L 11 R 5109/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 5183/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5109/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. November 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Zahlungen aus dem ihr dem Grunde nach zuerkannten Anspruch auf Hinterbliebenenrente verlangen kann.

Die 1936 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin ist die Ehefrau des 1993 verstorbenen G. K. (G.K.). Im Dezember 1997 übersiedelte die Klägerin in die Bundesrepublik und wurde als Spätaussiedlerin nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt. Sie bezieht ab dem 01.01.1998 Altersrente für Frauen aus eigener Versicherung nach dem Fremdrentengesetz (FRG), für deren Berechnung 25 EP zugrunde gelegt wurden (Bescheid vom 26.05.1998).

Mit Bescheid vom 03.06.1998 anerkannte die Beklagte auch einen Anspruch auf Witwenrente, lehnte jedoch eine Rentenzahlung ab, weil keine EP zugrunde gelegt werden könnten. Nach § 22 b Abs. 1 FRG würden für einen Berechtigten höchstens 25 EP für FRG-Zeiten zugrunde gelegt. Dabei erfolge die Berücksichtigung dieser EP vorrangig bei der Rente aus eigener Versicherung. Die Klägerin beziehe eine Rente aus eigener Versicherung, in der bereits 25 EP enthalten seien, die auf FRG-Zeiten entfallen würden. Somit könnten bei der Witwenrente keine FRG-EP mehr angerechnet werden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Auf einen weiteren Antrag der Klägerin vom 19.05.2000 anerkannte die Beklagte noch einmal einen Anspruch auf Witwenrente, lehnte eine Rentenzahlung jedoch unter Wiederholung der bereits im Bescheid vom 03.06.1998 abgegebenen Begründung ab (Bescheid vom 20.06.2000). Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 27.04.2004 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - die Überprüfung der Hinterbliebenenrente und rückwirkende Auszahlung der Rente ab dem 01.01.1998. Sie vertrat die Auffassung, eine Begrenzung der anrechenbaren Zeiten gemäß § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG auf 25 EP finde keine Anwendung, wenn ein Begünstigter neben einem Recht aus eigener Versicherung (Altersrente) ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente (Witwenrente) habe. Die Vorschrift sei nur dann anwendbar, wenn es sich um die Festsetzung eigener Rentenansprüche des Berechtigten handele. Weder unmittelbar noch analog ergebe sich aus der Vorschrift eine Begrenzung der nach dem FRG berücksichtigungsfähigen EP auch für die Inhaber einer Hinterbliebenenrente neben einer eigenen Rente. Die Rechtslage sei seit 2001 höchstrichterlich geklärt und am 11.03.2004 vom BSG erneut bestätigt worden (s. Urteile des BSG vom 11.03.2004 - B 13 RJ 44/03 R -, - B 13 RJ 52/03 R -, - B 13 RJ 53/03 R -, B 13 RJ 56/03 R -). Im übrigen würden inzwischen auch die unteren Sozialgerichte dieser Rechtsprechung folgen. Somit habe sie neben der Gewährung ihrer Altersrente einen Anspruch auf Auszahlung der großen Witwenrente unter Zugrundelegung von bis zu 25 EP. Der Rentenfaktor von 0,6 führe dazu, dass die EP aus der Hinterbliebenenrente auf 15 EP begrenzt würden, so dass insgesamt ein Anspruch auf zwei Renten mit einer Begrenzung auf höchstens 40 EP gegeben sei.

Mit Bescheid vom 12.05.2004 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung der Hinterbliebenenrente gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab. Der BSG-Rechtssprechung, auf die sich der Überprüfungsantrag stütze, komme über den Einzelfall hinaus keine Bedeutung zu. Nach dem Gesetzeswortlaut und nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sei die Hinterbliebenenrente von der Begrenzungsregelung eindeutig erfasst. Es verbleibe bei dem Bescheid vom 20.06.2000.

