Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 93/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 578/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000.
Die 1952 geborene Klägerin war als Verkäuferin in einem Drogeriemarkt beschäftigt. Am 19. Oktober 2000 wollte sie einen Rollcontainer eine Rampe hochschieben. Nach ihren Angaben rollte der Rollcontainer zurück und prallte gegen ihre rechte Kopfseite und rechte Schulter. Die Klägerin suchte am 23. Oktober 2000 die Orthopäden Dres. K. und B. auf und klagte über ein leichtes Schwindelgefühl. Übelkeit und Erbrechen verneinte sie. Dres. K. und B. fanden eine leichte Schwellung am Schädel sowie einen Druckschmerz am Hinterkopf rechts, an der Halswirbelsäule einen paravertebralen Druckschmerz rechts und am Trapezius, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule. Sie konnten peripher keine sensomotorischen Ausfälle feststellen. Die Röntgenaufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule zeigten eine Steilstellung der Halswirbelsäule, aber keine Frakturen. Sie diagnostizierten eine Schädelprellung und eine Distorsion der Halswirbelsäule und nahmen Arbeitsunfähigkeit für ca. zwei Wochen an (H-Arzt-Bericht vom 23. Oktober 2000). Gegenüber dem Neurologen Dr. B. gab die Klägerin an, nicht bewusstlos gewesen zu sein. Die neurologische Untersuchung durch Dr. B. ergab einen komplett unauffälligen Befund, auch des EEG, und keinen Hinweis für eine intracranielle Schädigung. Er diagnostizierte einen Zustand nach Schädelprellung (Befundbericht vom 27. November 2000). Dem HNO-Arzt Dr. S. berichtete die Klägerin, nach dem Unfall seien eine Übelkeit und Kopfschmerzen und nach drei Tagen eine Hörminderung rechts, jetzt mit zunehmenden Beschwerden, aufgetreten. Dr. S. fand keinen grob pathologischen HNO-Befund und diagnostizierte einen Zustand nach Commotio cerebri sowie eine Hochtonsenke beidseits (Befundbericht vom 12. Dezember 2000). Die Kernspintomographie der Halswirbelsäule am 31. Januar 2001 zeigte Chondrosen mit Gefügelockerungen C 4 bis C 7 mit relativer Spinalkanalstenosierung in diesem Niveau und zusätzlich einen flachen Prolaps mediolateral rechts C 6/C 7 (Bericht des Privatdozent Dr. K. vom 31. Januar 2001). Der HNO-Arzt Dr. v. B. stellte bei einer Untersuchung im März 2001 eine deutliche, rechtsseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit fest und führte aus, ursächlich komme nach dem zeitlichen Zusammenhang lediglich das Trauma in Frage, ein plötzlicher Innenohrabfall ohne laterobasale Fraktur sei aber sehr ungewöhnlich (Bericht vom 8. März 2001).
Wegen anhaltender Beschwerden erfolgte vom 19. Juni 2001 bis 12. Juli 2001 ein stationäres Heilverfahren. Hierüber berichtete Professor Dr. W., dass bei einer HNO-ärztlichen Konsiliaruntersuchung die Diagnosen Zustand nach Commotio labyrinthi und Verdacht auf traumatische Cupulolithiasis, bei einer neurologischem Konsiliaruntersuchung die Diagnosen Distorsion der Halswirbelsäule mit Nacken-Kopf-Schmerz und subjektiver Gefühlsminderung der rechten Schädelhälfte gestellt worden seien, ein Dünnschicht-Computerprogramm des Schädels keine posttraumatischen Veränderungen, insbesondere keine laterobasale Fraktur und eine Kernspintomographie der Wirbelsäule eine unauffällige Darstellung von Hirnstamm und cervikalen Myelon ergeben habe. Bei der Kernspintomographie hätten sich geringe degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit geringer Osteochondrose und Spondylarthrose im Bereich der Segmente HWK 4/5, 5/6 und 6/7 gezeigt (Bericht vom 20 August 2001).
In dem unfallchirurgischen Gutachten vom 11. September 2001 kam Prof. Dr. W. zu Ergebnis, der sachliche Befund der Unfallfolgen bestehe in einer endgradigen Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, einer anhaltenden schmerzhaften Verspannung und Schwäche der paravertebralen Muskulatur, einer Hörminderung des rechten Ohres und lagerungsabhängiger Schwindelgefühle. Vorherbestehende degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule seien durch das Unfallereignis vorübergehend verschlimmert worden. Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit dauerten noch an. Ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bis 12 Monate nach dem Unfall liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vH, danach von 0 vH vor.
Prof. Dr. Dr. M. führte in dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 8. November 2001 aus, Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet lägen nicht vor. Der klinisch-neurologische Befund sei in allen Einzelheiten regelrecht, insbesondere ergäben sich keine Hinweise für eine Verletzung des Halsmarks oder der das Halsmark verlassenden Nervenwurzeln. Auf psychiatrischem Gebiet sei ein unspezifischer Verstimmungszustand zu diagnostizieren, in dessen Rahmen auch diffuse und wechselnde körperliche Beschwerden geklagt würden, die sich nicht objektivieren ließen. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation werde dieser Zustand als somatoforme Störung bezeichnet. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis sei nicht anzunehmen. Das Unfallereignis habe zu einer Distorsion der Halswirbelsäule 1. bis 2. Grades geführt, damit zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines unfallunabhängig vorbestehenden Leidens (degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule). Der Vorzustand sei in der Zwischenzeit aber erreicht. Die beidseitige Innenohrschwerhörigkeit sei nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Es habe kein Knalltrauma und auch keine Felsenbeinfraktur vorgelegen.
