L 1 KR 15/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 318/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 15/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu er-statten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die plastisch-chirurgische Be-handlung einer Lipomatose.

Die 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit Schreiben vom 29.04.2001 beantragte sie die Übernahme der Kosten für fettreduzierende operative Maß-nahmen bei extremer Lipomatose im Bereich des Abdomens, des Gesäßes und der Ober-schenkel. Dem Antrag lag ein Attest der Chefärztin der Abteilung für Plastische Chirurgie des Krankenhauses S ... D ..., Dr. W1 ..., vom 24.04.2001 bei. Danach habe sich bei der Klägerin als Folge einer langjährigen Kortisontherapie bei Asthma bronchiale eine extreme Lipomatose mit Verlust der Hautelastizität im Bereich des Abdomens, des Gesäßes und der Oberschenkel ausgebildet. Oberkörper und Extremitäten seien schlank und stünden in krassem Gegensatz zu den Problemzonen. Abgesehen davon, dass das Ge-wicht der Fettansammlungen die Klägerin behindere, stelle die Deformierung für sie auch ein großes psychisches Problem dar. Eine Harmonisierung der Figur könne nur auf opera-tivem Weg erreicht werden.

Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung der Klägerin durch Dipl.-Med. R1 ... vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dieser stellte in seinem Gutachten vom 31.05.2001 die Diagnose einer lokalisierten Adipositas. Bei der Klägerin sei es infol-ge einer langjährigen Kortisontherapie wegen Asthma bronchiale zu einer Lipomatose im Bereich Gesäß, Bauch und Oberschenkel gekommen. Der geplante Eingriff müsse jedoch als kosmetisch korrigierend angesehen werden.

Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2001 die Kos-tenübernahme einer fettreduzierenden operativen Maßnahme ab. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 17.06.2001 machte die Klägerin gel-tend, es gehe um keine Fettreduktion, sondern um die Entfernung überschüssigen und de-fekten Bindegewebes an den Innenseiten der Oberschenkel und am Bauch; dabei müssten Fettzellen nur mit entfernt werden. Es sei eine Indikation schon gegeben, da sie sich die Oberschenkel immer aufreibe, wenn sie keine Hosen oder Strumpfhosen trage; bei war-mem Wetter sei das mehr als störend und unzumutbar. Sie leide psychisch sehr, gehe nicht mehr baden und schwimmen. Auch in ihrer Ehe habe sie zu leiden, so dass diese gefährdet sei.

Der MDK (Dr. M1 ...) riet in einem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 26.06.2001 weiterhin von einer Kostenübernahme ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es lägen bei der Klägerin zwar gewisse Disproportionen vor, die aber nicht als erheblich von der Norm abweichend oder als entstellend bezeichnet werden könnten; sie hätten damit keinen Krankheitswert. Sofern die Ehe auf Grund des Äußeren der Klägerin gefährdet sei, könne und dürfe nicht das Skalpell das Mittel der Wahl sein. Dieses Problem müsse mit einer psychotherapeutischen Behandlung angegangen werden.

Am 21.08.2001 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin die begehrte plastisch-chirurgische Behandlung stationär durch Dr. W1 ... durchführen lassen: - Am 21.01.2002 sind im Krankenhaus S ... D ... durch eine Liposuktion an Gesäß und Oberschenkel 4.000 ml Fettgewebe abgesaugt worden. - Im selben Krankenhaus ist am 08.04.2002 eine Liposuktion der Oberschenkel mit Absaugung weiterer 1.300 ml Fettgewebe und eine mediale Oberschenkelstraffung erfolgt. - Am 06.03.2003 ist im J ...-Krankenhaus D ... nach Absaugung weiterer 850 ml Fettgewebe eine Abdominalplastik mit Resektion eines Gewebeüberschus-ses von 800 g vorgenommen worden. - Am 08.04.2004 sind im Klinikum P ... bei einer Absaugung der Restlipomatose im Bereich des Rückens, der Taille, des Gesäßes und der lateralen Oberschenkel 1.800 ml Fettgewebe entfernt worden. Der Klägerin sind für die erste Operation 2.100,00 EUR, für die zweite Operation 2.300,00 EUR, für die dritte Operation 2.500,00 EUR und für die vierte Operation 1.500,00 EUR vom jeweiligen Krankenhaus in Rechnung gestellt worden.

