L 11 R 1031/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2838/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1031/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1961 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war in verschiedenen Tätigkeiten als Bauhelfer, Stanzer, Holzdosierer, Reinigungskraft bis zu seiner fristlosen Eigenkündigung zum 05.10.2004 bei der Firma S., einer Papierfabrik in M., versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist er arbeitslos und bezieht nach dem Ende einer Sperrzeit seit dem 29.12.2004 Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

Seinen Rentenantrag vom 07.03.2005 begründete er mit Kreuz-, Rücken- und Hüftgelenksschmerzen, wobei er angab, er könne in Vollzeit nur noch leichtere Tätigkeiten verrichten.

Die Beklagte zog Befundunterlagen des behandelnden Orthopäden Dr. R. und der Hausärztin Dr. W. sowie eine Arbeitsplatzbeschreibung (Reinigung, Hackerei) der Firma S. bei, wonach die Anlernzeit ca. zwei bis vier Monate betrage. Anschließend veranlasste sie eine Begutachtung des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet. Der Chirurg Dr. G. beschrieb ein chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom ohne jegliche Funktionseinschränkung bei beklagter Belastungsschmerzhaftigkeit und röntgenologisch diskreten degenerativen Veränderungen sowie einer leichten linksbogigen Lumbalskoliose, belastungsabhängige Schmerzen der linken Hüfte bei Zustand nach Hüftgelenksprellung 9/04 ohne Funktionseinschränkung und mit unauffälligem Röntgenbefund, ein inkomplettes metabolisches Syndrom mit Hyperlipidämie, Hyperurikämie und arterieller Hypertonie, eine einfach strukturierte Persönlichkeit sowie einen unkritischen Beigebrauch von Kokain und Cannabis (positives Drogenscreening). Bei der körperlichen Untersuchung habe sich der Kläger in athletischer Körperform, mit äußerst kräftiger Muskulatur, leicht übermäßig ernährt und in einem altersgemäßen sowie insgesamt guten Allgemeineindruck präsentiert. Sämtliche Bewegungsabläufe hätten ohne Funktionseinschränkung dargeboten werden können, dies gelte auch für Hebe- und Tragebelastungen bis 25 kg (gemeint 15 kg). Es stünden noch zahlreiche Therapieoptionen der kassenärztlichen Behandlung offen, die nach Anwendung zu einer deutlichen Beschwerdereduktion und Besserung des Leistungsvermögens führen könnten. In seinem Alltag sei er in keinster Weise eingeschränkt, besitze zwar keinen Führerschein, könne jedoch öffentliche Verkehrsmittel problemlos benützen und lege Wege mit dem Fahrrad zurück. Er sei daher weiterhin in der Lage, zumindest mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten, wobei lediglich ständige Zwangshaltungen vermieden werden sollten. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.05.2005 den Rentenantrag ab.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich, mithin 30 Stunden in der Woche, stehe einer vollen Erwerbsfähigkeit entgegen, da diese auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise acht Stunden betrüge. Seine zuletzt bei der Firma S. ausgeübte Tätigkeit sei ihm aufgrund seiner Schmerzen in Rücken und Hüfte nicht mehr möglich gewesen. Er hat hierzu einen Bescheid des Landratsamtes R.-N.-Kreis (Versorgungsamt) vorgelegt, wonach der Grad der Behinderung 20 aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen Bluthochdruck, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und muskulärer Verspannungen betrage. Nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. G., es seien keinerlei medizinische Sachverhalte vorgelegt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2005 den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger könne noch mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne ständige Wirbelsäulen-Zwangshaltungen und ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel) über 15 kg mindestens sechs Stunden täglich verrichten und sei damit nicht erwerbsgemindert.

Zur Begründung seiner dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, er werde bei der Agentur für Arbeit nur noch als Halbtagskraft geführt und sei deswegen erwerbsgemindert.

Das Gericht hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Der Orthopäde Dr. R., der den Kläger zuletzt am 28.10.2004 behandelt hatte, führte aus, unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde sei der Kläger noch fähig, täglich mindestens sechs Stunden zu arbeiten. Die Allgemeinmedizinerin Dr. W. schloss sich dieser Auffassung an, führte noch ergänzend aus, der Kläger solle körperlich schwere Tätigkeiten vermeiden und der Tätigkeitsablauf sollte zwischen Gehen, Stehen und Laufen wechseln.

