L 12 R 5112/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1021/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 R 5112/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.10.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger Anspruch auf Auszahlung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat.

Der 1953 geborene Kläger betreibt seit 1994 als selbständiger Elektromechanikermeister einen Betrieb im Bereich Mess- und Sensortechnik und ist seither freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, wobei er nur noch Mindestbeiträge bezahlt hat.

Er beantragte im Mai 2004 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Einholung eines Gutachtens vom Juni 2004 gelangte die Beklagte zu dem Schluss, der Kläger könne noch in der letzten beruflichen Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden Arbeiten verrichten.

Auf Anfrage der Beklagten gab der Kläger an, er habe im Mai 2004 540,- Euro, im Juni 2004 1212,- Euro, im Juli 2004 1164,- Euro und im August 2004 630,- Euro sowie im September 2004 1315,- Euro erzielt und werde voraussichtlich im Oktober ca. 1800,- Euro Gewinn erzielen.

Mit dem angefochtenen Rentenbescheid vom 03.11.2004 wurde dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.05.2004 in Höhe von monatlich 496,84 Euro zuerkannt. Es wurde ausgeführt, die Rente werde ab 01.09.2004 wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze nicht gezahlt. Bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ergebe sich die Hinzuverdienstgrenze, indem die Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch 1,5 Entgeltpunkte, mit einem Vielfachen des aktuellen Rentenwertes vervielfältigt würden. Hiernach betrage die monatliche Hinzuverdienstgrenze für eine volle Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung 811,34 Euro und für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe der Hälfte 1011,23 Euro. Die maßgebliche Hinzuverdienstgrenze dürfe zweimal im Laufe eines jeden Kalenderjahres um einen Betrag bis zur Höhe der jeweils geltenden Hinzuverdienstgrenze überschritten werden.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 05.11.2004 Widerspruch ein. Die von der Beklagten angenommene Hinzuverdienstgrenze sei unrealistisch und habe mit seinem früher als Angestellten erzielten Verdienst nichts zu tun. Er bitte um eine andere Einordnung, z. B. auf der Grundlage des tatsächlichen Einkommens der letzten Jahre oder des Durchschnitts aller bisherigen Rentenzahlungen bzw. um die Anwendung einer Härtefallregelung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus, gem. § 96a Abs. I Sozialgesetzbuch (SGB) VI könne eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur dann gezahlt werden, wenn sich das Arbeitsentgelt oder das Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit oder das vergleichbare Einkommen im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Hinzuverdienstmöglichkeiten halte. Hierbei werde die Möglichkeit eingeräumt, die Hinzuverdienstgrenze zweimal im Laufe eines jeden Kalenderjahres um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze zu überschreiten. Für die Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen seien grundsätzlich sämtliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen, die für rentenrechtliche Zeiten der letzten drei Jahre vor Eintritt der jeweiligen Erwerbsminderung ermittelt würden. Die wirksam entrichteten freiwilligen Beiträge vom 01.01.2001 bis 31.12.2003 enthielten 0,4300 Entgeltpunkte. Ergäben sich bei der Feststellung der für die Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen maßgeblichen Entgeltpunkte insgesamt weniger als 1,5 Entgeltpunkte für die letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der jeweiligen Erwerbsminderung, seien bei der Errechnung der individuellen Hinzuverdienstgrenze 1,5 Entgeltpunkte zu Grunde zu legen. Dies habe die Beklagte zutreffend getan. Die Beklagte sei an die gesetzlichen Regelungen gebunden.

Mit Schreiben vom 04.04.2005, das am gleichen Tag bei dem Sozialgericht Heilbronn einging, erhob der Kläger Klage. Er wendet sich gegen die Höhe der von der Beklagten errechneten Hinzuverdienstgrenze. Bei dieser Berechnung gehe man vom Mindestbeitrag bzw. von der Hälfte eines Durchschnittsverdieners aus. Dies habe mit seinem tatsächlichen Einkommen vor Eintritt der Erwerbsminderung und auch seinem Einkommen aus seiner früheren Tätigkeit als Angestellter nicht zu tun. Es sei das tatsächlich erzielte Einkommen heranzuziehen.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.10.2005 wurde die Klage abgewiesen. Hierbei verwies das Sozialgericht auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchbescheid. Die vom Kläger bemängelte niedrige Hinzuverdienstgrenze basiere im Wesentlichen auf seinen in den Jahren 2001 bis 2003 entrichteten geringen freiwilligen Beiträgen. Eine fehlerhafte Berechnung oder falsche Gesetzesanwendung liege nicht vor.