Dem SG haben vorgelegen: - ein Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. H1 ... vom 10.12.2001; - ein Befundbericht des Orthopäden Dr. K1 ... vom 28.01.2002; - ein (weiteres) Attest von Dr. W1 ... vom 20.06.2002; - nach Aktenlage erstattete Gutachten des MDK (Dr. M1 ...) vom 13.02.2002 und vom 12.07.2002; - Epikrisen des Krankenhauses S ... D ... (Dr. W1 ...) über die Operationen vom 21.01.2002 und 08.04.2002; - Fotos der Klägerin, die vor und nach der ersten Operation sowie nach der zweiten Operation aufgenommen worden sind.

Ferner hat das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten bei dem Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie und Rehabilitationswesen Dr. W2 ... eingeholt. Dieser hat in seinem auf die Untersuchung der Klägerin am 28.02.2003 – also vor der dritten Operation – gestützten Gutachten ausgeführt, die Fettan-sammlung im Oberschenkelbereich (gluteal-femorale oder "Reithosenfettsucht") besitze insoweit Krankheitswert, als sie funktionell störe und zum Scheuern der Oberschenkel füh-re sowie die möglicherweise kortikoidbedingte Hauterschlaffung noch verstärke. Die ab-dominale Fettansammlung könnte durch die langfristige Kortikoidtherapie entstanden sein. Die Beendigung einer solchen Behandlung führe zur Rückbildung der Fettansammlungen, allerdings bei Verlust der Hautelastizität. Die Anhäufung von Fettgewebe im Gluteal-Femoralbereich unterliege völlig anderen biochemischen Regularien. Dieses Fettdepot stehe unter dem Einfluss der weiblichen Sexualhormone. Eine langfristige Hormonbehand-lung bei Endometriose – wie bei der Klägerin geschehen – könnte zur Häufung von Fett-gewebe in diesem Bereich führen. Diese Fettansammlungen seien kaum diätetisch und deshalb in aller Regel nur plastisch-chirurgisch (Liposuktion, Resektion) angehbar. Die körperlichen Funktionen seien zumindest durch das Scheuern der Oberschenkel beein-trächtigt. Die Operationen seien erforderlich gewesen, um die krankheitsbedingten Sym-ptome der Fettansammlung im Bereich der Oberschenkel zu beheben. Erheblich von der Norm abweichende Körpermaße hätten nicht vorgelegen. Es habe insgesamt lediglich ein Übergewicht bestanden, aber eine regionale Adipositas.

Mit Urteil vom 17.12.2004 hat das SG die auf die Erstattung von 8.400,00 EUR für die zwi-schenzeitlich durchgeführten plastisch-chirurgischen Behandlungen umgestellte Klage abgewiesen. Bei der Klägerin läge hinsichtlich der möglicherweise kortisoninduzierten regionalen Adipositas mit Lipomatose keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Kran-kenversicherung vor. Das Erscheinungsbild der Klägerin sei bereits vor den Eingriffen durch die Gewebeansammlungen nicht entstellt gewesen. Insoweit komme es nur auf die Alltagserscheinung mit Kleidung an. Keinen Maßstab biete auch das frühere Aussehen der Klägerin, bevor ihr Körper im Zusammenhang mit der Kortison- und Hormontherapie das überschüssige Gewebe einzulagern begonnen habe. Die Klägerin werde nicht durch das Ausmaß der Diskrepanz zu ihrem früheren Aussehen oder den Unterschied zwischen den stärker und den weniger betroffenen Körperpartien entstellt. Bekleidet lasse sich gerade wegen der lediglich regionalen Ansammlungen kein wesentlicher Unterschied im Ver-gleich mit anderen Frauen von pyknischem Körperbau feststellen. Unter einer Haut- bzw. Fettschürze habe sie nicht leiden müssen. Bauch und Schenkel seien auch funktional ohne Befund. Eine Ausnahme stelle insoweit lediglich der behauptete Intertrigo (Wolf) an den Oberschenkelinnenseiten dar. Dass der Gutachter Dr. W2 ... insoweit von einem krank-heitswertigen Befund ausgehe, sei im Ergebnis jedoch ohne Belang, weil diese Beschwer-den keinen chirurgischen Eingriff rechtfertigten. Das Reiben trete am unbekleideten Bein auf. Das Tragen von Hosen auch bei warmem Wetter sei aber zumutbar. Psychische Be-schwerden, die aus einer möglicherweise unzureichenden Verarbeitung der Divergenz zwi-schen dem früheren Aussehen und dem tatsächlichen Erscheinungsbild resultierten, hätten außer Betracht zu bleiben. Sie müssten mit den Mitteln der Psychiatrie bzw. Psychothera-pie angegangen werden. Ebenso wenig habe die Krankenversicherung für eine Gefährdung der Ehe einzustehen. Wenn ein Ehepartner nicht bereit sei, das Aussehen des anderen so zu akzeptieren, wie es sei, dann liege deshalb keine Krankheit, sondern ein ehelicher Konflikt vor, der nicht durch eine Operation ausgeräumt werden könne. Ob die Gewebeansamm-lungen durch Kortison- und Hormontherapie ausgelöst und damit selbst mittelbare Krank-heitsfolgen seien, könne dahingestellt bleiben, weil ihre Entstehung für die Frage, ob eine Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts vorliege, nicht von Bedeutung sei. Im Ergebnis handele es sich um kosmetische Operationen, zu denen sich die Klägerin in eige-ner Verantwortung entschlossen habe. Für die damit verbundenen Kosten habe die Versi-chertengemeinschaft nicht aufzukommen.

