L 2 U 3312/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 4052/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3312/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente streitig.

Der 1944 geborene Kläger erlitt am 7. August 1998 als Beschäftigter (Polier) der Firma M. GmbH & Co.KG einen Arbeitsunfall. Nach Angaben des Arbeitgebers in der Unfallanzeige vom 16. Oktober 1998 wollte der Kläger eine Schalung anheben, sei dabei abgerutscht und gefallen; er habe sich dabei die rechte Schulter gezerrt und den Daumen gebrochen. Seit dem 30. September 1998 sei er arbeitsunfähig erkrankt. Die Ärztin für Orthopädie Dr. S. teilte unter dem 7. September 1998 (H-Arzt-Bericht) mit, der Kläger habe sie am 7. September 1998 aufgesucht und mitgeteilt, er habe am 7. August 1998 einen Unfall erlitten. Beim Anheben einer Schalung sei er abgerutscht und habe dabei die rechte Schulter kräftig gezerrt und den Daumen angeschlagen. Der Kläger sei wieder arbeitsfähig. Dr. S. diagnostizierte eine Querfraktur des Daumenendgliedes bei zunehmender knöcherner Konsolidierung (vier Wochen alt). Am rechten Schultergelenk bestünden keine knöchernen Verletzungen, die Ultraschalluntersuchungen hätten keinen sicheren Anhalt für einen Infra- oder Supraspinatussehnenriss ergeben. Es bestehe eine ältere Fraktur des rechten Daumenendgliedes sowie eine Zerrung am linken Schultergelenk. Unter dem 1. Oktober 1998 berichtete sie, dass nach einer MRT vom 30. September 1998 (Dres. Brandelik und Schneider) eine Teilruptur der Supraspinatussehne rechts gegeben sei. Der beratende Arzt der Beklagten, Chirurg Dr. St., führte unter dem 19. November 1998 aus, eine unfallbedingte Entstehung des Teildefektes der Supraspinatussehne sei unwahrscheinlich, weil ein direktes Schultertrauma die unter dem dicken Deltamuskel geschützt liegende Supraspinatussehne ohne schwere Begleiterverletzungen der deckenden Weichteilschichten nicht habe schädigen können. Ferner spreche die Tatsache, dass der Versicherte über mehr als vier Wochen die Arbeit fortgesetzt habe gegen eine unfallbedingte Zerreißung oder Teilzerreißung der Rotatorenmanschette. Am 2. November 1998 hat der Kläger die Arbeit wieder aufgenommen.

Am 29. September 2000 erlitt der Kläger bei einem weiteren Arbeitsunfall Prellungen im Gesicht und am rechten Arm. Mit Bescheid vom 27. März 2001 erkannte die Beklagte die Prellung als unfallbedingt an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab. Die beim Kläger bestehenden Beschwerden seien auf eine unfallunabhängige Supraspinatussehnenruptur zurückzuführen. Die hiergegen zum Sozialgericht Karlsruhe erhobene Klage ( S 14 U 3385/01) wies das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2002 ab. Die hiergegen eingelegte Berufung (L 1 U 2040/02) nahm er wieder zurück. Gleichzeitig beantragte er die Erteilung eines rechtsbehelfsfähigen Bescheides hinsichtlich des Arbeitsunfalles am 7. August 1998.

Mit Bescheid vom 28. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Nach Auswertung der vorliegenden Befunde habe der Unfall u. a. zu einer Schulterprellung rechts geführt, diese sei aber bereits am 29. September 1998 folgenlos geheilt gewesen.