Mit Urteil vom 17.01.2006, dem Kläger zugestellt am 20.01.2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Kläger nicht erwerbsgemindert, sondern trotz gesundheitlicher Einschränkungen in der Lage, zumindest leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. Im Vordergrund stünden Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet, nämlich ein chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom bei diskreten degenerativen Veränderungen und einer leichten linksbogigen Lumbalskoliose sowie belastungsabhängige Schmerzen der linken Hüfte bei Zustand nach Hüftgelenksprellung links im September 2004. Auf internistischem Gebiet lägen darüber hinaus ein inkomplettes metabolisches Syndrom mit erhöhten Cholesterin-, Harnsäure- und GPT- und Gamma-GT-Werten vor. Deswegen sei das Leistungsvermögen des Klägers auch qualitativ eingeschränkt, jedoch nicht quantitativ in rentenberechtigendem Ausmaß gemindert. Dies ergebe sich aus dem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. G. sowie den Auskünften der behandelnden Ärzte. Insoweit käme es nicht darauf an, ob er die zuletzt bei der Firma S. verrichtete schwere körperliche Arbeit noch gesundheitlich zumutbar verrichten könne. Allein die Berufsaufgabe begründe noch keinen Rentenanspruch.

Mit seiner dagegen am 08.02.2006 beim SG eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, bei seinen gesundheitlichen Einschränkungen finde er keinen Arbeitsplatz mehr. Er habe sich bei vielen Firmen ergebnislos beworben und auch seine letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Das letzte Mal habe er sich im Oktober 2004 in orthopädischer Behandlung befunden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Januar 2006 sowie den Bescheid vom 04. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, aus der Berufungsschrift ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung des bisherigen Standpunktes zuließen.

Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid vom 04.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Zwar erfüllt er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, wie sich aus dem angefochtenen Bescheid vom 04.05.2005 ergibt, er ist jedoch weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist er vielmehr in der Lage, zumindest leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Zwangshaltungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Damit ist der Kläger nicht erwerbsgemindert. Das hat das SG im angefochtenen Urteil ausführlich begründet dargelegt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an und nimmt auf die Entscheidungsgründe Bezug.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren nicht die Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsermittlungen ergibt. Der Kläger hat auf Nachfrage ausgeführt, dass er sich auch gegenwärtig nicht in orthopädischer Behandlung befindet, mithin noch nicht einmal eine Behandlungsbedürftigkeit seiner belastungsabhängig auftretenden Schmerzen besteht. Die Medikation von Diclofenac 50 bestand schon zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. G. und ist in dessen Beurteilung eingeflossen. Die Leistungsbeurteilung von Dr. G. war auch für den Senat nachvollziehbar begründet, zumal sie sich in Übereinstimmung mit der der behandelnden Ärzte befindet. Dr. G. hat auch bereits im Widerspruchsverfahren dargelegt, dass es sich bei der Angabe der Hebebelastung von 25 kg um einen Schreibfehler handle und 15 kg gemeint seien. Für die Richtigkeit seiner Beurteilung spricht auch, dass der Kläger in seinem alltäglichen Leben gesundheitlich nicht eingeschränkt ist. Er kann Wege mit dem Fahrrad zurücklegen, seinen Ein-Personen-Haushalt alleine führen und sämtliche anfallenden Tätigkeiten erledigen. Seine Kontakte im Familienkreis kann er aufrecht erhalten und auch noch seinen Hobbys (insbesondere Musik hören) nachgehen. Insofern kommt es nicht darauf an, ob er seine letzte Tätigkeit bei der Firma S. gesundheitsbedingt aufgeben musste oder ihm eine solche Tätigkeit noch zumutbar ist. Das Gesetz stellt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten ist davon auszugehen, dass es noch eine Vielzahl von Arbeitsplätzen gibt, die von dem Kläger mit seinem gesundheitlichen Restleistungsvermögen noch ausgefüllt werden können. Ebenso wenig ausschlaggebend ist, dass der Kläger bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage keinen Arbeitsplatz erlangen kann. Dies ist ein von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versichertes Risiko (§ 43 Abs. 3 2. HS SGB VI).

Nach alledem war deshalb die Berufung als unbegründet zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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