kläger im August 2004 angebotene Wohnung erklärt er, er habe die Wohnung aus gesundheitlichen Gründen ablehnen müssen. Sie habe hinter einer stark frequentierten Bushaltestelle gelegen; die damit verbundene starke Lärmentwicklung wäre für ihn, der an Tinnitus leide, unerträglich gewesen.

Zu der vom Senat eingeholten Stellungnahme der R. Immobilien GmbH erklärt er, die Miete für das 31 m² große Appartement entspreche einer Kaltmiete von 7,42 Euro pro Quadratmeter. Auch falle auf, dass es der Firma innerhalb von zwei Monaten nicht gelungen sei, ein Appartement von 40 m² zu vermieten, da es am 19.02. und 16.04.2005 angeboten worden sei, was offensichtlich Folge eines schlechten Zustandes gewesen sei.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.09.2005 sowie den Bescheid vom 09.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 846,00 Euro Mietkaution zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe bisher nicht beweisen können, dass er tatsächlich zweieinhalb Jahre vergeblich nach einer Wohnung gesucht habe. Sie legt eine Erklärung der Wohnungsbaugesellschaft W. vom 11.01.2006 vor, wonach der Kläger im August 2004 das Angebot einer 35,45 m² großen Wohnung zu einer Grundmiete von 134,00 Euro zzgl. Betriebskostenvorauszahlung von 55,00 Euro mit der Begründung abgelehnt habe, die Wohnung liege im Erdgeschoss und besitze keine Rollläden. Die W. habe im Jahr 2005 rund 1.000 Wohnungen neu vermietet, davon ca. 18 % an Transfer-leistungsempfänger (Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, Arbeitslosengeld). In den Vorjahren sei der Anteil der Transferleist-ungsempfänger vergleichbar hoch gewesen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass die Bescheide bezüglich des monatlichen Alg II nicht Gegenstand des Verfahrens sein sollen. Der Senat hat eine Auskunft der Firma R. Immobilien GmbH vom 16.01.2006 eingeholt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Die Ablehnung der Übernahme der Mietkaution durch die Beklagte ist rechtmäßig.

Gemäß § 22 Abs.3 Satz 1 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Gemäß § 22 Abs.2 SGB II soll vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft der erwerbsfähige Hilfsbedürftige die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Dieser ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Im vorliegenden Fall lag eine Verpflichtung zur Zusicherung und damit zur Übernahme der Mietkaution nicht vor, da die Aufwendungen für die neue Unterkunft nicht angemessen sind.

Der Senat folgt der Auffassung der Beklagten und des SG, dass eine Wohnung, deren Warmmiete 335,64 Euro übersteigt, nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs.2 Satz 2 SGB II ist. Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte darauf beschränken kann, feste Mietobergrenzen festzusetzen und die Vermutung aufzustellen, dass Wohnungen zu diesen Konditionen zur Verfügung stehen, oder ob sie zu dem Nachweis verpflichtet ist, dass im Einzelfall eine günstigere, als angemessen anzusehende Wohnung angemietet hätte werden können. Denn zur Überzeugung des Senats wäre es dem Kläger möglich gewesen, eine für ihn angemessene Wohnung zu den von der Beklagten genannten Konditionen anzumieten.

Hierfür spricht der Umstand, den der Kläger selbst nicht erwähnt hat, nämlich dass ihm im August 2004 eine angemessene, nämlich 35,45 m² große Wohnung angeboten wurde, deren Warmmiete unter dem von der Beklagten angenommenen Satz lag. Das Vorbringen, der Bezug dieser Wohnung sei wegen einer von einer "stark frequentierten Bushaltestelle" ausgehenden Lärmentwicklung nicht zumutbar gewesen, erscheint nicht stichhaltig; da der Kläger speziell eine Wohnung im großstädtischen Raum A. sucht, sind derartige "Belästigungen" von vornherein einzubeziehen. Als Alg II-Empfänger muss sich der Kläger mit einem Qualitätsstandard, der im unteren Bereich liegt, zufrieden geben (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, RdNr.45 zu § 22 m.w.N.). Nach Mitteilung der W. hatte er die Wohnung abgelehnt, weil sie im Erdgeschoss liegt und keine Rollläden besitzt. Auch dies sind Umstände, die ihn aus den dargelegten Gründen nicht zur Ablehnung dieser Wohnung berechtigten, vielmehr diese Wohnung als angemessen im Sinne des § 22 Abs.2 Satz 1, Abs.2 Satz 2 SGB II erscheinen lassen. Jedoch kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dieser Wohnung um eine angemessene gehandelt hat.

Dass es dem Kläger bei zumutbaren Bemühungen gelungen wäre, eine Wohnung zu einer Warmmiete von nicht mehr als 335,00 Euro anzumieten, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der Auskunft der R. Immobilien GmbH vom 16.01.2006, in der ausdrücklich bestätigt wird, dass es nach den dortigen Erfahrungen möglich gewesen wäre, in dem fraglichen Zeitraum eine Wohnung mit einer Warmmiete von 335,00 Euro anzumieten. Die Firma verweist auf ihre Zeitungsinserate vom 19.02. und 16.04.2005. Hier wurde z.B. ein Appartement von 40 m² mit einer Grundmiete von 220,00 Euro mit Zentralheizung angeboten; einschließlich der Heiz- und Nebenkosten hätte der Mietpreis 335,00 Euro sicherlich nicht überschritten. Unter den Angeboten findet sich ein weiteres Appartement zu einer Kaltmiete von 230,00 Euro in Gersthofen-Hirblingen. Sowohl am 19.02. als auch am 16.04.2005 wurde ein 31 m² großes Appartement (Zentralheizung, Einbauküche, Balkon, ruhig, im Zentrum) zu einer Kaltmiete von 230,00 Euro angeboten. Die Tatsache, dass eine zweimalige Annonce notwendig war, spricht dafür, dass der Markt für Wohnungssuchende zu der Zeit nicht ungünstig war. Für die Vermutung des Klägers, das Appartement müsse sich in einem schlechten Zustand befunden haben, ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des SG Augsburg vom 17.03.2006 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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