Im HNO-ärztlichen Gutachten vom 23. Mai 2002 führte Prof. Dr. Z. aus, während sich in den reintonaudiometrischen Voruntersuchungen vom März und Juni 2001 eine Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts dargestellt habe, welche zu Beginn einen fluktuierenden Charakter aufgewiesen habe und als Folge des Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000 zu werten sei, habe sich bis zur gutachterlichen Untersuchung vom 18. Januar 2002 eine deutliche Besserung des Hörvermögens rechts ergeben. Auf der linken Seite zeige sich die Schallempfindungsschwerhörigkeit im Vergleich zu den audiologischen Voruntersuchungen konstant. Hier müsse von einer endogenen Schwerhörigkeit ausgegangen werden. Bei vorbestehender endogener Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sei es zu einer Verschlechterung der Schallempfindung rechts gekommen. Ermittelt aus der sprachaudiometrischen Untersuchung für das rechte Ohr betrage der prozentuale Hörverlust 20%. Dies sei als Folge des Unfalls zu werten. Die MdE aus HNO-ärztlicher Sicht liege bei 0 vH.
Prof. Dr. W. ging in Kenntnis der beiden Zusatzgutachten von einer Gesamt-MdE in Höhe der unfallchirurgischen MdE sowie von Arbeitsfähigkeit ab 25. Oktober 2001 aus (Stellungnahme vom 8. August 2002).
Vom 31. März 2002 bis 25. April 2002 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in einer psychosomatischen Klinik. Im Bericht über die stationären Aufenthalt nannte Privatdozent Dr. Z. als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode, einen benignen paroxysmalen Schwindel, eine Hypothyreose nach medizinischen Maßnahmen, eine wohl posttraumatische Perzeptionschwerhörigkeit rechts, eine Osteochondrose der Halswirbelsäule und einen Bandscheibenprolaps C 6/C 7. Unter Berücksichtigung aller geschilderten Fakten sei der Eindruck gewonnen worden, dass die jetzt vorliegende psychische Symptomatik auf den Unfall und die daraus resultierenden Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und der Alltagsbewältigung zurückzuführen seien (Bericht vom 15. Mai 2005). Der Medizinische Dienst der Krankenkassen Baden-Württemberg sah die weitere Erwerbsfähigkeit der Klägerin als zumindest gefährdet an. Bedingt durch die Problematik des Arbeitsunfalls mit Schleudertrauma, einer Schwerhörigkeit und einem paroxysmalen Schwindel sei die Klägerin den Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr gewachsen gewesen. Als Reaktion hierauf habe sich eine zunehmende depressive Entwicklung ergeben (Gutachten vom 20. Juni 2002).
Die Beklagte nahm unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit vom 19. Oktober 2000 bis 16. Februar 2001 sowie vom 11. Juli 2001 bis 24. Oktober 2001 an und lehnte einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000 ab (Bescheid vom 5. September 2002). Den Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002). Der Widerspruchsausschuss stützte sich auf die eingeholten Gutachten und hielt die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Berichte nicht für geeignet, einen unfallbedingten Kausalzusammenhang wahrscheinlich zu machen und die Gutachten in Frage zu stellen.
Die Klägerin hat am 16. Januar 2003 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben. Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren hat sie geltend gemacht, sie habe Probleme mit der Halswirbelsäule und auch der endogenen Schwerhörigkeit. Diese seien Folgen des Arbeitsunfalls. Sie erhalte nunmehr Rente wegen Erwerbsminderung.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat Prof. Dr. Dr. W. das nervenärztliche Gutachten vom 6. Oktober 2003 erstattet. Er hat bei seiner körperlichen-neurologischen Untersuchung keinen objektivierbaren pathologischen Befund gefunden. In psychopathologischer Hinsicht hat er eine depressive Stimmungslage mit affektiven Einbrüchen, einen Verlust von Interesse und Freude, eine fast permanent vorhandene niedergeschlagene Stimmungslage und eine ausgeprägte Antriebsminderung gefunden. Die jetzt erkennbare psychiatrische Erkrankung stehe in zumindest mittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Zum Unfallzeitpunkt sei jedoch eine phobische Symptomatik auf Grund eines traumatischen Erlebnisses in der Kindheit hinreichend kompensiert und zumindest in den Jahren seit 1986 seien im Leistungsauszug der Krankenkasse keine Arbeitsunfähigkeitszeiten auf Grund einer psychischen Symptomatik dokumentiert, sodass lediglich von einer Schadensanlage ausgegangen werden könne. Gegen die Annahme eines Unfallzusammenhangs spreche zum Einen, dass die psychiatrische Symptomatik sich erst mit erheblicher Latenz entwickelt habe (frühestens ab etwa Frühjahr 2001), sodass eine Anpassungsstörung im Sinne einer Fehlverarbeitung des Unfalls auszuschließen sei. Auf Grund des Unfallmechanismus und des eruierbaren Primärschadens sei davon auszugehen, dass körperlich begründbare Unfallfolgen zu diesem Zeitpunkt nach aller Erfahrung wieder weit gehend abgeklungen sein müssten und noch bestehende Beschwerden überwiegend den unfallunabhängigen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen zuzurechnen seien. Zum Anderen ergäben verschiedene Berichte aus dem Jahr 2001 ernst zu nehmende Hinweise auf eine zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfestigte und chronifizierte psychische Störung. Auf Grund des Unfalls seien vorübergehende Kopfschmerzen nach Schädelprellung, vorübergehende Nackenschmerzen nach Verschlimmerung vorbestehender degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule sowie eine gleichermaßen vorübergehende Hörverschlechterung und Schwindelsymptomatik bei Erschütterung des Innenohres anzunehmen. Alle übrigen Beschwerden seien mit Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht oder verschlimmert worden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat Prof. Dr. W. das neurologische Gutachten vom 30. September 2004 erstattet. Es lägen Cranio- und Zervikobrachialgien rechts nach Schädelprellung und Distorsion der Halswirbelsäule durch den Unfall vor. Aus rein neurologischer Sicht sei unter adäquater Therapie von einem langsamen Abklingen des Beschwerdekomplexes innerhalb eines Jahres auszugehen. Eine MdE auf Dauer auf rein neurologischem Gebiet sei nicht zu erwarten. Da jedoch eine erhebliche psychische Beeinträchtigung mit depressiver Verstimmung, Angstzuständen und Leistungsbeeinträchtigung nach Angaben der Klägerin weiterhin im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung und Verarbeitungsstörung bestehe, werde vorgeschlagen, dies durch eine Begutachtung aus psychosomatischer Sicht prüfen und eine MdE einschätzen zu lassen.