Mit ihrer am 11.02.2005 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, maßgeblich für die Frage, ob ein Körper entstellt sei, könne keinesfalls ausschließlich der Anblick im bekleideten Zustand sein. Im Übrigen komme es auch nicht allein auf die entstellende Wirkung an, da bereits für das Gesäß und die Innen-seiten der Oberschenkel eine Funktionseinschränkung vorliege. An diesem Befund ändere auch die Empfehlung, Hosen zu tragen, nichts. Das SG habe das Gutachten von Dr. W2 ... unzutreffend verwertet. Gerade eine regional begrenzte Adipositas (Fettansammlung) sei Beweis für eine krankhafte Verteilungsstörung ohne mögliche Einflussnahme. Hierbei dür-fe ihr – der Klägerin – früheres Aussehen keine Rolle spielen, entscheidend sei allein der aktuelle Befund. Dieser habe ebenso wie die Folgen der regionalen Adipositas Krank-heitswert. Ob die Gewebeansammlungen durch die Kortison- und Hormontherapie ausge-löst und damit selbst mittelbare Krankheitsfolgen seien, könne gerade nicht dahingestellt bleiben, da hier ein krankhafter Befund vorgelegen habe und deshalb auch die Entste-hungsgeschichte eine Rolle spiele. Der Gutachter Dr. W2 ... gehe von einem krankheits-wertigen Befund aus. Dies bestätige eine notwendige und erstattungsfähige Krankheitsbe-handlung. Es sei falsch, dennoch von einer kosmetischen Behandlung auszugehen. In meh-reren medizinischen Attesten/Gutachten sei nachgewiesen worden, dass ein – wenn auch regional beschränkter – regelwidriger Körperzustand vorgelegen habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. August 2001 zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.400,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil vollumfänglich an.

Dem Senat haben Fotos der Klägerin, die vor der dritten sowie vor und nach der vierten Operation aufgenommen wurden, die Krankenakten des Krankenhauses S ... D ... , des J ...-Krankenhauses D ... sowie des Klinikums P ... über die stationären Aufenthalte der Klägerin im Januar 2002, April 2002, März 2003 und April 2004, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 13.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.08.2001 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen An-spruch auf Erstattung der Kosten für die im Januar 2002, April 2002, März 2003 und April 2004 stationär durchgeführten Operationen zur plastisch-chirurgischen Behandlung ihrer Lipomatose mit Liposuktion an Bauch, Taille, Gesäß und Oberschenkeln sowie Bauchde-ckenplastik und Oberschenkelstraffung.

