L 1 U 431/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 18 U 1089/01
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 431/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. März 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Ereignisses vom 8. Juni 1996.

Laut Unfallanzeige der A. Theater GmbH vom 12. Juni 1996 zog sich der bei ihr als Tänzer beschäftigte und 1958 geborene Kläger eine Lendenwirbelsäulenverletzung zu, als er am 8. Juni 1996 während der Generalprobe eines Balletts nach einem Spagatsprung einen starken Schmerz im Rücken verspürte mit Taubwerden des rechten Beins.

Laut Durchgangsarztbericht von Dr. S. vom 10. Juni 1996 wurde eine Distorsion der Lendenwirbelsäule mit Sensibilitätsstörungen diagnostiziert. Ein am 11. Juni 1996 gefertigtes MRT ergab eine Protrusion im Segment L3/4 mit Kompression der Nervenwurzel L3.

In der Zeit vom 13. Juni bis zum 26. Juni 1996 fand eine stationäre Behandlung im Waldkrankenhaus "R." in E. wegen eines sensomotorischen Radikulärsyndroms L5 rechts bei Bandscheibenprolaps L4/5 statt. Im Rahmen der Therapie wurde am 14. Juni 1996 eine offene Nukleotomie L4/5 durchgeführt. Es schloss sich ein komplikationsfreier Heilungsverlauf an.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. Sch. vom Waldkrankenhaus "R." vom 28. Juni 1996 ein. Danach war der vom Kläger als Ursache seiner Verletzung angegebene Spagatsprung bei der Generalprobe nicht geeignet, eine Bandscheibenverletzung zu verursachen. Komme jedoch ein Vorschaden hinzu (wie er anzunehmen sei und wie die histologische Begutachtung bestätige) sei ein Bandscheibenvorfall durchaus akut möglich. Dies aber bedeute, dass es sich um eine Gelegenheitsursache handele, die auch bei anderen Tätigkeiten außerhalb der beruflichen Tätigkeit hätte geschehen können.

Nachdem die Beklagte eine Auskunft der Arbeitgeberin zum Unfallhergang eingeholt hatte, unter anderem eine Äußerung des Ballettdirektors zum Hergang in der Generalprobe, führte der Gewerbearzt Dr. Sc. unter dem 25. März 1997 aus, dass kein Arbeitsunfall gegeben sei. Er teile die Meinung des erstbehandelnden Orthopäden, dass die konkreten Umstände, unter denen sich das Erkrankungsbild in seiner schweren Form erstmals bemerkbar gemacht habe, eher zufällig gewesen seien und von den pathophysiologischen Vorstellungen, wie es zu einem Bandscheibenvorfall komme, als ein allein dafür nicht ausreichender Vorgang angesehen werden müsse.

Des Weiteren holte die Beklagte ein Gutachten von Dr. T. vom 10. März 1998 ein, der zu dem Ergebnis kam, dass das Ereignis vom 8. Juni 1996 nach Art, Richtung und Größe der einwirkenden Kräfte nicht in der Lage gewesen sei, einen Bandscheibenvorfall zu verursachen. Ein solcher sei nur anlässlich, aber nicht ursächlich während des angeschuldigten Ereignisses symptomatisch geworden.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Der Widerspruch blieb erfolglos. Die verspätet eingelegte Klage (Az.: S 18 U 1031/99) wurde zurückgenommen. Gleichzeitig wurde ein Antrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 2000 ab. Die Überprüfung der bestandskräftigen Verwaltungsakte habe ergeben, dass diese nicht rechtswidrig gewesen seien und eine Rücknahme daher nicht in Betracht komme. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2001).

Auf die erneute Klageerhebung hat das Sozialgericht ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von Dr. K. vom 20. Januar 2003 eingeholt. Durch die ganz speziellen biomechanischen Belastungsverhältnisse anlässlich einer speziellen Übung, die der Kläger anlässlich der Generalprobe am 8. Juni 1996 habe durchführen müssen, sei es zu einer ganz besonderen Belastung im Bereich der vorgeschädigten Lendenwirbelsäule gekommen, die zu einem akuten Ereignis im Sinne eines Unfalls geführt habe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 v. H.