Auf Grund eines weiteren Antrages der Klägerin nach § 109 SGG hat Privatdozent Dr. G. das psychosomatische Gutachten vom 6. September 2005 erstattet. Er hat auf seinem Gebiet eine mittlerweile chronifizierte mittelgradige depressive Episode sowie einen Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und weiter ausgeführt, die entstandenen psychischen Symptome erfüllten nicht die Kriterien einer umschriebenen posttraumatischen Belastungsstörung, seien jedoch am ehesten als unmittelbare bzw. mittelbarem Unfallfolge zu werten. Es spreche vieles dafür, dass sich die psychischen Beschwerden vor allem reaktiv auf die sich als chronisch herausstellende körperliche Einschränkung entwickelt hätten. In diesem Zusammenhang erscheine besonders wichtig der Befundbericht über die stationäre psychosomatische Behandlung. Die MdE betrage seit dem Unfallereignis 30 vH.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 2005). Es ist dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. gefolgt, wonach psychoreaktive Unfallfolgen zwar weiterhin denkbar möglich seien, es jedoch wahrscheinlicher im Sinne der Kausalitätsbeurteilung sei, dass sich die jetzt erkennbaren, unzweifelhaft Krankheitswert besitzende Symptomatik erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung nach dem Unfallereignis entwickelt habe, wobei unfallunabhängige Mechanismen die überwiegende Rolle spielten. Die Auffassung des Privatdozent Dr. G. vermöge nicht zu überzeugen. Er mache deutlich, dass aus seiner Sicht die fortbestehenden psychischen Beeinträchtigungen in reaktiver Weise auf die persistierenden körperlichen Beeinträchtigungen und Schmerzen zurückzuführen seien. Da jedoch nach den Gutachten übereinstimmend körperliche Unfallfolgen nach Ablauf eines Jahres nicht mehr vorlägen, könnten die reaktive psychische Begleiterscheinung auch nicht auf unfallunabhängige körperliche Beeinträchtigungen zurückgeführt werden. Der bloße Verweis auf die Beurteilung der Kollegen der psychosomatischen Fachklinik vermöge nicht weiterzuhelfen, da diese Ansicht außer einem zeitlichem Zusammenhang keine weiteren Argumente zur Unfallabhängigkeit liefere.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Januar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Februar 2006 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich zu Unrecht über die Feststellungen des Gutachtens des Privatdozent Dr. G. hinweggesetzt. Sie hat einen Befundbericht der Ärztin Dr. M. vom 29. Mai 2006 vorgelegt mit der Beurteilung, die anamnestischen Angaben der Klägerin und die von ihr (Dr. M.) erhobenen Befunde ließen den Schluss zu, dass die Beschwerden der Klägerin durch den Unfall bedingt seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Dezember 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000 Rente nach einer MdE von mindestens 30 vH ab 17. Februar 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte und auch nach § 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 5. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Angesichts des Ergebnisses der vom Sozialgericht eingeholten Gutachten weist nach Einschätzung des Senats der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich nach § 56 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, insbesondere auch die Voraussetzungen für einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einer eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung, wonach als kausal und im Sozialrecht erheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben, für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, die vorliegt, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden, die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
1. Bei dem - von der Beklagten als solchen anerkannten - Arbeitsunfall am 19. Oktober 2000 zog sich die Klägerin eine Schädelprellung sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule zu. Dies ergibt sich aus den Berichten der Ärzte, die die Klägerin unmittelbar nach dem Unfallereignis behandelten, sowie aus den im Feststellungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W. vom 11. September 2001 und des Prof. Dr. Dr. M. vom 8. November 2001, die der Senat urkundenbeweislich verwerten kann. Aus diesen Gutachten ergibt sich auch, dass diese Verletzungen zumindest nach Ablauf eines Jahres seit dem Unfall verheilt sind. Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule beruhen auf den degenerativen Veränderungen, die durch die kernspintomographischen Untersuchungen nachgewiesen sind und bereits zum Unfallzeitpunkt bestanden. Des Weiteren kam es nach dem HNO-ärztlichen Gutachten des Prof. Dr. Z., das der Senat ebenfalls urkundenbeweislich verwerten kann, zu einer vorübergehenden Verschlechterung einer vorbestehenden endogenen Schallempfindungsschwerhörigkeit. Wegen dieser unmittelbar bei dem Unfall erlittenen Verletzungen beträgt die MdE höchstens für ein Jahr nach dem Unfall 10 vH. Insoweit ergibt sich auch aus den im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten keine andere Beurteilung.
2. Bei der Klägerin bestehende Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem oder psychosomatischen Gebiet sind keine Folgen des Arbeitsunfalls.
2.1. Bei der Klägerin besteht keine so genannte posttraumatische Belastungsstörung. Insoweit fehlt es an einem entsprechenden Trauma, das geeignet wäre, diese Erkrankung hervorzurufen, wie dies auch Privatdozent Dr. G. in seinem auf Grund des Antrages der Klägerin nach § 109 SGG erstatteten Gutachten darlegte.
2.2. Auch die bei der Klägerin bestehende depressive Störung ist nicht Folge des Arbeitsunfalls. Wie das Sozialgericht folgt auch der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. W., das auch der Senat für flüssig und überzeugend hält. Prof. Dr. Dr. W. wertet in seinem Gutachten die in den Akten vorliegenden Befunde vollständig aus, insbesondere auch die unmittelbar nach dem Unfallereignis erhobenen Befunde. Er hat insbesondere dargelegt, dass die depressive Symptomatik sich mit erheblicher Latenz zu dem Arbeitsunfall entwickelte und zwar zu einem Zeitpunkt, als die bei dem Arbeitsunfall erlittenen Verletzungen abgeklungen waren und die unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen im Vordergrund standen.
Mit diesem Gesichtspunkt setzt sich Privatdozent Dr. G. nicht auseinander, sodass wie das Sozialgericht auch der Senat seiner Beurteilung nicht zu folgen vermag. Des Weiteren geht Privatdozent Dr. G. davon aus, dass sich die depressive Symptomatik reaktiv auf die sich als chronisch herausstellende körperlichen Einschränkungen entwickelte. Diese körperlichen Einschränkungen sind aber wie zuvor dargelegt nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Auch dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, worauf der Senat als Bezug nimmt (S. 9 der Entscheidungsgründe) Schließlich stützt Privatdozent Dr. G. seine Auffassung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der depressiven Störung und dem Arbeitsunfall auf den Befundbericht der psychosomatischen Fachklinik vom 15. Mai 2002. Die Beurteilung der psychosomatischen Fachklinik im Befundbericht vom 15. Mai 2002 vermag aber nicht zu überzeugen, weil sie für die dort geäußerte Auffassung, unter Berücksichtigung aller geschilderten Fakten habe man den Eindruck gewonnen, dass die vorliegende psychische Symptomatik sei auf den Unfall und die daraus resultierenden Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und der Alltagbewältigung zurückzuführen, keine Begründung gegeben wird. Prof. Dr. Dr. W. weist in seinem Gutachten zu Recht darauf hin, dass in diesem Befundbericht nicht dargelegt wird, welche Fakten dieser Einschätzung zu Grunde liegen.
Auch der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegte Befundbericht der Ärztin Dr. M. vom 29. Mai 2006 kann die Beurteilung des Prof. Dr. Dr. W. nicht entkräften. Wie bereits Dr. G. differenziert Dr. M. nicht, ob die jetzt bei der Klägerin bestehenden Beschwerden auf unfallunabhängigen Ursachen beruhen, insbesondere die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule. Genau hierfür enthält auch der Befundbericht weitere Anhaltspunkte, wenn er ausführt, momentan leide die Klägerin an einer Epicondylitis rechts und es trete jetzt zusätzlich ein Schmerzen entlang der Brustwirbelsäule im Bereich des Schulterblatts auf.
3. Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat zu einer weiteren Beweiserhebung nicht gedrängt. Eine Notwendigkeit hierfür ergibt sich nicht daraus, dass zum ursächlichen Zusammenhang der depressiven Symptomatik und dem Arbeitsunfall widersprechende Gutachten vorliegen. Bei divergierenden Beurteilungen muss sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den Gutachten auseinander setzen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 103 Rdnr. 11b und § 128 Rdnr. 7e). Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 17. November 2003 - B 3 P 23/03 B -, veröffentlicht in juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000.
Die 1952 geborene Klägerin war als Verkäuferin in einem Drogeriemarkt beschäftigt. Am 19. Oktober 2000 wollte sie einen Rollcontainer eine Rampe hochschieben. Nach ihren Angaben rollte der Rollcontainer zurück und prallte gegen ihre rechte Kopfseite und rechte Schulter. Die Klägerin suchte am 23. Oktober 2000 die Orthopäden Dres. K. und B. auf und klagte über ein leichtes Schwindelgefühl. Übelkeit und Erbrechen verneinte sie. Dres. K. und B. fanden eine leichte Schwellung am Schädel sowie einen Druckschmerz am Hinterkopf rechts, an der Halswirbelsäule einen paravertebralen Druckschmerz rechts und am Trapezius, eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule. Sie konnten peripher keine sensomotorischen Ausfälle feststellen. Die Röntgenaufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule zeigten eine Steilstellung der Halswirbelsäule, aber keine Frakturen. Sie diagnostizierten eine Schädelprellung und eine Distorsion der Halswirbelsäule und nahmen Arbeitsunfähigkeit für ca. zwei Wochen an (H-Arzt-Bericht vom 23. Oktober 2000). Gegenüber dem Neurologen Dr. B. gab die Klägerin an, nicht bewusstlos gewesen zu sein. Die neurologische Untersuchung durch Dr. B. ergab einen komplett unauffälligen Befund, auch des EEG, und keinen Hinweis für eine intracranielle Schädigung. Er diagnostizierte einen Zustand nach Schädelprellung (Befundbericht vom 27. November 2000). Dem HNO-Arzt Dr. S. berichtete die Klägerin, nach dem Unfall seien eine Übelkeit und Kopfschmerzen und nach drei Tagen eine Hörminderung rechts, jetzt mit zunehmenden Beschwerden, aufgetreten. Dr. S. fand keinen grob pathologischen HNO-Befund und diagnostizierte einen Zustand nach Commotio cerebri sowie eine Hochtonsenke beidseits (Befundbericht vom 12. Dezember 2000). Die Kernspintomographie der Halswirbelsäule am 31. Januar 2001 zeigte Chondrosen mit Gefügelockerungen C 4 bis C 7 mit relativer Spinalkanalstenosierung in diesem Niveau und zusätzlich einen flachen Prolaps mediolateral rechts C 6/C 7 (Bericht des Privatdozent Dr. K. vom 31. Januar 2001). Der HNO-Arzt Dr. v. B. stellte bei einer Untersuchung im März 2001 eine deutliche, rechtsseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit fest und führte aus, ursächlich komme nach dem zeitlichen Zusammenhang lediglich das Trauma in Frage, ein plötzlicher Innenohrabfall ohne laterobasale Fraktur sei aber sehr ungewöhnlich (Bericht vom 8. März 2001).
Wegen anhaltender Beschwerden erfolgte vom 19. Juni 2001 bis 12. Juli 2001 ein stationäres Heilverfahren. Hierüber berichtete Professor Dr. W., dass bei einer HNO-ärztlichen Konsiliaruntersuchung die Diagnosen Zustand nach Commotio labyrinthi und Verdacht auf traumatische Cupulolithiasis, bei einer neurologischem Konsiliaruntersuchung die Diagnosen Distorsion der Halswirbelsäule mit Nacken-Kopf-Schmerz und subjektiver Gefühlsminderung der rechten Schädelhälfte gestellt worden seien, ein Dünnschicht-Computerprogramm des Schädels keine posttraumatischen Veränderungen, insbesondere keine laterobasale Fraktur und eine Kernspintomographie der Wirbelsäule eine unauffällige Darstellung von Hirnstamm und cervikalen Myelon ergeben habe. Bei der Kernspintomographie hätten sich geringe degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit geringer Osteochondrose und Spondylarthrose im Bereich der Segmente HWK 4/5, 5/6 und 6/7 gezeigt (Bericht vom 20 August 2001).
In dem unfallchirurgischen Gutachten vom 11. September 2001 kam Prof. Dr. W. zu Ergebnis, der sachliche Befund der Unfallfolgen bestehe in einer endgradigen Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, einer anhaltenden schmerzhaften Verspannung und Schwäche der paravertebralen Muskulatur, einer Hörminderung des rechten Ohres und lagerungsabhängiger Schwindelgefühle. Vorherbestehende degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule seien durch das Unfallereignis vorübergehend verschlimmert worden. Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit dauerten noch an. Ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bis 12 Monate nach dem Unfall liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vH, danach von 0 vH vor.
Prof. Dr. Dr. M. führte in dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 8. November 2001 aus, Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet lägen nicht vor. Der klinisch-neurologische Befund sei in allen Einzelheiten regelrecht, insbesondere ergäben sich keine Hinweise für eine Verletzung des Halsmarks oder der das Halsmark verlassenden Nervenwurzeln. Auf psychiatrischem Gebiet sei ein unspezifischer Verstimmungszustand zu diagnostizieren, in dessen Rahmen auch diffuse und wechselnde körperliche Beschwerden geklagt würden, die sich nicht objektivieren ließen. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation werde dieser Zustand als somatoforme Störung bezeichnet. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis sei nicht anzunehmen. Das Unfallereignis habe zu einer Distorsion der Halswirbelsäule 1. bis 2. Grades geführt, damit zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines unfallunabhängig vorbestehenden Leidens (degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule). Der Vorzustand sei in der Zwischenzeit aber erreicht. Die beidseitige Innenohrschwerhörigkeit sei nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Es habe kein Knalltrauma und auch keine Felsenbeinfraktur vorgelegen.
