L 7 AL 413/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 3726/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 413/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Dezember 2004 aufgehoben.

2) Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 4. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2004 rechtswidrig ist.

3) Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger das zu Unrecht einbehaltene Arbeitslosengeld von 2.883,56 EUR auszubezahlen.

4) Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten verfügten Aufrechnung gegen den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) mit einem Anspruch auf Erstattung überzahlter Leistungen, die nach den Richtlinien zur Durchführung der "Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose" der Bundesregierung in der Fassung der 2. Änderung vom 20. Dezember 1993 (BAnz. 1994 Nr. 1 S. 3 (im Folgenden: RL 1994) gewährt worden waren.

Die Beklagte hatte dem im Oktober 1943 geborenen Kläger nach den oben genannten RL 1994 Beschäftigungshilfe für die Beschäftigung einer Bürokraft in dem von ihm seinerzeit betriebenen "Mobilen Hausmeisterservice" ab 10. Mai 1994 für die Dauer von zwölf Monaten bewilligt (Bescheid vom 25. Juli 1994); die Leistungen wurden bis 9. September 1994 ausgezahlt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 14. Februar 1996 hob die Beklagte die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 10. Mai bis 9. September 1994 auf und forderte die im genannten Zeitraum erbrachten Leistungen in Höhe von 7.680,00 DM "plus Zinsen" zurück. Freiwillige Zahlungen auf die Forderung leistete der Kläger nicht; eine am 8. Mai 1998 durchgeführte Vollstreckung verlief fruchtlos.

Ab Januar 1998 bezog der Kläger von der Beklagten mit Unterbrechungen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Vom 16. November 1999 bis 14. November 2000 war er als Schweißer beschäftigt. Ab 16. November 2000 gewährte die Beklagte Alg, ab 5. Februar 2001 im Rahmen einer Weiterbildungsmaßnahme Unterhaltsgeld sowie ab 4. Juni 2001 wiederum Alg (wöchentlicher Leistungssatz 384,58 DM). Die Alg-Bewilligung wurde später rückwirkend ab 4. Juni 2001 zurückgenommen und die Überzahlung (1.483,38 DM) zurückgefordert, nachdem der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit Krankengeld beanspruchen konnte (Bescheid vom 10. Juli 2001, Widerspruchsbescheid vom 13. August 2001). Bereits zuvor hatte die Beklagte jedoch mit Bescheid vom 26. Juni 2001 die zwischenzeitlich (einschließlich Mahngebühren und Stundungszinsen) auf 7.827,90 DM errechnete Rückforderung nach den RL 1994 in Anwendung des § 51 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) gegen den Alg-Anspruch ab 4. Juni 2001 mit täglich 10,10 DM aufgerechnet; einbehalten wurden insoweit insgesamt 272,70 DM.

Ab 9. Juli 2001 stand der Kläger als Schweißer wieder in Arbeit; von Mitte April 2002 bis Ende August 2003 bezog er wegen Arbeitsunfähigkeit sowie Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme Krankengeld und Übergangsgeld. Auf die Arbeitslosmeldung und Antragstellung vom 27. August 2003 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2003 Alg ab 29. August 2003 in Höhe von 194,67 EUR wöchentlich; ab 1. Januar 2004 erhöhte sich der wöchentliche Leistungssatz auf 198,94 EUR. Bereits zuvor hatte die Beklagte den Kläger unter Übersendung eines Fragebogens zur beabsichtigten Aufrechnung der Restforderung aus dem Bescheid vom 14. Februar 1996 (seinerzeit 3.882,51 EUR) mit dem Anspruch auf Alg angehört (Schreiben vom 18. September 2003). Mit Schreiben vom 1. Oktober 2003 machte der Kläger geltend, seine Lebensgefährtin R. M. , die ihren in B. studierenden Sohn unterstütze, verweigere jegliche Angaben über ihr Nettoeinkommen; in dem am 1. Oktober 2003 unterzeichneten Fragebogen gab er die monatliche Miete mit 298,00 EUR, die Nebenkosten einschließlich Heizung mit 123,00 EUR an. Durch Bescheid vom 4. Mai 2004 erklärte die Beklagte die Aufrechnung des Rückforderungsbetrages von 3.882,51 EUR gegen den Leistungsanspruch mit täglich 11,68 EUR ab 1. Mai 2004 unter Verweis auf die Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004 zurück; in Anbetracht des monatlichen Alg in Höhe von etwa 862,07 EUR sei es - bei den jeweils zur Hälfte zugrunde gelegten Aufwendungen für die Miete und die Nebenkosten sowie einem Sozialhilfesatz von 297,00 EUR - angemessen, mit monatlich etwa 354,57 EUR (täglich 11,68 EUR) aufzurechnen, wobei die Höhe des Aufrechnungsbetrages nicht einmal den halben Leistungssatz erreiche.

