L 11 KR 604/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1103/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 604/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Beitragspflicht der Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung.

Der 1957 geborene Kläger, der seit 09.06.2004 bei der Beklagten als Rentenantragsteller in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich kranken- und pflegeversichert ist, war bei den US-Streitkräften als Busfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Im Einvernehmen mit den amerikanischen Stationierungskräften hatte die Bundesrepublik Deutschland für den Kläger bei der A. Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft eine in einem Gruppenversicherungsvertrag geführte Kapital-Lebensversicherung zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen. Die Beiträge hierfür wurden von den Stationierungsstreitkräften entrichtet. Bezugsberechtigter war der Kläger bzw. seine Hinterbliebenen. Nach dem Vertrag endete die Kapital-Lebensversicherung a) bei Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres) oder b) durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles.

Wegen eines betrieblichen Verkehrsunfalls am 19.06.2001 war der Kläger ab diesem Datum arbeitsunfähig krank. Auf die von ihm gegen die ausgesprochene Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage wurde das Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich zum 30.06.2004 beendet.

Am 17.08.2004 teilte die A. Lebensversicherungs-AG der Beklagten mit, dass dem Kläger am 16.08.2004 eine zum 30.06.2004 fällige Kapitalzahlung der betrieblichen Altersversorgung aus dem Versorgungswerk für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften in Höhe von 22.068,10 EUR ausbezahlt worden sei.

Die Beklagte forderte daraufhin mit Bescheid vom 23.08.2004 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf diese Kapitalleistung. Dabei verteilte sie die Kapitalleistung auf 120 Monate und errechnete unter Anwendung der Beitragssätze einen Monatsbetrag von 27,40 EUR zur gesetzlichen Krankenversicherung und von 3,13 EUR zur Pflegeversicherung.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er nicht Rentner sei. Das Rentenverfahren sei noch anhängig. Bei der Zahlung handele es sich nicht um eine Abfindung seitens des Arbeitgebers. Im übrigen sei § 229 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) verfassungswidrig. Die Norm verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Außerdem habe er den Verkehrsunfall bereits am 19.06.2001 gehabt. Seither habe er nicht gearbeitet. Es sei zwar richtig, dass das Arbeitsverhältnis am 30.06.2004 beendet worden sei, dies hätte jedoch genauso im Jahr 2002 oder 2003 erfolgen können. Er müsse deshalb so behandelt werden, wie wenn er den Betrag vor dem 01.01.2004 bekommen hätte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Kläger sei als Rentenantragsteller nach § 189 SGB V versichert. Bei Rentenantragstellern werde gemäß § 239 SGB V die Beitragsbemessung für die Zeit der Rentenantragstellung bis zum Beginn der Rente durch die Satzung geregelt. Ferner gelte für die Beitragsbemessung die Regelung wie bei freiwilligen Mitgliedern. Nach § 240 SGB V müsse bei freiwilligen Mitgliedern die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen seien. Für versicherungspflichtig Beschäftigte regele § 226 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, dass der Beitragsbemessung auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt werden. Die Satzung der AOK Baden-Württemberg habe festgelegt, dass zu den beitragspflichtigen Einnahmen bei freiwilligen Mitgliedern alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, gehören würden. Somit würden neben anderen Einnahmen auch Versorgungsbezüge die Grundlage für die Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung bilden. Die Berechnung richte sich nach § 229 Abs. 1 SGB V. Ausgehend von einer Kapitalleistung in Höhe von 22.068,10 EUR ergebe sich umgerechnet auf den Kalendermonat für die Dauer von 10 Jahren ein Betrag von 183,90 EUR. Dieser Wert sei der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Hieraus resultiere für die Krankenversicherung ein monatlicher Beitrag in Höhe von 27,40 EUR und für die Pflegeversicherung in Höhe von 3,13 EUR. Seit 01.01.2004 würden alle Kapitalleistungen, die der Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder der Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit dienen würden, der Beitragspflicht unterliegen. Voraussetzung sei ein Bezug zum früheren Erwerbsleben. Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen, die als Kapitalleistung gewährt würden, gelte für alle Versorgungszusagen, bei denen der Versicherungs-/Versorgungsfall nach dem 31.12.2003 eingetreten sei. Im Falle des Klägers stehe die Kapitalleistung in Bezug zum früheren Erwerbsleben. Der Versicherungs-/Versorgungsfall sei nach dem 31.12.2003 eingetreten. Ohne Bedeutung sei, dass der Verkehrsunfall bereits am 19.06.2001 stattgefunden habe.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Er wiederholte im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und wies ergänzend darauf hin, dass die Zahlung rechtlich als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu werten sei. Es handele sich nicht um eine Rente oder eine vergleichbare Einnahme.