Als Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs kommt nur § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht, nachdem die Klägerin sich die in Rede stehende Behandlung auf eigene Kosten selbst beschafft hat. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat eine Krankenkasse nur dann Kosten für eine vom Versicherten selbstbe-schaffte Leistung zu erstatten, wenn sie die Kosten dadurch verursacht hat, dass sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringt oder eine Leistung zu Unrecht abge-lehnt hat. Die selbstbeschaffte Behandlung muss infolgedessen zu den Leistungen gehören, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R - BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 1, jeweils Rn. 10; Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22 S. 101 f., 104; Urteil vom 24.09.1996 - 1 RK 33/95 - BSGE 79, 125, 126 f. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11). Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V scheitert hier jedoch, weil auch ein (primärer) Sach- und Dienstleistungsanspruch auf eine Liposuktion mit Bauchdeckenplastik und Oberschenkelstraffung nicht besteht.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 SGB V). Unter der "Krankheit", die die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversi-cherung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V voraussetzt, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen ab-weichender Körper- oder Geisteszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (siehe nur BSG, Ur-teil vom 10.05.2005 - B 1 KR 25/03 R - SozR 4-2500 § 34 Nr. 2 Rn. 7; Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - BSGE 93, 252 = 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils Rn. 4; Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 1, jeweils Rn. 4; Urteil vom 30.09.1999 - B 8 KN 9/98 KR R - BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 11; Urteil vom 10.02.1993 - 1 RK 14/92 - BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr. 14).

Bei der Klägerin lagen vor der hier streitigen plastisch-chirurgischen Behandlung eine Li-pomatose, d.h. eine Fettgewebehyperplasie, vor allem im Bereich des Gesäßes, aber auch im Bereich des Bauches und der Oberschenkel vor; darüber hinaus waren die Bauchdecken schlaff und die Hautelastizität auch in den anderen Bereichen eingeschränkt. Dies ergibt sich aus dem Attest von Dr. W1 ... vom 24.04.2001, dem MDK-Gutachten von Dipl-Med. R1 ... vom 31.05.2001 und dem Befund der Eingangsuntersuchung vor der ers-ten Operation vom 21.01.2002. Dr. W1 ..., die sämtliche Operationen bei der Klägerin durchgeführt hat, berichtete in ihrem Attest vom 24.04.2001 von einer extremen Lipomato-se und einem Verlust der Hautelastizität im Bereich des Abdomens, des Gesäßes und der Oberschenkel. Bei einer Körpergröße von 150 cm und einem Gewicht von 59 kg seien Oberkörper und Extremitäten schlank und stünden in krassem Gegensatz zu den Problem-zonen. Dipl.-Med. R1 ... diagnostizierte in seinem nach Untersuchung der Klägerin erstat-teten Gutachten vom 31.05.2001 eine lokalisierte Adipositas und beschrieb diese als Li-pomatose im Bereich Gesäß, Bauch und Oberschenkel. Am auffälligsten sei die Gesäßre-gion; die Bachdecken seien schlaff, jedoch ohne deutlichen Bauchdeckenüberhang. Bei einer Oberweite von 93 cm und einem Hüftumfang von 104 cm sowie einer Körpergröße von 146 cm und einem Gewicht von 59,3 kg bestehe eine gewisse Disproportion. Bei der Eingangsuntersuchung vor der ersten Operation vom 21.01.2002 erhob Dr. W1 ... folgenden Befund: im Bereich des Abdomens eine leichte Fettschürze, im Bereich des Ge-säßes eine ausgeprägte Lipomatose sowie insgesamt eine deutliche Diskrepanz zwischen schmalem Oberkörper und lipomatösem Unterkörper; das maximale Gewicht habe 74 kg betragen, jetzt liege es bei 61,7 kg. Dieses Bild wird von Dr. W2 ... in seinem aufgrund Untersuchung am 28.02.2003 erstatteten Gutachten bestätigt. Die Untersuchung hat zwar erst nach der zweiten Operation stattgefunden. Doch konnte Dr. W2 ... unter Zuhilfenah-me der ihm vorliegenden medizinischen Unterlagen bei der Klägerin eine Fettansammlung und Hautfalten im Bauchbereich sowie eine Reithosenfettsucht im Bereich der Oberschen-kel beschreiben. Bei einer Körpergröße von 147 cm, einem Gewicht von 60 kg und einem Body Mass Index (BMI) von 27,8 liege zwar Übergewicht, aber keine Adipositas vor. Weil das Fettgewebe nicht gleichmäßig über den gesamten Körper verteilt war, sondern sich an Bauch und Oberschenkeln konzentrierte, sprach Dr. W2 ... von einer regionalen Adiposi-tas. Außerdem berichtete er von einem Scheuern der Oberschenkel aufgrund der Reitho-senfettsucht.