Im HNO-ärztlichen Gutachten vom 23. Mai 2002 führte Prof. Dr. Z. aus, während sich in den reintonaudiometrischen Voruntersuchungen vom März und Juni 2001 eine Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts dargestellt habe, welche zu Beginn einen fluktuierenden Charakter aufgewiesen habe und als Folge des Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000 zu werten sei, habe sich bis zur gutachterlichen Untersuchung vom 18. Januar 2002 eine deutliche Besserung des Hörvermögens rechts ergeben. Auf der linken Seite zeige sich die Schallempfindungsschwerhörigkeit im Vergleich zu den audiologischen Voruntersuchungen konstant. Hier müsse von einer endogenen Schwerhörigkeit ausgegangen werden. Bei vorbestehender endogener Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sei es zu einer Verschlechterung der Schallempfindung rechts gekommen. Ermittelt aus der sprachaudiometrischen Untersuchung für das rechte Ohr betrage der prozentuale Hörverlust 20%. Dies sei als Folge des Unfalls zu werten. Die MdE aus HNO-ärztlicher Sicht liege bei 0 vH.
Prof. Dr. W. ging in Kenntnis der beiden Zusatzgutachten von einer Gesamt-MdE in Höhe der unfallchirurgischen MdE sowie von Arbeitsfähigkeit ab 25. Oktober 2001 aus (Stellungnahme vom 8. August 2002).
Vom 31. März 2002 bis 25. April 2002 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in einer psychosomatischen Klinik. Im Bericht über die stationären Aufenthalt nannte Privatdozent Dr. Z. als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode, einen benignen paroxysmalen Schwindel, eine Hypothyreose nach medizinischen Maßnahmen, eine wohl posttraumatische Perzeptionschwerhörigkeit rechts, eine Osteochondrose der Halswirbelsäule und einen Bandscheibenprolaps C 6/C 7. Unter Berücksichtigung aller geschilderten Fakten sei der Eindruck gewonnen worden, dass die jetzt vorliegende psychische Symptomatik auf den Unfall und die daraus resultierenden Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und der Alltagsbewältigung zurückzuführen seien (Bericht vom 15. Mai 2005). Der Medizinische Dienst der Krankenkassen Baden-Württemberg sah die weitere Erwerbsfähigkeit der Klägerin als zumindest gefährdet an. Bedingt durch die Problematik des Arbeitsunfalls mit Schleudertrauma, einer Schwerhörigkeit und einem paroxysmalen Schwindel sei die Klägerin den Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr gewachsen gewesen. Als Reaktion hierauf habe sich eine zunehmende depressive Entwicklung ergeben (Gutachten vom 20. Juni 2002).
Die Beklagte nahm unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit vom 19. Oktober 2000 bis 16. Februar 2001 sowie vom 11. Juli 2001 bis 24. Oktober 2001 an und lehnte einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000 ab (Bescheid vom 5. September 2002). Den Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002). Der Widerspruchsausschuss stützte sich auf die eingeholten Gutachten und hielt die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Berichte nicht für geeignet, einen unfallbedingten Kausalzusammenhang wahrscheinlich zu machen und die Gutachten in Frage zu stellen.
Die Klägerin hat am 16. Januar 2003 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben. Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren hat sie geltend gemacht, sie habe Probleme mit der Halswirbelsäule und auch der endogenen Schwerhörigkeit. Diese seien Folgen des Arbeitsunfalls. Sie erhalte nunmehr Rente wegen Erwerbsminderung.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat Prof. Dr. Dr. W. das nervenärztliche Gutachten vom 6. Oktober 2003 erstattet. Er hat bei seiner körperlichen-neurologischen Untersuchung keinen objektivierbaren pathologischen Befund gefunden. In psychopathologischer Hinsicht hat er eine depressive Stimmungslage mit affektiven Einbrüchen, einen Verlust von Interesse und Freude, eine fast permanent vorhandene niedergeschlagene Stimmungslage und eine ausgeprägte Antriebsminderung gefunden. Die jetzt erkennbare psychiatrische Erkrankung stehe in zumindest mittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Zum Unfallzeitpunkt sei jedoch eine phobische Symptomatik auf Grund eines traumatischen Erlebnisses in der Kindheit hinreichend kompensiert und zumindest in den Jahren seit 1986 seien im Leistungsauszug der Krankenkasse keine Arbeitsunfähigkeitszeiten auf Grund einer psychischen Symptomatik dokumentiert, sodass lediglich von einer Schadensanlage ausgegangen werden könne. Gegen die Annahme eines Unfallzusammenhangs spreche zum Einen, dass die psychiatrische Symptomatik sich erst mit erheblicher Latenz entwickelt habe (frühestens ab etwa Frühjahr 2001), sodass eine Anpassungsstörung im Sinne einer Fehlverarbeitung des Unfalls auszuschließen sei. Auf Grund des Unfallmechanismus und des eruierbaren Primärschadens sei davon auszugehen, dass körperlich begründbare Unfallfolgen zu diesem Zeitpunkt nach aller Erfahrung wieder weit gehend abgeklungen sein müssten und noch bestehende Beschwerden überwiegend den unfallunabhängigen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen zuzurechnen seien. Zum Anderen ergäben verschiedene Berichte aus dem Jahr 2001 ernst zu nehmende Hinweise auf eine zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfestigte und chronifizierte psychische Störung. Auf Grund des Unfalls seien vorübergehende Kopfschmerzen nach Schädelprellung, vorübergehende Nackenschmerzen nach Verschlimmerung vorbestehender degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule sowie eine gleichermaßen vorübergehende Hörverschlechterung und Schwindelsymptomatik bei Erschütterung des Innenohres anzunehmen. Alle übrigen Beschwerden seien mit Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht oder verschlimmert worden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat Prof. Dr. W. das neurologische Gutachten vom 30. September 2004 erstattet. Es lägen Cranio- und Zervikobrachialgien rechts nach Schädelprellung und Distorsion der Halswirbelsäule durch den Unfall vor. Aus rein neurologischer Sicht sei unter adäquater Therapie von einem langsamen Abklingen des Beschwerdekomplexes innerhalb eines Jahres auszugehen. Eine MdE auf Dauer auf rein neurologischem Gebiet sei nicht zu erwarten. Da jedoch eine erhebliche psychische Beeinträchtigung mit depressiver Verstimmung, Angstzuständen und Leistungsbeeinträchtigung nach Angaben der Klägerin weiterhin im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung und Verarbeitungsstörung bestehe, werde vorgeschlagen, dies durch eine Begutachtung aus psychosomatischer Sicht prüfen und eine MdE einschätzen zu lassen.