Deswegen hat der Kläger am 16. Juni 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart - SG - (S 4 AL 3726/04) erhoben. Er hat geltend gemacht, dass das Alg, das er aufgrund der Aufrechnung nur noch gekürzt ausgezahlt erhalte, deutlich unter der Pfändungsgrenze liege. Im Rahmen eines gleichzeitig gestellten Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz (S 4 AL 3842/04 ER) erklärte sich die Beklagte bereit, die Aufrechnung einstweilen auszusetzen bis zu einer zeitnahen Entscheidung in der Hauptsache (Schriftsatz vom 16. August 2004); Einbehaltungen sind sodann in den Monaten September 2004 bis Januar 2005 nicht erfolgt; die Einbehaltungsrate für August 2004 (362,08 EUR) ist im September 2004 an den Kläger wieder ausgezahlt worden. Das SG hat in den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2004 R. M. als Zeugin geladen; eine Zeugenvernehmung ist indes nicht durchgeführt worden, nachdem der im Termin anwesende Kläger erklärt hatte, dass jene von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache. Mit Urteil vom 14. Dezember 2004 hat das SG die Klage abgewiesen (S 4 AL 3726/04); wegen der Einzelheiten der Gründe wird auf das dem Kläger am 14. Januar 2005 zugestellte Urteil verwiesen. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2004 hat das SG (S 4 AL 3842/05 ER) außerdem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt.

Bereits am 20. Dezember 2004 hat der Kläger gegen das Urteil vom 14. Dezember 2004 beim SG die vorliegende Berufung zum Landessozialgericht - LSG - (L 7 AL 413/05) eingelegt.

Zum 1. Januar 2005 ist eine Erhöhung des wöchentlichen Leistungssatzes des Alg auf 202,86 EUR erfolgt (Änderungsbescheid vom 2. Januar 2005). Ab 1. Februar 2005 hat die Beklagte die Kürzung des Alg aufgrund der Aufrechnung - nunmehr in Höhe von 12,06 EUR täglich - wieder aufgenommen. Ab 11. April 2005 bestand Arbeitsunfähigkeit (Anspruch auf Krankengeld ab 23. Mai 2005); tatsächlich gezahlt worden ist das Alg - unter Vornahme der Einbehalte - noch bis 11. Juni 2005, wobei die Beklagte später Erstattung der Leistung durch die Krankenkasse erlangte. Ab 17. Juli 2005 bewilligte sie wiederum Alg, das - unter Abzug einer täglichen Einbehaltungsrate von 12,06 EUR - noch bis 4. August 2005 gezahlt worden ist. Seit 28. Juli 2005 bezieht der Kläger von der ARGE Jobcenter Landkreis E. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II (Alg II)) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Zwischenzeitlich hatte der Kläger im März 2005 beim SG ein weiteres Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes eingeleitet, welches mit Beschluss vom 24. März 2005 an das LSG (L 7 AL 1255/05 ER) verwiesen worden ist. Dieses Verfahren hat der Kläger (mit Blick auf das seit Ende Juli 2005 bezogene Alg II) am 19. Oktober 2005 für erledigt erklärt. Zuvor hatte die Beklagte unter dem 29. Juli 2005 die sofortige Vollziehung des Aufrechnungsbescheides angeordnet. Insgesamt sind in der Zeit von Mai 2004 bis August 2005 2.883,56 EUR auf Grund der Aufrechnung einbehalten worden.

Zur Begründung der Berufung hat der Kläger vorgebracht, bei der Forderung der Beklagten handele es sich nicht um einen Sozialleistungsanspruch, weil ihm die Beschäftigungshilfe nicht als Versichertem, sondern als Arbeitgeber ausgezahlt worden sei. Im Übrigen belaufe sich die Miete einschließlich Nebenkosten nunmehr auf 449,16 EUR; zu berücksichtigen seien ferner die hälftigen Aufwendungen für den Strom (61,00 EUR), die Kosten für die Hausrat-, Haftpflicht- und Glasversicherung (insgesamt rund 13,83 EUR monatlich) und die hälftigen Kontoführungsgebühren (3,55 EUR), sodass sich insoweit - selbst ohne Kraftfahrzeugversicherung - unter Einschluss des sozialhilferechtlichen Regelsatzes nach seiner Berechnung schon ein monatlicher Bedarf von 699,96 EUR ergebe; hierzu hat er diverse Unterlagen vorgelegt. Vorsorglich erhebe er hinsichtlich der Forderung der Beklagten die Einrede der Verjährung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Dezember 2004 aufzuheben, festzustellen, dass der Bescheid vom 4. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2004 rechtswidrig ist und die Beklagte zu verurteilen, das zu Unrecht einbehaltene Arbeitslosengeld von 2. 883,56 EUR auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Wegen der fehlenden Angaben des Klägers hinsichtlich des Einkommens seiner Lebensgefährtin könne die Aufrechnungshöhe ohnehin nicht genau bestimmt werden.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 6. März 2006 auf die Bedenken hinsichtlich der Qualifizierung der Beschäftigungshilfe nach den RL 1994 als Sozialleistung im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I hingewiesen worden.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (3 Bände Leistungsakten, 1 Band Förderungsakte Beschäftigungshilfe), die Klageakte des SG (S 4 AL 3726/04), die weitere Akte des SG (S 4 AL 3842/04 ER), die Berufungsakte des Senats (L 7 AL 413/05) und die weitere Senatsakte (L 7 AL 1255/05 ER) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) formgerechte Berufung, die - was zulässig ist (vgl. Meyer-Ladewig in MeyerLadewig/Keller/Leitherer, SGG, § 151 Rdnr. 9) - bereits vor Zustellung des angefochtenen Urteils vom 14. Dezember 2004 beim SG eingelegt worden ist, ist auch sonst statthaft (§ 143 SGG), weil der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei weitem überschritten ist.