Damit lag bei der Klägerin keine körperliche Anomalität vor, die als Krankheit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung zu werten wäre. Nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit kommt Krankheitswert im Rechtssinne zu. Die Rechtsprechung hat die-se Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - BSGE 93, 252 = 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils Rn. 5; Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 11/04 R - BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 4, jeweils Rn. 16; Urteil vom 09.06.1998 - B 1 KR 18/96 R - BSGE 82, 158, 163 f. = SozR 3-2500 § 39 Nr. 5). Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt.

Zunächst kommt dem Übergewicht, an dem die Klägerin vor den Operationen litt – und das durch die Operationen nicht wesentlich gesenkt werden konnte (nach den Krankenak-ten der Krankenhäuser betrug ihr Gewicht vor der ersten Operation 61,7 kg, vor der zwei-ten Operation 59,5 kg, vor der dritten Operation 60 kg und vor der vierten Operation 64 kg) –, kein Krankheitswert zu. Das Übergewicht war nicht so ausgeprägt, dass eine Adipo-sitas vorgelegen hätte. Ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt, ist in der Medizin umstritten. Einigkeit besteht aber darüber, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen ab einem BMI von 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsre-duktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen, wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungs-apparates und bösartigen Neubildungen besteht (näher dazu BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 1 Rn. 5 m.w.N.). Bei der Kläge-rin hat ein derart starkes Übergewicht aber gerade nicht vorgelegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Dipl.-Med. R1 ... in dem MDK-Gutachten vom 31.05.2001 von einer lokalisierten Adipositas und Dr. W2 ... in seinem aufgrund Untersuchung am 28.02.2003 erstatteten Gutachten von einer regionalisierten Adipositas gesprochen haben. Damit haben sie lediglich darauf hingewiesen, dass sich die Fettansammlungen nicht über den ganzen Körper gleichmäßig verteilten, sondern auf bestimmte Bereiche – nämlich Ge-säß, Bauch und Oberschenkel – konzentrierten. Um eine Adipositas im eigentlichen Sinne mit ihrer Gefahr von Begleit- und Folgeerkrankungen handelte es sich dabei nicht. Eine derartige lokale bzw. regionale Fettansammlung hat für sich allein keinen Krankheitswert. Von internistischen oder orthopädischen Folgeerkrankungen bei der Klägerin ist in den Berichten der behandelnden Ärzte nicht die Rede. Der Orthopäde Dr. K1 ... hat im Gegen-teil mitgeteilt, dass zu der bestehenden Lipomatose aus orthopädischer Sicht nichts zu be-merken sei.

Dem Körperzustand der Klägerin kam auch nicht insoweit Krankheitswert zu, als die Li-pomatose an den Oberschenkeln (Reithosenfettsucht) zu einem Scheuern (Wolf) führte. Zwar hat Dr. W2 ... die Fettansammlung im Oberschenkelbereich – die mit der zweiten Operation und damit vor der Begutachtung entfernt worden war – aufgrund des Scheuerns mit den entsprechenden Folgen als funktionell störend bezeichnet. Damit ist aber noch nicht besagt, dass diesem Teil der Fettansammlungen im Rechtssinne Krankheitswert zu-kommt. Denn dies könnte nur dann der Fall sein, wenn auch Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen hätte. Dies war aber nicht der Fall. Weder Dr. W2 ... noch die behandelnden Ärzte haben festgestellt, dass vor den Operationen wegen des Wolfs dermatologisch eine Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Der Auffassung von Dr. W2 ... kann daher nicht gefolgt werden, dass die Operationen erforderlich gewesen seien, um die krankheits-bedingten Symptome der Fettansammlung im Bereich der Oberschenkel zu beheben. Hin-zu kommt: Nach den eigenen Angaben der Klägerin bereitete ihr der Wolf nur dann Prob-leme, wenn sie keine Hosen oder Strumpfhosen trug. Da das Reiben nur am unbekleideten Bein auftrat, bedurfte der Wolf keiner Behandlung. Vielmehr war es der Klägerin zumut-bar, Hosen zu tragen – und zwar auch bei schönem Wetter. Warum der Klägerin das Tra-gen geeigneter Kleidung unzumutbar gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen könnte das Reiben an den Oberschenkelinnenseiten ohnehin nur eine Behandlung der be-troffenen Körperpartien und nicht die gesamte durchgeführte plastisch-chirurgische Be-handlung rechtfertigen.

Die Klägerin war auch nicht wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzu-sehen. Die Rechtsprechung hat eine Entstellung bisher lediglich bei körperlichen Auffäl-ligkeiten angenommen, die sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen gleichsam "im Vorbeigehen" bemerkbar machen (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - BSGE 93, 252 = 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils Rn. 6 m.w.N.). Zu Recht hat das SG deshalb die Alltagserscheinung mit Kleidung als entscheidend bezeichnet. Der Ein-wand der Klägerin, für die Frage, ob ein Körper entstellt sei, könne keinesfalls ausschließ-lich der Anblick im bekleideten Zustand sein, greift nicht durch. Die Disproportionen, die die Klägerin vor den Operationen aufwies, weil sich die Fettansammlungen auf Bauch, Gesäß und Oberschenkel konzentrierten, hatten keine entstellende Wirkung. Die vorgeleg-ten Fotos geben nur den halb bekleideten Zustand wieder. Wird daraus auf den bekleideten Zustand geschlossen, so wies die Klägerin wegen der lediglich regionalen Fettansammlun-gen keinen wesentlichen Unterschied gegenüber anderen Frauen von pyknischem Körper-bau auf. Das äußere Erscheinungsbild der Klägerin mag zwar nicht dem durch die Wer-bung in den Medien vermittelten Idealbild eines schönen Körpers entsprochen haben, es wirkte aber weder erschreckend noch abstoßend.

Die von der Klägerin geltend gemachte und vom Allgemeinmediziner Dr. H1 ... erwähn-te psychische Belastung durch die Disproportionen rechtfertigt keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung, selbst wenn die Belastung Krankheits-wert gehabt haben sollte. Die Krankenkasse muss den Versicherten nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das seiner Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz dem Versicherten zu, teilweise selbst für seine Gesundheit zu sorgen (§ 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Auch deshalb verneint die Rechtsprechung einen Leistungsanspruch auf Heilbe-handlung in Form körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch einen regel-widrigen Körperzustand veranlasst werden (BSG, Urteil vom 09.06.1998 - B 1 KR 18/96 R - BSGE 82, 158, 163 f. = SozR 3-2500 § 39 Nr. 5). Damit wertet sie Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beein-flussen sollen, nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V und weist derarti-ge Maßnahmen der Eigenverantwortung des Versicherten zu (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - BSGE 93, 252 = 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils Rn. 9). Operati-onen am gesunden Körper bedürfen gerade wegen der mit ihnen verbundenen Risiken ei-ner besonderen Rechtfertigung, weil damit nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen wird, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden soll (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 1, jeweils Rn 6). Eine solche Rechtfertigung hat das BSG für Operationen am gesunden Körper zur Behe-bung von psychischen Störungen völlig zu Recht verneint (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - BSGE 93, 252 = 4-2500 § 27 Nr. 3, jeweils Rn. 9; Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 1, jeweils Rn 6). Soweit schließlich die Klägerin darauf hinweist, dass die Fettansammlungen Folgen einer Kortison- und Hormonbehandlung seien, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Nach dem Gutachten von Dr. W2 ... kann die abdominale Fettansammlung durch die langfristi-ge Kortikoidtherapie und die Anhäufung von Fettgewebe im Gluteal-Femoralbereich durch die langfristige Hormonbehandlung bei Endometriose entstanden sein. Selbst wenn davon ausgegangen wird, führt dies nicht dazu, dass die Klägerin einen Anspruch auf plastisch-chirurgische Entfernung der Fettansammlungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversi-cherung hätte. Denn selbst wenn die Fettansammlungen als mittelbare Krankheitsfolgen angesehen werden, haben sie deshalb nicht Krankheitswert. Ebenso wie es in der gesetzli-chen Krankenversicherung für den Versicherungsschutz grundsätzlich nicht darauf an-kommt, wodurch eine Krankheit verursacht wurde (Ausnahme § 52 SGB V), spielt es um-gekehrt für den Krankheitswert eines Körper- oder Geisteszustandes keine Rolle, wie die-ser entstanden ist. Für sich betrachtet waren die Fettansammlungen der Klägerin jedoch – wie bereits ausgeführt wurde – nicht krankheitswertig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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