Auf Grund eines weiteren Antrages der Klägerin nach § 109 SGG hat Privatdozent Dr. G. das psychosomatische Gutachten vom 6. September 2005 erstattet. Er hat auf seinem Gebiet eine mittlerweile chronifizierte mittelgradige depressive Episode sowie einen Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und weiter ausgeführt, die entstandenen psychischen Symptome erfüllten nicht die Kriterien einer umschriebenen posttraumatischen Belastungsstörung, seien jedoch am ehesten als unmittelbare bzw. mittelbarem Unfallfolge zu werten. Es spreche vieles dafür, dass sich die psychischen Beschwerden vor allem reaktiv auf die sich als chronisch herausstellende körperliche Einschränkung entwickelt hätten. In diesem Zusammenhang erscheine besonders wichtig der Befundbericht über die stationäre psychosomatische Behandlung. Die MdE betrage seit dem Unfallereignis 30 vH.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 2005). Es ist dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. gefolgt, wonach psychoreaktive Unfallfolgen zwar weiterhin denkbar möglich seien, es jedoch wahrscheinlicher im Sinne der Kausalitätsbeurteilung sei, dass sich die jetzt erkennbaren, unzweifelhaft Krankheitswert besitzende Symptomatik erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung nach dem Unfallereignis entwickelt habe, wobei unfallunabhängige Mechanismen die überwiegende Rolle spielten. Die Auffassung des Privatdozent Dr. G. vermöge nicht zu überzeugen. Er mache deutlich, dass aus seiner Sicht die fortbestehenden psychischen Beeinträchtigungen in reaktiver Weise auf die persistierenden körperlichen Beeinträchtigungen und Schmerzen zurückzuführen seien. Da jedoch nach den Gutachten übereinstimmend körperliche Unfallfolgen nach Ablauf eines Jahres nicht mehr vorlägen, könnten die reaktive psychische Begleiterscheinung auch nicht auf unfallunabhängige körperliche Beeinträchtigungen zurückgeführt werden. Der bloße Verweis auf die Beurteilung der Kollegen der psychosomatischen Fachklinik vermöge nicht weiterzuhelfen, da diese Ansicht außer einem zeitlichem Zusammenhang keine weiteren Argumente zur Unfallabhängigkeit liefere.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 18. Januar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Februar 2006 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich zu Unrecht über die Feststellungen des Gutachtens des Privatdozent Dr. G. hinweggesetzt. Sie hat einen Befundbericht der Ärztin Dr. M. vom 29. Mai 2006 vorgelegt mit der Beurteilung, die anamnestischen Angaben der Klägerin und die von ihr (Dr. M.) erhobenen Befunde ließen den Schluss zu, dass die Beschwerden der Klägerin durch den Unfall bedingt seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Dezember 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19. Oktober 2000 Rente nach einer MdE von mindestens 30 vH ab 17. Februar 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte und auch nach § 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 5. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Angesichts des Ergebnisses der vom Sozialgericht eingeholten Gutachten weist nach Einschätzung des Senats der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich nach § 56 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, insbesondere auch die Voraussetzungen für einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einer eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung, wonach als kausal und im Sozialrecht erheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben, für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, die vorliegt, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden, die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
1. Bei dem - von der Beklagten als solchen anerkannten - Arbeitsunfall am 19. Oktober 2000 zog sich die Klägerin eine Schädelprellung sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule zu. Dies ergibt sich aus den Berichten der Ärzte, die die Klägerin unmittelbar nach dem Unfallereignis behandelten, sowie aus den im Feststellungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W. vom 11. September 2001 und des Prof. Dr. Dr. M. vom 8. November 2001, die der Senat urkundenbeweislich verwerten kann. Aus diesen Gutachten ergibt sich auch, dass diese Verletzungen zumindest nach Ablauf eines Jahres seit dem Unfall verheilt sind. Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule beruhen auf den degenerativen Veränderungen, die durch die kernspintomographischen Untersuchungen nachgewiesen sind und bereits zum Unfallzeitpunkt bestanden. Des Weiteren kam es nach dem HNO-ärztlichen Gutachten des Prof. Dr. Z., das der Senat ebenfalls urkundenbeweislich verwerten kann, zu einer vorübergehenden Verschlechterung einer vorbestehenden endogenen Schallempfindungsschwerhörigkeit. Wegen dieser unmittelbar bei dem Unfall erlittenen Verletzungen beträgt die MdE höchstens für ein Jahr nach dem Unfall 10 vH. Insoweit ergibt sich auch aus den im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten keine andere Beurteilung.