Gegen den dem Kläger am 29.10.2005 zustellten Gerichtsbescheid legte dieser mit Schreiben vom 29.11.2005, das am gleichen Tag bei dem Landessozialgericht einging, Berufung ein. Er führte aus, er halte seinen Anspruch auf Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit aufrecht. Der freiwillig eingezahlte Betrag sei jedoch kein Maß für das tatsächlich erzielte Einkommen. Dagegen würden Pflichtversicherte einen prozentualen Beitrag von ihrem Einkommen einzahlen. Er werde somit ungleich behandelt gegenüber Pflichtbeitragszahlern, deren tatsächlich erzieltes Einkommen zur Ermittlung der Hinzuverdienstgrenze herangezogen werde. Der Kläger legte einen Steuerbescheid für das Jahr 2004 des Finanzamtes B.-B. vom 18.04.2006 vor, wonach er im Jahr 2004 28.842,- Euro Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat. Mit Schreiben vom 30.04.2006 gab er an, ein Steuerbescheid für das Jahr 2005 liege noch nicht vor. Das Jahresergebnis 2005 liege etwa gleich hoch wie 2004.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.10.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zur Auszahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.09.2004 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet.

Gemäß § 96a Abs. 1 SGB VI in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in § 96a Abs. 2 SGB VI genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach § 96a Abs. 2 SGB VI im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die in Satz 2 der Vorschrift genannten Einkünfte werden zusammengerechnet.

Gemäß § 96 a Abs. 1a SGB VI wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe oder in Höhe der Hälfte geleistet. Die Hinzuverdienstgrenzen betragen bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe das 20,7 fache und in Höhe der Hälfte das 25,8 fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 - 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten (§ 96a Abs. 2 Ziff. 1 SGB VI).

Arbeitseinkommen ist gem. § 15 Abs. 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommenssteuerrecht zu bewerten ist.

Danach ist ein Fehler bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenze des Klägers im Rentenbescheid vom 03.11.2004 nicht zu ersehen.

Der Kläger hat in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung freiwillige Beiträge in Höhe des Mindestbeitrages gezahlt. Die wirksam entrichteten freiwilligen Beiträge vom 01.01.2001 bis 31.12.2003 enthalten 0,4300 Entgeltpunkte. Die Beklagte hat daher zu Recht bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen gem. § 96a Abs. 2 Ziff. 3 SGB VI 1,5 Entgeltpunkte zu Grunde gelegt. Hieraus hat sie ohne Fehler Hinzuverdienstgrenzen von 811,34 für die Rente in voller Höhe und von 1011, 23 Euro für die Hälfte der vom Kläger bezogen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung berechnet.

Der Kläger wendet sich auch nicht gegen die Errechnung der konkreten Höhe der Hinzuverdienstgrenze. Er wendet sich dagegen, dass die Beklagte bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenze 1,5 Entgeltpunkte zugrunde gelegt hat. Er möchte eine Berechnung aufgrund des von ihm tatsächlich in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung oder des von ihm als Angestellter erzielten Einkommens. Die vom Kläger gewünschte Berechnungsweise steht jedoch im Gegensatz zu der gesetzlichen Regelung des § 96a Abs. 2 SGB VI und ist daher nicht möglich.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seit 1994 lediglich Mindestbeiträge gezahlt hat. Diese dienten ihm zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes bei Erwerbsminderung. Ohne die freiwillig bezahlten Mindestbeiträge wäre die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen der dann fehlenden versicherungsrechtlichen Vorrausetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 SGB VI) nicht möglich gewesen.

