L 2 U 5047/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2977/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 5047/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 24. Juli 2000 um einen Arbeitsunfall der Beigeladenen handelt.

Die Klägerin ist zum Unfallzeitpunkt in einer Ausbildung zur Zu- bzw. Bereiterin in einem Rennstall in Iffezheim gewesen. Sie war Eigentümerin mehrerer Rennpferde und betrieb Rennsport als Hobby. Am Unfalltag trainierte die Klägerin ihr Pferd "Bakerstreet" auf einer Rennbahn in Straßburg. Die Beigeladene, ihre Großmutter, fuhr sie mitsamt des Pferdes dorthin und wollte diese anschließend auch zu einer Tierklinik in Iffezheim fahren, da sich das Pferd verletzt hatte. Die Klägerin führte das Pferd in den Hänger. Die Beigeladene sollte die Heckklappe schließen. Das Pferd bewegte sich jedoch zurück, sodass die Heckklappe die Beigeladene verletzte.

Die Beklagte erhielt von dem Vorfall erst durch ein Schreiben der Klägerin vom 28. November 2001 Kenntnis. Mit Bescheid vom 14. März 2002 lehnte die Badische Unfallkasse Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da es sich bei der zum Unfall führenden Tätigkeit um eine Gefälligkeitshandlung unter Reiterfreunden gehandelt habe.

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch. Die Tätigkeit der Beigeladenen gehe über eine Hilfeleistung unter Reitfreunden hinaus. Die Beigeladene habe immer beim Verladen dieses Pferdes geholfen, weil bekannt gewesen sei, dass es zum rückwärts Rennen neige.

Die Beigeladene gab an, sie habe keineswegs jedes Mal geholfen. Da die Klägerin keinen Anhänger fahren dürfe, sei diese immer auf Hilfeleistung entsprechend befugter Personen angewiesen gewesen, etwa durch den Opa, den Vater und den Freund. Sie helfe aus Freude an dem Pferdesport, wenn es ihre Freizeit zulasse. Die Klägerin entgegnete hierauf, sie hätte jemanden dafür beauftragen und bezahlen müssen, wenn die Beigeladene bei der Verladung nicht zur Verfügung gestanden hätte. Die Beigeladene entgegnete hierauf, der am Unfalltag anwesende Freund habe die Klägerin mitsamt dem Pferd in die Klinik gebracht, ohne dass er hierfür bezahlt werden musste. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der unfallbringenden Tätigkeit habe es sich um eine Gefälligkeitsleistung unter Verwandten gehandelt, die insbesondere unter Pferdebesitzern üblich sei. Dieser Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin als auch der Beigeladenen zugestellt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 25. September 2003 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe ausschließlich die seit über 20 Jahren mit Pferden vertraute Beigeladene hinzugezogen, weshalb nicht die familiären Beziehungen, sondern die besonderen Kenntnisse ausschlaggebend gewesen seien. Die Tätigkeit habe sich nicht auf das Verschließen der Anhängerklappe beschränkt, sondern auch auf das anschließende Führen des Fahrzeugs erstreckt. Demgemäß sei die Beigeladene unter Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - gestanden.

Die Beigeladene hat vorgetragen, sie habe pro Jahr ca. 10 mal die Stute Bakerstreet verladen, was etwa jeweils 5 bis 10 Minuten dauerte. Wenn sie nicht behilflich gewesen wäre, hätte die Klägerin niemanden entgeltlich damit beauftragen müssen, da sich Reiter untereinander unentgeltlich helfen würden. Ein Arbeitsmarkt für das Verladen von Pferden bestehe nicht. In der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2004 hat die Beigeladene unter anderem ausgeführt, ihre Enkelin sowie sie und ihr Mann wohnten alle in einem Haus mit sehr großem Grundstück. Die Pferde seien auf dem Grundstück gehalten worden. Jede von den Omas und ihr Vater hätten der Klägerin je ein Pferd geschenkt. Bakerstreet habe sie geschenkt, weshalb ihr Herz besonders an diesem Pferd gehangen habe. Wenn es möglich gewesen sei, sei sie deshalb mitgefahren, aber keineswegs immer. Die Pferde hätten im Wald ausgeritten werden können. Etwa alle 2 Wochen sei die Klägerin mit jeweils 2 Pferden zum Training gefahren. Bakerstreet sei im Unfalljahr etwa 5 mal Rennen gelaufen. Da die Enkelin das Pferd nie habe transportieren können, sei immer jemand von der Familie vor Ort gewesen, zumindest immer ihr Mann.

Mit Urteil vom 4. Mai 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beigeladene habe nicht unter Unfallversicherungsschutz gestanden und zwar weder gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 noch nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII oder gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 b oder Abs. 2 Satz 1 SGB VII.

Gegen das der Klägerin am 8. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat sie am 8. November 2004 Berufung eingelegt und vorgetragen, es habe Versicherungsschutz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 13 a bzw. gem. Abs. 2 Satz 1 SGB VII bestanden. Nach § 109 SGB VII könnten Personen, deren Haftung nach den § 104 bis 107 SGB VII beschränkt sei und gegen die Versicherte Schadensersatzforderungen erheben, statt der Berechtigten die Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragen oder das entsprechende Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz betreiben. Die Beigeladene habe die Klägerin vor dem Amtsgericht Oberkirch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Das Amtsgericht habe das Verfahren ausgesetzt, weshalb die Klage zulässig sei. Die Verletzung des Pferdes sei so schwerwiegend gewesen, dass eine Hilfeleistung im Unglücksfall vorgelegen habe. Die zu privaten Zwecken betriebene Pferdehaltung gelte als Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 5 a SGB VII. In dem Pferdehaltungsunternehmen der Klägerin sei die Beigeladene in Form einer "Wie-Beschäftigten" tätig gewesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2004 sowie den Bescheid vom 14. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2003 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 24. Juli 2000 um einen Arbeitsunfall der Beigeladenen gehandelt hat.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Es lasse sich nicht erkennen, dass eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit des Pferdes bestanden habe, die eine Hilfeleistung erforderlich gemacht hätte. Die Beigeladene habe auch nicht retten, sondern lediglich die Ladeluke schließen wollen. Zudem erfülle das Verbringen eines am Bein verletzten Pferdes zum Tierarzt nicht die Kriterien einer solchen Hilfeleistung. Des weiteren hätten familiäre Beziehungen sowie ein besonderes Interesse der Beigeladenen gerade an dem Pferd "Bakerstreet" bestanden, was einem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII entgegenstehe.

Die Beigeladene beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage; unabhängig hiervon liege auch ein Arbeitsunfall nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Bei dem Ereignis vom 24. Juli 2000 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall.

Die Beigeladene hat nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 a oder 5 b SGB VII unter Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Denn die Klägerin ist nicht Unternehmerin eines landwirtschaftlichen Unternehmens gewesen, weshalb die Beigeladene auch nicht darin mitarbeitende Familienangehörige sein kann. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII nimmt Bezug auf § 123 SGB VII (vgl. Kasseler Kommentar § 2 SGB VII Rdnr. 18). Die Pferdehaltung der Klägerin stellt eine Tierhaltung ohne Bodenbewirtschaftung dar, die nur dann ein landwirtschaftliches Unternehmen ist, wenn die Tiere zum Zwecke der Aufzucht, der Mast oder der Gewinnung tierischer Produkte gehalten werden (s. § 123 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII). Die ausschließlich dem Sport dienende Pferdehaltung stellt damit kein landwirtschaftliches Unternehmen dar.