Am 21. November 2002 hat der Kläger zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte, den Internisten Dr. Z. und die Orthopädin Dr. S. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Z. hat in seiner Aussage vom 7. Februar 2003 sinngemäß mitgeteilt, er könne zu den Folgen des Arbeitsunfalles keine Angaben machen. Dr. S. hat in ihrer Auskunft vom 20. Februar 2003 ausgeführt, bei dem Unfallereignis sei es nicht nur zu einer Zerrung der rechten Schulter, sondern zu einer Supraspinatussehnenruptur gekommen. Die Daumenfraktur sei bereits ein Beweis dafür, dass es sich um ein adäquates Trauma handele, denn bei einer reinen Zerrung komme es nicht zu einer Fraktur des rechten Daumens. Aus innerbetrieblichen Gründen und wegen Sorge um den Arbeitsplatz habe der Kläger aus eigenem Antrieb weitergearbeitet und habe sich in den ersten vier Wochen nicht krankschreiben lassen. Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Orthopäden Dr. Ste ... Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 9. Mai 2003 u. a. einen Rotatorenmanschetteneinrisss im Bereich der Supraspinatussehne beidseits, rechts, links mittelgradig ausgeprägt, festgestellt. Der stattgehabte Unfallmechanismus vom 7. August 1998 sei nicht geeignet gewesen, eine traumatische Schädigung der Rotatorenmanschette eines Schultergelenkes, sei es rechts oder links, hervorzurufen. Es sei davon auszugehen, dass vor dem Unfall bereits eine erhebliche beiderseitige degenerative Vorschädigung der Rotatorenmanschette an dem Schultergelenk vorgelegen habe. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) seit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei nicht gegeben. Der auf Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Orthopäde D. hat in seinem Gutachten vom 19. März 2004 die Auffassung vertreten, dass die Supraspinatussehnenruptur Folge des Unfallereignisses vom 7. August 1998 sei. Dies könne aus dem Kernspinuntersuchungsbefund vom 30. September 1998 abgeleitet werden. Mit Urteil vom 28. Mai 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, der Rotatorenmanschetteinriss im Bereich der Supraspinatussehne sei nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Ste. nicht auf den Unfall vom 7. August 1998 zurückzuführen. Auch nach der Überzeugung des SG fehle es bei dem vom Kläger geschilderten Unfallhergang an der erforderlichen starken passiven Rotationseinwirkung.

Gegen das am 19. Juli 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Juli 2004 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung wird ausgeführt, nach dem Unfall vom 7. August 1998 habe er nicht noch vier Wochen weitergearbeitet, sondern sei nach Kroatien in Urlaub gefahren. Dort habe er unverzüglich einen Arzt aufgesucht. Hierzu hat der Kläger die Bescheinigung des Dr. V., Haus für Gesundheit, Grude, Bosnien und Herzegovina, vorgelegt. Im Übrigen sei das Unfallereignis geeignet, einen Einriss der Rotatorenmanschette zu bewirken. Dies werde auch von dem Sachverständigen D. bestätigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2002 aufzuheben die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Teilruptur der Supraspinatussehne des rechten Schultergelenks als Folge des Arbeitsunfalles vom 7. August 1998 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend

Der Senat hat den Sachverständigen Dr. Ste. ergänzend befragt. Dieser teilte mit Schreiben vom 10. Januar 2006 mit, auch dann, wenn man die Angaben des Klägers, dass er nach dem Unfall nicht weitergearbeitet habe sondern sich nach Kroatien in Urlaub begeben und dort in ärztlicher Behandlung gestanden habe, zu Grunde lege, ändere sich an dem Ergebnis der Begutachtung nichts.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 1 U 2040/02, des Sozialgerichts Karlsruhe S 14 U 3385/01 sowie auf die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 28. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2002, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente auf Grund des Ereignisses vom 7. August 1998 abgelehnt hat.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente ist nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten über die 26. Woche (nach § 580 Abs. 1 RVO über die 13. Woche) nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die Anspruch begründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Unfallereignis) und die Gesundheitsstörung, derentwegen Entschädigungsleistungen begehrt werden, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 S. 81 f.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91).

Das Unfallereignis vom 7. August 1998 erfüllt die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls (von außen auf den Körper einwirkendes schädigendes Ereignis, versicherte Tätigkeit, innerer Zusammenhang); dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Als Unfallfolgen hat eine Fraktur des Daumenendgliedes der rechten Hand und eine Prellung der rechten Schulter bestanden, die ohne Folgen verheilt sind. Auf Grund der Unfallfolgen hat bis zum 29. September 1998 Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Diese Feststellungen trifft der Senat auf Grund des Gutachtens von Dr. Ste ...

Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung der Teilruptur der Supraspinatussehne rechts ist nicht auf den Unfall zurückzuführen. Der Sachverständige Dr. Ste. hat einen Rotatorenmanschetteneinriss im Bereich der Supraspinatussehne beidseits, rechts groß, links mäßig ausgeprägt, festgestellt. Bereits der vom Kläger dargestellte Unfallhergang ist nach der schlüssigen Darstellung des Sachverständigen nicht geeignet gewesen, eine Teilruptur der Supraspinatussehne herbeizuführen. Der Kläger hat wiederholt auch gegenüber dem Sachverständigen angegeben, er habe eine Schalung weggezogen, er sei abgerutscht, nach hinten gefallen auf den Betonboden und habe sich mit dem rechten Arm abgestürzt. So erkläre sich die Querfraktur des Daumens. Stürze, so der Sachverständige, jedoch jemand nach hinten über den ausgestreckten Arm, so komme es bezüglich des rechten Schultergelenkes zu einer axialen Stauchung der Oberarmkopfkugel gegen das darüberliegende Schulterdach (Acromeon). Mit einem derartigen Mechanismus sei eine Verletzung der Rotatorenmanschette nicht möglich. Alle geeigneten Verletzungsmechanismen hätten nämlich gemeinsam, dass sie mit einer erheblichen passiven Gewalteinwirkung i. S. v. Zugwirkung potentiell in Kombination mit gleichzeitiger Rotationsgewalteinwirkung auf das Schultergelenk einhergingen, eine Gewalteinwirkung, die mit einer großflächigen, mehrere Gewebsschichten und mehrere Muskelpartien betreffenden Gewebeweichteilverletzung einhergeht, einer Gewalteinwirkung, die im Endeffekt auch zu einer kompletten Schulterverrenkung, d. h. zu einer Auskugelung des Oberarmkopfes aus der Schulterblattpfanne führen könnte. Es komme bei derartigen gewaltigen Traumata auch zu sehr vielschichtigen Verletzungen der Weichteile des betroffenen Schultergelenkes. Eine isolierte Supraspinatussehnenruptur eines Schultergelenkes, wie sie beim Kläger kernspintomographisch am 30. September 1998 diagnostiziert worden sei, sei absolut untypisch für eine traumatische Rotatorenmanschettenschädigung. Dass der Kläger nach eigenen Angaben in der Lage gewesen ist, die weite Reise mit dem Auto nach Kroatien anzutreten sowie die fehlende Weichteilverletzung sprechen somit bereits gegen das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges. Der Sachverständige hat weiter darauf hingewiesen, dass das Auftreten von degenerativen Rissbildungen in der Rotatorenmanschette in der Altersgruppe des Klägers ein sehr häufiges Ereignis darstelle. So hat der Sachverständige auch beim Kläger, von diesem bis dahin nicht bemerkt, einen Einriss der Rotatorenmanschette der linken Schulter festgestellt. Diesbezüglich ist auch kein Unfallereignis bekannt oder geltendgemacht. Im Nachschaubericht vom 7. September 1998 ist auch die behandelnde Orthopädin Dr. S. auf Grund der zunächst vorgenommenen klinischen und sonografischen Untersuchung davon ausgegangen, dass der Kläger arbeitsfähig ist, sodass auch dies gegen eine erhebliche Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes spricht, die jedoch nach den oben dargestellten Umständen zwingende Folge einer traumatischen Schädigung der Supraspinatussehne gewesen wäre; vielmehr habe nur eine relativ mäßige Schmerzsymtomatik bestanden. Demgegenüber ist das Gutachten des Orthopäden D. nicht nachvollziehbar. Er verweist zur Begründung des Kausalzusammenhanges lediglich auf die MRT vom 30. September 1998. Hier weist jedoch Dr. Ste. bereits zu Recht darauf hin, dass dies lediglich den Nachweis einer Rotatorenmanschettenruptur bringen kann, nicht jedoch deren Ursache. Soweit Dr. S. schließlich aus dem Unfallhergang, der zum Bruch des Daumens geführt habe, einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Einriss der Supraspinatussehne begründet, ist dies ebenfalls nicht nachvollziehbar.

Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente, weil seine Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus nicht eingeschränkt gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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