Die Berufung ist auch begründet. Zutreffend hat der Kläger sein Begehren im Berufungsverfahren von der rechtzeitig erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG) gegen den Bescheid vom 4. Mai 2004 (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004) - welcher der Aufrechnungserklärung zumindest formal die Gestalt eines Verwaltungsakts gegeben hatte (vgl. zum Meinungsstand hinsichtlich der Rechtsqualität der Aufrechnung Senatsurteil vom 16. März 2006 - L 7 R 4319/04 -) - auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt; diese Klageart unterliegt nicht der Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4100 § 19 Nr. 5; SozR 3-1500 § 116 Nr. 6). Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn er sich durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Hier ist die Erledigung des angefochtenen Bescheides vom 4. Mai 2004 (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004) dadurch eingetreten, dass der Kläger nunmehr Alg II bezieht und deshalb die Aufrechnung seit Anfang August 2005 nicht mehr vollzogen werden konnte. Ferner liegt ein berechtigtes Interesse des Klägers an der beantragten Feststellung vor. Die Zulassung der Fortsetzungsfeststellungsklage dient der Prozessökonomie; damit soll verhindert werden, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen, den Streitgegenstand kennzeichnenden Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die Früchte der bisherigen Prozessführung gebracht wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 81, 226, 228; 89, 354, 355). Zur Bejahung des berechtigten Interesses im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein kann (vgl. BSG SozR 4100 § 91 Nr. 5; BSGE 79, 33, 34 = SozR 3-2500 § 126 Nr. 2); ein derartiges Feststellungsinteresse kommt im Grundsatz in drei Richtungen in Betracht, nämlich wegen eines Rehabilitierungsinteresses, wegen eines Wiederholungsinteresses oder wegen eines Schadensinteresses (vgl. BSG SozR 3-7815 Art. 1 § 3 Nr. 4; BVerwGE 61, 164, 165; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 131 Rdnr. 10a). Ein solches (wirtschaftliches) Interesse ergibt sich hier aus der bis Anfang August 2005 zu Unrecht vollzogenen Aufrechnung, aus der Rückzahlungsansprüche des Klägers resultieren; insoweit ist die Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 1 SGG (Folgenbeseitigungsanspruch) entsprechend heranzuziehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Oktober 1997 - L 13 An 1207/95 - (unveröffentlicht); vgl. hierzu auch BSGE 78, 243, 255 = SozR 3-2500 § 109 Nr. 2; a.A. BVerwGE 105, 370, 373 (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch)).

Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren des Klägers und der erhobene Rückzahlungsanspruch sind auch begründet, wobei hinsichtlich des Letzteren ebenfalls keine Klageänderung (§ 99 Abs.1 SGG), sondern lediglich eine Klageerweiterung (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG) vorliegt (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 131 Rdnr. 5), für welche eine vorherige Entscheidung der Verwaltung über den Leistungsantrag nicht zu fordern ist (vgl. hierzu BSGE 65, 272, 275 = SozR 4100 § 78 Nr. 8). Die von der Beklagten verfügte Aufrechnung war vorliegend nicht zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag sie ihre Aufrechnungserklärung nicht auf die Norm des § 51 Abs. 2 SGB I zu stützen; denn die Beschäftigungshilfe nach den RL 1994 stellt keine Sozialleistung dar. Auf die Vorschrift des § 51 Abs. 1 SGB I kann hier schon deswegen nicht zurückgegriffen werden, weil das dem Kläger in der strittigen Zeit von Mai 2004 bis August 2005 gewährte Alg die Pfändungsgrenzen des § 54 Abs. 4 SGB I in Verbindung mit der Anlage zu § 850c der Zivilprozessordnung (in der Fassung des 7. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 13. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3638)) sowie - ab 1. Juli 2005 - mit der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2005 vom 25. Februar 2005 (BGBl. I S. 493) durchgehend nicht überschritten hat.

Eine Aufrechnung nach der Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I, für welche die besonderen Pfändungsgrenzen des § 54 SGB I und damit der dort normierte Pfändungsausschluss nicht gelten (vgl. BSGE 78, 132, 136 = SozR 3-1200 § 51 Nr. 5), kommt nicht in Betracht. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung im Bescheid vom 4. Mai 2004 (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2004) maßgeblich war § 51 Abs. 2 SGB I in der ab 27. August 1980 geltenden Fassung des Art. II § 28 Nr. 4 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469); danach konnte der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wurde. Diese Regelung ist zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) sowie Art. 14 des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) geändert worden; für ab 1. Januar 2005 fällig werdende Leistungsansprüche (vgl. hierzu BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 3 S. 35) ist nunmehr bestimmt, dass der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen kann, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wird. Zwar hat der Kläger von der Beklagten in der umstrittenen Zeit laufende Geldleistungen in Form des Alg bezogen; indessen ist die Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I in beiden vorgenannten Fassungen nicht anwendbar, denn die durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 14. Februar 1996 verfügte Rückforderung der Beklagten bezieht sich - einschließlich Nebenforderungen - nicht auf Beitragsansprüche, was sie auch selbst nicht in Abrede stellt; ebenso wenig handelt es sich jedoch um Erstattungsansprüche aus zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen. Dem stehen die Besonderheiten der Beschäftigungshilfe nach den RL 1994 entgegen, denn diese beruhte nicht auf gesetzlicher Grundlage und war demnach auch keine Sozialleistung im Sinne des Sozialgesetzbuchs. Deshalb bedarf es keines näheren Eingehens darauf, ob Lohnkostenzuschüsse an den Arbeitgeber - wie der Kläger meint - generell nicht der Privilegierung der Erstattungs- und Beitragsansprüche nach § 51 Abs. 2 SGB I unterfallen (so auch Richter in LPK-SGB I, 1. Auflage, § 11 Rdnr. 7; Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB I, K § 11 Rdnr. 5 Fußn. 12) oder ob zumindest die im Sozialgesetzbuch normierten Leistungen wie der Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber nach den §§ 217 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch Sozialleistungen im Sinne der für das gesamte Sozialgesetzbuch geltenden Vorschrift des § 11 SGB I darstellen (vgl. hierzu BSG SozR 4-1500 § 183 Nr. 2).

Jedenfalls bei der Beschäftigungshilfe nach den RL 1994, die gemäß §§ 2, 3 a.a.O. in Form eines Lohnkostenzuschusses an den Arbeitgeber gewährt wurde, handelt es sich nicht um eine Sozialleistung gemäß der im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I heranzuziehenden Definition in § 11 Satz 1 SGB I. Unter diesen Begriff zu fassen sind nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung alle auf dem Sozialgesetzbuch beruhenden, dem Empfänger unmittelbar zugute kommenden Vorteile (vgl. BSGE 49, 227, 228 = SozR 1200 § 44 Nr. 2; BSGE 55, 40, 44 = SozR 2100 § 27 Nr. 2; BSGE 71, 72, 75 = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1; BVerwG Buchholz 436.61 § 60 SchwbG Nr. 3); dabei soll nicht entscheidend sein, dass diese Vorteile der Verwirklichung der sozialen Rechte dienen, sofern nur eine Leistungsaufnahme in das Sozialgesetzbuch erfolgt ist (vgl. BSGE 56, 1, 3 = SozR 1200 § 44 Nr. 9). Das ist hier indessen nicht der Fall; die Beschäftigungshilfe nach den RL 1994 hatte ihre Grundlage weder im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs (vgl. dort §§ 3, 19 SGB I (in der Fassung des Gesetzes vom 4. November 1982, BGBl. I S. 1450)), noch in dessen besonderen Teilen.

Die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erlassenen RL 1994, die nicht auf einer Rechtsetzungsermächtigung beruhten und denen es bereits an der Rechtsnormqualität mangelt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 3 Nr. 2 S. 9 f.), waren als Instrument der Beschäftigungshilfe außerhalb des - gemäß Art. II § 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015) als besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs geltenden - Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) geschaffen worden, welches mit Wirkung vom 1. Januar 1998 durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) außer Kraft trat, jedoch zum Zeitpunkt der Zuschussbewilligung an den Kläger noch galt. Die RL 1994 ergingen nicht auf der Grundlage des § 3 Abs. 5 1. Halbs. AFG, der die Bundesregierung ermächtigte, der Bundesanstalt für Arbeit (BA) durch Rechtsverordnung weitere Aufgaben zu übertragen, die im Zusammenhang mit den Aufgaben nach dem AFG standen, und basierten auch nicht auf der Vorschrift des § 3 Abs. 5 2. Halbs. AFG, nach der die Bundesregierung der BA die Durchführung befristeter Arbeitsmarktprogramme durch Verwaltungsvereinbarung übertragen konnte (vgl. BSG a.a.O.). Zwar war zwischen der Bundesregierung und der BA im Zusammenhang mit den Richtlinien zur Durchführung der "Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose" der Bundesregierung vom 16. Juni 1989 (BAnz. 1989 Nr. 11 S. 3013) eine Vereinbarung über die Durchführung eines einmaligen Sonderprogramms "Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose" auf der Grundlage des § 3 Abs. 5 2. Halbs. AFG geschlossen worden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. November 1994 - 7 RAr 54/93 - (juris)). Diese Vereinbarung betraf indes lediglich das bis 31. Dezember 1991 befristete Aktionsprogramm, wie es in den Richtlinien vom 16. Juni 1989 zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BSG SozR 3-4100 § 3 Nr. 2 S. 10 f.). Demgegenüber sind weder hinsichtlich des von der Bundesregierung anschließend bis 31. Dezember 1993 auf Grund der Änderung der Richtlinien vom 20. Dezember 1991 (BAnZ. 1992 Nr. 2 S. 45) verlängerten Aktionsprogramms noch bezüglich der weiteren Verlängerung des Programms durch die RL 1994 erneute Verwaltungsvereinbarungen oder Ergänzungen der Vereinbarung von 1989 getroffen worden; eine Verwaltungsvereinbarung wäre jedoch schon nach § 3 Abs. 5 2. Halbs. AFG erforderlich gewesen (vgl. BSG SozR a.a.O. S. 11).

Die Beschäftigungshilfe nach den RL 1994 stellte mithin ein außerhalb des Sozialgesetzbuchs geschaffenes, dem Subventionsrecht vergleichbares Instrumentarium der Mittelvergabe dar (vgl. hierzu Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 421c Rdnrn. 32 ff.); sie kann deshalb nicht als "Sozialleistung" im Sinne der §§ 11, 51 Abs. 2 SGB I behandelt werden. Dass das der Richtliniengeber selbst so gesehen hat, kommt auch in den §§ 8, 9 der Richtlinien vom 16. Juni 1989, die in die RL 1994 unverändert übernommen worden sind, zum Ausdruck; hiernach waren eigenständige - vom Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unabhängige - Verfahrensregelungen zur Rückforderung der Leistungen ausgestaltet worden, wobei in § 9 Abs. 2 a.a.O. bemerkenswerterweise auf § 44 der Bundeshaushaltsordnung verwiesen worden war. Vorliegend unerheblich ist, dass die Beklagte ihre Entscheidung im Bescheid vom 14. Februar 1996 auf § 151 AFG sowie auf die §§ 47, 50 Abs. 1 und 2 SGB X gestützt hat, denn diese unzutreffenden Rechtsgrundlagen vermochten an der Rechtsnatur der RL 1994 nichts zu ändern. Auch die Vorschrift des § 51 Abs. 2 SGB I bietet keine Rechtsgrundlage für einen eigenständigen Rückerstattungstatbestand (vgl. BSG SozR 1200 § 51 Nr. 7).

Nach allem war der Beklagten eine Aufrechnung nach der Bestimmung des § 51 Abs. 2 SGB I verwehrt, da ihre Forderung aus dem Bescheid vom 14. Februar 1996 nicht aus zu Unrecht erbrachten "Sozialleistungen" resultiert. Diesbezüglich bestand im Übrigen bereits im eigenen Hause Uneinigkeit, weil die Agentur für Arbeit Nürtingen entgegen der Kasse die Auffassung vertrat, dass es sich bei der Forderung weder um zuviel gezahlte Sozialleistungen noch um Beitragsansprüche handele (vgl. Bl. 292 der Leistungsakten). Sonach war der Bescheid vom 4. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2004 rechtswidrig. Deshalb hat die Beklagte dem Kläger das zu Unrecht einbehaltene Alg von 2.883,56 EUR wieder auszuzahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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