L 11 R 546/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3810/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 546/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe, konkret die berufliche Weiterbildung zum Pflegedienstleiter, Lehrrettungsassistenten oder Unterrichtspfleger, streitig.

Der 1966 geborene Kläger steht seit dem 01.01.2004 im Rentenbezug der Beklagten wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (Bescheid vom 23. Juni 2004). Die angeordnete Betreuung zur Besorgung aller Vermögensangelegenheiten, des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Sorge für die Gesundheit des Betroffenen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 30. Januar 2006 wegen Zweckerreichung aufgehoben (Az.: XVII 78/01).

Am 21. Januar 2005 beantragte der Kläger, der als examinierter Krankenpfleger versicherungspflichtig beschäftigt war, unter Vorlage verschiedener Teilnahmebescheinigungen/Zertifikaten über berufliche Fortbildungsmaßnahmen, Dienstzeugnissen sowie eines Lebenslaufes die Förderung seiner beruflichen Weiterbildung zur Pflegedienstleitung, zum Lehrrettungsassistenten oder zum Unterrichtpfleger unter Hinweis auf seine bislang erfolgreich bestandenen Seminare und Kurse.

Die Beklagte zog daraufhin zunächst das im Rentenverfahren von dem Nervenarzt Dr. U. erstattete Gutachten vom 30.03.2004 bei. Dieser hatte beim Kläger einen fortgeschrittenen schizophrenen Persönlichkeitswandel, der eine Einordnung und Unterordnung im Berufsleben ebenso wenig möglich mache wie ausdauernde, fremdbestimmte Tätigkeit, diagnostiziert. Das Leistungsvermögen sei dauerhaft auf unter 3 Stunden für sämtliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes herabgesunken. Die Beklagte zog ferner einen Befundbericht des Städtischen Klinikums K., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, vom 26. April 2005 bei. Danach besteht die seit 1992 bekannte Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit bislang 4 stationären Aufenthalten fort. Der Kläger sei chronisch produktiv mit häufigen (auch polizeilichen) Kontakten. Er fühle sich selbst gesund und sei seiner Meinung nach aufgrund der Depot-Medikation voll arbeitsfähig. Er habe sich bereits beim BKA, dem BND und der Betreuungsbehörde als Berufsbetreuer beworben. Eine empfohlene Erhöhung der medikamentösen Dosis lehne er ab. Der Kläger sei affektiv geringgradig niedergeschlagen, formal beschleunigt bei Verdacht auf paranoides Erleben und psychomotorisch angespannt. Insgesamt gesehen habe sich das Leiden in den letzten 2 Jahren zwar gebessert, es bestehe jedoch keine Belastbarkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Mai 2005 den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, seine Erwerbsfähigkeit könne durch Leistungen zur Teilhabe am Erwerbsleben nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe sich zuletzt im November 2003 in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden. Seitdem werde er nur noch ambulant durch eine Spritze einmal monatlich behandelt. Es sei ihm gelungen, eine Ausbildung zum Praxisanleiter im Rettungsdienst (mit Prüfung) sowie Weiterbildungen und Seminare zu besuchen. Da auch andere Kranke unter Medikation wieder geschäfts- und arbeitsfähig seien, könne man ihm Reha-Leistungen nicht verweigern.

Hierauf zog die Beklagte das im Betreuungsverfahren erstattete psychiatrische Gutachten von dem Psychiater und Diplompsychologen Dr. B. bei. Danach ist es bei dem Kläger zu einer Chronifizierung des Wahnerlebens gekommen. Es sei am ehesten von einer paranoiden Schizophrenie mit zunehmendem Residuum auszugehen. Eine tatsächliche Krankheitseinsicht bestehe nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht beseitigt werden könne. Aufgrund der chronischen psychiatrischen Erkrankung müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass keine ausreichende Belastbarkeit vorliege. Deswegen sei die Durchführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgversprechend.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er sei seit Dezember 2003 arbeitslos. Er lasse sich seit dem letzten stationären Aufenthalt freiwillig ambulant behandeln. Das habe ihn in die Lage versetzt, mehrere Fortbildungen erfolgreich abzuschließen.

Mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2006, dem Kläger zugestellt am 2. Februar 2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, der Kläger erfülle zum gegenwärtigen Zeitpunkt die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe nicht. Die bei ihm bestehende chronische paranoid-halluzinatorische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis begründe eine Erwerbsminderung auf unter 3 Stunden täglich. Teilhabeleistungen seien derzeit nicht geeignet, seine Erwerbsfähigkeit erheblich zu verbessern, denn die Erwerbsminderung bestehe für sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und ließe sich durch eine berufliche Weiterbildung weder beeinflussen noch gar beheben. Nur durch das Erreichen einer gesundheitlichen Verbesserung könne die Erwerbsfähigkeit des Klägers soweit gesteigert werden, dass eine Eingliederung in das Erwerbsleben realistisch erscheine. Dies könne somit allenfalls auf medizinischem Wege erreicht werden. Dass der Kläger sich selbst für arbeitsfähig halte und auch verschiedene Weiterbildungsmaßnahmen absolviert habe, stehe dem nicht entgegen. Die Fortbildungen hätten sich nur auf wenige Tage beschränkt und aus den Teilnahmebescheinigungen gehe nicht hervor, ob die Ausbildungsinhalte dem Kläger auch tatsächlich hätten vermittelt werden können. Die von ihm vorgelegten Arbeitszeugnisse belegten, dass die Arbeitsverhältnisse in den letzten Jahren nach weniger als 2 Monaten Beschäftigungszeit stets hätten beendet werden müssen. Dies stütze die vom Städtischen Klinikum K. geäußerte Annahme, dass der Kläger derzeit für die Durchführung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht die nötige Belastbarkeit aufweise. Anhaltspunkte für eine Änderung des Gesundheitszustandes bei bestehender chronischer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis bestünden nicht. Die vom Kläger angeführte Depot-Medikation habe er bereits im April 2005 erhalten.

Mit seiner dagegen am 2. Februar 2006 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, seine ambulante Behandlung versetze ihn in die Lage alle Prüfungen zu bestehen. Dies hätten seine erfolgreich abgeschlossenen Weiterbildungsmaßnahmen belegt. Er hat weitere Teilnahmebescheinigungen für ein Tages-Seminar (Rechte, Pflichten und Haftung des GmbH-Geschäftsführers) und eine eintägige Fortbildungsveranstaltung (Kompetent Leiten, verantwortlich Führen) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlruhe vom 24. Januar 2006 sowie den Bescheid vom 4. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine berufliche Weiterbildung zur Pflegedienstleitung, zum Lehrrettungsassistenten oder zum Unterrichtspfleger als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bewilligen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die vom Kläger vorgelegten Bewerbungsunterlagen und sein Manuskript "Lagerungstechnik bei Notfällen, 2001" verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und insbesondere statthaft, da der Kläger Leistungen für mehr als 1 Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die damit insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist indessen nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür sind im Gerichtsbescheid des SG zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Ausgehend hiervon liegen auch zur Überzeugung des Senats bei dem Kläger die persönlichen Voraussetzungen des § 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht vor. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten von Dr. U. und Dr. B. sowie den Befundbericht des Städtischen Klinikums K ...

Danach liegt bei dem Kläger eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aufgrund der paranoiden Schizophrenie vor, die sogar zunehmend chronifiziert ist. Dass es durch die Medikation zu einer geringfügigen Besserung des Leidens gekommen ist, steht dem ebenso wenig entgegen wie die Teilnahme an zahlreichen Weiterbildungsveranstaltungen. Denn die bereits eingetretene Erwerbsunfähigkeit kann nicht abgewendet oder - was hier allenfalls in Betracht zu ziehen ist - so wesentlich gebessert werden, dass keine Erwerbsunfähigkeit mehr vorliegt (§ 10 Nr. 2 SGB VI). Eine "wesentliche" Besserung verlangt nämlich, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zumindest teilweise und nicht nur vorübergehend behoben wird. Wenn die Erwerbsunfähigkeit nicht beseitigt werden kann, reicht die bloße Besserung der geminderten Erwerbsfähigkeit nicht aus (BSG SozR 3 - 2600 § 10 Nr. 2). Das ist darin begründet, dass Leistungen eines Rentenversicherungsträgers zur Rehabilitation von vornherein als nicht zweckgerichtet ausscheiden, wenn diese allein auf die Gesundung des Versicherten gerichtet sind oder lediglich dazu dienen sollen, ihn vor weiterem Abgleiten zu bewahren, ohne dass die Aussicht besteht, seine Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen (BSGE 68, 167, 170). So verhält es sich bei dem Kläger auch nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck. Er fühlt sich zwar gesund, Anhaltspunkte für eine Änderung des Gesundheitszustandes bestehen jedoch nach übereinstimmender ärztlicher Einschätzung nicht. Der Kläger ist vielmehr dauerhaft erwerbsgemindert für sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Diese geminderte Erwerbsfähigkeit lässt sich durch eine berufliche Weiterbildung nicht beeinflussen oder gar beheben, es besteht keine Aussicht, dass die Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt wird. Der Kläger kann auf dem Arbeitsmarkt auch durch eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme nicht dauerhaft integriert werden. Er hat selbst eingeräumt, dass ihn trotz zahlreicher Bewerbungen kein Arbeitgeber einstellt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger arbeitswillig ist, was er durch seine vielfältigen Fortbildungsmaßnahmen dokumentiert hat. Diese belegen aber nicht, dass er auch eine längere Umschulung mit Erfolg abschließen und anschließend in den Arbeitsmarkt integriert werden kann.

Die Berufung des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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