Nachdem die Beklagte eine dem widersprechende Stellungnahme von Dr. L. vom 1. März 2003 vorgelegt hatte, hat das Sozialgericht nach § 106 SGG ein Gutachten von Dr. Sp. vom 23. Juli 2003 eingeholt, der zu der Auffassung gelangt ist, dass die Bandscheibenschädigung lediglich anlässlich des angeschuldigten Ereignisses eingetreten sei und ein Kausalzusammenhang zwischen der Ballettfigur und dem eingetretenen Körperschaden nicht bestehe.

Mit Urteil vom 26. März 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig seien. Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erlitten. Die vom Kläger geschilderten Umstände sprächen, wie die Gutachten von Dr. Sp. und Dr. T. überzeugend ausführten, deutlich dafür, dass es am angeblichen Unfalltag nicht zu einer traumatischen Verletzung der Lendenwirbelsäule gekommen sei.

Mit der dagegen gerichteten Berufung beruft sich der Kläger auf das Gutachten von Dr. K., wonach das Tanzen der Kollegin und Tänzerin auf dem Rücken der beiden Tänzer, von denen einer der Kläger gewesen sei, etwa der Gewalt von einem Schlag mit 60 kg entsprochen habe. Dies sei keine Gelegenheitsursache, sondern ein Ereignis, das ganz selbstverständlich im Zusammenhang mit der Berufsarbeit eines Tänzers stehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. März 2004 sowie den Bescheid vom 10. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1999 auf Grund des Arbeitsunfalls vom 8. Juni 1996 einen Zustand nach Bandscheibenoperation in der Etage L4/L5 nach traumatischem Bandscheibenvorfall mit neurologischen Ausfällen als Unfallfolge anzuerkennen und Teilverletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die erstinstanzliche Entscheidung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 des SGG). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Der Überprüfungsbescheid vom 6. Mai 1998 und der Widerspruchsbescheid vom 23. März 1999 sind rechtmäßig. Sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die zugrunde liegenden, bestandskräftigen Ablehnungsbescheide der Beklagten waren nicht aufzuheben. Die Beklagte hat dem Kläger keine Entschädigungsleistungen zu gewähren. Der Kläger hat während der Ballettprobe am 8. Juni 1996 keinen Arbeitsunfall erlitten.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 des SGB X).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hat das Recht weder unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Anzuwenden sind die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil das zu bewertende Ereignis vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) eingetreten ist (§ 212 SGB VII).

Ein Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungordnung (RVO) ist ein Unfall, der sich bei der versicherten Tätigkeit ereignet hat. Dazu ist in aller Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist und dass diese Tätigkeit den Unfall und letztlich auch den Körperschaden herbeigeführt hat. Dabei muss eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit und dem Beschäftigungsverhältnis bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl. BSGE 63, 273, 274).

Ein Arbeitsunfall im Sinne des § 548 RVO ist nicht nachgewiesen. Es ist nicht belegt, dass der Kläger im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit einen Gesundheitsschaden erlitten hat. Der diagnostizierte und operierte Bandscheibenvorfall ist nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Geschehen während der Generalprobe zurückzuführen, auch nicht im Wege einer Teilursächlichkeit. Ein anderer Körperschaden ist nicht eingetreten. Nur die Krafteinwirkung als solche auf die Wirbelsäule, etwa das Stehen einer Tänzerin auf dem Rücken, erfüllt für sich gesehen noch nicht den Unfallbegriff, solange nicht ein Gesundheitsschaden (kausal) damit einhergeht. Ansonsten hätte auch der unverletzte Kollege, auf dessen Rücken die Tänzerin ebenfalls stand, allein durch diesen Vorgang einen Arbeitsunfall erlitten. Dies hat der Gesetzgeber so nicht vorgesehen.

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Bestimmte maßgebliche Tatsachen und Geschehnisabläufe, wie die den Versicherungs- und Versorgungsschutz begründenden Tatsachen (z. B. Arbeit, Dienstverrichtung, Dienstreise), die das schädigende Ereignis (Unfall, Erkrankung, etc.) kennzeichnenden Umstände sowie - im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität - das Bestehen eines Gesundheitsschadens bedürfen des so genannten Vollbeweises (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 38), also der Feststellung mit einem so großen Grad an Gewissheit, dass bei vernünftiger, lebensnaher Betrachtung kein begründbarer Zweifel an dem Vorliegen der rechtserheblichen Tatsache besteht (vgl. BSG in SozR 2200 § 555 a Nr. 1). Zwar muss keine absolute, jeden erdenklichen Zweifel ausschließende Gewissheit bestehen; Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen aber ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der geschützten Tätigkeit und dem schädigenden Ereignis (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet. Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.

Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls scheitert vorliegend daran, dass nicht nachgewiesen ist, dass sich der Kläger am streitgegenständlichen Tag bei der streitgegenständlichen versicherten Tätigkeit einen Körperschaden zugezogen hat. Eine Beweisregel, dass alles was während der versicherten Tätigkeit an Gesundheitsschäden eintritt, auch auf die versicherte Tätigkeit zurückgeführt werden kann, existiert in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Feststeht, dass der Kläger nach Ablauf der Probe über Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule geklagt hat und in der Folgezeit ein Bandscheibenprolaps diagnostiziert wurde. Es ist jedoch nicht belegt, dass dieser Gesundheitsschaden hinreichend wahrscheinlich auf die tänzerischen Aktivitäten des Klägers zurückzuführen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, bei welcher Tanzfigur der Bandscheibenprolaps überhaupt aufgetreten ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass schwere degenerative Veränderungen unmittelbar im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis nachgewiesen werden konnten, die für sich allein geeignet waren, den angeschuldigten Körperschaden hervorzurufen, so dass auch keine Teilursächlichkeit in Betracht kommt.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat insbesondere auf das Gutachten von Dr. Sp. vom 23. Juli 2003. Danach bestehen bei dem Kläger massive degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 1996 mit Restparese des Nervus peroneus rechts, deutliche Gonarthrose beidseits, rechts mehr als links bei Zustand nach Entfernung des Innenmeniskus rechts, Senk-Spreiz-Fuß beidseits, fehlende Beugefähigkeit des 3. Fingers rechts nach Durchtrennung beider Beugesehnen, Zustand nach Unterarmfraktur rechts und Zustand nach Leistenhernienoperation beidseits.

Die Befunde und die Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vom 10. Juni 1996 belegen, dass zum Ereigniszeitpunkt eine deutliche degenerative Veränderung an der Lendenwirbelsäule vorgelegen hat. Vom Ausprägungsgrad waren diese Veränderungen geeignet, von einer erheblichen Vorschädigung der Bandscheibe zu sprechen. Dies wird gestützt durch die histologische Befundung von Professor Dr. Ka. vom Institut für Pathologie der F.-Universität J. vom 18. Juni 1996, der erhebliche degenerative Veränderungen im Zusammenhang mit reparativen Vorgängen vorgefunden hat. Allein schon dieser Befund spricht für eine lang anhaltende Genese. Diese degenerativen Veränderungen sind in der Lage, den Körperschaden allein herbeizuführen, ohne dass es einer weiteren wesentlichen Ursache bedarf.

Dr. Sp. steht dabei in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. T. in dessen Gutachten im Verwaltungsverfahren. Danach ist eine unfallbedingte Einwirkung isoliert auf die Bandscheibe aus anatomischen Gründen, die Bandscheibe sitzt tief eingebettet mehrere Zentimeter von der Körperoberfläche entfernt geschützt zwischen zwei Wirbelkörpern, beinahe unmöglich. Denkbar erscheint eine indirekte Verletzung, die jedoch eine pathologische Beweglichkeit der beiden angrenzenden Wirbelkörper voraussetzen würde, so dass die Bandscheibe dabei zerreißen könnte. Die am einfachsten vorstellbare Distraktion (Auseinanderziehen zweier Wirbelkörper) ist unfallmedizinisch kaum vorstellbar und führt im Übrigen auch nicht beim Aufhängen einer Person zu einem Bandscheibenschaden. Die dehnende Gewalteinwirkung müsste das Siebenfache der körpereigenen Muskelkraftentwicklung übersteigen, um die Bandsicherung eines Bewegungssegmentes, und damit die Bandscheibe, zum Zerreißen zu bringen. Segmentale Scherungs-, Torsions- und Kippungsbelastungen werden durch den knöchernen und ligamentären Apparat soweit begrenzt, dass in jedem Bewegungssegment nur etwa die Hälfte der Bewegungsausschläge erfolgen können, die zur Schädigung der Bandscheibe notwendig wären. Diese Strukturen müssten zwangsläufig vor Eintritt eines Bandscheibenschadens mit geschädigt werden. Da die Reißfestigkeit der ligamentären Strukturen höher ist als die Bruchfestigkeit der knöchernen Strukturen, ist eine isolierte Bandscheibenläsion, ohne knöcherne Beteiligung, schwerlich vorstellbar. Die unteren Lendenwirbelsäulen-Etagen (L4 und L5) sind zudem durch sehr kräftige Bänder zum Becken hin zusätzlich gesichert, so dass in diesen, von der Regression so überaus häufig betroffenen, Segmenten isolierte Unfallschäden an den Bandscheiben, auch anteiliger Natur, gänzlich ausgeschlossen scheinen. Zudem gilt es zu bedenken, dass die Wirbelsäule aus einer Gliederkette mit insgesamt 25 Bewegungssegmenten besteht, so dass sich die Bewegungsausschläge regelhaft auf viele Segmente verteilen und es daher patho-mechanisch kaum möglich ist, dass nur ein Bewegungssegment einer hypermobilisierenden Gewalteinwirkung unterliegen könnte.