2. Bei der Klägerin bestehende Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem oder psychosomatischen Gebiet sind keine Folgen des Arbeitsunfalls.
2.1. Bei der Klägerin besteht keine so genannte posttraumatische Belastungsstörung. Insoweit fehlt es an einem entsprechenden Trauma, das geeignet wäre, diese Erkrankung hervorzurufen, wie dies auch Privatdozent Dr. G. in seinem auf Grund des Antrages der Klägerin nach § 109 SGG erstatteten Gutachten darlegte.
2.2. Auch die bei der Klägerin bestehende depressive Störung ist nicht Folge des Arbeitsunfalls. Wie das Sozialgericht folgt auch der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. W., das auch der Senat für flüssig und überzeugend hält. Prof. Dr. Dr. W. wertet in seinem Gutachten die in den Akten vorliegenden Befunde vollständig aus, insbesondere auch die unmittelbar nach dem Unfallereignis erhobenen Befunde. Er hat insbesondere dargelegt, dass die depressive Symptomatik sich mit erheblicher Latenz zu dem Arbeitsunfall entwickelte und zwar zu einem Zeitpunkt, als die bei dem Arbeitsunfall erlittenen Verletzungen abgeklungen waren und die unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen im Vordergrund standen.
Mit diesem Gesichtspunkt setzt sich Privatdozent Dr. G. nicht auseinander, sodass wie das Sozialgericht auch der Senat seiner Beurteilung nicht zu folgen vermag. Des Weiteren geht Privatdozent Dr. G. davon aus, dass sich die depressive Symptomatik reaktiv auf die sich als chronisch herausstellende körperlichen Einschränkungen entwickelte. Diese körperlichen Einschränkungen sind aber wie zuvor dargelegt nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Auch dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, worauf der Senat als Bezug nimmt (S. 9 der Entscheidungsgründe) Schließlich stützt Privatdozent Dr. G. seine Auffassung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der depressiven Störung und dem Arbeitsunfall auf den Befundbericht der psychosomatischen Fachklinik vom 15. Mai 2002. Die Beurteilung der psychosomatischen Fachklinik im Befundbericht vom 15. Mai 2002 vermag aber nicht zu überzeugen, weil sie für die dort geäußerte Auffassung, unter Berücksichtigung aller geschilderten Fakten habe man den Eindruck gewonnen, dass die vorliegende psychische Symptomatik sei auf den Unfall und die daraus resultierenden Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und der Alltagbewältigung zurückzuführen, keine Begründung gegeben wird. Prof. Dr. Dr. W. weist in seinem Gutachten zu Recht darauf hin, dass in diesem Befundbericht nicht dargelegt wird, welche Fakten dieser Einschätzung zu Grunde liegen.
Auch der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegte Befundbericht der Ärztin Dr. M. vom 29. Mai 2006 kann die Beurteilung des Prof. Dr. Dr. W. nicht entkräften. Wie bereits Dr. G. differenziert Dr. M. nicht, ob die jetzt bei der Klägerin bestehenden Beschwerden auf unfallunabhängigen Ursachen beruhen, insbesondere die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule. Genau hierfür enthält auch der Befundbericht weitere Anhaltspunkte, wenn er ausführt, momentan leide die Klägerin an einer Epicondylitis rechts und es trete jetzt zusätzlich ein Schmerzen entlang der Brustwirbelsäule im Bereich des Schulterblatts auf.
3. Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat zu einer weiteren Beweiserhebung nicht gedrängt. Eine Notwendigkeit hierfür ergibt sich nicht daraus, dass zum ursächlichen Zusammenhang der depressiven Symptomatik und dem Arbeitsunfall widersprechende Gutachten vorliegen. Bei divergierenden Beurteilungen muss sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den Gutachten auseinander setzen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 103 Rdnr. 11b und § 128 Rdnr. 7e). Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 17. November 2003 - B 3 P 23/03 B -, veröffentlicht in juris).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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