Versicherungsschutz bestand auch nicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VI. Die Klägerin hat einen Unglücksfall nicht nachgewiesen. Da die Klägerin die Feststellung des Arbeitsunfalles begehrt, trägt sie die objektive Feststellungslast. Ein Unglücksfall ist eine plötzlich eintretende Situation mit einem Schaden oder seiner nahe liegenden Möglichkeit für Personen, aber auch ein erheblicher Schaden bei Tieren (vgl. Kasseler Kommentar § 2 SGB VII Rdnr. 74 m.w.N.). Die Beigeladene hat hierzu ausgeführt, dass die Verletzung - offene Wunde am Fesselkopf mit starkem Anschwellen - der Behandlung bedurft hatte und man das Pferd nicht einfach in dem Hänger habe stehen lassen können. Die Klägerin, die Eigentümerin des Pferdes ist, hat auf diesen Aspekt auch selber nicht abstellen wollen. Erst im Berufungsverfahren hat die Klägerin im Anschluss an diese Aussage der Beigeladenen und entsprechende Ausführungen im Urteil eine Hilfeleistung bei Unglücksfällen geltend gemacht, ohne jedoch die Verletzung oder die nachfolgende Behandlung näher zu beschreiben oder nachzuweisen. Hinzu kommt, dass die unfallbringende Tätigkeit nicht durch die Verletzung des Pferdes kausal herbeigeführt worden ist, sondern genau in der gleichen Weise angefallen wäre, wenn das Tier unverletzt geblieben wäre. Das Tier hätte dann zum Rücktransport nach Hause in den Hänger verbracht werden müssen.

Versicherungsschutz bestand aber auch nicht gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Voraussetzung hierfür sind: 1) die Tätigkeit hat wirtschaftlichen Wert und dient dem Unternehmen 2) die Tätigkeit entspricht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers 3) die Tätigkeit kann ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden 4) die Tätigkeit wird konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen (vgl. Kasseler Kommentar § 2 SGB VII Rdnr. 104 ff.)

Ob die Tätigkeit - es ist auf das Gesamtbild der tatsächlichen und beabsichtigten Tätigkeiten abzustellen - ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden, lässt der Senat offen. Zweifel bestehen daran, dass es nach nicht nur theoretischer Möglichkeit Personen gibt, die die Verrichtungen der Beigeladenen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses vornehmen. Zum einen müssten es Personen sein, die mit der schwierig zu handhabenden Stute Bakerstreet umgehen, d. h. auch verladen können, zum anderen müssten sie ein Kraftfahrzeug mit Anhängern fahren dürfen. Zudem müssten sie sich gerade an Renntagen, die am Wochenende stattfinden, wie auch - je nach den Bedürfnissen der Klägerin - für die Trainingseinheiten zur Verfügung stellen. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass sie unter Umständen jemanden gegen Entgelt hätte beauftragen müssen; aus der Tatsache, dass sie aber niemanden gegen Entgelt beauftragt hat, lässt sich der Schluss ziehen, dass es - jedenfalls bei der Klägerin - keinen Bedarf für eine solche Arbeitnehmertätigkeit gab. Die Beigeladene hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass es einen Arbeitsmarkt hierfür nicht gibt, zumal sich die Pferdefreunde beim Verladen gegenseitig helfen.

Die Voraussetzungen liegen aber deshalb nicht vor, weil die Tätigkeit nicht konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen worden ist, wie das SG überzeugend dargelegt hat; hierauf nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Hinzuzufügen bleibt, dass entgegen der Auffassung der Klägerin sämtliche Umstände des Einzelfalles, auch die Handlungstendenz sowie die Beziehung der Beteiligten untereinander (s. hierzu Kasseler Kommentar § 2 SGB VII Rdnr. 108 ff.) zu berücksichtigen sind. Noch stärker hinzuweisen ist darauf, dass die Verrichtungen der Beigeladenen lediglich den von der Klägerin betriebenen Hobbysport ermöglicht haben und dass das Verladen von Pferden sogar unter Pferdefreunden selbstverständlich ist sowie, dass auch andere Verwandte der Klägerin und deren Freund die gleichen Verrichtungen vorgenommen haben. Schließlich hatte die Beigeladene ein Eigeninteresse an der Enkelin, an dem von ihr geschenkten Pferd sowie an dem Pferdesport, so dass arbeitnehmerähnliche Umstände nicht vorlagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 72 Nr. 1 Gerichtskostengesetz in der Fassung ab 1. Juli 2004.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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