Den dagegen erhobenen Widerspruch, den die Klägerin im wesentlichen damit begründete, dass höchstrichterliche Entscheidungen einfach ignoriert würden und § 22 b FRG neue Fassung (n.F.) bislang nicht in Kraft getreten und vorliegend auch nicht anwendbar sei, da die derzeitige Rechtslage unter Berücksichtigung der einschlägigen BSG-Urteile entscheidend sei und eine Anwendung von 22 b FRG n.F. gegen den Vertrauensschutz (echte Rückwirkung) verstoße, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2004 zurück. Ergänzend wurde ausgeführt, mit Artikel 9 Nr. 2 des am 26.07.2004 im Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 38 verkündeten RV-Nachhaltigkeitsgesetz habe der Gesetzgeber die Begrenzungsregelung des § 22 b Abs. 1 FRG rückwirkend zum 07.05.1996 klargestellt. Mit der neuen Formulierung stehe eindeutig und unmissverständlich fest, dass - entgegen der Auffassung des BSG - auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 EP begrenzt werde. Mit dem rückwirkenden In-Kraft-Setzen der Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber außerdem unmissverständlich zum Ausdruck bringen wollen, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an so verstanden wissen wolle. Die Ergänzung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz diene der Klarstellung der ursprünglichen Regelungsabsicht des Gesetzgebers (sogenannte authentische Interpretation) und schreibe die Auslegung dieser Vorschrift durch die Rentenversicherungsträger nunmehr im Gesetzestext fest.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit der Begründung, für die Gesamtbegrenzung ihrer eigenen Versicherung mit der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes auf 25 EP finde sich keine gesetzliche Grundlage, weder nach altem noch nach neuem Recht. § 22 b Abs. 1 FRG alte Fassung (a.F.), dessen Verfassungsmäßigkeit vorsorglich bestritten werde, sei nur dann anwendbar, wenn es sich um die Festsetzung eigener Rentenansprüche des Berechtigten handele. Die Neufassung des § 22 b FRG komme nicht zum Zuge, denn maßgebend sei das Recht, das zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs gegolten habe. Die rückwirkende In-Kraft-Setzung des § 22 b FRG n.F. sei im übrigen verfassungswidrig. Der Gesetzgeber könne nicht (rückwirkend) "klarstellend" bestimmen, wie eine Norm zu interpretieren sei. Hilfsweise und rein vorsorglich werde der Anspruch auf Hinterbliebenenrente auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gestützt. Die Beklagte habe die Bewilligung der beantragten Hinterbliebenenrente bis zur Gesetzesneufassung vorsätzlich verzögert.

Auf Anforderung des SG legte die Klägerin eine Kopie des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13.10.2004 - L 8 RJ 68/03 - vor.

Mit Urteil vom 11.11.2005 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, im Hinblick auf die Auszahlung von Sozialleistungen sei § 22 b Abs. 1 FRG n.F. anwendbar. Die neu gefasste Form bestimme, dass für anrechenbare Zeiten nach dem Gesetz für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zugrunde gelegt würden. Eine gesetzliche Bestimmung, welche die Anwendung des neuen Rechts im vorliegenden Fall ausschließen könnte, existiere nicht. Der rückwirkenden Anwendung von § 22 b FRG n.F. stehe insbesondere § 300 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht entgegen. Die Norm sei verfassungsgemäß. Sie sei sowohl mit Artikel 116 als auch mit Artikel 14 und 3 Grundgesetz (GG) vereinbar. Die echte Rückwirkung sei hier ausnahmsweise zulässig. Sie rechtfertige sich zwar nicht wegen einer "authentischen Interpretation" des früheren Rechts durch den Gesetzgeber, das Verbot der echten Rückwirkung könne hier jedoch ausnahmsweise durchbrochen werden, weil schutzwürdiges Vertrauen in den für die Betroffenen günstigen Norminhalt des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F. sich aufgrund der unklaren und verworrenen Rechtslage und der beabsichtigten Neufassung durch das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz vor dem Gesetzesbeschluss nicht habe bilden können (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2005 - B 8 KN 9/04 R -). Für eine Verletzung von Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten durch die Beklagte ergäben sich keine Anhaltspunkte.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2005 Berufung eingelegt. Sie wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, sie habe nach Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland noch auf den Fortbestand der alten Regelung vertrauen können und eine "unklare" Rechtslage habe damals offensichtlich nicht bestanden. Mit der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung werde in den entstandenen Vertrauensschutz in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise eingegriffen. Die Rechtslage sei auch nicht unklar und verworren gewesen. Würde man die Zulässigkeit der Rückwirkung bejahen, würde die Regelung an Artikel 3 GG scheitern. Sie löse eine willkürliche Ungleichbehandlung von gleich gelagerten Fällen aus. Es sei kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, dass eine Person, die den Rechtsweg beschreite, durch ein rückwirkendes Gesetz, das auch die Rechtsfolgenseite erfasse, allein dadurch benachteiligt werde, dass sie den Rechtsweg beschritten habe. Der Gesetzgeber hätte zumindest eine Übergangsregelung erlassen müssen. Außerdem liege eine Ungleichbehandlung mit "deutschen" Hinterbliebenen vor, welche eigene Beiträge zur deutschen Rentenversicherung tatsächlich geleistet hätten. Die Zeiten, die sie außerhalb der Bundesrepublik verbracht habe, stünden den deutschen Beitrags- und Beschäftigungszeiten gleich. Damit sei auch eine Gleichstellung dieser Zeiten mit in Deutschland anrechenbaren Beitragszeiten vorzunehmen. Dies ergebe sich aus der Erwägung, dass der Personenkreis der Vertriebenen gemäß Artikel 116 Abs. 1 GG ebenso zum deutschen Staatsvolk gehöre, wie der hier in Deutschland aufgewachsene Teil der deutschen Bevölkerung und das gesamte Staatsvolk zusammen solidarisch die Folgen des Krieges zu tragen habe. Aufgrund der Rückwirkung des § 22 b FRG n.F. liege auch ein Verstoß gegen Artikel 14 und 28 GG vor. Es handele sich bei ihr um von Artikel 14 geschützte Rentenansprüche, auch wenn sie keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet habe. Zumindest für die Zeit vor In-Kraft-Setzung des § 22 b FRG n.F. sei ihr Anspruch gegeben. Bis zum 31.07.2004 habe keine wirksame Rechtsgrundlage für eine Auszahlungsbegrenzung aller Rentenansprüche auf 25 EP bestanden.

Die Klägerin beantragt - teilweise sinngemäß -,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. November 2005 sowie den Bescheid vom 12. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten unter Abänderung der Bescheide vom 03. Juni 1998 und 20. Juni 2000 Hinterbliebenenrente in voller Höhe, hilfsweise auf der Basis von 15 EP, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf die bestätigenden Urteile des 8. Senats des BSG vom 21.06.2005. Auch der 5. Senats des BSG habe sich der Beurteilung des 8. Senats angeschlossen.

Der Senat hat auf die Urteile des erkennenden Senats vom 14.02.2006 - L 11 R 4681/05 -, L 11 3112/05 - und L 11 R 2794/05 - hingewiesen.

Außerdem hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht komme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Berufung, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheidet, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme eines Bescheids gemäß § 44 SGB X sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt. Darauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Für die Berechnung der Witwenrente, welche die Beklagte dem Grunde nach anerkannt hat, ist § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG i.d.F. durch Artikel 9 Nr. 2 RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 - n.F. - anzuwenden. Danach werden - rückwirkend zum 07.05.1996 - für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt. Zwar war zum Zeitpunkt der Bescheide vom 03.06.1998, 19.05.2000 und 12.05.2004 noch § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG i.d.F. des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) und ergänzt um Satz 3 durch Artikel 12 Nr. 2 des Rentenreformgesetzes 1999 - a.F. - anwendbares Recht. Hierzu hatten der 4. und 13. Senat in ihren Urteilen, auf die die Klägerin verwiesen hat, sowie der 8. Senat in seinem Urteil vom 07.07.2004 - B 8 KN 10/03 R -, bestätigt mit Urteil vom 21.06.2005 - B 8 KN 9/04 R - dargelegt, dass die Begrenzung der anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf 25 EP (§ 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG a.F.) keine Anwendung findet, wenn ein Begünstigter neben einem Recht aus eigener Versicherung ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente hat. Begründet wurde dies damit, dass der damaligen Fassung des § 22 b Abs. 1 FRG a.F. sich der Obersatz nicht entnehmen lasse, dass ein Berechtigter auch als Inhaber mehrerer Ansprüche auf Rente ausnahmslos nur die Berücksichtigung von insgesamt höchstens 25 EP begehren könne. Dieser Rechtssprechung des BSG hatte sich auch der erkennende Senat angeschlossen (vgl. Urteil vom 01.07.2003 - L 11 RJ 511/03 -).