Sinn der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist die Lohnersatzfunktion bezüglich des durch die gesundheitlichen Einschränkungen verloren gegangenen Einkommens. Die Hinzuverdienstgrenzen sollen bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die Lohnersatzfunktion der Rente stärken (vergl. hierzu Gürtner, in Kasseler Kommentar, § 96a SGB VI, Rdnr. 2). Sie sind individuell auf der Grundlage des in den letzten drei Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles erzielten Einkommens zu berechnen. Dieses Einkommen entspricht am ehesten dem durch den Eintritt der Erwerbsminderung verlorenen Einkommen.

Bei der Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen ist jedoch nicht jedwedes Einkommen, sondern - wie auch bei der Berechnung der Rentenhöhe - grundsätzlich lediglich das Einkommen, für das der Versicherte auch Beiträge entrichtet hat, heranzuziehen. Maßgeblich ist hier nicht das Einkommen des gesamten Erwerbslebens, sondern der letzten drei Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung. Da der Kläger hier lediglich Mindestbeiträge gezahlt hat, und somit auch nur in Höhe dieses Minimums zur Versichertengemeinschaft beitragen hat, ist es folgerichtig, dass sich die Hinzuverdienstgrenzen auch nur an diesem (versicherten) Einkommen orientieren. Dies gilt in gleichem Maße für Pflichtversicherte, bei denen ebenfalls nur der Verdienst in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung herangezogen wird. Auch dieser kann - möglicherweise auch aufgrund der der Erwerbsminderung zu Grunde liegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen - erheblich niedriger ausfallen, als das in den Jahren zuvor erzielte Einkommen. Im Übrigen muss beachtet werden, dass der Kläger in den letzten drei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung lediglich freiwillige Beiträge entsprechend 0,4300 Entgeltpunkten entrichtet hat. Die Hinzuverdienstgrenze wird jedoch im Hinblick auf § 96a Abs. 2 SGB VI mit mindestens 1,5 Entgeltpunkten berechnet. Bei der Errechnung der Hinzuverdienstgrenzen wird somit ein wesentlich höheres Einkommen berücksichtigt, als es der Beitragsleistung des Klägers in den drei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung entspricht.

Bei der Gegenüberstellung des tatsächlich erzielten Hinzuverdienst mit der Hinzuverdienstgrenze ging die Beklagte von den Angaben des Klägers vom 17.10.2004, wonach er im September 2004 ein Einkommen von 1.315,- Euro und im Oktober 2004 von voraussichtlich 1800,- Euro erzielen werde, was beides über der Hinzuverdienstgrenze liegt.

Der Kläger hat gemäß Steuerbescheid vom 18.04.2006 im Jahr 2004 28.842,- Euro Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuert und auch nach seinen Angaben in den Monaten September bis Dezember 2004 zwischen 1315,- Euro und 2542,- Euro verdient, so dass er im Jahr 2004 ab dem Monat September stets ein Einkommen erzielt hat, das über der Hinzuverdienstgrenze lag. In Hinblick auf seinen Vortrag, dass das Jahresergebnis im Jahr 2005 in der gleichen Größenordnung wie im Jahr 2004 lag, ist davon auszugehen, dass das vom Kläger tatsächlich erzielte Arbeitseinkommen auch 2005 über der Hinzuverdienstgrenze lag. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass bei einem Selbständigen, bei dem das Arbeitseinkommen in der Regel nur jährlich anhand des Steuerbescheides feststellbar ist, in der Regel der Nachweis von Einkommen Monat für Monat und somit die Möglichkeit des zweimaligen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze, nicht gegeben ist (vergl. hierzu Urteil des BSG vom 03.05.2005, Az.: B 13 RJ 8/04 R). Der Kläger macht nicht geltend, dass sein Einkommen im Jahr 2006 abgesunken sei. Der Senat geht daher davon aus, dass das Einkommen des Klägers bis zur mündlichen Verhandlung über der Hinzuverdienstgrenze lag. Somit bestand ab September 2004 kein Anspruch auf Auszahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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