Das SG holte eine Auskunft der A. Lebenversicherungs-AG ein. Diese teilte mit, bei den Versicherungen des Versorgungswerkes für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen Stationierungskräften handele es sich um eine betriebliche Altersversorgung für die zivilen Arbeitnehmer bei den amerikanischen Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland. Versicherungsnehmer sei die Bundesrepublik Deutschland. Die Beiträge würden von den amerikanischen Streitkräften zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt. Die Versicherung für den Kläger habe während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses vom 09.03.1981 bis zum 30.06.2004 bestanden. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2004 sei die Versicherung erloschen und das Deckungskapital auf Antrag des Klägers an ihn ausgezahlt worden. Beigefügt wurde eine Versicherungsbescheinigung, Stand 01.01.2004, für die Beschäftigten bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften in der Bundesrepublik Deutschland.

Mit Urteil vom 18.01.2006 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, das dem Kläger gezahlte Deckungskapital sei von der Beklagten zu Recht zur Beitragsbemessung herangezogen worden. Die Kapitalzahlung gelte als Rente der betrieblichen Altersversorgung. Eine Versicherung sei der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers im Alter oder bei Tod bezwecke, also der Sicherung des Lebensstandards des Arbeitnehmers nach seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben dienen solle. Der zugunsten des Klägers abgeschlossene Versicherungsvertrag habe diesem Zweck gedient, denn er habe die Versicherungsleistung für die Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. den Tod des Klägers vereinbart. Die streitbefangene Leistung sei dem Kläger zwar nicht aus Anlass eines solchen Versicherungsfalles, sondern wegen der Beendigung des Versicherungsschutzes nach seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis gezahlt worden. Jedoch sei damit der Tatbestand einer "vor Eintritt des Versicherungsfalles" zugesagten Leistung in Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V erfüllt worden. Mit dieser zum 01.01.2004 eingeführten Neuregelung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V habe der Gesetzgeber Umgehungsmöglichkeiten beseitigen wollen, die eine Beitragsfreiheit von Leistungen aufgrund einer betrieblichen Altersversorgung vor Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles ergeben hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die vom Gesetzgeber ab 01.01.2004 getroffene Neuregelung den Gleichheitsgrundsatz verletze, bestünden nicht. Die Neuregelung entspreche vielmehr eher dem Gleichheitsgrundsatz als der vorherige Rechtszustand, denn dadurch würden nun nicht nur unmittelbare Leistungen aus der betrieblichen Alterversorgung, sondern auch Auszahlungen der erworbenen Anwartschaften einer solchen Altersversorgung erfasst.

Zur Begründung seiner dagegen am 26.01.2006 eingelegten Berufung trägt der Kläger unter Vorlage eines Ersten Rentengutachtens des Dr. M. und Dr. G., Kreiskrankenhauses L., Chirurgische Klinik, vom 19.11.2002 ergänzend vor, früher hätten keine Versicherungsbeiträge gezahlt werden müssen, wenn der Anspruch auf Kapitalleistung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles zugesichert bzw. wenn die einmalige Leistung von vornherein so vereinbart worden sei. Er habe am 19.06.2001 den Verkehrsunfall erlitten. Die Tatsache, dass er gegen die Kündigung vorgegangen sei, man das Arbeitsverhältnis dann zum 30.06.2004 beendet habe und eine Zahlung deshalb erst am 16.08.2004 erfolgt sei, könne nicht zur Folge haben, dass vorliegend die neue Regelung Anwendung finde. Dies verletze den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Er hätte die Zahlung aufgrund des Unfalls schon im Jahr 2002 oder 2003 bekommen können. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht mehr als Busfahrer arbeiten könne. Er haben viel größere finanzielle Belastungen als der durchschnittliche Bürger. Ihm werde unterstellt, er sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Lage, mehr als 3 Stunden täglich zu arbeiten. Er bekomme daher weder Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente noch Krankengeld und auch kein Arbeitslosengeld. Er beziehe lediglich eine BG-Rente, die nunmehr durch die Beklagte aufgrund der Beitragserhebung de facto gekürzt werde. Die Erhebung der Beiträge sei in seinem Fall aufgrund der Gesamtumstände nicht verhältnismäßig. Im übrigen habe das Bundessozialgericht - 12 RK 10/04 - entschieden, dass auf Kapitaleinkünfte keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheidet, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, ist zulässig und insbesondere statthaft, da die Berufung eine Beitragsforderung von mehr als einem Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Einstufungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat aus der Kapitalzahlung der Lebensversicherung Beiträge in der von der Beklagten festgestellten Höhe zu entrichten (vgl. auch Urteile des Senats vom 15.11.2005 -L 11 KR 3216/05-, 13.12.2005 -L 11 KR 4346/05- und 24.01.2006 -L 11 KR 2032/05-). Die Beklagte als Einzugsstelle hat nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) sachlich zuständig über die Versicherungspflicht sowie über die Heranziehung der hier streitigen Zahlung entschieden. In der Kranken- und Pflegeversicherung (insofern § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 11. Buch - SGB XI -) darf die Abfindung der Beitragserhebung zugrunde gelegt werden, weil sie eine der Rente vergleichbare Einnahme (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V) im Sinne des § 229 SGB V darstellt. In § 229 Abs.1 Satz 1 SGB V werden die wiederkehrenden Leistungen aufgeführt, die als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten. Nach Nr. 5 sind dies Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung.

Darunter fällt, wie das SG zutreffend festgestellt hat, auch die dem Kläger ausgezahlte Lebensversicherung. Hierbei handelt es sich, wie die A. Lebensversicherungs-AG bestätigt hat, um eine betriebliche Altersversorgung in diesem Sinne, denn sie wird im Wege einer Gruppenversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall des Arbeitnehmers als Begünstigten abgeschlossen und der Arbeitgeber ist als Versicherungsnehmer zur Zahlung der Prämien verpflichtet. Damit besteht ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Klägers.

Dass die Leistung dem Kläger nicht aus Anlass der Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. seines Todes ausbezahlt wurde, sondern wegen Beendigung des Versicherungsschutzes nach seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Möglichkeit war nach der Versicherungsbescheinigung vorgesehen. Der Versicherungsfall ist damit eingetreten.

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Leistung bereits bei Vertragsabschluss als Kapitalleistung vereinbart worden ist. Diese Fälle wurden zwar früher von § 229 SGB V nicht erfasst. Mit Wirkung vom 01.01.2004 wurde § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch Art. 1 Nr. 143 GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190, jedoch um den Satzteil "oder ...zugesagt worden" ergänzt. Damit werden nun auch alle Versorgungsbezüge nach der generellen Methode auf zehn Jahre verteilt zur Beitragsbemessung herangezogen, die von vornherein oder vor dem Versicherungsfall als nicht wiederkehrende Leistung (Kapitalleistung) vereinbart worden sind (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, § 229 SGB V Rdnr. 16). Die Kapitalleistung wurde auch erst nach dem 01.01.2004 fällig. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.06.2004. Durch das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wurde nach der Versicherungsbescheinigung das Versicherungsverhältnis beendet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Unfall bereits im Jahr 2001 geschah und der Kläger seither nicht mehr gearbeitet hat. Tatsächlich beendet wurde das Arbeitsverhältnis am 30.06.2004. Dies und nicht der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ist das entscheidende Datum.

Da die Kapitalleistung erst nach dem 01.01.2004 fällig wurde, liegt keine Verfassungswidrigkeit des § 229 SGB V vor. Es handelt sich nur um eine so genannte "unechte Rückwirkung". Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 95, 64, 86 - ständige Rechtssprechung -). Von unechter Rückwirkung oder auch tatbestandlicher Rückanknüpfung wird auch gesprochen, wenn eine Norm künftige Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht (BVerfGE 72, 200, 242; 79, 29, 45 ff.). Bei einer unechten Rückwirkung bzw. einer tatbestandlichen Rückanknüpfung wird somit ein Tatbestand geregelt, der zwar vor Gesetzesverkündung begonnen hat, aber noch nicht vollständig abgeschlossen war oder - mit anderen Worten - bereits vor Verkündung "in Kraft gesetzt" worden ist (BVerfGE 97, 67, 79). Eine echte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn ein Gesetz nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 57, 361, 391) bzw. wenn die Rechtsfolgen für einen vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt eintreten sollen und nicht für einen nach oder mit Verkündung beginnenden Zeitraum (BVerfGE 72, 200, 242). Im Gegensatz zur echten Rückwirkung ist die unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung regelmäßig zulässig, weil das vom Gesetzgeber verfolgte Gemeinwohlinteresse in der Regel das Vertrauen des Bürgers auf Fortbestand einer ihn begünstigenden Rechtslage überwiegt. Vorliegend hat der Kläger zwar die betriebliche Altersversorgung bereits vor dem Jahr 2004 abgeschlossen, diese gelangte aber erst am 16.08.2004, d. h. nach dem Stichtag der Änderung des § 229 SGB V durch das GMG zur Auszahlung. Deswegen handelt es sich um einen Fall der unechten Rückwirkung. Der Sachverhalt begann zwar in der Vergangenheit, er war zum Zeitpunkt der Rechtsänderung jedoch noch nicht abgeschlossen und wirkte in die Zukunft.

Auch im übrigen erachtet der Senat die Vorschrift für verfassungskonform. Die Neuregelung sollte gerade Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge beseitigen (BT.-Drucksache 15/1525 S. 139) und zu einer gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen führen (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, § 229 SGB V Rdnr. 16). Deswegen verstößt die Neuregelung auch nicht gegen Art. 3 Grundgesetz, sondern dient gerade der Gleichbehandlung aller Versicherten. Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil der Kläger durch den Unfall, der zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geführt hat, einen erheblichen körperlichen Schaden erlitten und deshalb nach seinem Vortrag Mehraufwendungen hat. Die ausgezahlte Kapitalleistung dient nicht dazu, Mehraufwendungen auszugleichen. Hierfür dürfte im Falle des Klägers die Berufsgenossenschaft zuständig sein. Die Kapitalleistung soll den Lebensstandard nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sichern. Insoweit unterscheidet sich der Kläger nicht von den anderen Arbeitnehmern, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

Die Berufung erweist sich damit insgesamt als unbegründet, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst.
Rechtskraft
Aus
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