Die unrichtige Rechtsanwendung durch die Beklagte begründet aber noch keinen Rücknahmeanspruch. Dieser ist - wie das SG in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt hat - nur gegeben, wenn auch die weitere Voraussetzung erfüllt ist, dass deswegen Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Insoweit ist die materielle Rechtslage, wie sie sich für den im Dezember 1997 entstandenen Rentenanspruch der Klägerin zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung ergibt, maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2005 - B 8 KN 9/04 R -). Für den mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgten Anspruch auf Erlass einer Rücknahmeentscheidung nach § 44 SGB X gilt nichts anderes als für eine sonstige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, bei der maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, nach welchem Recht die Begründetheit des Anspruchs zu prüfen ist, grundsätzlich die mündliche Verhandlung ist und daher Rechtsänderungen, die nach Erlass der angefochtenen Entscheidung während des anhängigen Rechtsstreit eintreten, zu beachten sind, wenn das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfasst. So liegt es hier, denn § 22 b Abs. 1 FRG a.F. ist durch Artikel 9 Nr. 2 i.V.m. Artikel 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 07.05.1996 durch eine Neufassung (§ 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F.) ersetzt worden. Das BSG hat in seinen Entscheidungen vom 21.06.2005 (B 8 KN 1/05 R, B 8 KN 4/04 R, B 8 KN 10/04 R und B 8 KN 9/04 R) denen der Senat folgt, eine Einschränkung durch § 300 Abs. 2 SGB VI verneint, wenn wie im Fall der Klägerin wegen der Rückwirkung zum 07.05.1996 der Anspruch nicht im Sinne von § 300 Abs. 2 SGB VI nach dem früheren Recht schon vor dessen Aufhebung bestanden hat. Der Rentenanspruch der Klägerin konnte erst nach dem 06.05.1996, nämlich mit ihrem Zuzug in die Bundesrepublik am 13.12.1997 entstehen.

Die Begrenzungsregelungen in § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. erachtet der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtssprechung des 8. und auch 5. Senats des BSG für verfassungsgemäß. Zwar erfasst die Neufassung den Anspruch der Klägerin vom Zeitpunkt seines Entstehens an und entfaltet damit eine verfassungsrechtlich nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässige echte Rückwirkung, die sich - worauf wiederum bereits das SG in zutreffender Weise hingewiesen hat - nicht unter dem Gesichtspunkt der "authentischen Interpretation" rechtfertigt. Die Rückwirkung wird vom 8. Senat jedoch ausnahmsweise für zulässig erachtet, weil normativer Anknüpfungspunkt für das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot die Existenz einer Vertrauensgrundlage und eine schützenswerte Vertrauensbildung ist. Daran fehlt es entgegen der Auffassung der Klägerin in ihrem Fall. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Auslegung des 4. Senats des BSG in seiner Entscheidung vom 30.08.2001 die Rentenversicherungsträger nicht folgten - sie verwiesen auf einen Einzelfall - und auch die Gerichte der unteren Instanzen schlossen sich dieser Auslegung nur teilweise an (BSG Urteil vom 21.06.2005 a.a.O. m.w.N.). Erst die Entscheidungen des 13. Senats vom 11.03.2004 - B 13 RJ 44/03 R -, - B 13 RJ 52/03 R - und - B 13 RJ 56/03 R und des 8. Senats vom 07.07.2004 - B 8 KN 10/03 R - ließen erwarten, dass es bei der Auslegung des 4. Senats bleiben werde. Bis dahin bestand eine unklare Rechtslage, bei der sich schutzwürdiges Vertrauen vor dem Gesetzesbeschluss über das RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 11.03.2004 nicht bilden konnte. Der 5. Senat des BSG hat sich in seinen Entscheidungen vom 05.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - und - B 5 RJ 39/04 R - die Beurteilung des 8. Senats zu Eigen gemacht und bestätigt, dass für die Berechnung von Witwen- bzw. Witwerrenten der nach dem 07.05.1996 nach Deutschland umgesiedelten Ehegatten § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. anzuwenden ist (vgl. Termin-Bericht Nr. 53/05). Im übrigen sind die an der Höhe der Eingliederungshilfe orientierten Rentenleistungen für neu zuziehende Spätaussiedler sowohl mit Artikel 116 als auch mit Artikel 14 und 3 GG vereinbar. Dies insbesondere auch deshalb, weil dem FRG-Anteil der Rente der Klägerin keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können, so dass sie weder eigentumsrechtlich geschützt sind noch eine Gleichbehandlung mit Rentnern, die Beiträge zur deutschen Rentenversicherung erbracht haben, zu erfolgen hat. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Rentnern, die nicht den Rechtsweg eingeschlagen haben, ist nicht erkennbar.

Hinsichtlich des Vorliegens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Auch für den Senat sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte irgendwelche Pflichten verletzt hätte.

Die Berufung der Klägerin konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch von einer Entscheidung des BSG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abgewichen wird.
Rechtskraft
Aus
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