Für den degenerativen Charakter der Erkrankung spricht auch der Operationsbefund, wo keinerlei Zeichen einer strukturellen Verletzung gefunden wurden. Ein sicherer Beleg ist sodann der histologische Befund, in dem ausschließlich degenerative Veränderungen beschrieben wurden. Nicht zuletzt darf die Vorgeschichte nicht vergessen werden, wonach bereits früher Beschwerden seitens der Lendenwirbelsäule aufgetreten waren. Insofern ist ein schicksalhafter, schon vorbestehender Bandscheibenschaden anlässlich, aber nicht ursächlich des angeschuldigten Ereignisses symptomatisch geworden.

Dem entspricht auch die Stellungnahme von Dr. L. vom 25. Mai 2003. Auch danach ist entscheidend das Schadensbild und nicht der Ablauf der versicherten Tätigkeit. Das Schadensbild wurde am 10. Juni 1996 klinisch und bildtechnisch aussagekräftig erhoben bzw. zur Darstellung gebracht. Eine Verletzung, ganz gleich ob direkt oder indirekt, gleich ob durch stumpfe oder durch spitze Gewalteinwirkung, setzt typische Verletzungszeichen voraus. Sie unterscheidet sich von einem Schadensbild typisch degenerativer Genese vor allem durch Begleitverletzungen. Klinisch wurden keinerlei Verletzungszeichen befundet, bildtechnisch ebenfalls nicht. Befundet wurden ausschließlich Zeichen vorbestehender degenerativer Veränderungen. Die zwei Tage nach der versicherten Tätigkeit durchgeführte kernspintomografische Untersuchung ist, neben der Nativ-Röntgen-Aufnahme, zudem aussagekräftig genug. Wenn eine Verletzung im Bereich der Bandscheiben gesetzt worden sein sollte, so müssten kernspintomografisch Ödeme zur Darstellung kommen, die den Weg der einwirkenden Gewalt begleiten. Es kann völlig offen bleiben, wie die Gewalt gewirkt hat. Eine Verletzung führt zwangsläufig zur Ödembildung. Vorliegend sind jedoch ausschließlich degenerative Veränderungen befundet worden. Ein Ödem ist hingegen nicht nachgewiesen.

Letztlich haben auch der Gewerbearzt und der Erstbehandler einen Kausalzusammenhang verneint.

Dem Gutachten von Dr. K. vom 22. Januar 2003 ist nicht zu folgen. Seine Einschätzung, dass mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spreche, ist nur sehr schwer nachvollziehbar. Er berücksichtigt bei der Beantwortung der Kausalitätsfrage weder die Schwere der bestehenden degenerativen Veränderungen noch das Fehlen von Begleitverletzungen. Insbesondere kann der Zeitpunkt des Eintritts des Gesundheitsschadens nicht maßgeblich für die Bewertung des Kausalzusammenhangs herangezogen werden. Daraus, dass es sich bei der tänzerischen Übung nicht um eine Bagatellbewegung gehandelt haben soll, kann noch nicht geschlossen werden, dass deshalb eine wesentliche Mitursächlichkeit gegeben ist, wenn entsprechende Begleitverletzungen fehlen und eine so schwere Bandscheibendegeneration vorliegt, die auch bei einem Bagatellereignis klinisch manifest geworden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Es sind weder grundsätzliche Bedeutung noch Divergenz gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved